Freitag, 29. Februar 2008

(2)60.

Auch des Praktikanten tapfere Anrufung seiner Tante Wilma konnte nicht hindern, daß es in der EinSatzLeitung nun also so aussah: Mo schlief wie gehabt, die Kreativleitung saß mal wieder an einer Auftragsarbeit fest, ihre Assistentin durchsuchte das, was von der Welt in ihr Büro reichte, nach Anregungen für neue Erzählungen, der Buchhalter hielt Buch, der Praktikant praktizierte, die Abteilung Öffentlichkeit bemühte sich darum, dieses vielköpfige fiktive Wesen Öffentlichkeit in Schach zu halten durch Fütterung mit hier ein bißchen Empörung, da ein bißchen Empörendem, hier einer nüchternen Information, da einer schlauen Finte und dann und wann einem müden Witzchen zum Beispiel auf Kosten des ziemlich heruntergewirtschafteten Pestvogels, durch das insbesondere die selbst relativ verzweifelte Assistentin Ö ihr Image immer mal wieder ein bißchen aufzupolieren hoffte, die Gattin Ö schickte dann und wann eine SMS von den Märkten, auf denen sie sich herumtrieb, die Gattin des Chefs machte sich im vorfrühlingshaften Garten zu schaffen, nachdem sie enttäuscht hatte feststellen müssen, daß der Bericht des jungen Kollegen von der Sicherheit nicht in ihrer Häuslichkeit, sondern im Büro ihres Gatten unter vier Augen berichtet werden sollte, der klitzekleine Forschungsminister und der stille Theologe gingen ausnahmsweise einmal der Kreativleitung bei ihrer Auftragsarbeit zur Hand, die Demokratiebeauftragte grübelte wie so oft darüber nach, warum es eigentlich immer so alberne und durchsichtige und jedes halbwegs freundliche Gemüt beleidigende Propagandalügen sein mußten, auf die auch manche ihrer besonderen Lieblinge in der Welt glaubten, ihre tolle Selbstsicherheit gründen zu müssen, und ob sie denn wirklich glaubten, damit langfristig etwas zu gewinnen, immerhin hatte sie auch ein paar sehr erfreuliche Neuerungen zu konstatieren, die sie wohlgefällig ansah und den Minderheitlern zur gefälligen Erheiterung weiterleitete, und im Büro des Chefs saß der junge Mann mit der Karomütze dem Chef gegenüber und sprach und sprach und sprach...

Donnerstag, 28. Februar 2008

(2)59.

Die Assistentin hatte sich viel Mühe gegeben und war dann doch enttäuscht von dem Gespräch im "Bistro," denn es schien ihr so, als wären die Gegensätze zwischen jemandem wie Karomütze und ihr völlig unüberbrückbar, dabei fand sie ihn ganz nett und manchmal sogar ein wenig netter, zu schade, dachte sie, aber als sie in das Büro der Kreativleitung kam, hellte sich ihr Gesicht ein wenig auf, denn die Kreativleitung kam ihr herzlich lächelnd entgegen, deutete kurz auf das wieder eingeschlafene Mo, begleitete ihre Assistentin in deren nur durchs Büro der K-Leitung erreichbares Nebenbüro, sagte dort erfreut, sie fühle sich von allem, was die Assistentin dem Kollegen Sicherheitsbeauftragten gesagt habe, überraschend gut verstanden und aus dem Gemurre der anderen solle sich die Assistentin mal nicht so viel machen, und dann fragte sie die junge Kollegin nach ihrer Ansicht zum angemessenen Umgang mit Karomützens Erkenntnissen; da mußte die Assistentin K lachen und sagte, wir sollten vielleicht noch ein paar Szenen zur Ablenkung erfinden, bis Gras über die Sache gewachsen ist, denn nichts wäre doch alberner, als jetzt irgendwie mit einer großen Entdeckung herauszukommen, und die Kreativleitung fand, das sei eine gute Idee, aber sie meinte, ohne Mo haben wir da nicht viele Chancen, ich fühle mich jedenfalls etwas ausgelaugt, wie kriegen wir Mo nur wieder wach, und die Assistentin meinte, wie immer: ausschlafen lassen und abwarten.

Mittwoch, 27. Februar 2008

(2)58.

Das von der Demokratiebeauftragten aufgebrachte Thema ängstlich und unangenehm berührt ignorierend saßen die Assistentin K und der Sicherheitsbeauftragte mit der Karomütze, der endlich auftragsgemäß ausgeschlafen hatte (nicht ganz 24 Stunden, aber fast so viele waren dann doch nötig gewesen) im "Bistro" beieinander und wunderten sich darüber, wie klamm ihr Gespräch war, weil sie vor lauter Vermeidungsanstrengung nicht einmal bemerkten, daß sie etwas vermieden, und so besprachen sie erstaunlich kontrovers und nahezu gereizt den letzten Eintrag: Karomütze fand, man dürfe die vermeintlichen Vorlieben eines vermeintlichen Publikums nicht einmal in scheinbarer Abgrenzung und im Ausweichen auf Fremdsprachen mit so widerlichen Details in Verbindung bringen, wie dies der Kreativleitung gestern unterlaufen war, und Assistentin K meinte kalt, die Kreativleitung (wie sie sie kenne) würde zu diesem Einwand wahrscheinlich einfach gelächelt und gefragt haben, ob er eigentlich sicher sei, etwas von der Liebe im allerweitesten und abendlandweit besprochenen Sinne zu verstehen, vor der bei Annahme dessen, was schließlich der Chef selbst das Tierische nenne, alles, was man vulgo so "aesthetisch" nenne, selbst dann gleichgültig werde, wenn es sich um eine erotische Liebe handele, weil in einer bestimmten Wärme alles eine andere Farbe annehme, man würde dabei und nur dabei lernen, hinzusehen und anzunehmen, statt das Annehmen durch Wegsehen zu erwirken, und sie würde vermutlich gesagt haben, daß wer diese Grade der Erwärmung bis Erhitzung nie in seinem Leben kennengelernt habe, natürlich immer weiter auf "aesthetisch korrekte Weise" sich mit dem "Austausch von Körpersekreten" (so habe das eine sehr ferngerückte alte Freundin der Kreativleitung vor vielen Jahren einmal genannt, und nun plappere die das ausdauernd nach) abmühen könne, und die Assistentin sagte, sie sei sich selbst nicht ganz sicher, ob sie ihre Vorgesetzte hier richtig verstehe, aber noch in den kleinsten Gesten der Fürsorge für das in seiner Schrumpeligkeit nicht wirklich immer attraktive kleine Mowesen glaube sie zumindest eine völlige Unverschreckbarkeit der K-Leitung in diesen Fragen beobachtet zu haben, wobei auch sie selbst nicht wisse, wie weit das bei der Kreativleitung auf anderen Gebieten gehe, sicher sei sie sich allerdings, daß der gestrige Eintrag nicht nur die Verspottung gewisser unterstellter Publikumsvorlieben, sondern ebenso die Verspottung jener sogenannten und von Schräglagen nur so strotzenden Aesthetik zum Inhalt gehabt habe, über welche in der Tat einiges zu sagen sei - aber hier mußten die beiden ihr von gegenseitiger Verständnislosigkeit spröde gewordenes Gespräch abbrechen, denn Karomütze wurde zum Chef gerufen, um dort nun endlich seinen lange erwarteten Bericht vorzulegen.

Dienstag, 26. Februar 2008

(2)57.

Anders als die Helden neuerer Politromane (gegen die natürlich hier nichts gesagt sein soll, wir fragen uns nur manchmal, was sie von unseren Texten unterscheidet, sieht man einmal davon ab, daß wir zünftige Handlungen nun einmal aus purer oder puristischer Blasiertheit und weil das zum Prinzip gehört eher zu verweigern pflegen) ist der Chef der hiesigen EinSatzLeitung von einer Art, die dem Wunsch des Betrachters nach recht stierischem Gehabe eines Chefs bei aller Cheflichkeit auch unseres Chefs wenig zu bieten scheint: allzu gut versteht er sich mit seiner (freilich zweiten) Frau, die er zärtlich liebt, allzu gewöhnlich ist sein gelegentliches (und letztlich leicht aufhaltbares) Donnergrollen, allzu langweilig die Späße, über die er zu lachen pflegt (meist seine eigenen), allzu zivilisiert ist er mit den Kolleginnen und Kollegen, dazu auch noch körperlich gesund und maßvoll in allem, kurzum, eine im Grunde langweilige Erscheinung, wenn man bedenkt, daß das Publikum im Chef lieber einen richtigen "Hordenvater" zu sehen wünscht, natürlich mit Schwächen, wenn auch nicht gerade mit lautem Niesen und "Nose-Pickings," die auf dem Nachtschränkchen herumträumen, während er irgendeiner die Strapse abpellt, so doch gern mit hier einem Tanzbein, da einer Liebschaft und dann und wann einem gemeinsamen Besuch beim Table-Dance mit Kollegen, und irgendwo ein sportliches Korruptiönchen möchte auch nicht schaden, dergleichen verbindet, und hat man alles dieses wie unser weibgeborener und das Leben liebende Chef nicht wirklich zu bieten, dann wirkt man schon manchmal etwas asozial; was aber wird das geneigte Publikum erst denken, wenn es eine seiner besonderen kleinen Freuden betrachtet, die darin besteht, morgens sehr früh ins Büro zu gehen, wenn die Jungens vom Gebäudereinigungsservice (früher hieß das doch Putzkolonne, aber das ist auch nicht mehr so) gerade erst das große Gebäude verlassen, sich an seinen Schreibtisch zu setzen, einen Stein in die Hand zu nehmen und über die Frage "was ist eigentlich ein Stein" nachzusinnen.

Montag, 25. Februar 2008

(2)56.

