Montag, 30. Mai 2011

1418.

Wiederholungskrämpfe, du liebe Güte, sagte der Kwaliteitswart, und rief Karomütze an, denn er dachte, eine kleine Poldertour würde ihm gut tun.

Sonntag, 29. Mai 2011

1417.

Die Kreativleitung hatte sich in Absprache mit der Chefin das Schreiben verboten, führte nur ein paar Abwehrgefechte on behalf of Dame Oe, die von irgendwelchen Idioten aus der Ecke des ehemaligen Projektentwicklers immer noch angeschossen wurde, weil sie dafür zuständig sei, seine Altersversorgung zu sichern, als hätte er nicht längst alles an sich gebracht, was sie jemals aus ihrem Leben noch hätte machen koennen, als hätte er nicht längst in einer Hatz, die ihresgleichen suchte, ihr das Leben zu einer Bitternis reduziert, angesichts derer anderen mehr als die eine erhobene Braue versteinert wäre, als hätte man nicht längst einen gewaltigen Bruch mit der gesamten Mitmacherbande und einen spektakulären Abgang inszenieren müssen, um sowas angemessen zu beantworten, sagte die Kreativleitung, als sie mit Dame Oe und der Gattin des ehemaligen Chefs in der Hollywoodschaukel saß, nicht einmal von Mo begleitet, denn diese trieb sich, da keine Zettel mehr gebraucht wurden, nur noch mit dem erzählenden Kranich in der Wildnis herum, während der klitzekleine Forschungsminister vom naseweisen Sinologen das Blähen lernte.

Samstag, 28. Mai 2011

1416.

Wir sind die family, ey, sagte der Kumpel von Karomütze zu seinem Kumpel, aber es klang nicht amüsiert, und auch Karo war ziemlich bedrückt, das kannst du doch nicht schreiben, sagte er der Kreativleitung, und sie sagte, vielleicht hast du recht, aber hätte ich es denn übergehen sollen?

Freitag, 27. Mai 2011

1415.

Du fängst jetzt nicht wieder mit diesen alten Filmen an, oder, sagte die allgemeinste Verteidigung entnervten Gesichts, als sie, nachdem sie das Kleinchen zu Bett gebracht hatte, auf dem nur leicht schunkelnden Hausboot den Kwaliteitswart vor dem Schirm auf "Scarlet Pimpernelle" glotzen sah, aber es war zu spät: der hatte sich voellig eingesponnen in seine herrliche Filmwelt, der klappte erst das eine und dann das andere Bein über das je andere oder so und lullte sich richtig ein in die Phantasie des Helden, der nie sicher ist, ob seine Frau ihn auch liebt, und die praktische Verteidigung konnte solange sehen, wo sie blieb, so'n Mist, sagte die, und lachte.

Donnerstag, 26. Mai 2011

1414.

Wenn sie gar zu unverschämt schoen werden, kannst du nur hoffen, dass sie auch damit fertig werden, sagte die Chefin, als das Kind wieder gegangen war, und sie schickte einen Gruß hinterher, nicht zum Klagen, sondern mehr so als Schutz: http://www.youtube.com/watch?v=16AnGcB7MHA

Mittwoch, 25. Mai 2011

1413.

Es ist alles gesagt, sagte der Buchhalter, und schloss die Tür; dabei dachte er an seine Märklin-Eisenbahn und daran, dass morgen oder übermorgen, je nachdem, wann die Trantüte Kreativleitung mal wieder einen Satz zu setzen gedachte, unweigerlich der Tag der Lok 1414 sein würde, die, wie er sich innerlich vor sprach, auf Urlaub ging, ach Kindertage…

Montag, 23. Mai 2011

1412.

Ein vollkommen schockierendes Ereignis ereignete sich, als Karomütze am Grillplatz in Begleitung einer jungen Dame auftauchte, welche ein über und über kariertes Kleid am Leibe trug und dann nicht etwa mit eigenem Namen vorgestellt wurde, sondern als die - man hoere und erschrecke - Ex des sozialen Tugendwartes!

