Donnerstag, 24. Juli 2008

406.

Sitzung der EinSatzLeitung

Leitung: Die Chefin
Protokoll: Der Demokratiebeauftragte

Tagesordnung:
1. Mitteilung der Ergebnisse der Umstrukturierung
2. Verschiedenes

Vor dem eigentlichen Protokoll sei bemerkt:

Die Sitzung fällt extrem kurz aus. Es sieht aus, als wäre allen alles unangenehm. Wir, die Beauftragten für Ruhe, Ordnung und innere Harmonie in der EinSatzLeitung, haben alle Hände voll zu tun, segensreich und still nach innen zu wirken. Denn die EinSatzKräfte wollen wissen, was an diesem Tage draußen in der Welt los ist, da ein messianisches Fieber die Menschen in Berlin ergriffen zu haben scheint. Ein Präsidentschaftskandidat scheint sich eine Menge zuzutrauen und allen Erwartungsdruck der Welt einfach auszuhalten. Zum Dank macht man häßliche Witze, mit denen man ihn selbst im biederen zweiten deutschen Fernsehen schon mal als Zielgesicht in einem Fadenkreuz abbildet. Wie ernst soll man so etwas nehmen? Die EinSatzKräfte finden es überwiegend bedenklich, manche schlimmer, andere nicht ganz so schlimm. Aber noch ist in der großen Öffentlichkeit die Zeit des begeisterten Furors, und an solchen kleinen Spots kann man sehen, worauf der Furor jedenfalls selbst zielt – oder was doch auch in ihm enthalten zu sein scheint, wenn das schon als Witz in so einem Massensender nach vorne gebracht werden kann, als Schlußpunkt und Telos gleichsam des großen Ereignisses, das heute abend erwartet wird. Die EinSatzKräfte schütteln sämtlich ihre ideologiekritischen Köpfe und denken an die verschiedenen Richtungen, die das nehmen kann, was Sigmund Freud in Massenpsychologie und Ich-Analyse so schön beschrieben hat. Sie wünschen nun vor allem, daß aus der Begeisterung recht bald und ohne Zwischenfälle eine möglichst gute Politik wird, und daß die Dame, der wir hier alle Kandidatur und Präsidentshcaft gewünscht hatten, auch weiter große Gelegenheiten haben und große Dinge tun kann. Aber heute ist die Stunde des deutschen Massenauflaufs um die Siegessäule herum, und doch müssen wir hier unsere ganz gewöhnliche Sitzung abhalten. Vor Sitzungsbeginn aber schwatzen alle durcheinander, der Sicherheitsbeauftragte mit seiner Expertise ist gefragt, visionär gibt sich der klitzekleine Forschungsminister, und der ehemalige Chef läßt ausrichten, daß alles halb so aufregend sei. Mürrisch und tief skeptisch abseits hält sich die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse, während der Minderheitler mit den grünen Borsten außer Rand und Band ist vor Begeisterung, was man von ihm so doch nicht erwartet hätte.
Unbeirrt von allem diesem betritt die Chefin gelassenen Gesichts den Raum und beendet das Spektakel.
Frisch sagt sie: Ich werde Sie heute nicht groß strapazieren, wir haben in den vergangenen Wochen hart gearbeitet an unserer Umstrukturierung, die nicht nur durch den Wechsel in der Führungsspitze, sondern auch durch die Krise in der Abteilung Öffentlichkeit notwendig wurden.

Kommen wir also zu TOP 1:

Die Stellen sind einstweilen wie folgt besetzt:
1.1. Der stille Theologe, der uns lange Zeit nur lose assoziiert war, hat es relativ schnell zum Demokratiebeauftragten gebracht. Er hat sich dafür einfach durch beharrlich ausgleichendes Naturell und große Fortbildungsbereitschft qualifiziert. Allgemeine Akklamation. Der Protokollant muß es zu Protokoll nehmen, obwohl selbst betroffen und bedankt sich in der Sitzung, nun aber auch noch einmal in dieser Form für die Ehre und verspricht, stets sein Bestes zu tun.
1.2. In der Abteilung Öffentlichkeit arbeitet zukünftig die bisherige Assistentin Ö in Leitungsfunktion. Ihr zur Hand geht in der Hälfte seiner Arbeitszeit der bisherige Praktikant. Aufgrund einer Doppelfunktion wird er zukünftig „Oberassistent“ heißen. Allgemeine Akklamation, standing ovations für die neue Leiterin der Abteilung Öffentlichkeit. Diese verspricht errötend, sich auch weiterhin voll einzusetzen für das öffentliche Standing der Institution. Auch der Oberassistent bedankt sich für das Vertrauen und für die lang ersehnte Festanstellung mit offiziellem Titel.
1.3. Der bisherige Leiter der Abteilung Öffentlichkeit ist nunmehr Projektentwickler und arbeitet als solcher eng mit der Buchhaltung zusammen. Diese ungewöhnliche Konstruktion bedarf der Erläuterung, da man Projektentwicklung üblicherweise im Kreativbereich ansiedeln würde. Da die Kreativabteilung aber vollkommen autark zu bleiben hat, müssen Entwicklung und Buchhaltung eben kombiniert werden. Das wird der Effizienzsteigerung zugute kommen, die nicht wirklich eine Stärke der Kreativabteilung sei und einfach auch nicht in ihre Zuständigkeit falle. Die andere Hälfte seiner Kapazitäten wird der Oberassistent für Zuarbeiten zu diesem Bereich zur Verfügung stellen. Der Beifall ist erst ein wenig zögerlich, schwingt sich aber noch zu akzeptablem Maße auf.
1.4. Unverändert bleiben also Kreativabteilung und Sicherheitsbereich. Für das Vorzimmer der Chefin soll eine neue Kraft engagiert werden, sobald Mittel hierfür erwirtschaftet werden können. Dies ist nach Auskunft des Buchhalters einstweilen nicht der Fall. Die Chefin bittet solange den Minderheitler mit den grünen Borsten und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse, in Zeiten der AußenEinSätze von Karomütze abwechselnd Dienst im Eingangsbereich zu tun, so daß unerwünschte Besuche wie der des Herrn Pestvogel künftig nur noch angemeldet und in Absprache empfangen werden können. Ebenfalls unangefochten in seiner Freiheit, zwischen allen Abteilungen beratend und korrigierend hin und her zu gehen, bleibt der klitzekleine Forschungsminister. Daß die Warte ihre jeweiligen Aufgaben extern weiter wahrnehmen, ist ohnehin klar.
Abschließend wünscht die Chefin allen eine gute Zeit der Erprobung dieses neuen Modells.

TOP 2
Niemand möchte sich mit irgendeiner Verschiedenheit aufhalten. Man geht lustlos noch ein wenig an die Arbeit und erwartet weiter mit Spannung die Ereignisse des Abends in der Hauptstadt.

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