Anders als ihre Kollegin Ö, mit der sie sich im übrigen oft gut verstand, neigte die Assistentin K weder zu rancunöser Beleidigungsbereitschaft noch zu aggressiver Empörungsbereitschaft noch zum Ersinnen feindseliger Intrigen oder auch nur zum Mittun bei dergleichen, denn immer schon war ihr, was groß und schön war, groß und schön erschienen und sollte so bleiben, und wenn sie Glück in der Welt sah, das gerade nicht sie traf, so freute sie sich doch, daß das Glück immerhin in der Welt war, natürlich wäre es ihr stets lieber, wenn es auch sie träfe, aber traf es wen anders, der oder die ihr wohlgefiel, so war es doch immerhin da und dann auch irgendwie an der richtigen Stelle, von der aus es vermutlich irgendwann schließlich den Weg auch zu ihr finden würde; in diesem selbst durch den letzten Einbruch nicht angefochtenen Geist die Stunde ihres eigenen Glücks erwartend (das einstweilen in der Gelegenheit, selbst mit der Kreativleitung zu plaudern, bestehen würde, zu anderen Zeiten darin, draußen herumzutollen oder mit ihrem Geliebten beisammen zu sein, und wieder zu anderen Zeiten einfach darin, allein oder mit liebenswerten anderen an etwas zu arbeiten) hörte sie auch jetzt mit halbem Ohr auf das noch etwas benebelte und vom zu schnellen Erwachen übereifrige Geplapper von Mo, das sich mit den brummend ermunternden oder leicht rüffelnd gewisperten Kommentaren der Kreativleitung abwechselte, sann mit der nach innen geklappten anderen Hälfte des Ohres dem unentrinnbar ekelerregenden Gedröhne der Delegation nach, und, da man ja immer sogar noch ein zweites Ohr hat, beschäftigte sie dieses mit dem Horchen auf eigene Gedanken zu der Frage, warum ihr die aggressiven und doch wohl vor allem platt ausbeuterischen Einbrüche jener Delegation immer umso deutlicher und unabweisbarer schwul vorkamen, je wütender sie versuchten, den Damen der EinSatzLeitung die sanftmütige Liebe zum Mann und zum kriegerisch-virilen oder zwanghaft beleidigt kontrollsüchtigen Herrentypus mit allen Mitteln als ihr recht eigentliches Begehren anzutragen, sei es mit der Behauptung, daß die Inkarnation der Sekundärtugenden das sei, was ihnen hier vor allem zum Glücke fehle, sei es gar mit der Begründung, daß sich schließlich im männlichen Gestampfe nichts anderes kundgebe als beispielsweise auch in den rancunösen Machenschaften, zu welchen Kollegin Ö dann und wann geneigt war, nämlich ein Bedürfnis nach Liebe, und sie fragte sich, warum ihr nicht rechtzeitig eine passende Antwort eingefallen war, und sie führte es auf ihre jugendliche Unerfahrenheit zurück und erwog, zur Demokratiebeauftragten zu gehen, die vielleicht inzwischen eine Antwort hätte, sicher aber irgendein Interesse an dieser Frage nehmen würde, was in sich ja auch schon eine gewisse Attraktion war, so schien ihr.

Sonntag, 24. Februar 2008

(2)55.

Es gehörte zu den immer wieder den Unmut der Genossinnen und Genossen, der Kolleginnen und Kollegen, der Mitstreiterinnen und Mitstreiter aufreizenden Eigenheiten der Kreativleitung, daß sie sich um manche Einbrüche sozusagen "einen Dreck scherte" und in scheinbar völlig herzlosem Ignorieren der Turbulenzen irgendeiner scheinbar abwegigen Frage nachging, als wäre diese nun das Dringlichste überhaupt, so auch jetzt: allzu erfreut, daß Mo sich wieder ein wenig belebt hatte, ging sie in ihr Büro und ließ Mo irgendetwas Gelesenes über Camille Claudel nachschwatzen, hörte ihr aufmerksam und mit großem Bedauern über das, was nach Mos Auskunft die Leute dann immer "tragisch" nennen, zu, rüffelte nur ein bißchen herum, als sie den Eindruck gewann, Mo wolle auf diese Geschichte ausweichen, um nicht etwas aus ihrem eigenen Fundus hervorzuholen, ärgerte sich, daß sie wegen der Aufregung in den Fluren besser nicht ins "Bistro" gehen sollte, um etwas Honig für Mo zu holen, und ignorierte auch das noch, daß dieses Mal ihre eigene, im Grunde meist treue und vor allem fast immer muntere Assistentin in ungewohnter Erstarrung in einem Sessel am anderen Ende des Büros kauerte, weil sie eben auch Zeugin des Delegierteneinbruchs gewesen war, nach dem die Kreativleitung nun nicht einmal zu fragen geruhte.

Samstag, 23. Februar 2008

(2)54.

Als die Kreativleitung, die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und der Minderheitler mit den grünen Borsten, der klitzekleine Forschungsminister und der wohlbeleibte Praktikant mit einem nahezu schwatzhaft gewordenen und im Teint von Grau zu Blässe gelangten Mo von ihrem Ausflug zurückkehrten, war die Delegation gerade wieder abgestampft und hatte die Abteilung Öffentlichkeit ebenso wie die Demokratiebeauftragte und den für übergroße Sensibilität eigentlich nicht bekannten Buchhalter in einer Verfassung zurückgelassen, welche mindestens den Praktikanten kurzfristig an die Herbeiziehung eines Pestvogels denken ließ, allein die Tatsache, daß sie alle, jeder für sich in seinen Räumlichkeiten, etwas benommen wirkten, legte auch dem Praktikanten eher "Fremdeinwirkung" (so würde Karomütze es genannt haben, aber der hatte noch vor Eintreffen der Delegation die EinSatzLeitung verlassen und letztlich folgsam seine Schlafstatt aufgesucht) nahe, und er faßte sich ein Herz, um schließlich gegenüber seinem unmittelbaren, leider etwas leicht aufbrausenden Vorgesetzten, dem Buchhalter, die mutige Frage "was ist hier denn los?" hervorzubringen, und der Buchhalter stammelte: "da waren welche, die besser nicht hier gewesen wären, frag mal die Demokratiebeauftragte."

Freitag, 22. Februar 2008

(2)53.

Die Kreativleitung und ein paar der anderen gingen tatsächlich an die Luft, Mo wurde im Bündel mitgeschleppt und hörte recht bald auf zu schnarchen, streckte sogar ihr freilich noch ziemlich grau wirkendes Köpfchen aus dem Bündel und schnupperte ein wenig in der Luft herum, und die Kreativleitung freute sich auf neue Erzählungen, die nun wohl nicht mehr lange auf sich würden warten lassen; unterdessen empfing die Abteilung Öffentlichkeit, die wegen des großen und einigermaßen heiklen Betriebs auf der Kommentarebene am Platz hatte bleiben müssen, eine Delegation von Eins-zu-Einslern, die sehr empört waren, denn die Delegierten hatten nun doch das verloren, was sie bis dahin für einen roten Faden gehalten hatten, und diese ganze Hera-Eskapade hatte sie irgendwie verdrossen (Assistentin K, die die Delegation in das Büro der Öffentlichkeit geleitet hatte, dachte, wie können sie nur so stupide sein, als sei es um irgendetwas anderes gegangen als eben um eine derartige Irritation, wie kann es sein, daß sie das nicht merken, wenn selbst ich in meinem unterkomplexen Hirn...aber so sind sie, die Kontrollsüchtigen, so sind sie, und solche wird man niemals los, ich verstehe allmählich die Resignation der Älteren hier), sie eiferten nun also vor der Leitung und der Assistenz Ö, der Assistentin K und dem still in der Ecke zuschauenden Buchhalter wildwirbelnd herum, was sie doch für wunderbare Absichten und Pläne gehabt hätten, und die durch das Gelärme herbeigelockte Demokratiebeauftragte fragte erstaunt, was im Ernst sie denn daran hindere, an ihren so wunderbaren Plänen in nur maßvoll demokratisierter Variante und dergestalt festzuhalten, daß sie eben einfach diejenigen, mit denen sie in ihren Plänen rechneten, aus der totalen Verfügungsgewalt ihrer gewiss intelligenten, aber am Ende des Tages dann doch nur sehr mäßig erfolgreichen, weil das feinere Gefühl nun einmal empörenden Kontrolle entließen und lieber fair mit ihnen sprachen, man könne wie jeder wissen könne nicht Nachdenklichkeit und Sensibiliät gewisser Menschen einsetzen, wenn man ihnen die Empfindungsfähigkeit so dermaßen zur Hölle mache, wie dies eine totale Kontrolle und Manipulation bei solchen Menschen nun einmal bewirke, der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit unterbrach ihre Einwendungen und sagte, sie solle jetzt mal im Interesse der GesamtEinSatzLeitung ihre liberalen Flausen zurückhalten, und die Demokratiebeauftragte sah in diesem Augenblick eine ernsthafte Spaltung der Institution auf sie alle zukommen, denn sie war entschlossen, von ihrem Prinzip der Selbstbestimmung nicht abzurücken, und sie wußte, die Kreativleitung, wenn sie auch nur von fern von diesem Gespräch und der Art, wie es der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit führen zu wollen schien, hören würde, würde nicht einmal mehr sagen, daß und warum sie die EinSatzLeitung verlassen wollte – sie würde sich einfach davonmachen und die pseudobelebten Gerätschaften sich selbst überlassen, irgendwann vielleicht einmal der Gattin Ö aus alter Freundschaft eine schöne Muschel oder sonst einen feinen Fund schicken, im übrigen aber sich nicht mehr sehen oder hören lassen und allenfalls müde abwinken, wenn noch irgendjemand sie nach dem Ergehen ehemals innig und mit unendlicher Geduld und Milde und Gutmütigkeit und sogar mit Herzblut geliebter Kolleginnen und Kollegen fragen würde, allein eine Intervention des Chefs mit ganz klaren Optionen für Demokratie und Offenheit bei Sicherung der empfindlichen Bereiche ALLER vor feindlichem oder öffentlichem oder manipulativem Zugriff würde sie noch zurückhalten können, und selbst in dem Fall war mit langwierigen Schäden an der Produktionsbereitschaft zu rechnen, es war klar, hier wurde entschieden zu weit gegangen, und die Abteilung Ö schien außerstande zu sein, den Schaden zu begrenzen, verheerend, dachte die Demokratiebeauftragte, und sie sah sie zum ersten Mal vor sich, die stampfenden Heere, an die gedacht haben muß, wer das Wort „verheerend“ erfunden hatte, und als welche diese Eins-zu-Einsler nunmehr also vor ihren Augen herumstampften, auf den Nerven nicht nur der Gott sei Dank für den Moment abwesenden Kreativleitung, sondern auf dem Nerv der GesamtEinSatzLeitung.