1411.

Da war ein Zählproblem zu beheben, es dauerte den ganzen Tag, stoehnte der Buchhalter, dem schwindelig war.

Sonntag, 22. Mai 2011

1410.

Pfffft, machte Karo, und seine Lippen bewegten sich von Schlitzmund zu Spitzmund und zurück, als er sah, wie in der NachrichtenMitHintergrundSendung die Luft aus einem Globus zischte, soll das jetzt für mich eine Steilvorlage sein oder was, dann zischte er vor Wut noch einmal nach und kniff sich in sein Ohrläppchen.

Freitag, 20. Mai 2011

1409.

Der regennasse Asphalt dünstete etwas nach - auch am Übergang von der Revaler Straße zur Modersohnbrücke, auf der Karomütze stand, weil Mr. Precuneus ihm einen Hinweis gegeben hatte.

1408.

In der Fabriciusstraße roch es nach verbranntem Gummi, als der naseweise Sinologe die klammen Stiegen zu seiner Wohnung erklomm, und er fragte sich, wie er unter solchen Umständen würde lüften koennen.

Mittwoch, 18. Mai 2011

1407.

Der soziale Tugendwart wollte bei der Entscheidung unbedingt mitsprechen.

Dienstag, 17. Mai 2011

1406.

Dann schrieben sie tatsächlich eine Stelle aus für den Verkauf - aber sie schrieben sie Dame Oe gleichsam auf den Leib und keiner wusste so genau, wieso sie das taten.

Montag, 16. Mai 2011

1405. B

Jemand hatte im Teppich geglaubt, sich selbst zu erkennen, und er zitterte gar sehr, dass etwas Unerfreuliches über ihn bekannt werden koennte, was unbedingt und durchaus zu verhindern wäre, seiner Meinung nach. An Hebeln, die er in Bewegung glaubte setzen zu dürfen, fehlte es ihm nicht, und in inniger Zusammenarbeit mit den Welten der Pest- und Brachvoegel sowie unter Herbeiziehung des Milchzaren aus Nieder- oder Obersachsen und anderen Kräften war es ihm gelungen, die Kreativabteilung der EinSatzLeitung ebenso lahmzulegen wie die nicht übermäßig entwickelte Verkaufsabteilung, für die sich eh niemand so richtig zuständig fühlte. Zwar hatten Karomütze, Mr. Precuneus und andere in unermüdlichem EinSatz vieles unternommen, um den Karren wieder flott zu kriegen, aber dann kamen ausgerechnet die Helfer auf die verrückte Idee, der ohnehin schon poroes gewordenen Kreativabteilung einmal recht gründlich auf den Zahn zu fühlen, aufs Maul zu schauen oder in die Stube zu lauschen. Zwar wurde das Gebäude gesichert, aber schließlich lebte man in guter Nachbarschaft zu seinen Nachbarn, und wer würde wohl sich weigern, ein Paket für den Nachbarn entgegenzunehmen, wer auf ein Mo hoeren, welches behauptete, es ticke in diesem Päckchen und vermutlich sitze irgendein winziger Pianist da drinnen. Zwar glaubte immerhin die Kreativleitung dem kleinen Mo sofort, aber anstatt sich nun, wie es Karomütze, wäre er nicht mal wieder in den Poldern unterwegs gewesen, ohne Zweifel geraten haben würde, mucksmäuschenstill zu verhalten und von den üblichen Selbstgesprächen zur Bewusstseinsklärung in den Schreibprozessen abzusehen, hatte sie eine ihrer unbeschreiblich unklugen Ideen. "Wenn wirklich ein kleiner Pianist in dem Päckchen sitzt und uns belauschen will," flüsterte sie Mo zu und machte dabei ein abenteuerlustiges Gesicht, "dann werden wir ihm jetzt mal erzählen, was wir von ihm und der Welt und solchen Methoden halten, meinst du nicht?" Mo fand die Idee ausgezeichnet, denn irgendwie hatte sie das immer schon mal machen wollen, nur waren die Gelegenheiten so rar so rar, und schließlich war es ihr immer lieber, die ganze Sache mal zu vergessen, nun sie sich aber an ihr Bewusstsein getickt hatte und anscheinend zum Wiedererwachen der Lebenskräfte gehoerte, war es doch nur recht, ein wenig vor sich und dem vermeintlichen Pianistenpäckchen auszupacken, was sie so empfand. Die Kreativleitung ermunterte sie - und so plapperten sie in einem Fort um das Päckchen herum, nicht bedenkend, dass sie damit bei ihren Freunden (tatsächlich steckten der erzählende Kranich und der kleine Brachvogel mit unter der Decke derjenigen, die mal ein Ohr in die Kreativabteilung hatten schmuggeln wollen, natürlich nur in der hochedlen Absicht, Argumente gegen die Denunzianten zu sammeln) mittlere Erdbeben und ein für sie nicht sehr günstiges Entsetzen ausloesen würden. Tja, und so kam es, dass die EinSatzLeitung am Wochenende geschlossen blieb, denn alle waren unterwegs, um hier und da ein Feuerchen zu loeschen, hier und da Gesicht zu zeigen und EinSätze zu sagen und freundlich lächelnd zu ertragen, wie merkwürdig sich mancher benahm, und dass es anderen tatsächlich gelang, ploetzlich gar nicht mehr so merkwürdig zu sein. "Wie mans macht, macht mans verkehrt," seufzte der kleine Brachvogel, wir haben es doch wirklich gut gemeint. "Ist ja schon gut," sagte das kleine Mo, "wir sind ja schon froh, wenn man uns nicht boeser Absichten beschuldigt, und dürften wir jetzt bitte den Teppich verkaufen, es ist doch ein wirklich schoener Teppich, und übrigens sind wir auch sonst sehr nett."

