Freitag, 31. Juli 2009

779.

Der erzählende Kranich war as good as his word und eine liebe treue Seele ohnehin, weshalb er auch umstandslos den für die, wie er sagte, Braachvoogelijgkeit nicht erziehbaren kleinen Brachvogel mit sich auf seinen Weg nahm, ihn dann und wann hoch über den kaum sichtbaren kleinen Wolken leise verwickelnd in ein Lehrgespräch über die Kunst, Dinge in der Schwebe zu lassen, welche in denen Literaturen wohl an der Stelle und am Platze sei, in werkelijken Kommunikationen aber durchaus erheblichen Schaden anrichten könne, er betone, KÖNNE, und der möwenäugige kleine Brachvogel, der schon im Fluge etwas Mühe hatte, den Schwüngen des erzählenden Kranichs zu folgen, wie nun erst recht seinen un-narrativen Ausführungen, in welchen der alte Flieger den Kwaliteitswart zu imitieren schien, gerade so, als fürchte er sich vor der Begegnung mit diesem am meisten, wurde immer müder und unaufmerksamer; als aber der Kranich sah, wie die Möwenaugen des Kleinen sich allmählich röteten und seine Flügelschläge immer kleiner und hektischer wurden, beschloß er, an einem Weiher eine kleine Pause zu machen, in welcher der kleine Brachvogel, nachdem er sich ein wenig erfrischt hatte im nicht sehr kühlen Wasser, sogleich wieder munter plappernd erzählte, man habe versucht, seinen Vater zu einem Brachvogelführer auszubilden, es schließlich aber aufgegeben, denn sein Vater schon habe den unbedingten Willen zu führen vermissen lassen, woraufhin denn seine Mutter ihn getröstet habe mit der Bemerkung, sie würde - ichweißichweiß, sagte der erzählende Kranich, der allmählich ungeduldig wurde, denn mußte man nicht weiterweiter, ich weiß, sagte er also, sie würde sich allenfalls von jemandem führen lassen, der das nicht unbedingt wolle - ach so, sagte der kleine Brachvogel, Sie kennen die Geschichte schon, und gibt es eigentlich Geschichten, die Sie noch nicht kennen, oder kennen Sie alle Geschichten, und wenn ja, wie lernt man das denn?

Donnerstag, 30. Juli 2009

778.

Na, was steht in der Zeitung, fragte das Kind, und die Chefin sagte, man wünschte sich etwas mehr Sommerloch, besonders in Deutschland sieht es stattdessen aus wie die immerselbe Berichterstattung zur Erzeugung der immerselben sinnlosen Kämpfe, bei denen alles hübsch bunt aussieht, nur eines wirklich immer klar ist: wenn eine Spitzenpolitikerin einer bestimmten Partei, mit der ich immer wieder bis zum nächsten derartigen Zwischenfall sympathisiert habe, mit unlauteren und unsauberen Mitteln aus dem Amt gefegt wird, scheint das in dieser Partei trotz einiger brauchbarer Anläufe wirklich niemand ernsthaft aufhalten zu wollen, und sie legte die Zeitung beiseite und sagte, oder hast du eine bessere Erklärung für diese unsägliche Affäre, mit der sie jetzt diese Ministerin klein gekriegt haben, und das Kind sagte, jetzt fang bloß noch an mit "Breitensport," die Frauen sollen mehr kämpfen und weniger jammern, sagte das Kind, dann wird es was, und die Chefin sagte, das habe ich früher auch mal geglaubt, Eigenverantwortung usw., ich wünsche dir ja ernsthaft, daß du viele damit oder auf eine andere Weise durchkommen siehst, und lange, diese Ministerin hat immer gekämpft und nicht gejammert, ist viel angefeindet worden und hat gute Arbeit geleistet, viele andere haben es auch so gehalten, aber solange eine noch glaubt, auch nur irgendeinen Rückhalt innerhalb auch nur der eigenen Partei und des eigenen Ministeriums zu haben, wird sie nichts machen können, da kann sie noch so gut kämpfen, und das Kind sagte, willst du jetzt gegen Vertrauen reden, und die Chefin sagte, nur für die Politik, da muß man viel dafür reden, aber haben sollte man es besser nicht, überleg dir ernsthaft, ob du wirklich da hin willst, und wenn du da hin willst, guck dir genau an, wie in der Partei, für die du dich entscheiden willst, mit Frauen umgegangen wird, das ist nicht überall gleich, da verdrehte das Kind die Augen.

Mittwoch, 29. Juli 2009

777.

Als der erzählende Kranich sah, daß er tatsächlich im Begriffe war, bei EinSatz Numero 777 loszufliegen (warum sagst du nicht auffliegen, intervenierte Karomütze, das wäre so schön doppeldeutig, eben, sagte die Kreativleitung, zu doppeldeutig, und seit wann duzen wir uns?), schaute er an sich herunter, schaute auf den kleinen Brachvogel, der ihm nicht von der Seite wich, und sagte, wenn du immer ein Bein anziehst, oder wenn wir deine Beine gleich umeinander wickeln und gemeinsam ein wenig mit den Flügeln schlagen, dann können wir nach der Landung eigens für den Buchhalter die Zahl 777 als lebendes Bild darstellen, wollen wir das mal probieren?

Dienstag, 28. Juli 2009

776.

Was will der denn jetzt noch hier, maulte der Oberassistent, als er hörte, der erzählende Kranich wolle kommen und womöglich noch einen kleinen Brachvogel mitbringen, wir haben doch wirklich schon genug eitles Gefieder im Stall - wenn's das mal wäre, sagte der Demokratiebeauftragte, aber wenn der Kranich da war, kannst du die Kreativleitung nach ihrer Meinung zur Auszeichnung von Aung San Suu Kyi fragen, und schon wird sie dir irgendwas erzählen, was noch die blöden Generäle verständlich macht, zum Glück gehen die dann, wenn der da ist, wenigstens nicht zur Chefin, sieh es doch mal so.