Donnerstag, 21. Februar 2008

(2)52.

In die Idylle platzte die Demokratiebeauftragte, die, eine Zeitung unter dem Arm, sich verdrießlichen Gesichts erkundigen wollte, ob der Kreativleitung nicht irgendetwas einfiele, das der amerikanischen Kandidatin erlauben würde, nicht nur ihrem natürlichen Rivalen, gegen den man ja nicht allzu viel haben konnte, sondern vor allem auch den behäbigen und den hämischen Besserwissern hier (immer dieselben Wörter, dachte die Kreativleitung, die endlich ihr Zitat gefunden hatte, inzwischen pfeifen so doch die Spatzen von allen Dächern, Zeit für was Neues) eine Nase zu drehen (eine Nase drehen, das gefällt mir schon besser, dachte die Kreativleitung) und selber die ganze Schwadronage (na geht doch, dachte die Kreativleitung) auszulachen, egal, ob sie nun gewinnt oder nicht, ich seh sie doch schon, fuhr die Demokratiebeauftragte fort, wie sie ihr ihre Mikrophone ins Gesicht halten werden und dann, wenn sie Haltung hat, sagen werden, sie ist steif und gefühlskalt, wenn sie keine Haltung hat, sie ist überehrgeizig, das hat sie nun davon, und wer hätte das gedacht (wir hier, wir hier, immer schon, denn wir haben etwas gesehen von den Menschen, sagten Kreativleitung und Demokratiebeauftragte gemeinsam nicht) und so weiter, und die Kreativleitung sagte, das Erste, was ihr einfalle, sei so eine Art Jahrmarktströte zum Aufrollen, stets aus der Tasche zu ziehen und zu betröten, wenn ein Mikro kommt, aber das gefalle ihr noch nicht, jemand, den sie sehr schätze, habe sich von seinen Studenten mal so ein Berliner Imbißbudenfähnlein der alten Art zum Geburtstag gewünscht, also so ein Fähnchen, auf dem nicht etwa "Hotdog" oder "The Violinist's hottest Sausage" stehe, sondern einfach "Heiße Wurst," das, so habe dieser Mensch sich vorgestellt, wolle er in bestimmten Sitzungen bei ausgesuchten Anlässen hochhalten, aber auch das passe noch nicht zu der Dame, der wir so sehr einen richtigen fröhlichen Spaß wünschen, und schließlich fand sie, warum macht sie nicht eine Beratungsstelle für gehobenes Hera-Machen auf, sozusagen eine Muskelbude für junge Zeuse und solche, die es werden wollen, hier ein Schwänchen, da ein Kühchen, und immer eine zürnende Hera in the background, auch gut geeignet für die Übertragung auf Hera-Fiskusse, ach nein, dachte sie dann, es geht nicht, es wirkt alles verkrampft, lass uns lieber in die Sonne gehen, also ich meine, in die richtige Sonne, damit wir uns richtig verstehen, und gucken, ob es schon irgendwo mehr als Krokusse gibt.

Mittwoch, 20. Februar 2008

(2)51.

Der allwissenden EinSatzLeitung ist es natürlich, anders als dem Sicherheitsbeauftragten mit der karierten Mütze, gegeben, auch hinter die verschlossene Tür der Kreativleitung zu schauen, und dort sieht sie also im Sonnenstrahl eines Vorfrühlungstages die Kreativleitung in ihrem Sessel am Fenster sitzen, auf der Suche nach dem für einen Anlaß am besten passenden Zitat in Lieblingsbüchern blätternd, während das Mo auf seinem Fell und unter dem karierten Schal ebenfalls sonnenbeschienen sich ganz leise in eine Art Leben zurückzuatmen scheint.

Dienstag, 19. Februar 2008

(2)50.

Der Kollege mit der Karomütze fand dann schnell den Weg ins "Bistro" und schaute nicht mehr zur Seite, auch wenn noch manche Tür im Flur offen oder halboffen war (nur die zum Büro der Kreativleitung war geschlossen, kein Laut zu hören), und im "Bistro" saß zwar nicht, wie er gehofft hatte, Assistentin K, aber Assisentin Ö und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse standen am Kaffeeautomaten (Assistentin Ö mal wieder gestreift beblust, das hatte ja auch was), und offenbar war ihr Gespräch nicht von der Art, daß seine überraschende Ankunft nicht nahezu den Eindruck hätte erwecken können, etwas wie ein Messias der Abwechslung sei eingetroffen, sie begrüßten ihn nicht nur herzlich, sondern geradezu stürmisch, rissen sich um die Aufgabe, ihm einen Kaffee zubereiten zu dürfen, und schienen im Vergleich zum Chef doch ein erheblich dankbarerers Publikum für einen ausführlichen Bericht über seine Reisen abzugeben, aber just in dem Moment, in dem es ihn so richtig juckte, seine Erlebnisse mitzuteilen, wurde ihm auch gleich klar, daß das eigentlich gar nicht ging, es war ihm plötzlich, als griffe er in seine Hosentaschen, in der sicheren Erinnerung, Glasmurmeln hineingestopft zu haben, aber als er sie jetzt suchte, waren nur ein paar Staubkrümelchen und Fusseln darin, und er zog die Hände wieder aus den Taschen, sah sich im "Bistro" um wie in einem Raum, den er noch nie gesehen hatte und von Ewigkeit her kannte, bedankte sich artig für den Kaffee und sagte, na, wie gehts euch so?

Montag, 18. Februar 2008

(2)49.

Der Sicherheitsbeauftragte mit der karierten Mütze, der sich unter Erholung eher eine Tasse Kaffee mit Assistentin K im "Bistro" vorgestellt hatte (man ist doch so allein auf diesen Reisen, oder mit gänzlich Unbekannten zusammen und immer auf der Hut, das ist doch selten, daß man sich da mal wirklich wohl fühlt, und so ein Schwätzchen mit der recht ansehnlichen Kollegin, bei dem ein paar beiden geläufige Brechtzitate und freundliches Gekicher ausgetauscht worden wären, bei dem sie ihn womöglich nach der Farbe der Schwäne in irgendeinem Land gefragt hätte und er etwas über die ekeligen Getränke in irgendeiner Bar erzählt hätte, das wäre es jetzt gewesen, aber doch nicht 24 Stunden Schlaf!) fühlte sich völlig mißverstanden und ausgebremst, aber kein Protest wollte fruchten, der Chef sagte, kommen Sie wieder, wenn Sie sich ausgeschlafen haben, und dann gleich zu mir nachhause, da haben wir es doch gemütlicher, und Karomütze dachte, er wird nun doch etwas alt und kriegt die Dinge nicht mehr auseinander, wie paßt das nur zu seiner sonst unangegriffenen Geistesgegenwart, aber bei so einer allzu sehr nur und allein den Chef (der unter keinen Umständen gegen ihn rechthaben durfte, natürlich, aber wer soweit über sich selbst mitdenkt, wird nicht Sicherheitsbeauftragter, oder doch?) betreffenden Frage wollte er sich nicht aufhalten, er verabschiedete sich also mit einem sehr gehorsamen und dankbaren Gesicht und wollte schnellstens ins "Bistro" stürmen, als sein Blick durch die geöffnete Tür ins Büro der Demokratiebeauftragten fiel, die ihn auch gleich hereinwinkte und fragte, na, Kollege, wieder entdeckt, daß die "Feld" voller Feinde ist, wie gut aber, daß Sie wieder bei uns und unter Freunden sind, wie, und Karomütze rannte sogleich rückwärts wieder auch aus diesem Büro heraus, sagte noch etwas wie, ist doch realistischer als die ewige rosa Brille, mit der Sie zu glauben scheinen, daß die Welt voller Freunde sei, und hörte im Weiterlaufen die brüchige Stimme des klitzekleinen Forschungsministers, welcher sich wie üblich auf der Fensterbank der Demokratiebeauftragten eingerichtet hatte, knistern: Ich muß euch jetzt nichts über irgendwelche politischen Theorien erzählen, oder?

Sonntag, 17. Februar 2008

(2)48.

Der Chef hatte soeben sein Telefonat beendet (der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit hatte drei Beschwerden gemeldet, 1. über zwei von syntaktischen Fehlern nur so wimmelnde Absätze in einem relativ wichtigen Aufsatz, die der Redaktion der Assistentin K vor dem Abschicken entgangen seien, 2. über strategisch ungeschickte Reaktionen auf Briefe, in denen auf so durchsichtige wie schwammige Weise "Heilung von einer Krankheit" und also stromlinienförmige Antworten abgefragt worden waren, hier habe in der Sache und gemessen an der eigenen Ehre die Demokratiebeauftragte zwar richtig geantwortet, aber es sei ungeschickt gewesen, sie hätte entweder die Stoßrichtung der Fragen ganz ignorieren und völlig unverbindlich antworten oder die durchsichtigerweise gewünschte "jetzt bin ich von einer Krankheit, die ich eigentlich nie hatte, durch Einsicht und Selbstkritik geheilt" mit zusammengebissenen Zähnen und ohne den Relativsatz geben sollen, 3. Herr Pestvogels habe im gestrigen Eintrag mal wieder alles auf die von ihm ja nun schon bekannte Weise mißverstanden und mit indezentem Schrastern angefragt, wann er denn wohl einmal wieder hilfreich eingreifen dürfe, man habe ihn, das Einverständnis des Chefs voraussetzend, abschlägig beschieden), als Karomütze das Büro geradezu erstürmte, er habe einen derartig langen Bericht abzugeben, er schlage vor, nach diesem seinem bisher größten Auslandseinsatz mindestens zwei Stunden zunächst mit dem Chef unter vier Augen zu sprechen, denn was er herausgefunden habe, sei alles zwischen skurril, alarmierend, zum Einschlafen und - ja, für manches fehlten ihm noch die Worte, er bitte darum, sich erst einmal erholen und dann vielleicht etwas freier berichten zu dürfen, und der Chef, der für Karomützens Capricen immer schon ein allen anderen eher unverständliches Verständnis gehabt hatte, erhob sich zu seiner Begrüßung, legte ihm erst einmal freundlich die Hand auf die Schulter und sagte, junger Mann, gehen Sie doch bitte zunächst nachhause, machen Sie sich einen schönen Tee, nehmen Sie ein Bad und legen Sie sich für 24 Stunden ins Bett, danach rufen Sie wieder an und ich rufe meine Frau an und dann erzählen Sie uns alles bei uns zuhause.

