Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Sonntag, 22. März 2009
647.
Die Gattin des ehemaligen Chefs hatte sich in früheren Jahren häufig bei der Dame Ö Rat in Erziehungsdingen geholt, denn dieser (einer pädagogischen Laiin) schien es besser als ihr selbst zu gelingen, dem Sohne eine Selbständigkeit beizubringen, und wie hast du das gemacht, hatte sie einmal verzweifelt gefragt, bei mir wird er immer so bequem – worauf die Dame Ö ohne im mindesten mit der Braue zu zucken gesagt hatte, das liegt nicht nur an uns, das liegt auch etwas bei den jungen Herren, würde ich sagen, der eine ist so, der andere so, aber vielleicht hat dein Sohn den Eindruck, daß du ihn in Wahrheit nicht gehen lassen willst und tut dir den Gefallen, hatte sie mit ebenso unbewegtem Gesicht hinzugefügt, meiner hingegen hat nach dem ersten Schreck über die Scheidung bemerkt, daß ich seine Selbständigkeit wie die meine liebe (daß die Dame Ö sich einiges einbildete auf ihre Selbständigkeit als freie psychosoziale Beraterin und dazu neigte, ihre kleinen Einsichten zu großen Fundamentalweisheiten zu überhöhen, fand die Gattin des ehemaligen Chefs in solchen Augenblicken etwas lästig, aber sie hatte sich daran gewöhnt, es zu übergehen, denn oftmals traf gerade das, was die Dame in solchen selbstgefälligen Schwüngen zu sagen pflegte, den Punkt, den andere wegen der damit verbundenen Peinlichkeiten zu vermeiden pflegten) und was soll ich dir sagen, so hat er schwungvoll auch die seine ergriffen, ohne in irgendeiner Weise gedrängt zu werden, also: vergiss alles Ratgeberzeug, führ dein eigenes Leben und gib ihm Rat, wenn er ihn erbittet, und mache ihm Vorschläge, wenn er sie wirklich hören will, und lass ihn machen, wo er wirklich etwas machen will, dann wird das schon, und die Gattin des ehemaligen Chefs hatte – da sie im Grunde wußte, wofür sie manchmal Trost beim Sohne suchte – auf den Rat der Freundin gehört, mit dem Erfolg, daß ihr Sohn sich seit neuestem in einer fernen Universitätsstadt, so viel sie davon wußte, recht wohl befand.
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10 Kommentare:
Trost beim Sohne, eigenes Leben, ich höre wohl nicht richtig, ich denke, wir sollten einmal gemeinsam über Deinen Umgang nachdenken, meine Liebste.
Ich finde es nicht fair, daß diese Dinge hier öffentlich behandelt werden, aber natürlich ist mein eigenes Leben das mit Dir, Schatz, und wer viel tröstet, sucht auch selbst manchmal Trost, so ist das nun mal.
Die spinnen, die Eltern.
Was heißt hier Eltern, ich komme ja gar nicht vor!
Das hast du dir redlich verdient, oder?
Man soll nicht ungerecht werden, nur weil man sauer ist.
Wieso ist sie eigentlich keine Missionarin geworden, "selbständige psychosoziale Beratung," daß ich nicht lache, Doorwoman ist sie, weiter nichts, und eine alte Wichtigtuerin, Pendant zu Droste Schattenburg bei Billy Wilder, weiter nichts!
So viele Wörter am Stück von einem solchen Faulpelz wie dem Oberassistenten, allein das ist schon ein großes Verdienst, für das unsere Dame Ö doch einen Beraterinnentitel durchaus verdient hätte.
Wir könnten einen Wörterzähler einführen, dann wüßte man, wer wann wie viel gesagt hat.
Tolle Idee.
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