Montag, 27. Juli 2009

775.

Am Montag gieng (muß sein, nur heute mal, gieng) die Chefin mit sorgenvoller Miene in ihr Büro, denn was sie genau für die Gefangenen im Iran tun könnte, wußte sie ebensowenig wie ein Mittel, in den absurden Prozeß gegen die von ihr besonders verehrte Dame in Birma einzugreifen, immer nur diese hilflosen Appelle, manchmal war ihr das einfach zu wenig, diese bodenlose Frechheit, diese Gemeinheit, daß eine Frau verteidigt werden muß wie eine Verbrecherin, weil sie die Auflagen einer verbrecherischen Freiheitsberaubung angeblich nicht erfüllt hat, manchmal erstickt man doch an so etwas, wenn man nicht - mancher würde sagen "man müßte mal auf den Tisch hauen," lachte sie, straffte sich und begann, den elenden Aktenberg auf dem elenden Schreibtisch zu bearbeiten, verdrossen.

Sonntag, 26. Juli 2009

774.

Mr. Precuneus war bereits in der ersten Woche seines Aufenthaltes von der Wohnung des Sicherheitsbeauftragten in das Gästezimmer des ehemaligen Chefs gezogen, in dessen Häuslichkeit er sich gleich recht wohl befand, reizende Leute, dachte er immer wieder, wenn er in seinem Zimmer war, und fing an, seinen Aufenthalt zu genießen; als Karomütze am Sonntag gemeinsam mit der Chefin, der Kreativleitung und einem außerordentlich friedlichen Mo sich zum Brunch auf der Veranda dieses Hauses einfand, bekam er geradezu Jovialitätsanfälle vor Erleichterung und fand sich bereit, dem jungen Mann aus dem dunklen Kontinente, den vor allem die Gattin des ehemaligen Chefs bereits völlig adoptiert zu haben schien, zu erläutern, was hier gehe und was nicht, zum Beispiel, sagte er, in dem Entwurf von gestern steht etwas von "Pfeffer für den Mandanten" im Zusammenhang mit der Idee von einem "entmilitarisierten Palästinenserstaat," das geht nicht, das kriegen hier alle in falsche Hälse, und zwar schneller als Sie den Mund wieder zu haben, bevor das draußen ist, haben Sie schon Ärger, aber wieso, fragte Precuneus, es wird doch jeder wissen, daß staatliche Autorität sich nun einmal auf ein Gewaltmonopol stützen muß, und daß also keiner einen Staat aufbauen kann, dem die Bürger nicht glauben, daß er wenigstens den Versuch machen würde, sie auch gegen seine Nachbarn notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen, und so etwas nennen wir nun einmal Militär, und wer einen Staat will, wird ihn eine Streitmacht aufbauen lassen müssen, ja wer einen Staat will, sagte der ehemalige Chef, das wollen ja alle, aber die Frage ist doch für die Leute da unten, womit fangen sie an, wenn das ein Staat sein soll, der nicht im Militär nun gleich das Wichtigste sieht, und Karomütze sagte, einer, der so redet wie Precuneus, das ist eben die Sache, der wird gar nicht erst gefragt, was er für die Frage hält, sondern der fällt hier sofort in die Fallen des Sicherheits-Checks, hat er Ihnen erzählt, wie schlapp seine Prüfungen waren, bevor er in die Sicherheit übernommen wurde, da lachte der ehemalige Chef, legte Karomütze endlich mal wieder seine schwere weiche Hand auf die Schulter und sagte, jetzt kommen Sie ihm nur noch mit Bananenrepublik, dann fliegen hier wahrscheinlich gleich die Tassen, aber Precuneus, der soeben der Gattin des ehemaligen Chefs die zweite Tasse Tee einschenkte, lächelte nur gutmütig zu den beiden hinüber und glaubte, etwas besser zu verstehen.

Samstag, 25. Juli 2009

773.

Dame Ö verbrachte das Wochenende zuhause mit ordnenden und kreativen Tätigkeiten, versah ihre Pflanzen und kümmerte sich noch um dies und das, bei sich die Frage erwägend, wie sich denn wohl des Mr. Precuneus' Hinzutreten mittelfristig auswirken werde, bis sie sich schließlich von diesem allem losriss und irgendeine Zeitung zur Hand nahm, als interessierte sie das.

Freitag, 24. Juli 2009

772.

Als die Kreativleitung, welche sich nach der precuneischen Unterredung noch einmal selbst auch der vegetativen Erholung ihrer alten Freundin, der Chefin, versichert hatte, wieder in ihr Büro kam, traf sie dort Dame Ö und Mo in heftigem Streite: Mo hatte soeben in wildem Gestikulieren etwas Honig an den Spitzenkragen der Dame Ö geschmiert, was diese als empfindlichste Störung ihres ansonsten doch durchaus robusten Gleichgewichts anzusehen schien, und die Kreativleitung sagte, ich verziehe mich dann mal ins Assistentinnenzimmer, denn wissen Sie, mir ist gerade aufgefallen, daß wir den armen Karomütze, indem wir ihm die dauerhaft hochdosierte Anerkennung vorenthielten, behandelt haben, wie man es üblicherweise nur Frauen zumutet, während wir Sie, meine liebe Dame Ö, behandeln, als wären Sie ein junger Bursche, der noch irgendwelcher Bremsungen und Beschmadderungen bedürfe, um seine Allmachtsallüren zu verlieren, obwohl Sie doch naturaliter dergleichen niemals gehabt haben können, beides scheint mir ganz falsch zu sein, die Chefin hat mich da auf etwas gebracht, oder war es dieser Precuneus, ich will einmal eine kleine Farbenkorrektur vornehmen, es wäre aber außerordentlich liebreizend, wenn Sie es mir dann in eine anständige Form brächten, meinen Sie wohl, daß Sie ... sie ist doof, sie ist doof, schrie das Mo, und hüpfte verdrossen vom Rande des Tellers, auf dem es gesessen hatte, wickelte sich in einen kleinen Schal und verkroch sich auf sein Fell.