1405.

Niemand fragte, warum die EinSatzLeitung das ganze Wochenende geschwiegen hatte, denn der Vorfall war allen EinSatzKräften bekannt geworden und wird im folgenden wieder einmal auf einer B-Ebene mitgeteilt.

Freitag, 13. Mai 2011

1404.

Die Frankfurter Schule hatte auch ein Schulorchester, schnatterte das Kind, als es nach dem Konzert sein Instrument einpackte und mit der Chefin zum Auto ging, die haben dann immer Adornos Kompositionen gespielt, Mama, wusstest du das, und die Chefin sagte, ich wusste nur, dass er auch komponiert hat und wie man so sagt jede Note der abendländischen Musikliteratur kannte, aber es interessierte mich nicht so sehr, und das Kind protestierte nicht, als die Mutter im Auto Jazzradio aufdrehte: bei dem Wort "Drive-fuck-aholic" mussten sie beide lachen.

Mittwoch, 11. Mai 2011

1403.

Anstatt sich mit den Füßen aus dem Fenster auf die Fensterbank zu setzen, um irgendein Lied zu zitieren, sollte sie sich lieber an einen Tisch setzen mit… und die Dinge mal richtig ausdiskutieren, kann doch nicht so schlimm sein, sagte der Minderheitler mit den grünen Borsten, welcher sich grämte, dass neuerdings alle Leute was von städtischer Verdichtung sabbelten, während er eigentlich nur noch raus wollte, Amerika oder so, und nein, nicht das in Brandenburg, Grand Canyon, wenn ihr versteht was ich meine, nicht irgendwelche Mos, sondern Fritz the Cat, apropos Krähen.

Montag, 9. Mai 2011

1402.

Die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den ewig rotgeränderten Augen setzte sich auf die Fensterbank ihrer Wohnung im 80. Stock und ließ ihre Füße nach draußen bammeln, es gefiel ihr so.

