Samstag, 28. März 2009

653.B

"Henrik Ibsen war kein Kenner der politischen Verhältnisse Zentraleuropas, er hat mindestens, soweit ich unterrichtet bin, keinen Anspruch auf eine Kennerschaft in dieser Sphäre erhoben. Aber der Magus des Nordens - warum Magus? weil er von Beruf Apotheker gewesen? - war einmal, Jahre vor 1914, in Wien. Bei einem Bankett erkundigte er sich bei einem Tischnachbarn, einem österreichischen Minister, nach den innenpolitischen Verhältnissen der Monarchie. Der Minister informierte ihn auf gut österreichisch also: 'Schaun's, Herr Ibsen, es ist sehr schwer, bei uns eine richtige Politik zu machen. Wir haben in der Monarchie elf verschiedene Nationen. Die würden ganz gut miteinander auskommen. Aber alle diese Nationen haben auf einmal nationale Politiker und Rädelsführer bekommen, und die hetzten die Nationen gegeneinander auf. Darum geht es von Jahr zu Jahr chlechter bei uns. Und es muß immer schlechter gehen, weil man ja diese nationalen Führer nicht aufhängen kann.' - 'Warum kann man sie nicht aufhängen?' meinte Henrik Ibsenernst, 'das ist ein Vorurteil...' Mit einigem Entsetzen mußte der Minister einer humanen altösterreichischen Regierung einen so hochmoralischen Dichter wie Henrik Ibsen so zynisch haben reden hören. Aber dieselbe humane Regierung hat dann im Krieg allein in Galizien elftausend Galgen errichtet und ebenso viele Ukrainer aufgehängt, russophile Ukrainer. So hieß damals in Österreich die fünfte Kolonne. Denn diese Bezeichnung, erfunden im spanischen Bürgerkrieg, ist ja nur ein neuer Name für eine sehr alte Kriegspest. Der Krieg erzeugt nicht nur Cholera und Typhus, er bringt auch verschiedene Krankheiten des Geistes mit sich, und eine von diesen Kriegspsychosen heißt in unseren Tagen eben die fünfte Kolonne. Was das Rezept des nordischen Apothekers betrifft, so möchte ich glauben, daß es nicht geschadet hätte, auch wenn es nichts genützt haben würde. Denn unter den vielen Millionen Toten des Weltkriegs 1914-1918 gab es sicher keinen, der zum Ausbruch des Krieges so viel beigetragen hätte wie die nationalen Rädelsführer Zentraleuropas. Und just von diesen sind die meisten am Leben geblieben."

5 Kommentare:

Der klitzekleine Forschungsminister hat gesagt…

Hier handelt es sich um einen Ausschnitt aus Soma Morgensterns Romanbericht "Flucht in Frankreich," alle reden sich die Köpfe heiß über ihre Situation, die sie auf keine Weise zu begreifen vermögen, aber vieles von dem, was sie sich gegenseitig sagen, ist dermaßen intelligent und witzig und im besten Sinne anstößig, daß Mos Begeisterung für das Buch gerechtfertigt ist.

Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse hat gesagt…

Lediglich davon, daß man es als Frau liest, muß man dann und wann absehen, aber Mo hat sich ja daran wohl gewöhnt.

Dame Ö hat gesagt…

Wird ihr wohl nichts anderes übrig geblieben sein.

Oberassistent hat gesagt…

Was ihr immer verbratet! Schnepfen!

Leitung Öffentlichkeit hat gesagt…

Marzipanfresser!

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