Donnerstag, 23. Juli 2009

771.

He was cool indeed, that Mr. Precuneus, always groovy and smart looking, somehow, und als er das Büro der Chefin betrat, sah er sich breit lächelnd um, als wäre er der künftige Chef des Hauses, welcher sich nun gnädig und einladend zugleich herabbeuge zu dieser Dame, die im Grunde doch ersehne, von ihrer Führungsaufgabe wieder entlastet zu sein - eine Idee, die Precuneus, nachdem die Chefin ihm in französischer Sprache angeboten hatte, Platz zu nehmen, immer noch gleichsam als ein Hätschelkind im Schoße hielt, bis er bemerkte, daß diese blasse Person soeben dabei war, ihm einige Aufträge zu erteilen, von denen er sich ein wenig irritiert fühlte.

Mittwoch, 22. Juli 2009

770.

Ungerührt von Sonnenfinsternissen und anderen Großereignissen, unbesorgt ebenfalls um das neue Gerangel der Herrenriege in der EinSatzLeitung, besorgt allenfalls wegen gewisser EinSätze in der Welt, machten sich Dame Ö und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse auf, um einen der kleinen Gründe für die Veränderung der Mehrheitsverhältnisse in der EinSatzLeitung bei seinem Abendzeremoniell zu beobachten, wobei die Dame Ö fand, es würden doch entschieden zu wenige Knaben Eugen genannt, dabei, wenn Sie es recht bedenken, ist Eugen doch wirklich ein schöner Name, überboten allenfalls durch den Namen Leberecht, und heimlich freute sie sich darüber, daß die allgemeinste Verteidigung und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse gemeinsam die Augen rollten und daß das kleine Wesen so hübsch lachte, Name wird später bekannt gegeben.

Dienstag, 21. Juli 2009

769.

Nicht nur Karomütze fand Mr. Precuneus bereits nach wenigen Tagen überschätzt und schwer erträglich, auch der Kwaliteitswart wurde allmählich nervös, weil immer nur von diesem Precuneus die Rede war, das geht doch nicht.

Montag, 20. Juli 2009

768.

Es war nun an der Zeit, daß der neue Abgesandte der Welt, Mr. Precuneus, auch bei der Chefin vorstellig wurde, eine Sache, die Karomütze energischst vorantrieb, denn zwar hatte er den Neuen schließlich doch beherbergt (nicht ohne seine Globensammlung zuvor einzuschließen) und sich auch gefreut, daß der sich Sonntags einfach selbständig gemacht hatte, aber insgesamt ging ihm dieser Typ mit seiner scheinbar unerbittlichen Heiterkeit gewaltig auf den Zeiger; als Precuneus dann aus seinem Koffer noch einen leichten schilfgrünen Anzug hervorzog, welchen er seelenruhig, um nicht zu sagen selbstgefällig mit einem dunkelblauen Hemd und einem gelben Schlips kombinierte, dazu gelbe Schuhe über karierten Socken, und als Karomütze bei diesem Anblick die Zahnbürste entfiel, da lachte Precuneus breit, haute den jungen Mann auf die Schulter und sagte, na was, glauben Sie nicht, daß ich der Chefin so gefallen werde, vielleicht leihen Sie mir eine von Ihren Mützen, vielleicht geht es dann, und Karomütze sagte, alles klar, alles klar, nehmen Sie diese, nur schnell aus dem Haus!

Sonntag, 19. Juli 2009

767.

Mr. Precuneus, after having poured some seven cups of coffee on top of his jet-lag, decided to stroll his new environment in order to get the very important first impression; he walked a long way through the comparatively empty streets of Berlin until he ended up - in utter distress - at a corner, Modersohnstraße/ Revalstraße, where dogs ran free.

Samstag, 18. Juli 2009

766.

Bleigrauer Himmel schmiegte sich in diesem Juli immer wieder an schwitzende Erde, und es war erstaunlich, wie ausgerechnet das Mo sich darüber am wenigsten beklagte, denn alle anderen hatten über den verregneten und kühlschwülen Sommer nicht viel Gutes zu vermelden, sie unterhielten sich freilich bestens damit, einander ihre Beschwerden zuzurufen.