Sonntag, 8. Mai 2011

1401.

Der Mann vor dem Plattenbau begrüßte mit brüchiger Stimme den Abgeordneten der Linken Friedrichshain-Kreuzberg X.X., welcher nun zum Jahrestage der Befreiung zu den wenigen Versammelten sprechen werde, und schütterer Beifall verklatschte sich an die Ohren der Vorüberfahrenden, als Mo im Koerbchen des Fahrrades einen kleinen Singsang anstimmte, in welchem sie sang: das Datum meiner Gefangenname habe ich vergessen, und nie wieder habe ich in die schändlichen Unterlagen geschaut, aber jeder, der mein Leben in der Zeit danach, in den Jahren mit Mann und in den Jahren ohne Mann, ansehen würde, als hätte ich die Gefangenschaft selbst vergessen, würde einen Wahrnehmungsfehler machen, und sie kratzte ein wenig am flatternden Hemde der Kreativleitung herum, die schweigend und lächelnd weiter in die Pedale trat und sich am Anblick der Gebäude und der Bäume und der Menschen, welchen unentwegt auszuweichen war, da sie sich in diesen Gegenden vollkommen regellos über die Straßen bewege, freute.

Samstag, 7. Mai 2011

1400.B.

Der Text, welchen die Chefin in ihrem Postfach gefunden hatte, schilderte eine Begebenheit aus ihrem Leben als Vortragende. Tatsächlich hatte eine Mediengruppe sie eingeladen, über die EinSatzLeitung zu berichten. Es waren vornehmlich Damen dort gewesen, die einmal etwas anderes über weibliche Führung hoeren wollten als das Übliche, und die Chefin hatte sich viele Gedanken gemacht. Tatsächlich hatte sie ihr geschätztes Publikum "abgeholt" mit einem kleinen "Teaser," wie diese Leute es ja zu nennen pflegten: Heidi Klum, so sagte sie, verkoerpert mit ihrer Model-Dressur im Grunde die perfekte Phallokratie. Und dies nicht, weil sie etwa die Mädels zu Objekten männlicher Lüste herrichtet, wie es eine altfeministische Lehre nicht ohne Recht und Grund zu bemerken pflegt, sondern vielmehr deswegen, weil sie in der Tiefenstruktur selbst phallisch ist und dieses auch einfordert. Zugleich ist sie freilich eine Bienenkoenigin. Wie dieses? Nun, hatte die Chefin ihre Ausführungen fortgesetzt, ich will Ihnen sagen, was ich unter Phallokratie in der Tiefenstruktur verstehe, gern ohne tiefer einzusteigen in die Lacanianische Theorie, denn für diese wird Ihnen die Zeit fehlen, Sie haben Unternehmen zu führen: Eben als Unternehmerinnen sind Sie aber phallische Frauen der neueren Art. Mit Phallisch meinen wir ungefähr: Jeder hat alle seine Handlungen am erigierten Gliede zu orientieren. Wenn Ihnen etwa der Auktionator eines Kunstwerkes sagt, wichtig ist mir nicht der Preis, wichtig ist mir, dass derjenige das Werk bekommt, der es unbedingt haben will. Dann ist für ihn die Phallizität des Käufers entscheidend. Sie ist ihm wichtiger als das Geld, das er bekommt. Er sagt, das sei so, weil er selbst das Kunstwerk besonders liebe. Und nun prüft er also die Kunden auf ihr Unbedingtwollen. So macht es auch Heidi Klum. Die Mädels oder Models sollen nicht so sehr perfekte Objekte sein, sondern sie sollen unbedingt perfekte Objekte sein wollen. Darauf geht der Drill. An dieser Stelle erhob sich Murren im Auditorium, denn die Damen hatten sich just diese Haltung selbst mit Mühe angeprügelt, und was sollte nun daran schlecht sein? Das Phallische an sich ist ja nicht unbedingt schlecht, lächelte die Chefin, nicht ohne mit winzigen Mienenspielen anzudeuten, dass im Hintergrund ihrer gusseisernen Freundlichkeit eine Kraft saß, von der sie durchaus nur gelegentlich Kenntnis zu geben wünschte. Im Gegenteil, wir müssen begrüßen, wenn die Menschen etwas sehr wollen und uns dadurch in ein Spiel ziehen, das wir genießen koennen, und auch auf der Bildebene wird eine Dame kein groeßeres Kompliment kennen, als wenn ein Herr, den sie selbst faszinierend findet, in ihrer Gegenwart die betreffende Beunruhigung zeigt, die uns hier als Symbol dient, nicht wahr. Da wurde wieder ein wenig wissend geschmunzelt oder sehnsüchtig geseufzt, und einer der wenigen Herren im Auditorium erroetete leicht (es konnte natürlich einen anderen Grund haben, den Blutdruck oder was auch immer). Warum aber ist die Heidi denn nun eine Bienenkoenigen, wollte eine der ungeduldigeren Damen wissen, nun ja, sagte die Chefin, weil sie entscheiden kann, wessen unbedingtes Wollen sie am unbedingtesten überzeugt. Das ist an sich nicht weiter ungewoehnlich bei Lehr- und Auswahlveranstaltungen. Aber was mich interessiert ist die Konsequenz für die Frage, was Heidi selbst eigentlich will. Und ich meine, sie will nicht wollen müssen. Das finde ich ziemlich interessant.
Den Damen gefiel es nicht so, denn es war irgendwie nicht operationalisierbar, und außerdem hatte es auch nicht den Schatten eines Versprechens bei sich, dass die besprochene Heidi Klum es etwa selbst so gesehen haben würde.