Samstag, 16. Februar 2008

(2)47.

In einem überaus merkwürdigen Zeitungsartikel hatte die Kreativleitung einmal darüber gelesen, wie unangemessen irgendein Graf es fand, was man mit den bundesrepublikanischen Soldaten nach Auslandseinsätzen in Kampfgebieten für ein Verwöhnungsprogramm veranstalte, um der posttraumatischen Disorder oder wie das hieß entgegenzuwirken, und der nämliche Graf hatte wie eine Heldengeschichte erzählt, daß man ihm einmal in seinem Krieg (kein anderer als der gute alte zweite Weltkrieg, das mußte ja auch täglich abgelebt werden und prägte heute eben die Jugenderinnerungen dieser Leute), als fast seine ganze Kompanie umgekommen sei, gesagt habe, er solle sich eine Ecke suchen und 24 Stunden schlafen, und das habe er getan, usw., und hat uns gar nicht geschadet und schlechtes Gewissen und aber so ist das Leben im Kampf nun einmal, und was dergleichen mentale Verwöhnungen mehr waren, und es hatte ihr alles so leid getan, der Graf, die Bundeswehrsoldaten, die Sozialklempner, die besten Willens das Verwöhnprogramm gemeinsam mit irgendwelchen sicher sehr netten Ministerialen geplant und vorbereitet hatten, die Kellnerinnen in den betreffenden Lokalitäten, die Köche, die man nie sah, die Putzfrauen, die Geschäftsführer mit ihren Sorgen, deren Gattinnen und Kinder und die polnische Haushaltshilfe und die alte Oma, nicht zu vergessen die Sicherheitsleute bei allen vorbereitenden Sitzungen und Durchführungen, und schon erwischte sie sich wieder bei ihren alten kindlichen Spielen, die sie wahlweise zeichnend auf Tapetenrollen oder schreibend in irgendwelchen Heftchen oder einfach nur im Kopf, während sie die 15 Kilometer in die nächste Stadt auf dem Fahrrad zurücklegte, gespielt hatte, indem sie notfalls noch die grauen Wände irgendeines Kellerzimmers oder eben die unendlich hellen Wände der Gebäude auf dem Mount Scopus in der Mittagspause, wenn ihr die realen Leute eher auf die Nerven gingen, weil sie immer irgendwelche vorgefertigten Sätze sagten oder hören wollten, mit Menschen bevölkerte, die ihr irgendwie wahrer erschienen und mehr so, wie sie sich neben allem eben immer auch noch zeigten und irgendwohin mußten, und als sie sich bei dieser Beschäftigung nun also wieder antraf, spürte sie, wie sich in dem kleinen Bündelchen, das sie natürlich wie immer auf dem Schoß hatte, etwas regte, und als Mos leises Schnaufen eine halbe Stunde lang regelmäßig hörbar gewesen war, hielt sie es für sicher genug, das Bündel ganz vorsichtig wieder auf das Fell zu betten und mit dem karierten Schal zu bedecken und selbst ohne ein Bündel in ihrem Büro auf und ab zu schreiten und die nächsten Arbeitsschritte zu bedenken.

Freitag, 15. Februar 2008

(2)46.

Die Demokratiebeauftragte saß wieder in ihrem eigenen Büro und grübelte unentwegt über einen Film nach, den sie gesehen hatte, sowie über reale Gelegenheiten, bei denen sie in die Gesichter von Menschen geschaut und ihrer Rede zugehört hatte, und sie sagte sich, wenn ich die Kreativleitung wäre, ich hätte mich auch erbrochen, und zwar nur und tagelang, ich würde auch jede Produktion und jeden Kontakt zur Außenwelt verweigern und niemanden mehr in meine Nähe lassen, aber ich muß ja immer alles wissen und alles anhören, solange jemand nicht mir vollkommen den Mund verbietet, dennoch, was sie gesehen hatte, hatte sie doch tief erschüttert und ihr jede Hoffnung genommen, außerhalb der EinSatzLeitung mit ihren guten und freundlichen demokratischen Ideen an irgendeiner Stelle durchzudringen, denn die Verhärtung der Gesichter, die Verwechslung von Häme mit Humor, die Verwechslung eines ihr völlig richtig erscheinenden Strebens nach Gerechtigkeit mit dem eifernden Kleinmachenwollen ohnehin schon kleingemachter und mehr oder weniger entsetzlichen (bei Umkehrung der Blickrichtung und Betrachtung der Motive der Täter freilich stets jämmerlichen und lächerlichen) Demütigungen ausgesetzter Menschen und Organisationen und größerer Gebilde, die Verwechslung destruktiver und mit viel persönlicher Macht ausgestatteter Eiferer mit Opfern und Armseligen (wiederum würde ernste Prüfung wirklich aller Umstände in den meisten Fällen, die ihr bekannt waren, ein sehr anderes als das Oberflächenbild ergeben) die Umdefinition jedes Versuchs der Selbstäußerung und Selbstbehauptung im Namen einer durchaus ernstzunehmenden Wahrheit in Terror und die Umdefinition des eigenen Terrors in Selbstverteidigung waren trotz aller Nachdenklichkeiten in allen relevanten Kreisen weit fortgeschritten, und es leuchtete ihr mittlerweile ein, daß die üblicherweise gut abgepolsterte Planerei irgendwelcher Mittelklässler, denen niemand ans Leder wollte und die niemals jemand ernsthaft blockiert hatte, zu nichts anderem zu führen schien als dazu, daß diese im Grunde harmlosen und oft gerdaezu netten und kompetenten Menschen eben lederig wurden, und plötzlich verwandelten sie sich in manchen Richtungen zu Menschen, die man fürchten mußte, und wer ihnen kein gleiches Leder entgegenzusetzen hatte, weil er aus irgendeinem Grund aus der Welt derer, denen es zustehe, mit Würde und Rechten bekleidet herumzugehen, ausgeschlossen und zu einem Ziel geworden war, bei dem würden sie immer ein eigenes Problem suchen, denn nur so konnten sie für sich ihre eigene lederige Sicherheit behalten und gerieten auch weiter mit niemandem in Konflikt, und daß wer von ihren Sicherheiten ausgeschlossen blieb, dann eben andere Seinsformen entwickele, das leuchtete ihr ein; ferner leuchtete ihr ein, daß natürlich ein Kolonisiertes und Abgewürgtes niemals in irgendeiner Form seinen Kolonisator als einen 'honorable man' würde empfinden können und entsprechend auch niemanden ernsthaft von derartigen Qualitäten seines Kolonisators würde überzeugen wollen können, ein Umstand, der inzwischen selbst manchem Versöhnungskitschler einzuleuchten schien, so jedenfalls mußte es in einem Brief von Karomütze stehen, den der stille Theologe ihr zwar nicht hatte geben dürfen (denn er war ausschließlich an die Männer in der EinSatzLeitung gerichtet gewesen, eine Maßnahme, die der stille Theologe ihr gegenüber genauso bescheuert zu finden behauptete wie sie selbst, die er aber nicht durch Illoyalität aushebeln wollte, er schlug vielmehr vor, dies als Tagesordnungspunkt für die nächste Sitzung zu notieren), aus dem er ihr aber diese Andeutung doch zuflüsterte - und sie, sie stürzte sich darauf wie auf eine sensationelle Hoffnung, denn das andere, was der Karobemützte auch geschrieben hatte, daß nur die Auswanderung vor der gleichbleibenden Kontroll- und Blockadepolitik noch retten könne, das hatte sie ja nicht gelesen.

Donnerstag, 14. Februar 2008

(2)45.

Während der Chef in seiner abendlichen und vom Besuch der genesenen Kreativleitung mittlerweile entlasteten (nana, sagte die Gattin, mir war es trotz allem ein Vergnügen, sie ist doch im Grunde dezent, und sie lächelt noch in dieser unangenehmen Befindlichkeit immer sehr hübsch, aber der Chef war dennoch froh, seine Gattin wieder für sich allein zu haben, und diese lachte bei der Gelegenheit geradezu dankbar ein bißchen über alles, was so über Eifersucht geredet wird, in sich hinein - etwas an diesem InSichHineinLachen schien ihn auf durchaus ambivalente Weise zu reizen, aber das überging sie kühl - denn nach allem, was sie davon verstand, war so ziemlich alles auch an dem neuesten und expertitischsten Gerede falsch, und sie verstand davon eine Menge und vermutlich bis in alle Ewigkeit in gemischtgeschlechtlichen Gesellschaften Unaussprechliches am Grunde des Geheimnisses ihrer beispielhaften Gelassenheit) Häuslichkeit darüber nachdachte, wie er den Buchhalter anderntags damit beschäftigen würde, einmal einen druck- und syntaxfehlerstatistischen Vergleich zwischen den Produktionen der Kreativleitung (nicht weniger als alle Haupteinträge) und seinen eigenen zu erstellen, ließ sich die Gattin Ö nicht ohne Überdruß in ihren häuslichen Sessel fallen (ihr Herr Gatte schien noch unterwegs zu sein, und sie war durchaus froh über die Stille, einerseits...) und dachte darüber nach, wie es ihr wohl gelingen könne, aus ihrer "Rolle" (buuh, was für ein Wort, dachte sie, als sie sich dabei erwischte, es zu denken) als stets ein wenig bespöttelter und gefürchteter Hochzieherin einer linken Braue herauszukommen, denn sie fühlte in sich den Wunsch anschwellen, vollkommen ernsthaft mitzusprechen und zugleich ein wenig für einen Spaß zu sorgen, der einmal nicht auf ihre eigenen Kosten ginge, und als das innere Schwellen gar zu unerträglich wurde, begab sie sich vor den nächstgrößeren Spiegel und wunderte sich (freilich nicht ganz stolzfern und duchaus narzißtisch) fast darüber, daß sie eine immer noch eher beleidigend schlanke Taille hatte, wenn man bedachte, was das auch bei ihr gnadenlos fortschreitende Alter ihr im übrigen angetan hatte und weiter ihr anzutun nicht aufhören würde.