Freitag, 17. Juli 2009

765.B

Im Laufe des Nachmittages wurde Karomütze mit seinem schwarzen Alfa Romeo zum Flughafen geschickt, wo er im Auftrag der EinSatzLeitung den lange angekündigten und auf der Kommentarebene auch schon einmal selbst zur Sprache gekommenen Mr. Precuneus abholen sollte. Man hatte Karomütze intensiv ermahnt, dem neuen Mann nicht seine ruppigste Fahrweise zuzumuten, aber Karomütze war entschlossen, sich an so bescheuerte Ratschläge nun wirklich nicht zu halten. Schließlich mußte diesem möglicherweise gefährlichen Neuling erst einmal klargemacht werden, wo hierzulande die Wahnsinnigen stecken und wo die Vernünftigen, und der Straßenverkehr jedenfalls, das war mal sicher, der gehörte den Wahnsinnigen.
Man hatte Mo beauftragt, dem neuen Mann ein Schild zu malen, auf dem stehen sollte: Welcome Mr. Precuneus. Das Mo hatte es auch recht hübsch zuwege gebracht. Karomütze hatte sich von der Kreativleitung sagen lassen, wenn er ihn wirklich ärgern wolle, müsse er das Wort Precuneus wie folgt variieren: Prätorius (Dorfschulze), Präpotentius (junger Mann unter 14), Performanus (duchgeknallter Mantiker, und was ist ein Mantiker, hatte Karomütze gefragt, ungefähr sowas wie ein Haruspex, hatte die Kreativleitung gesagt, und damit war dieser Teil der Fragestunde beendet, denn noch so einen wollte Karo nun nicht, und die Kreativleitung war schon dunkelgrün), Peträus (General vor Kundus, war er jedenfalls mal, oder?), Petroleum (Brennstoff für altmodische Lampen), Prekarius (Inhaber eines Lehrstuhls für gehobenes Präkariat), Präputium usw. Und Karomütze hatte alles wieder vergessen, fast mit Absicht, denn er dachte, wenn ich mir noch aufschreibe, was nicht geht, sag ich es extra. Dann stand er in der Halle und hielt sein Schild hoch, kam der sich beknackt vor bei dieser Arbeit. Irgendwann kam einer auf ihn zu, sah aus wie ein etwas schlaksiger Ghanaer mit in der Mitte einem Kugelbauch und weit auseinanderstehenden Zähnen, und sagte jovial, hallo, danke für das schöne Schild, aber sagen Sie mal, ist denn die EinSatzLeitung ein Kindergarten? Da-das nicht gerade, stammelte Karomütze, aber wir haben ein Mo, hat man Ihnen das nicht gesagt. Nein, sagte der Mann, hat man nicht, also nicht, daß das ein Kind ist. Es ist auch nicht eigentlich ein Kind, sagte Karomütze und fragte sich, wie er abwenden könne, daß dieser Typ in seiner Wohnung und zwischen seinen Globen schlief, das ging irgendwie nicht, einen Hirnie hatte er ja erwartet, aber doch nicht so eine durchgeknallte Trainingsfigur. Mo heißen bei uns die älteren Brüder, sagte Precuneus da, und man ehrt sie. Aha, sagte Karomütze, seinen rechten Mundwinkel sauber leckend, irgendsoein Krümel war da hängen geblieben, peinlich peinlich, das rettete ihn nun vor einem schäbigen Grinsen, dann ehren Sie unser Mo mal schön, grummelte er, über seine eigene Zunge stolpernd. Gern, sagte Precuneus, und schaute ihn aus großen runden Augen sehr und sehr fragend an.
Dann überlegte Karo, wie er Precuneus die Sache mit dem Bad und mit den Rauchmeldern erklären sollte. Er fing vorsichtig an: Sie arbeiten schon lange im Sicherheitsbereich? 12 Jahre, sagte Precuneus knapp. Bevor Sie anfingen, wie hat man Sie da getestet, fragte Karo. Getestet? Niemand hat mich getestet. Ich habe mich beworben, ein paar body-checks gemacht, ein paar Fragen beantwortet, mich einverstanden erklärt mit Befragungen meiner Angehörigen, das wars. Erstaunlich, sagte Karomütze, bei uns machen sie es anders. Bei uns bauen sie in Rauchmelder und Wasserzähler kleine Kameras und Mikrophone ein, verwanzen deinen Computer und geben sich auch sonst viel Mühe. Die Augen von Precuneus wurden größer und runder, er fragte: Sind Sie sicher? Woher haben Sie die Information? Erschlossen, sagte Karomütze, messerscharf erschlossen, wissen Sie, ich sammele alle Daten, die man nur kriegen kann, und setze sie zum schlimmsten möglichen Szenario zusammen. Wenn ich dann auf alles geschickt reagieren kann, dann mache ich mir einen Strich auf meiner Liste. Ich führe so eine Liste, wissen Sie. Precuneus begann, sich sehr zu interessieren, beschloß aber, sicherheitshalber auch mal im Pschyrembel unter seelischen Erkrankungen nachzuschauen. Während Karomütze gerade seine eigene Stoßstange mit einem Mund und die Stoßstange eines roten Opels vor ihm mit dem Mund der Fahrerin zu verwechseln schien, sehnte sich Precuneus schon nach der Weisheit seiner Mami im Benin (er war nämlich nicht aus Ghana). Die hätte doch gewußt, was man mit so einem Typen machen müsse.
Karomütze plapperte munter weiter. Ich verlange also von mir eine geschickte Reaktion auf Kameras in Rauchmeldern usw. Man muß fit sein. Ich habe übrigens bei anderen, aber das dürfen Sie niemandem verraten, auch schon welche in die Rauchmelder gesetzt, und ebenso in die Wasserzähler. Bei mir sind solche Sachen deswegen sämtlich mo-like dekoriert, hübsch bunt beklebt, verstehen Sie? Mein Computer hat drei Passwortsperren und sowieso einen Firewall. Usw. Precuneus fühlte ein jet-lag, und als sie an der EinSatzLeitung angekommen waren, erwachte er nicht einmal von Karos Flüchen beim Einparken.

765.