Also gut, sagte die Chedin schließlich lachend, das moegen Sie nicht? Dann machen wir jetzt das Übliche: ein Rollenspiel zu Team und Wertschätzung, intrinsischer Motivation usw. Da waren sie alle schnell wieder bei ihr, und als der Tag beendet war, waren sie wieder fest davon überzeugt, in der kommenden Arbeitswoche alles sehr viel richtiger zu machen und ihren Laden besser in den Griff zu kriegen. Sie äußerten sich in der feed-back-Runde entsprechend.

Nur eine drückte ihr am Ende die Hand, zog ihre feingezupften und korrekt eingefärbten Brauen zusammen und sagte strahlend: Wissen Sie, am Anfang habe ich gedacht, das ist so eine intellektuelle Schnepfe, die voellig durchdreht und nichts auf die Reihe kriegt. Aber dann haben Sie mich doch überrascht. Ja, sagte die Chefin, und dankte herzlich. Zum Glück habe ich irgendwann in meiner Laufbahn begriffen, dass die Menschen immer das als neu und überraschend und bereichernd empfinden, was sie schon ganz lange kennen und auf allen Kanälen täglich hoeren. Und sie verabschiedete sich mit einer angedeuteten yogischen Verbeugung.

Immerhin kein Wort über die EinSatzLeitung verloren, dachte sie auf dem Heimweg, ich würde es doch vermissen.

1400.

Das Kind war zum Wochenende bei der väterlichen Familie, so dass die Chefin schlafen konnte bis in die Puppen, seltsam eingehüllt in die Vorstellung, ausgerechnet von Mos Gedanken warm umhüllt zu sein, und als sie erwachte, hatten die Voegel schon sehr lange gezwitschert, die Sonne hatte abertausende von schnellen Strahlen durch das dünne Gewebe des Vorhangs geschickt, so dass sie nach Morgenübungen, Dusche und einem herrlichen Kaffee auf dem Balkon dachte: Zeit für eine B-Ebene, welche sie auch tatsächlich gleichsam tippfrisch in ihrem Postfach fand.

Freitag, 6. Mai 2011

1399.