Mittwoch, 13. Februar 2008

(2)44.

Drei Tage und drei Nächte hatte sich die Kreativleitung immer wieder erbrechen müssen, und in dieser Zeit war die Gattin Ö tagsüber in den cheflichen Hauhalt gekommen, um das Mo weiter zu wärmen (das ihr freilich vorkam wie ein völlig erstarrtes lebloses Bündel, an dem diese Aufmerksamkeit durchaus zu spät käme, und wer kennte ihn nicht, den Mißmut, der jeden Tatmenschen befällt, wenn er mit einem Wesen konfrontiert ist, aus dem sich ein "Gleiches" einfach nicht herauspressen und auch nicht herauswirtschaften läßt, aber die Gattin des Chefs beharrte darauf, daß hier nach allem, was die Kreativleitung darüber gesagt hatte, weiter gewärmt werden müsse, und auch ihr Mann habe gesagt, es sei nun einmal das Mo, aus dem die wahrhaftigsten Geschichten kämen, und es sei schon öfter derartig erstorben gewesen und dann doch unter den Händen der Kreativleitung wieder zu erstaunlicher Lebendigkeit erwacht, und sie selbst müsse ja nicht kommen, irgendwie würden es die kranke Kreativleitung und sie ... aber weiter ließ Gattin Ö ihre Freundin dann regelmäßig nicht kommen, denn das hätte sie nicht auf sich sitzen lassen wollen, daß sie die Gattin des Chefs bei ihren Tätigkeiten im Stich gelassen hätte), während nachts die Chefgattin dann und wann dezent nach der kranken Kollegin und dem in diesen Stunden bei ihr verbleibenden Bündel ins Gästezimmer schaute; als aber der Chef am vierten Tage verdrossen heimkehrte aus der EinSatzLeitung, in der er nach seinem Außeneinsatz gewesen war, ohne daß die erwartete Sitzung stattgefunden hätte (gemeinsam mit dem Buchhalter, der in Windeseile Futter für seine stets gern gespitzte Nase gerochen und seine guten Taten längst bereut hatte, war er zürnend über die Demokratiebeauftragte hergefallen, die aber mit äußerster Gelassenheit reagiert und ihn seinen Anwandlungen überlassen hatte, der feige Buchhalter war ihm dann erst recht auf die Nerven gegangen, und so hatte er den Arbeitstag in Grollen verbacht, denn gute Nachrichten hatte er auch keine mitgebracht aus der gesellschaftlichen Welt), fand er die Kreativleitung mit seiner Gattin gemeinsam auf dem Sofa sitzend vor, und sie lachte ihm schon wieder ins Gesicht, als er sich nun also hier ereiferte über den Fehler der Demokratiebeauftragten, und sie sagte: haben wir nicht schon oft Menschen dabei zuschauen müssen, wie sie unter der Behauptung, daß sie sich keine Fehler leisten könnten, mit der äußersten Perfektion unter langfristigen Gesichtspunkten einen schweren Fehler nach dem anderen gemacht haben, und wer überhaupt könne sich anmaßen, jetzt zu beurteilen, was morgen sich als Fehler oder als Nichtfehler herausstellen werde, und habe er so nicht auch etwas sehr Wichtiges dazugelernt, nämlich etwas über die Beschaffenheit der Demokratiebeauftragten und die Beschaffenheit des Buchhalters?

Dienstag, 12. Februar 2008

(2)43.

Es war einer der klammheimlichen Liebenswürdigkeiten des Kollegen Buchhalter zuzuschreiben, daß er den Fundamentalfehler der Demokratiebeauftragten bei der Einberufung der letzten Sitzung lediglich durch Abwesenheit vom Vorstandstisch kommentiert hatte, und vielleicht hatte nur der heimliche Stolz auf seine gute Tat ihn daran gehindert, weitere Fehler strafsüchtig zu bemängeln; jedenfalls aber war er allerbesten Willens gewesen, die Sünde der falschen Zahl - denn man hätte turnusgemäß doch erst bei Nummer 244 tagen müssen! - zu bedecken, bis ihn ein Anruf des verärgerten Chefs in neuerliche Komplikationen stürzte, denn der Chef (seinerseits der in seinem privaten Hause versammelten Heulsusen etwas überdrüssig und bis zur Hutschnur angefüllt mit Nachrichten aus der Gesellschaft, durch die er sich in den letzten Tagen bewegt hatte) nahm die falsche Zahl nun seinerseits zum Anlaß, gewaltig zu zürnen und ausgerechnet ihn, den Buchhalter, der einmal in seinem Leben Mitleid mit den übermüdeten und aneinander einen Halt suchenden Gestalten hatte walten lassen wollen, für den von ihm so gnädig mitgetragenen Fehler (welcher ihm, dem Buchhalter, in Wahrheit doch zuallererst gegen den Strich gegangen war) verantwortlich zu machen... welche Komplikationen aber auch, dachte der Buchhalter in seinem Sinn, und beugte sich nach dem Ende des reichlich einseitig verlaufenen Gesprächs (er mußte irgendwann den Hörer etwa 40 cm vom Ohr weg halten, um den Chef trotz seiner Lautstärke zu verstehen) erst einmal wieder über seine lieben Zahlen, die, wenn niemand sonst sich einmischte, stets friedlich vor ihm lagen.

Montag, 11. Februar 2008

(2)42.

Sitzung der EinSatzLeitung

Sitzungsleitung: Leitung Öffentlichkeit
Protokoll: Praktikant

Die Sitzung ist dünn besetzt. Der Chef ist noch nicht wieder da, die Assistentin der Kreativleitung bittet, ihre Chefin krankheitshalber zu entschuldigen, und der Kollege mit der Karomütze schickt auch nur dann und wann eine SMS, die Gattinnen mit ihrem Mutterwitz und ihrer Wärme fehlen richtig (findet der Protokollant), und zwei von niemandem hereingebetene Beobachter mit ziemlich schwierigem Akzent erregen allgemeines Mißtrauen, werden aber geduldet.

Die den Chef vertretende Demokratiebeauftragte hat die Sitzungsleitung an den Leiter der Abteilung Öffentlichkeit delegiert und sieht selbst sehr müde aus. Die Assistentinnen wirken maulig, die Mehrheitler benehmen sich wie undisziplinierte Oberschüler, die Minderheitler noch schlimmer. Der Buchhalter hat sich in eine der hinteren Reihen gesetzt, anstatt den für ihn vorgesehenen Platz am Vorstandstisch einzunehmen, und wartet darauf, daß am Vorstandstisch Fehler gemacht werden, die er dann von hinten zu Protokoll geben und tadeln kann. Der stille Theologe sieht aus, als habe der kurze Vitalitätsschub ein schlimmes Nachspiel gehabt.

Es gibt keinen Tagesordnungspunkt außer: Verschiedenes.
Der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit eröffnet bei abschwellendem Gemurmel lahm die Sitzung und fragt, ob jemand der Awesenden etwas zu besprechen wünsche. Nach einer längeren Pause ergreift die Demokratiebeauftragte das Wort und berichtet, daß sie ursprünglich über die Frage, welche Gebiete bei Veröffentlichungen im Interesse von Jugend, Freiheit, Fortschritt und Frieden grundsätzlich zu meiden seien, habe sprechen wollen, es seien aber vom Chef und vom Sicherheitsbeauftragten deutliche Signale gegen eine solche Absprache zum gegenwärtigen Zeitpunkt eingegangen. Der Sicherheitsbeauftragte habe längst die Schweiz verlassen und sei in unaussprechliche Landstriche weitergereist, um sich am Studium unausdenkbarer Gestalten, die durchaus in Anzügen an wichtigen Plätzen ein und aus gehen, ein Bild von der Lage der Welt und der der EinSatzLeitung in ihr zu machen, und er sei zu immer noch erschreckenden Ergebnissen gekommen, die – da offenkundig eine „Gegenseite“ keine Hemmungen kenne – es geboten erscheinen ließen, evtl. alle Zurückhaltung aufzugeben und alle Texte, die irgend zu einer Wendung der Sache beitragen könnten, eher früher als später zur Welt zu bringen. Der Chef sei etwas zurückhaltender, aber sehr überzeugt vom Ernst der Lage gewesen. Die Demokratiebeauftragte, die sich alles einfacher vorgestellt hatte, niemandem wehtun und dennoch volle Redefreiheit haben wollte und nicht verstand, warum das so unmöglich sei, habe aber erreichen können, daß so lange nichts unternommen werde, wie keine Erhöhung des Drucks seitens der Gegenseite in deutlicher Sicht sei. Hier nickte ihr der stille Theologe tapfer zu, der es im Grunde genau so sah und noch stets für Friedlichkeit, Freundlichkeit und Offenheit gegen jedermann plädiert hatte und im übrigen ähnlich wie seine Protektorin nicht das geringste Verständnis für den Wunsch, Dinge unter Teppiche zu kehren, aufbringen konnte, dafür aber – wie sie – umso mehr Verständnis für die Fehlerhaftigkeit alles Menschlichen, welche man stets nur durch (in gegebenenfalls aufzubauenden Schutzräumen zu führende) Gespräche zum Besseren wenden könne, nie aber durch Überwältigungen und Manipulationen. Denn deren Kehrseite sei langfristig immer stärker als ein an der Oberfläche evtl. erzielter „günstiger Effekt.“ Indessen sei diese Haltung in der Welt weit davon entfernt, mehrheitsfähig oder durchgesetzt zu sein.
Die Kreativleitung, die auf Anraten des Chefs vor Tagen eine bestimmte Begegnung mit nach ihrem Bericht völlig unbeschreiblichen Menschen gesucht hatte, sei von dieser tiefgrün und mit einem erneut gänzlich erstorbenen Mo im Bündel zurückgekehrt, habe dann angesichts eines umgekrempelten Büros, aus dem wieder einmal Datenträger entwendet worden waren, selbst einen Zusammenbruch erlitten, seither kein wirkliches Wort mehr gesprochen (von winzigen Antworten auf die Reden anderer abgesehen), werde aber gemeinsam mit dem Mo, das sie, um es warmzuhalten bis es sich wieder rege, ständig an sich gepreßt halte, gegenwärtig von den beiden Gattinnen im Hause des Chefs umsorgt. Bevor nun der Chef, der seinerseits in der Hauptstadt unterwegs sei, und der Sicherheitsbeauftragte, dessen Kurznachrichten unverständlich blieben, ihre Recherchen nicht abgeschlossen hätten, könne man sich in der Restbesetzung der EinSatzLeitung nur so von Tag zu Tag weiter schleppen und den Kräften des AußenEinSatzes gutes Gelingen, der Kreativleitung gute Besserung und den Gattinnen ihre gewohnte milde Heiterkeit wünschen.