Neuerdings - seit er von der Erkrankung der Chefin gehört hatte - litt der ehemalige Chef unter Schlafstörungen, und regelmäßig erschienen ihm im Traume die Gesichter von Menschen, deren Leben er und seine Parteifreunde in der Absicht, sie für den politischen Dienst zu rekrutieren, systematisch, wie ihm heute schien, zerstört hatten, die Gesichter hielten ihm immer seinen früheren Leitspruch "Jeder ist seines Glückes Schmied" vor und grinsten anklagend zu seiner schwitzenden Schlaflosigkeit, er versuchte dann, sich zu rechtfertigen und sagte, bei manchen hat ein bestimmtes Rezept hervorragend funktioniert, bei anderen hat es sich eben leider katastrophisch ausgewirkt, bis hin zur Entwicklung tödlicher Krankheiten, und in einem Falle schließlich - so sagte er sich, wenn er dann gesichterlos und wach auf seinem Bette saß - war ihm aufgegangen, daß bereits gezielte Gespräche, in denen man, anstatt aus dem Off zu prüfen, einfach mal gesagt hätte, was man von der Person wolle, eine Klarheit geschaffen hätten, durch welche die weitere Entwicklung in ihrem schrecklichen Verlauf hätte aufgehalten werden können, und er grämte sich so, daß er zuweilen nicht einmal vor den immer noch gelegentlich auftauchenden Gästen mehr sein "Gesicht des nachdenklichen Elder Statesman" recht zustande brachte, stattdessen brach er gerade bei diesen Besuchen immer häufiger in regelrecht missionarisches Eifern aus, sobald einer sprach wie seine ehemaligen Apparatschiks, vom Schleifen und Pressen und Ecken Abschlagen, und sagte, so dürft ihr mit Menschen nicht umgehen, bedenkt, daß ihre Zeit läuft, und daß es oft die Besten sind, die sich diesen Maßnahmen indigniert und mit für sie selbst furchtbaren Nebenwirkungen widersetzen, und erst wenn er das gesagt hatte, kehrte jene Selbstzufriedenheit wieder in sein Gesicht zurück, welche sich außer aus dem Bewußtsein, eine gute Tat vollbracht zu haben, wohl auch aus dem kleinen Triumph dessen speist, der sich vor langem schon als zäh genug erwiesen hat, noch ganz anderes zu überleben.

Donnerstag, 16. Juli 2009

764.

Völlig außer Atem kam der Buchhalter noch einmal ins Büro, es ist ja noch kein EinSatz da, und die Chefin immer noch nicht wieder fit und die in der Kreativabteilung, die haben ja heute zur Herstellung des Abteilungsfrieden einen Betriebsausflug bis in die Nacht gemacht, und ich muß es jetzt wieder richten, typisch!

Mittwoch, 15. Juli 2009

763.

Sitzung der EinSatzLeitung (Sommerbesetzung, keine offizielle Tagesordnung, der Zurufcharakter der Sitzung wird vorab festgestellt und gebilligt, Protokoll Oberassistent)

In einer kurzfristig einberufenen und gleichsam behelfsmäßigen Sitzung, an welcher die Chefin nicht teilnehmen konnte, da sie sich noch immer nicht wohl befand und in ernste Sorgen hinsichtlich ihres gesundheitlichen Gesamtzustandes verfallen war, gab der Demokratiebeauftragte als ihr Stellvertreter offiziell bekannt, daß in Zukunft Herr Precuneus der EinSatzLeitung mit Rat und Tat zur Seite stehen werde, denn nun, da irreparable Fehlentscheidungen der Gegner der EinSatzLeitung ausgebadet würden, während gleichzeitig zwei der weiblichen EinSatzKräfte mit ihrem Nachwuchs beschäftigt seien, habe man entschieden, auf diese Begleitung zurückzugreifen. Herr Precuneus sei wohl als ein guter Taktiker bekannt, auch als ein unbeugsamer Verteidiger von Menschenrechten und Menschenwürde und sogar als ein kompromißbereiter und langfristig denkender Verhandler, allerdings nicht als jemand, der rührselig verkitschenden Modellen und primitiven oder technokratischen Harmonisierungen zuneige. Er gelte auch nicht als jemand, der Menschen nicht zur Verantwortung ziehe für illegale und menschenrechtsaverse Maßnahmen. Die Chefin erhoffe sich viel von seinem EinSatz und werde solange sie könne die Entwicklung aktiv mitgestalten. Man werde ferner sehen, wie die Kooperation sich entwickle, insbesondere Karomütze, der an gar zu vielen Fronten habe kämpfen müssen, werde hoffentlich ein wenig Entlastung erfahren, und die Kreativabteilung sollte sich etwas größerer Sicherheit erfreuen dürfen.

Es wird eine Empörungserklärung wegen der Erschießung der Estemirowa abgegeben und eine Aufforderung zu energischen Nachforschungen, des weiteren eine Beileidserklärung an die Angehörigen der Opfer der Flugkatastophe und eine Mahnung zur Freilassung aller wegen menschenrechtlicher und demokratiefördernder Aktivitäten einsitzenden Menschen erneuert, Proteste mauliger EinSatzKräfte, die die Unbestimmtheit der Forderungen beklagen, werden vom Demokratiebeauftragten übergangen, Anmerkungen des Kwaliteitswarts über die Rolle der Dame Ö in der Kreativabteilung an die Gremien verwiesen, das sei bitte intern zu klären.

Sodann wünschen die EinSatzKräfte einander einen schönen Sommer, der Chefin gute Besserung, den jungen Müttern viel Freude mit ihren Kinderchen, und dann verabschieden sie sich vom offiziellen Sitzungswesen bis zur Nr. 790.

Dienstag, 14. Juli 2009

762.

Die Sitzung, die Sitzung, sagte die Chefin, als sie, sich nur sehr mühsam in ihren Knochen bewegend, die Kreativleitung zur Tür geleitete, ja, die schaffen wir vielleicht morgen, nachdem ich nun verstanden habe, wo es euch drückt, die Kreativleitung versprach, die alte Freundin abzuholen; an der Tür sagte sie noch, der Demokratiebeauftragte werde schon alles vorbereitet haben, er sei immer besonders emsig, wenn er seine Stellvertreterfunktion wirklich einmal auszufüllen habe, und dabei behalte er durchaus etwas wie einen ganz guten Humor, man könne ganz gut mit ihm arbeiten, und die Chefin sagte, solange er nicht übertreibt, soll es mir recht sein, schloß die Tür und hinkte wieder ihrem Sofa zu, wo noch eine schöne Lektüre auf sie wartete, dazu kommt man doch nicht, wenn man nicht mal krank wird, aber Urlaub hätte mir besser gefallen, seufzte sie, und war schon eingeschlafen.

