Im Laufe des Nachmittages wurde Karomütze mit seinem schwarzen Alfa Romeo zum Flughafen geschickt, wo er im Auftrag der EinSatzLeitung den lange angekündigten und auf der Kommentarebene auch schon einmal selbst zur Sprache gekommenen Mr. Precuneus abholen sollte. Man hatte Karomütze intensiv ermahnt, dem neuen Mann nicht seine ruppigste Fahrweise zuzumuten, aber Karomütze war entschlossen, sich an so bescheuerte Ratschläge nun wirklich nicht zu halten. Schließlich mußte diesem möglicherweise gefährlichen Neuling erst einmal klargemacht werden, wo hierzulande die Wahnsinnigen stecken und wo die Vernünftigen, und der Straßenverkehr jedenfalls, das war mal sicher, der gehörte den Wahnsinnigen.
Man hatte Mo beauftragt, dem neuen Mann ein Schild zu malen, auf dem stehen sollte: Welcome Mr. Precuneus. Das Mo hatte es auch recht hübsch zuwege gebracht. Karomütze hatte sich von der Kreativleitung sagen lassen, wenn er ihn wirklich ärgern wolle, müsse er das Wort Precuneus wie folgt variieren: Prätorius (Dorfschulze), Präpotentius (junger Mann unter 14), Performanus (duchgeknallter Mantiker, und was ist ein Mantiker, hatte Karomütze gefragt, ungefähr sowas wie ein Haruspex, hatte die Kreativleitung gesagt, und damit war dieser Teil der Fragestunde beendet, denn noch so einen wollte Karo nun nicht, und die Kreativleitung war schon dunkelgrün), Peträus (General vor Kundus, war er jedenfalls mal, oder?), Petroleum (Brennstoff für altmodische Lampen), Prekarius (Inhaber eines Lehrstuhls für gehobenes Präkariat), Präputium usw. Und Karomütze hatte alles wieder vergessen, fast mit Absicht, denn er dachte, wenn ich mir noch aufschreibe, was nicht geht, sag ich es extra. Dann stand er in der Halle und hielt sein Schild hoch, kam der sich beknackt vor bei dieser Arbeit. Irgendwann kam einer auf ihn zu, sah aus wie ein etwas schlaksiger Ghanaer mit in der Mitte einem Kugelbauch und weit auseinanderstehenden Zähnen, und sagte jovial, hallo, danke für das schöne Schild, aber sagen Sie mal, ist denn die EinSatzLeitung ein Kindergarten? Da-das nicht gerade, stammelte Karomütze, aber wir haben ein Mo, hat man Ihnen das nicht gesagt. Nein, sagte der Mann, hat man nicht, also nicht, daß das ein Kind ist. Es ist auch nicht eigentlich ein Kind, sagte Karomütze und fragte sich, wie er abwenden könne, daß dieser Typ in seiner Wohnung und zwischen seinen Globen schlief, das ging irgendwie nicht, einen Hirnie hatte er ja erwartet, aber doch nicht so eine durchgeknallte Trainingsfigur. Mo heißen bei uns die älteren Brüder, sagte Precuneus da, und man ehrt sie. Aha, sagte Karomütze, seinen rechten Mundwinkel sauber leckend, irgendsoein Krümel war da hängen geblieben, peinlich peinlich, das rettete ihn nun vor einem schäbigen Grinsen, dann ehren Sie unser Mo mal schön, grummelte er, über seine eigene Zunge stolpernd. Gern, sagte Precuneus, und schaute ihn aus großen runden Augen sehr und sehr fragend an.
Dann überlegte Karo, wie er Precuneus die Sache mit dem Bad und mit den Rauchmeldern erklären sollte. Er fing vorsichtig an: Sie arbeiten schon lange im Sicherheitsbereich? 12 Jahre, sagte Precuneus knapp. Bevor Sie anfingen, wie hat man Sie da getestet, fragte Karo. Getestet? Niemand hat mich getestet. Ich habe mich beworben, ein paar body-checks gemacht, ein paar Fragen beantwortet, mich einverstanden erklärt mit Befragungen meiner Angehörigen, das wars. Erstaunlich, sagte Karomütze, bei uns machen sie es anders. Bei uns bauen sie in Rauchmelder und Wasserzähler kleine Kameras und Mikrophone ein, verwanzen deinen Computer und geben sich auch sonst viel Mühe. Die Augen von Precuneus wurden größer und runder, er fragte: Sind Sie sicher? Woher haben Sie die Information? Erschlossen, sagte Karomütze, messerscharf erschlossen, wissen Sie, ich sammele alle Daten, die man nur kriegen kann, und setze sie zum schlimmsten möglichen Szenario zusammen. Wenn ich dann auf alles geschickt reagieren kann, dann mache ich mir einen Strich auf meiner Liste. Ich führe so eine Liste, wissen Sie. Precuneus begann, sich sehr zu interessieren, beschloß aber, sicherheitshalber auch mal im Pschyrembel unter seelischen Erkrankungen nachzuschauen. Während Karomütze gerade seine eigene Stoßstange mit einem Mund und die Stoßstange eines roten Opels vor ihm mit dem Mund der Fahrerin zu verwechseln schien, sehnte sich Precuneus schon nach der Weisheit seiner Mami im Benin (er war nämlich nicht aus Ghana). Die hätte doch gewußt, was man mit so einem Typen machen müsse.
Karomütze plapperte munter weiter. Ich verlange also von mir eine geschickte Reaktion auf Kameras in Rauchmeldern usw. Man muß fit sein. Ich habe übrigens bei anderen, aber das dürfen Sie niemandem verraten, auch schon welche in die Rauchmelder gesetzt, und ebenso in die Wasserzähler. Bei mir sind solche Sachen deswegen sämtlich mo-like dekoriert, hübsch bunt beklebt, verstehen Sie? Mein Computer hat drei Passwortsperren und sowieso einen Firewall. Usw. Precuneus fühlte ein jet-lag, und als sie an der EinSatzLeitung angekommen waren, erwachte er nicht einmal von Karos Flüchen beim Einparken.
Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
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