Betretene Stille. Nicht einmal die beiden Assistentinnen tuscheln, und auch die flegelhaften Anwandlungen der Mehrheitler und Minderheitler sind durchweg verebbt, die Augen der Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse etwas gerötet.

Nach einer Weile meldet sich der klitzekleine Forschungsminister, welcher auf der Fensterbank hockt, zu Wort und berichtet, er sei von den Gästen mit dem eigentümlichen Akzent namens ihrer Auftraggeber aufgefordert worden, wieder auf seinem ursprünglichen Arbeitsgebiet tätig zu werden. Sobald er das sagt, schauen ihn die beiden Gäste drohend an. Der klitzekleine Forschungsminister verstand nicht, warum drohend, sagte sich aber, was können die mir schon tun, das mir nicht bereits im und am Geiste widerfahren wäre, und er sagte den Versammelten, er habe höflich um Aufschub gebeten, man könne nicht dreihundert mal vor und zurück, er sei nicht mehr in den aktuellen Diskussionen seines Faches und an der Ausübung der langwierigen Techniken des „Anschlußhaltens“ nur umso weniger interessiert, je länger er sich mit diesen Dingen beschäftigt habe, ohne die permanente Bedrängnis seines Lebens auf diese oder eine andere Weise wirklich verringern zu können, und das Einzige, das ihm nach einer langen Strecke ein wenig Erleichterung verschafft habe, sei sein Schrumpfungsprozess gewesen. Er sehe nun auch in den bisherigen Angeboten einstweilen kein Potential für eine Aussicht auf Änderung der für ihn durch die betreffenden aufsaugenden Tätigkeiten erreichbaren Lebensbedingungen und sei im übrigen durch permanente Drainage seiner je neuesten Errungenschaften sowie durch eigene dadurch inganggesetzte Demotivierung und Dequalifikation zu klein geworden, um einen Seminarraum zu betreten oder an einer Konferenz teilzunehmen. Er werde aber allen guten Aktivitäten auf dem Gebiet der Bildungsarbeiten und -reformen seinen Rat und seine Unterstützung, sofern er sie (sich) leisten könne, nicht verweigern.
Während er alles dieses erzählte, lächelte der Forschungsminister fast zufrieden und nickte auch wohlwollend und aufmunternd den beiden für ihn gigantischen Gästen zu. In seinem winzigen Körperchen war kein Raum mehr für irgendein Bedauern, dafür konnte er immer noch sehr aufmerksam sein für die Fragen, die ihn wirklich interessierten, und im übrigen fühlte er sich an den besseren Tagen wohl in der EinSatzLeitung und lehnte sich an den schlechteren Tagen an das Bewußtsein, daß er bereits so und so lange so und so gut gelebt habe, und daß er zwar überaus gerne noch lange weiter leben würde, und dies möglichst groß und munter, daß er aber vielleicht aus demselben Grunde auch nicht allzu große Schwierigkeiten haben würde, das Leben selbst einfach loszulassen, wenn es zu unerträglich würde und seine Zeit nun einmal gekommen sein würde.
Die Gäste hingegen knurrten einander zu, so hätten sie nicht gewettet, erhoben sich und verließen polternd den Saal. Assistentin Ö warf ihnen mit schiefem Gesicht eine Kußhand hinterher, die Demokratiebeauftragte wollte wissen, wer die Typen überhaupt eingeladen hätte, erhielt aber von niemandem eine Antwort, weil alle durcheinander redeten, und bevor das allgemeine Durcheinander völlig unüberschaubar wurde, brach der Leiter der Öffentlichkeit die Sitzung in aller Form ab, wobei sein Gesicht nicht weniger verdrossen aussah als das des Buchhalters, der wieder einmal keine Plattform für seine Beschwerden bekommen hatte.

Alle strebten schon zum Ausgang, da ergriff die Demokratiebeauftragte noch einmal das Wort und sagte: „Wir danken dem geschrumpften und gelassenen klitzkleinen Forschungsminister für seine Rede, den Gästen für ihren Besuch, dem Leiter der Abteilung Öffentlichkeit für die einer schweren allgemeinen Erschöpfung abgerungene Sitzungsleitung, dem Chef und dem Sicherheitsbeauftragten für den mutigen AußenEinSatz, der Kreativleitung für ihren Mut zur Begegnung mit jenen Gestalten, den Gattinnen für ihre freundliche Nachsorge und den Assistentinnen für die Atmosphäre von Jugendfrische, die sie auch unter den gegenwärtigen Bedingungen noch verbreiten, dem Protokollanten gilt unser besonderer Dank für seine Verschriftung auch dieser Sitzung, und dem Buchhalter danken wir für seine Zurückhaltung an diesem Tage. Bitte nehmen Sie als letzten Satz zu Protokoll: ‚Wir, die inneren und die äußeren EinSatzKräfte, werden auch weiter alles uns mögliche tun, um uns nicht in den Strudel der totalen Destruktion ziehen zu lassen, der gerade wieder besonders stark zu sein scheint, während sich seine Aufstrudler mächtig blähen;’ und nun haltet ihr nur eure Köpfe hoch und macht euch an eure Arbeiten, seid gnädig mit euren Schwächen und mit denen der anderen, und ausdauernd stark, wo ihr es könnt, habt eine gute Woche und laßt an der Güte eurer Woche alle teilhaben, die das wünschen und euch nicht bedrängen.“

Sonntag, 10. Februar 2008

(2)41.

Die Demokratiebeauftragte war nicht sicher, ob es gut gewesen war, dem Theologen so viel Platz einzuräumen, nicht nur hatte sie mit einem derartig seltsamen Ausbruch von Zitaten und Geschichten nicht gerechnet, auch hatte sie den Faden seiner Erzählung und dessen, was er sich unter der EinSatzLeitung vorstellte, etwas verloren, sie war sich nicht einmal sicher, was er mit seinem Bericht von einem Anrufer bezweckte - aber dann gefielen ihr die Kantzitate so gut, daß sie zum Rest sagte, seis drum, lassen wir das doch ruhig stehen, sie überlegte ferner, ob sie evtl. ihn zu Kürzungen überreden solle, immerhin war er noch Eleve und erst seit kurzem dabei, und er schien entsprechend seinen Phantasien freien Lauf zu lassen, ohne zu bedenken, daß immer alles bezogen würde und sich nun also wieder irgendwelche realen Oberhirten angesprochen und düpiert fühlen und irgendwelche ominösen Damen wieder verunglimpft fühlen würden, während der Theologe sich wirklich nur irgendeine Heldengeschichte mit Rettung und Bedrohung als Anlaß für seinen Zitatenausbruch ausgedacht hatte, wild anknüpfend an weit voneinander entfernt liegende Punkte der bisherigen Arbeit, und sie entschied, in der morgen fälligen Sitzung mit allen einmal recht grundsätzlich darüber zu beraten, wie man künftig die Gebiete abstecken solle, auf die sich die einzelnen Stimmen wagen dürften, und welche wegen zu heimtückischer Nähen zu möglichen Realitäten draußen im Lande absolut und grundsätzlich zu vermeiden seien, aber angesichts der Unwegsamkeit des unter dieser Perspektive zu betrachtenden Geländes wurde sie ein wenig kleinmütig.

Samstag, 9. Februar 2008

(2)40.B.