Montag, 13. Juli 2009

761.

Die Chefin, der am Montagmorgen immer noch alle Knochen weh taten, ließ die Sitzung der EinSatzLeitung verschieben auf den folgenden Tag und hörte sich am Telefon mit mühseliger Konzentration den Bericht der Dame Ö über einen jener Wochenendanrufe an, von welchen gerade der Wochenenddienst der EinSatzLeitung immer wieder belästigt wurde, seit man der EinSatzLeitung Unterlagen entwendet hatte, diesmal sei es eine dünnstimmige weibliche Person gewesen, deren zwischen Koketterie und Eiferei zu lästigstem Effekte oszillierende Stimme diesen Robin Hood zu einem Instrument der Gerechtigkeit verklärt und die unsäglichsten Geschichten über seine Opfer mit noch am Telefon hörbar sich zuspitzender Nase "vorgetragen" habe, eine unerträgliche Peinlichkeit, schnaubte Dame Ö, nur noch überboten von der Penetranz, mit der sie sich nach der werten Gesundheit der Chefin erkundigt habe, und ernst werdend sagte sie, wir werden früher oder später um eine energische Verstärkung unserer Truppen nicht herumkommen, natürlich kann man sich, wenn solche Leute eingesetzt werden, noch darauf verlassen, daß die EinSatzKräfte selbst nicht affiziert werden, jedenfalls nicht von dem Gedankenschrott, der da zum Besten gegeben wird, aber die Belastung der rein physischen Kräfte und der materiellen Kapazitäten durch den sich ballenden und organisierenden Unsinn, obwohl man doch diesen selbsternannten Rächern der Enterbten seit Jahr und Tag und zu seinerzeit noch weit besseren Bedingungen Verhandlungen angeboten habe, die sei mittlerweile ein wenig bedenklich, natürlich habe sie - wie immer in solchen Fällen, egal, wer da gerade auftauche, um entweder seine schleimigen Dienste oder seine hilfreichen Worte oder seine angeblich alten Rechte oder die zur Vernichtung individuellen Lebens und Ausschaltung der Menschenwürde berechtigende Bedeutung seiner großen Sache anbiete, indem er zugleich alles, was real getan werde, schlecht mache - gefragt, warum denn dieser Robin Hood nicht einfach vorstellig werde und sein Anliegen in angemessener Weise formuliere, worauf von diesem Stimmchen doch tatsächlich der wohlbekannte "Gewaltreport" als Hinderungsgrund und letzte Ausrede vorgebracht worden, also in der EinSatzLeitung sei man Robin Hood mit Gewalt begegnet, und stellen Sie sich vor, sagte sie, es soll tatsächlich die Kreativleitung selbst gewesen sein, die diesem Robin Hood und seinen Kumpanen Gewalt angetan habe, nicht etwa der ehemalige Chef oder so jemand, und die Chefin sagte, ja, das sagen die ja dann immer, undurchsichtiges Manöver durchaus, wer sollte wohl sowas durchschauen, erstaunlich, wie weit sie damit an manchen Stellen kommen, und sie schlug der Dame Ö vor, die Dinge mit dem Demokratiebeauftragten zu besprechen und äußerte die Hoffnung, morgen vielleicht wieder in bürotauglicher Verfassung und fit für eine Sitzung zu sein, andernfalls müsse auch die Sitzung mit dem Demokratiebauftragten als Stellvertreter erfolgen, mit freundlichen Grüßen, ich hoffe, wenigstens dem geht es gut, und sie verabschiedete sich.

Sonntag, 12. Juli 2009

760.

Wieso fallen die Sitzungstagsnummern eigentlich so oft auf Sonn- und Feiertage, hatte am frühen Morgen eine sehr erschöpfte Chefin gefragt, und weder das Kind noch sonst irgendwer im weiten Raume war imstande, diese tief- und abgründige Frage zu beantworten, so daß die Chefin sich, während ihr Kind der Freundin am Telefon sagte, she looks a bit retarded today, auf die andere Seite gedreht hatte, um den Rest des Tages durchzuschlafen, einmal erwachte sie noch und sagte, ach, ruf doch bitte den Neuen, diesen Mr. Presduneus, an und teile ihm mit, daß wir den Ausfall der heutigen Sitzung ihm anzulasten gedenken, und das Kind griff mit rollenden Augen zum zweiten Hörer, zwei Telefonate gleichzeitig, kein Problem für dieses Kind, gerade Sonntags nicht, auch dann nicht, wenn es genau in diesem Moment an der Tür klingelt und einer von den Sicherheitstypen sagt, wir wollen bitte Kaffee und dann auch noch sagen, daß Karomütze bitte keine Konkurrenz bekommen soll durch diesen Praecundus oder wie der heißt, eher soll der Kumpel von der GSG 9 - okay, sagte das Kind, ich richte es aus, wenn Sie mir vielleicht den Precuneus mal an den Apparat schicken würden, man weiß ja nie, wo der sich rumtreibt, und der Sicherheitstyp versprachs ihr in die Tasse, man werde ihn schon finden, wenn es sein müsse.

Samstag, 11. Juli 2009

759.

Was ist loos hier, fragte der Kwaliteitswart, als er am Samstagmorgen das Kreativbüro stürmte, wer arbeitet hier am Samstag, und woran, und die Kreativleitung, kaum grün, lächelte erfreut und sagte, wir spielen mit dem Gedanken, unseren Aktionsradius zu erweitern und als "Mr. Precuneus" an ausgewählten beliebigen Stellen des Internets so etwas wie verbale Graffitos zu hinterlassen, was halten Sie von der Idee, da war der Kwaliteitswart sprachlos.

Freitag, 10. Juli 2009

758.