Die Kreativleitung hatte sich ganz grün in eine Hecke gesetzt, um den Voegeln zu lauschen, Mo schnarchte im Bündel, der erzählende Kranich lauschte andächtig auf einem Beine stehend, und zu Füßen der Hecke hockte der kleine Brachvogel, welcher in unklarer Gefühlslage dem Pestvogel mit dem belgischen S dabei zuschaute, wie er ein Stück Entenflott mit energischen Kopfbewegungen trockenschwenkte, bevor er es sich einverleibte, um dann frisch gestärkt zu verkünden: ich bin ein Pestvogel, das S ist mir zugewachsen, aber ich bin ein Pestvogel wie ihr alle, und wir Pestvoegel, wir mussten damals diesen Brachvogel erledigen, er wäre nur immer wieder auf dieselben Dinge zurückgekommen, denn er konnte nicht glauben, dass alle seine Werke zerfleddert und wertlos geworden waren, seit sich herumgesprochen hatte - ja, wir mussten es tun, trompetete er, und der kleine Brachvogel sagte mit zitternder Stimme, ich glaube nicht, dass Sie ein Pestvogel sind, Verehrtester, ich moechte Sie eher für eine gemeine Elster halten, und mit einer erstaunlichen Behendigkeit flatterte er auf das erfahrungsgeblähte Tier zu und rupfte ihm eine Schwungfeder aus, na da hätten Sie mal sehen sollen, was geschah!

Donnerstag, 5. Mai 2011

1398.

In seinen Fortbildungen hatte der Kwaliteitswart sich entschlossen, dann und wann etwas über das Opfer zu sagen, denn im Grunde lief es ja immer darauf hinaus, wenn wieder mal in irgendeinem Unternehmen die Luft brannte, und Leute, die bei brennender Luft in Unternehmen eingesetzt wurden, waren schließlich diejenigen, die seine Fortbildungen besuchten, aber als er ihnen an diesem Tag erzählte, wie in den hellenistischen Kulten das zu opfernde Tier zuvor noch ins Getreide geführt worden war, um Halme zu raufen, nicht etwa als Henkersmahlzeit, sondern weil man wollte, dass es auch etwas Boeses getan habe, eine Schuld, die es einzugestehen hatte, bevor es dann zur Strafe getoetet wurde, da verzogen erst einige der resoluter wirkenden zierlichen Damen, dann einige andere Teilnehmer ihre Gesichter, und nach einer halben Stunde ereiferte sich ein schwitzender, dicklicher kleiner Kerl vorgerückten Alters sehr darüber, dass hier systematisch die Eigenverantwortung der eingebildeten Mobbing-Opfer geleugnet werde, nun auch noch unter Missbrauch rudimentärer Kenntnisse der Religionsgeschichte, er sei aber gekommen, um zu lernen, wie man bei sich anfangen koenne, die Situationen zum Guten zu wenden, und der Kwaliteitswart wechselte vom schlaksigen Standbein auf das nicht weniger schlaksige Spielbein, indem er dünnlich lächelnd sagte, dann fangen Sie doch am besten einfach mal an, es wird allemal sinnvoller sein, als wenn Sie sich weiter über mein Konzept aufregen, nej?

Mittwoch, 4. Mai 2011

1397.

Also wenn die das jetzt durchhält, dann würden wir uns vielleicht in Zukunft bereit finden, sie auch weiter ein bisschen zu unterrichten, aber so ein bisschen mehr Durchhalten usw., das soll schon sein, plapperte die Erzieherin im Gespräch mit der allgemeinsten Verteidigung, die entgeistert zuhoerte und zuschaute, wie die Erzieherin mit ihren Fingernägeln nervoes auf der Tischplatte herumkratzte, während sie sagte, die Kinder heute sind ja so unaufmerksam und zerstreut, die gucken immer nur in Bildschirme und erwarten, dass es piept, und als die Erzieherin noch drei so Sätze gesagt hatte, und als die allgemeinste Verteidigung eine minimale Kontrolle über ihre Kiefermuskulatur wieder erlangt hatte, da fragte sie, von welchen Kindern sprechen Sie überhaupt, und die Erzieherin unterbrach sich für eine halbe Minute, bevor sie weiter sprach über die allgemein anschwellende Ungeduld am Kinde.