Der stille Theologe hatte sich vom Schrecken seiner neueren Publizität – die seufzende Avancen heiratswilliger Damen ebenso einschloß wie wutschnaubende Identifizierungen und schlimme Beschimpfungen durch zornmütige Geistliche aller Denominationen – kaum erholt, als ihn eine so unpassende wie überflüssige und eben deswegen besonders ärgerliche Mahnung irgendeines scheinbar sich für ihn besonders zuständig fühlenden und dewegen zum Telefon greifenden Oberhirten zur Demut traf. Der Theologe legte mit einer kleinen höflichen Verbeugung und einem Dank für die Besorgnis schnell wieder auf. Nach kurzem Nachdenken ging er sodann zum Chefbüro und bat um Gelegenheit, zum ihm durchaus auf eigene Weise heiligen Sonntag ein Wort zu diesem Vorfall sagen zu dürfen, und die Demokratiebeauftragte wehrte es ihm nicht. Und so sprach er also:
„Die Zeit ist gekommen, ein Bekenntnis zu wiederholen. Wie wir hier bereits früher schon einmal gesagt haben, (als wir noch die Biographie einer ziemlich mitgenommenen Dame aus den Klauen einer unersättlichen und alles zerstörenden und die Dame selbst mit den widerwärtigsten Fehl- und Vorurteilen jagenden räuberischen Verwertungsgemeinschaft durch unsere EinSätze zu retten versuchten), halten wir es in unserer stillen Theologie mit dem großen Philosophen Kant und allen Weisen der Welt für überaus erhaben, wenn ein Mensch staunend und respektvoll und dankbar vor allem steht, das er nicht selbst gemacht haben kann. Wir bemühen uns nach unseren Möglichkeiten hier alle um eine derartige Haltung und halten einander und uns selbst in „ernstem Scherzen“ in dieser Frage gern mal den einen oder anderen Spiegel vor. Im übrigen lehnen wir mit anderen Weisen jeden falschen Trost ab und sorgen uns um das Klagen alles Lebendigen. Wir glauben, in diesem Klagen selbst ein schwaches Hoffen zu finden, das uns wichtiger ist als jede laut herausposaunte Heilsgewißheit. Wann immer wir des Schmerzes des Lebendigen ansichtig werden oder das Seufzen der Kreatur in Geschichte und Gegenwart vernehmen, werden wir sehr still und wünschen, diesen Klagen ihre Stimme zu lassen oder ihr aufzuhelfen. Deswegen bleiben wir dennoch jetzt lebende Menschen (oder eben fiktive Gestalten) mit ihren kleinlichen Alltäglichkeiten, Launen und Grillen, und wir sind zuversichtlich, daß auch die mahnenden Oberhirten Menschen mit ihren kleinlichen Alltäglichkeiten sind.
Wir halten es insofern für absolut sittenwidrig, wenn ein MENSCH von einem anderen MENSCHEN (oder eine Institution von ihren Mitgliedern oder den ihr Entronnenen) eine derartige Demut glaubt VERLANGEN und gar ERNÖTIGEN zu dürfen oder gar zu müssen. Es sei uns deswegen hier erlaubt, nicht nur einen Satz, sondern zwei Absätze zu diesem Thema abschließend aus den Werken des besten und größten Denkers, den dieses Land hervorgebracht hat, zu zitieren. Wir bitten dabei, beide Absätze großzügig auszulegen, nämlich auch in Hinblick auf jedweden sogenannten und lautstark an diversen konservativen Orten der Welt beklagten Werteverfall usw. Der erste Absatz ist aus dem Zweiten Abschnitt des Streits der Fakultäten:
‚AUCH GEISTLICHE WEISSAGEN GELEGENTLICH DEN GÄNZLICHEN VERFALL DER RELIGION, UND DIE NAHE ERSCHEINUNG DES ANTICHRISTS; WÄHREND DESSEN SIE GERADE DAS TUN, WAS ERFORDERLICH IST, IHN EINZUFÜHREN, INDEM SIE NÄMLICH IHRER GEMEINE NICHT SITTLICHE GRUNDSÄTZE ANS HERZ ZU LEGEN BEDACHT SIND, DIE GERADEZU AUFS BESSERN FÜHREN [diese sind bei Kant immer die der Freiheit und der Autonomie zuerst, man beachte hier die Lehrsätze der praktischen Vernunft! Es geht also nicht um besserwisserische Belehrung, sondern um Erläuterung der guten Wege!], SONDERN OBSERVANZEN UND HISTORISCHEN GLAUBEN ZUR WESENTLICHEN PFLICHT MACHEN, DIE ES INDIREKT BEWIRKEN SOLLEN; WORAUS ZWAR MECHANISCHE EINHELLIGKEIT, ALS IN EINER BÜRGERLICHEN VERFASSUNG, ABER KEINE IN DER MORALISCHEN GESINNUNG ERWACHSEN KANN: ALSDENN ABER ÜBER IRRELIGIOSITÄT KLAGEN, WELCHE SIE SELBER GEMACHT HABEN; DIE SIE ALSO, AUCH OHNE BESONDERE WAHRSAGERGABE, VORHERVERKÜNDIGEN KONNTEN.’ An einer anderen Stelle lehrt derselbe Meister, seinen Fürsten rühmend, wie folgt: ‚EIN FÜRST, DER ES SEINER NICHT UNWÜRDIG FINDET, ZU SAGEN: DAß ER ES FÜR PFLICHT HALTE, IN RELIGIONSDINGEN DEN MENSCHEN NICHTS VORZUSCHREIBEN, SONDERN IHNEN DARIN VOLLE FREIHEIT ZU LASSEN, DER ALSO SELBST DEN HOCHMÜTIGEN NAMEN DER TOLERANZ VON SICH ABLEHNT: IST SELBST AUFGEKLÄRT, UND VERDIENT VON DER DANKBAREN WELT UND NACHWELT ALS DERJENIGE GEPRIESEN ZU WERDEN, DER ZUERST DAS MENSCHLICHE GESCHLECHT DER UNMÜNDIGKEIT, WENIGSTENS VON SEITEN DER REGIERUNG, ENTSCHLUG, UND JEDEM FREI LIEß, SICH IN ALLEM, WAS GEWISSENSANGELEGENHEIT IST, SEINER EIGENEN VERNUNFT ZU BEDIENEN. UNTER IHM DÜRFEN VEREHRUNGSWÜRDIGE GEISTLICHE, UNBESCHADET IHRER AMTSPFLICHT, IHRE VOM ANGENOMMENEN SYMBOL HIER UND DA ABWEICHENDEN URTEILE UND EINSICHTEN, IN DER QUALITÄT DER GELEHRTEN, FREI UND ÖFFENTLICH DER WELT ZUR PRÜFUNG DARLEGEN; NOCH MEHR ABER JEDER ANDERE, DER DURCH KEINE AMTSPFLICHT EINGESCHRÄNKT IST. DIESER GEIST DER FREIHEIT BREITET SICH AUCH AUßERHALB AUS, SELBST DA, WO ER MIT ÄUßEREN HINDERNISSEN EINER SICH SELBST MIßVERSTEHENDEN REGIERUNG ZU RINGEN HAT. DENN ES LEUCHTET DIESER DOCH EIN BEISPIEL VOR, DAß BEI FREIHEIT, FÜR DIE ÖFFENTLICHE RUHE UND EINIGKEIT EINES GEMEINEN WESENS NICHT DAS MINDESTE ZU BESORGEN SEI. DIE MENSCHEN ARBEITEN SICH VON SELBST NACH UND NACH AUS DER ROHIGKEIT HERAUS, WENN MAN NUR NICHT ABSICHTLICH KÜNSTELT, UM SIE DARIN ZU ERHALTEN.’ Bei dem letzten Satz hatte der stille Theologe seine Stimme zu ungewohnter Lautstärke anschwellen lassen. Er fand eigentlich, dieser zuletzt zitierte Satz aus der ‚Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?’ sei an alle Tafeln aller Schulen im Lande zu schreiben und auf die Tore so mancher Institution zu meißeln. Im übrigen bitte er, von weiteren Fragen zu irgendwelchen Petitessen aus dem Leben der diversen Figuren der EinSatzLeitung einschließlich seiner eigenen Abstand zu nehmen, der Betrieb werde natürlich fortgesetzt, er speziell aber nehme nunmehr schwerpunktmäßig Fragen zu den aktuellen Religionspolitiken entgegen.

(2)40.

Die Abteilung Ö hatte in den vergangenen Tagen alle Hände voll zu tun gehabt, es waren viele erstaunliche Briefe eingegangen, denn nachdem sich frühere Leser hauptsächlich mit dem Chef verwechselt hatten, war inzwischen "der stille Theologe" zu einem Publikumsrenner geworden und hatte einige Bekennerschreiben von Eins-zu-Einslern verschiedener Religionen und Konfessionen auf sich gezogen, aber die Demokratiebeauftragte hatte "keinen Handlungsbedarf" gesehen, bis plötzlich ein Mann mit einem sehr roten Pullover ihr als Besucher gemeldet wurde, der dann, als er vorgelassen wurde, nur eine einzige Frage stellen wollte, nämlich: "lügen Tagebücher?" und die Demokratiebeauftragte sah ihn ein wenig besorgt, ein wenig erloschen und sehr erbarmend an und sagte: "unter bestimmten Umständen und wenn man die Seele eines Menschen sehr in die Enge treibt: durchaus und mit großer Sicherheit," und sie nahm seine Hand, drückte sie fest und wünschte ihm von Herzen alles Gute, und erst, als der Verstörte gegangen war, dachte sie, ich hätte ihm sagen sollen, daß eine solche Frage nur jemand stellt, der auf der Suche nach einer Wahrheit fremde Tagebücher durchschnüffelt, und daß man so etwas nicht tut.

Freitag, 8. Februar 2008

(2)39.

Während die Kreativleitung in ihren Archiven nach den Dingen suchte, die sie ordnen und in die Welt bringen wollte, sickerte aus der EinSatzLeitung etwas in die minderen Sprachen, das dort unter den Pestvögeln eine schwere Depression auslöste: die bisher schweigsame Forscherin hatte herausgefunden, daß Pestvogels möglicherweise das Zitat eines gewissen Zackvogel war, er war also nicht nur fiktiv (das sind wir hier schließlich alle), sondern er war zudem nicht mehr als das Zitat einer literarischen Figur, welche zu allem Unglück zwar hochinteressant, aber wohl nicht einmal wirklich erste Reihe war, und als sich dies in jenen Ebenen herumsprach, da versuchten einige verzweifelte Optimisten unter den Pestvögeln natürlich immer noch, mit irgendwelchen Eins-zu-Eins-Lektüren neuen Wein in ihre alten Schläuche zu füllen, aber so recht kam keine Freude mehr auf an diesem Geschäft, das Wissen, daß auch das Zwischen-den-Zeilen-Lesen nicht jedem gegeben ist, verbreitete sich unter den Pestvögeln wie ein besonders tückisches, lähmendes Gift oder wie eine Ölpest, und der Anblick der von ihm befallenen Pestvögel hätte selbst bei denjenigen EinSatzKräften, die einstmals am meisten unter des Ober-Pestvogels Attacken gelitten hatten, tiefes Mitleid ausgelöst, wenn sie zugegen gewesen wären.

Donnerstag, 7. Februar 2008

(2)38.