Wenn die allgemeinste Verteidigung ihr Kindchen herumtrug, geriet ihr alles zu einem Liedchen, und mochte sie auch oft müde sein und sich freuen, wenn der Vater dieses Kindchens gelegentlich vorbei kam und ihr etwas Arbeit abnahm, sie war doch ganz zufrieden, und wenn er sagte, du lebst in Mühe und Armut, warum heiratest du mich nicht und wir ziehen zusammen, dann schickte sie ihn lieber wieder weg, denn ihm zu sagen, daß sie nicht aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen gezwungen sein wollte, ihn halten zu wollen, das wäre sinnlos, er würde es nicht verstehen, er hatte ja alles, und schließlich fanden sich andere Frauen doch auch damit ab und nannten es Liebe.

Donnerstag, 9. Juli 2009

757.

Wie lange ich das schon nicht mehr gehört habe, daß jemand "ach Gottchen" sagt, lachte die Dame Ö, bevor sie der Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse einfach recht gab in der Beobachtung, daß die Frechheit, mit der nun auch schon in Moskau menschenrechts- und kunstfreiheitsaverse (so sagte die das) Kräfte sich unter den Kutten der Religion verbergen, in stetigem Wachsen begriffen sei, und gemeinsam fanden sie, es sei Zeit für eine konzertierte Aktion der Kulturschaffenden und der Kulturgenießenden, eine große Debatte über die elementare Bedeutung von Kunst- und Meinungsfreiheit loszutreten, jawohl, jawohl, sekundierte der Demokratiebeauftragte, und wer soll es machen?

Mittwoch, 8. Juli 2009

756.

Jetzt wollen sie sie schon hinrichten, sagte die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse, als sie in der Zeitung über die chinesischen Aufständischen gelesen hatte, das geht doch nicht, und der Buchhalter, dem die Idee mit dem Kult des Buchhalters neuerdings erstaunlich süße Träume bereitete, sah auf und fragte, ob sie eigentlich noch ein anderes Interesse kenne als das der Gefangenen dieser Erde, es gebe doch auch noch andere Themen, sehr viel schönere zumal.

Dienstag, 7. Juli 2009

755.

Am anderen Ende der Welt der Agentenführer muß sich allmählich schwer Gedanken machen, sagte sich der Sicherheitsbeauftragte, als er in seinem schwarzen Radio Karomütze durch die Hauptstadt fuhr und nichts weiter zu sagen wußte, weil es einfach zu warm und nett war für ärgerliche Geschichten und wüste Kombinatorik, er muß es doch gut mit mir meinen, mein Agentenführer, dachte er weich werdend, und er riß sich, um etwas aufzuwachen, die Mütze vom Kopf, denn selbst bei offenem Verdeck schwitzte er darunter, ha, sagte er sich dann, ich habe wieder was für meine Nachrichtenabteilung, guten Tag, hier spricht Radio Karomütze, Sie hören die Nachrichten, Berlin, das Stadtmagazin pitty ist von der dritten Strafkammer des Berliner Oberlandesgerichts heute zu einer Geldstrafe von umgerechnet 20.000 Reichsmark verurteilt worden, weil es die Behauptung "Es wäre nicht das erste Mal, daß das Leben die Kunst imitierte" als Kunst verkaufen wollte, Nebenkläger Heribert Stulle konnte glaubhaft machen, daß er diesen Satz erstmals und unter permanenter Hochhaltung eines Copyright-Zeichens an einem Lagerfeuer im Schwarzwald ausgesprochen hat und einziger Inhaber der Rechte an diesem Satz ist, ein Wahnsinn, was mein Agentenführer, sagte Karomütze, ein echter Wahnsinn, bevor er resigniert und erschöpft seine Mütze wieder aufsetzte, um sich das Köpfchen nicht zu erkälten, auch fuhr er auf eine Tankstelle.

Montag, 6. Juli 2009

754.

Im "Bistro" hatte man die Jalousien heruntergelassen, denn endlich war ein wenig Sommer ausgebrochen, und man konnte sich über die Hitze aufregen, sich über Hitze aufzuregen, das ist eine tolle Sache, fand die Dame Ö, jedenfalls wenn die Hitze sich so sehr rar macht, aber dann sah sie, wie es dem klitzekleinen Forschungsminister erging, welcher sich an einem Eiswürfel festhielt, dessen Abtauflüssigkeit ein Buch besudelt hatte, und sie fragte, Herr Kollege, was ist Ihnen, bekommt sie Ihnen wirklich nicht, die Hitze, und der Klitzekleine schnarrte, ach nein, manchmal kann ich es nur einfach nicht mehr sehen, was man alles so lesen muß, manche Leute tun wirklich so, als wären es die wütend freiheitsliebenden Leute gewesen, die diese Kultur hier ruiniert haben, und nicht die Nazis, die alles wollten, nur keine Freiheit, und er seufzte schwer, denn wenn man bedenkt, wie vergeblich alle Lasten und Schrumpfungen der Kulturkritik gewesen zu sein scheinen angesichts der neuen Moden von Autorität und "Einbindung," dann ... Sie werden gleich zerfließen wie Ihr Eiswürfel, sagte die Dame Ö resolut, nahm Buch und Eiswürfel an sich und brachte ihm stattdessen ein schönes Kaltgetränk, Kaffee mit Eiswürfeln in einer kleinen Tasse, das wird Sie wieder nach vorn bringen, sagte sie, und dann stellte sie ähnliche Getränke auf ein Tablett, um in der Kreativabteilung zu verschwinden, wo sie sich längst für durchaus unentbehrlich hielt.

Sonntag, 5. Juli 2009

753.