Dienstag, 3. Mai 2011

1396.

Dem Journalisten gefiel es, einmal darauf aufmerksam zu machen, dass hier mit einem Film geworben werde, welcher gar nicht existierte, was Sie nicht sagen, sagte die allgemeinste Verteidigung, und es klang wenig apologetisch.

Montag, 2. Mai 2011

1395.

In den Ebenen der klammen und breiten Sprachen hockten die Brachvoegel und die Pestvoegel beieinander und berieten eifrigst über die Frage, wie umzugehen sei mit dem kleinen Brachvogel, welcher soeben hatte verlauten lassen, dass er mit bestimmten Sprachen ganz und gar gebrochen habe: nun, sagte der oberste Pestvogel, wer mit einer ganzen Sprachwelt bricht, erleidet sicherlich einen seelischen Zusammenbruch und wird entweder sich oder der Welt früher oder später gefährlich werden, man muss ihn einem Exorrzismus unterziehen und mit Gebeten heilen, sagte der zweitoberste Brachvogel, und dicke Wolken zeigten sich am Himmel, aus denen es wirklich Katzen und Hunde regnen würde über kurz oder lang, denn der oberste Brachvogel war entrüstet, es wäre also alles ziemlich schlimm ausgegangen für den kleinen Brachvogel, wenn nicht eine Pestvogelin hervorgetreten wäre, die allgemein anerkannt war unter Brach- und Pestvoegeln, weil sie viele schoene Werke in einer hoechst eigenwilligen Sprache verfasst hatte, und sie floetete mit eigenartiger Stimme, meine Damen und Herren Vogelkollegen, innerhalb Ihrer Fachwelten würden Sie niemals eine sinnvolle Deutung derjenigen Werke zustande bringen, mit welchen Sie doch Ihre Nester und Ihre Brutmulden zu befüllen pflegen, und ich moechte Sie herzlich bitten, im kleinen Brachvogel das Talent zu erkennen, das er schon oefter bewiesen hat, welches sich freilich nur wird durchkämpfen und zu hoeheren Leistungen verstehen koennen, wenn man ihm nicht die Fesseln derjenigen Begriffe von Ganzheit und Heilung anlegt, in welchen andere Voegel mit gutem Rechte noch passable Flugleistungen erbringen, und sie nahm das verängstigt vor sich hin piepsende Tier unter ihre Fittiche und schritt unter Zurücklassung empoert aufeinander ein debattierender Vogelschwärme neben dem nach und nach munterer austrippelnden Wesen auf den Platz zu, an welchem sie zu residieren pflegte, ignoriert von vielen, geachtet von vielen anderen, und eingerichtet in einer gewissen sproeden Gelassenheit.

Sonntag, 1. Mai 2011

1394.

Das richtige Konzept, sagte der Komplexitätswart, der sich zum 1. Mai wie jedes Jahr lieber "Reduktionswart" hätte nennen lassen, das richtige Konzept bei einem syrischen Geheimdienstmann auf 153 syrische Normalbürger, sagte er also, wäre ein Gegengeheimdienst, etwa nicht, man kann das doch heute ganz gut hinkriegen, muss sich natürlich ordentlich vernetzen und so, aber dann wird das schon, ich bin sicher, und er entzückte sich sogleich so sehr an seiner Idee, dass er sie von seinem kleinen Handgerät aus an Mr. Precuneus twitterte und in den verbleibenden Stunden des Tages nur noch auf dessen Antwort wartete - welche indes ausblieb.

Über mich