Der stille Theologe dachte daran, sich einmal mit den beiden erfahrenen Gattinnen zu unterreden, denn zunehmend gewann er den Eindruck, diese wüßten etwas von der Welt, das ihm nützlich sein könne und das er selbst in so etwas wie einer von der Selbstherrlichkeit bis zur Selbstgefälligkeit bis zur völligen Einillusionierung über seine persönliche Beschaffenheit allein nicht mehr erkennen könne, und auch nicht in jenen Phasen, die er anderen gegenüber allenfalls anzudeuten pflegte, den Phasen der völligen inneren Verödung, die seiner Arbeit so nützlich, seiner Seele aber anscheinend doch ein wenig lästig waren, und nach dem seltsamen Erlebnis mit der üblicherweise so überaus milden Demokratiebeauftragten fragte er sich, ob solche Umschwünge wohl auch bei ihm zu erwarten wären, bei ihm, dem es noch stets so vorkgekommen war, als kenne er keine Aggression, auch dann nicht, wenn er mal auf einem Chefsessel saß - seine Probleme lagen doch ganz woanders, er litt ein wenig darunter, daß seine kürzeren Liebschaften ihn nicht zu fesseln vermochten, während er irgendwelche längerfristigen Empfindungen an völlig unerreichbare Damen verschwendete, das war mißlich und gegen seine Ideale, aber es hatte doch mit dem "Wüten," über das die Damen in der EinSatzLeitung neuerdings öfter mal zu räsonnieren beliebten, seiner bescheidenen Ansicht nach nicht das Geringste zu tun; nun plötzlich schwante ihm von ferne, daß ihn für diese säuberliche Trennung seiner Bestrebungen nicht nur die Kreativleitung herzhaft ausgelacht haben würde, und er begann, freilich erst einmal nur für einen winzigen Augenblick, darüber nachzudenken, ob er hier vielleicht "wüte"?

Mittwoch, 6. Februar 2008

(2)37.

Also wieder einmal ein Perspektivwechsel, dachte die Demokratiebeauftragte, als sie sich im Chefsessel zurechtsetzte, und sie erinnerte sich noch gut, welche stillen Kämpfe sie mit dem rechtmäßigen Inhaber dieses Platzes hatte führen müssen und wie blöd sie sich dabei oft vorgekommen war, denn an irgendeiner Stelle ihres Herzens stimmte sie der manchmal in aller Stille doch sehr hochmütigen Kreativleitung zu, welche fand, das Leben werde erst wieder interessant, wenn man die lästige Pflicht, wütige Männer daran zu hindern, schlimmen Schaden anzurichten, eindeutig nicht annehme - und dann bekam sie den Bericht der Karomütze auf den Tisch und geriet gleich völlig aus der Fassung, schnauzte den verdutzten stillen Theologen, der ihn persönlich überbracht hatte, an, der doch wirklich nichts dafür konnte, und sagte, was denkt der sich denn, in der Schweiz herumzureisen und sich Schmähungen anzuhören und die dann auch noch zu kolportieren, so weit kommt das noch, und wozu braucht Mo einen Tunnel, der Korridor hier ist doch kein Höhenpass, man soll ihr halt ein Glöckchen umhängen, wenn man Angst hat, daß wer sie tottrampelt, und sie fand den stillen Theologen zu ihrer Überraschung ein wenig erschrocken, dann aber tapfer lächelnd, und da sackte sie zusammen, bat um Entschuldigung, lächelte auch, meinte, es müsse doch etwas mit dem Stuhl zu tun haben, aber sie wolle sich nicht herausreden, nur müsse doch bitte tatsächlich ein ganz klein wenig deutlicher definiert werden, was denn der Auftrag des Sicherheitsbeauftragten in der Schweiz recht eigentlich sei, ob dies nicht auch mit dem Eindruck des geschätzten Kollegen übereinstimme?

Dienstag, 5. Februar 2008

(2)36.

Als der stille Theologe im Auftrag der Demokratiebeauftragten das elektronisches Postfach der EinSatzLeitung öffnete, fand er darin Post des Sicherheitsbeauftragten, einen Zwischenbericht aus dem harschen Schnee der Berge und Täler der sogenannten Gesamtschweiz, in welchem er mitteilte, wie überaus genervt die schweizerischen Bekannten und Verwandten der EinSatzKräfte sich ihm gegenüber gezeigt hatten, denn es waren bereits hordenweise Eins-zu-Einsler bei ihnen gewesen, um auf irgendeine mehr oder weniger durchsichtige Weise sich anschleimend nachzufragen, in welchem persönlichen Verhältnis dieser und jener denn hier zu der Berliner Fraktion stehe, und insbesondere diejenigen, die sich zu ihrer nicht geringen Überraschung in der gemutmaßten Position bevorzugt beschwärmter Chefobjekte der Kreativleitung vorfanden (wovon sie bei Realkontakt mit dieser Dame nicht das Geringste hatten bemerken können, aus dem, wie wir wissen, einfachen Grunde, daß es damit nichts auf sich hatte), hatten sich bis zur Gefährlichkeit verdrossen gezeigt, und dies nicht allein, um ihren Hausfrieden zu retten, sondern teilweise auch, um nicht als Menschen von zweifelhaftem Geschmack zu gelten (dies teile er nur ungern mit, sagte bissig der Bemützte, aber er sei schließlich angewiesen worden, genauestens Bericht zu erstatten und weiter nichts), und in einem letzten Absatz seines Berichts machte er komischerweise auf die Seite 201 der aktuellen Ausgabe der Berliner zitty (welche er gegen das Heimweh mitgenommen hatte) aufmerksam, wo jemand möglicherweise Mos zauberhafte Geschichte von dem Mann mit dem Schneeflockengesicht in einen geradezu entzückend und befreiend falschen Hals bekommen habe, schließlich legte er dann noch einen Bauplan für einen einfachen Tunnel bei, den er der Kreativleitung als kleinen Gruß an Mo anempfahl, er habe ihn in einem Büro hoch über dem Vierwaldstätter See aus einem Papierkorb gefischt und für brauchbar befunden...

Sonntag, 3. Februar 2008

(2)35.

Am Montag war die Demokratiebeauftragte als erste im Büro, um ihren Platz geordnet zu hinterlassen: der Chef hatte die Absicht, mit seiner Frau gemeinsam tief ins Dickicht der gesellschaftlichen Wälder einzutauchen, um diesen und jene zu treffen, dieses und jenes richtig zu stellen, hier eine neue Information und da ein neues Projekt zu ergattern, und die Demokratiebeauftragte (in deren Büro solange der klitzekleine Forschungsminister und der stille Theologe residieren würden) sollte ihn vertreten, der Sicherheitsbeauftragte mit der Karomütze war tatsächlich mit einem Spezialauftrag in die Schweiz abgereist, und die Kreativleitung hatte das wieder völlig verschrumpelte und verschnarchte Mo in ein Bündel gepackt, den Tulpenstrauß mit bedauerndem Blick in eine Plastiktüte, und war anscheinend für ein paar Tage ohne Richtungsangabe verschwunden, nicht ohne eine kleine schwer lesbare, aber leicht abreißbare Notiz an ihrer Bürotür zu hinterlassen.

(2)34.

Das ganze Wochenende über ereignete sich nichts, außer daß die Demokratiebeauftragte irgendwann das Büro ihrer Freundin verließ, um sich um ihre familiären Angelegenheiten zu kümmern, und die Frage, wie man die Veränderung, die sich zwischen Samstagmittag und Sonntagabend an jenem Tulpenstrauß ereignete, hätte beschreiben sollen, konnte allenfalls die Kreativleitung beschäftigen, diese allerdings durchaus.

Samstag, 2. Februar 2008

(2)33.

Ein nachdenkliches Schweigen breitete sich aus im Büro der Kreativleitung, die beiden Damen schauten bald auf das schlafende kleine Mo, bald aus dem Fenster oder sich gegenseitig in die Gesichter, und das Warten lag wie eine dicke Watte im Raum, wie ein etwas zu fester Nebel, in dem alle Gegenstände ihre Konturen zu verlieren schienen, so daß es nur noch das schweigende Bewußtsein war, das ihre Gegenwart mit den anwesenden drei Personen verband, und einzig ein Tulpenstrauß war imstande, diese unsichtbare Wattigkeit durch das Spektakel jenes divenhaften Zerfalls, dessen nur hochwertige Tulpen fähig sind, zu durchbrechen; die Kreativleitung hatte ihn vor 10 Tagen bei ihrem Lieblingshändler mit der surreal lauten Stimme auf dem Markt gekauft, und nachdem er eine Woche lang in kräftigem Dunkelviolett prächtig geblüht hatte, schwebten nun die spitzigen, blasser gewordenen, das Violett lediglich in einer schmalen inneren Farbzunge konzentrierenden Blütenblätter in loser und willkürlich auszackender Formation um die freigelegten Stempel und Staubträger, das sehr ins Weiße spielende Blattwerk endete gleichfalls spitzig in winzigen Spiraldrehungen, und dieses Bild einer unendlich langsamen, aber unaufhaltsamen Bewegung spendete etwas wie einen überraschenden Trost.

Freitag, 1. Februar 2008

(2)32.

Vielleicht sollten wir Karomütze den Eins-zu-Einslern als Reporter auf die Fersen schicken, er kann dann mit ihnen auf der Suche nach einem Chef durch die Gesamtschweiz rodeln oder ihnen beim Aufspüren von Skandälchen für ihre langweiligen Drehbücher behilflich sein, indem er fingierte 'Sündenregister' aus der Historie irgendeiner Gattin anbietet und ihnen zur Hand geht bei der Erfindung sogenannter pikanter Details, das würde ihn auf andere Gedanken bringen, meinst du nicht, fragte die Kreativleitung ihre alte Freundin, die Demokratiebeauftragte, mit der sie lange nicht mehr hatte zusammensitzen können, und diese kam darüber selbst auf andere Gedanken und meinte, man könne ja solange für die EinSatzLeitung ein "Klein-Fritzchen" engagieren, das naseweise Erklärungen für alles aus irgendeinem Hut zaubere, und als ihr Blick auf das schlafende Mo fiel, fragte sie, was meinst du, wie lange wird sie noch immer wieder schlafen müssen, bis sie frei sprechen und sich wieder in etwas wie ein kleines Leben stürzen kann?

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