Nachdem es den Sonntagmorgen eher verschlafen und dann mit ein wenig Apfel und Honig begonnen hatte, begann das Mo, auf dem Frühstückstisch hockend und sich sehr sorgsam um die Krümel eines Croissants mühend, der Kreativleitung eine neue Sache in den Ärmel zu zupfen, die Gründung einer Sekte, was sagst du dazu, wisperte es mit groß leuchtenden Augen und immer wieder haltlos kichernd, meinst du nicht, das könnte uns sanieren, der Kult des Buchhalters, wie findest du das, und die Kreativleitung war sicher die einzige EinSatzKraft (das ist sie schließlich, mag man sie auch selten so bezeichnet finden wegen ihrer eigenartigen Sonderstellung), die auch in dieser Sekunde nicht am Verstand des kleinen Wesens zweifelte und ebensowenig an der Tapferkeit seines armen zerbrochenen Herzchens.

Samstag, 4. Juli 2009

752.

Wie still es ist, dachte das Mo und kletterte noch etwas verschwitzt auf die Fensterbank, um in die leeren Straßen zu schauen - eigentümlich still, mitten in der Großstadt fast nur Singvögel zu hören, Mo setzte sich ein wenig zurecht, um aus der kleinen Straße weiter in die große Straße zu schauen, üblicherweise hatte man diese von der Sinneswahrnehmung auszusperren, zu laut, zu häßlich, aber nicht einmal hier waren Autos zu sehen, selbst die unentrinnbare und unerbittliche Verwertungsgemeinschaft schien für einen Augenblick aufgelöst zu sein in einzelne Schläfer mit Restalkohol im Blut; sie werden auf diese Weise den Lohn einfahren, dachte Mo, moderat verworfene Lebensweise, Kenntlichkeit ihrer Initiativen, die machen es richtig, und verschämt das schüttere Haare kämmend lächelte es leise auf die Stadt herab, bis aus den benachbarten Wohnungen herantackernde Stimmen den üblichen Lärm über alles legten und ein Tag begann.

Freitag, 3. Juli 2009

751.

Die Sache hatte natürlich ein Nachspiel, unschön wie die meisten Nachspiele, dieses hatte das Potential, besonders unschön zu werden, denn es mußte ja zu einem Problemgespräch zwischen Chefin und Kreativleitung im Chefinnenbüro kommen, bei welchem die Kreativleitung in Lichtgrün erschien und lächelnd erklärte, es sei ihr am Vortage ein kleiner Text gleichsam entfahren mit dem Titel "Die große Belehrung," welchen sie einfach am Stücke habe niederschreiben müssen, da ein sehr sperriges Materialgemisch aus tiefvulgärer Motivation und raffinierter Durchführung in einen lesbaren Fluß habe gebracht werden müssen, sei eine Unterbrechung des Schreibflusses einfach nicht möglich gewesen, sie sehe freilich ein, daß es so nicht gehe, man dürfe nicht die tägliche Kontinuität durchbrechen, dazu auch noch unangekündigt, und was man denn nun um Gottes Willen machen solle, ob es irgendetwas gebe, das sie tun könne, um diesen Fehler wieder gut zu machen.

750.

Meine Damen und Herren, ein klein wenig Disziplin, schrieb die Chefin in eine Rundmail, als sie nach einem Tag mit höchsteigenem AußenEinSatz zuhause feststellen mußte, daß nicht einmal der klassische Google-Tempusfehler vor einer halben Stunde EinSatz-Verspätung retten würde, und sie scheute sich nicht, den Buchhalter noch spät in der Nacht durch einen Telefonanruf zu wecken und zu fragen, ob er wirklich so frustriert sei von den vielen Regelbrüchen, daß er etwa aufgegeben habe, auf pünktliche Lieferungen wenigstens minimaler EinSätze zu achten, der Buchhalter aber brummelte nur verlegen ins Telefon, und etwas in ihm knallte die Hacken in Pantoffeln angesichts der Tatsache, daß sie so spät nachts noch anrief, trotz allem.

Mittwoch, 1. Juli 2009

749.

Tatsächlich war Karomütze noch am Abend zur allgemeinsten Verteidigung gegangen, die genau so lange friedliche Gespräche führen konnte, wie sie das Kind ganz einfach im Schoß hielt, er wunderte sich darüber nicht weiter, manche Leute legen ihre Kinder eben von klein auf zu festen Zeiten in feste Betten, andere halten sie lieber im Schoß, solange die Kinder das verlangen, es nervte ihn etwas, daß immer irgendeine Unterbrechung war, fürchterlich, was so ein kleines Wesen alles braucht, und er ging auch nicht so gern selbst an Kühlschränke in fremden Küchen, um die Getränkeversorgung sicherzustellen, aber insgesamt ging es ruhiger zu als er erwartet hatte, die allgemeinste Verteidigung sagte, wir wissen nicht, was richtig ist, was sie heute verkünden, werden sie in 20 Jahren so falsch finden wie wir heute das, was unsere Mütter vor 30 Jahren richtig fanden, so folgen wir doch am besten einfach unseren Instinkten, und dann hörte sie ihm aufmerksam zu, als er seinen Skrupeln über seine Beteiligung an einer großen Maßnahme Ausdruck gab, wieder einmal die Gewissenskonflikte des Sicherheitstypen, interessant, daß er das so hat, dachte sie, und irgendwann lachte sie, vielleicht ist "Geburtshilfe" sowas ähnliches wie diese komische Maßnahme, in der du engagiert bist, da stehen lauter Leute um dich herum, wissen, irgendwie müssen sie auch da sein, aber machen mußt du es, du selbst erlebst es aber nun nicht gerade als ein Machen, denn es passiert dir doch, und es muß auch passieren, und wenn ich mir vorstelle, einer von deinen Maßnahmenschöpfern wäre dabei, du lieber Himmel, man würde ihn doch schnellstens rauswerfen, aber Karomütze fand diesen Vergleich irgendwie unpassend und verabschiedete sich recht bald.

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