Montag, 21. April 2008

312.

Der Chef lag unterdessen auf dem häuslichen Sofa mit Blick in den Garten, in welchem seine Gattin sich heute um das Kräuterbeet bemühte, und er erlitt in sich und an sich die Stimmungsschwankungen, denen einer ausgesetzt ist, sobald ihn die körperliche Gesundheit ernstlich im Stiche läßt, während sein Geist noch kühn über alles hinwegschwebt und gar erst zu voller Höhe sich aufzuschwingen gedenkt, während sein Herz hellwach ist und liebevoll umfängt, was ihm ein Leben lang anvertraut war, und während ein so herzliches wie irdisches Sehnen sich bei jeder winzigen Kräftigung des schütteren Körpers alsbald wieder einstellt, um nach Schönheit und Liebe zu verlangen, o ja, je deutlicher der eigene Verfall, desto wilder wird vielleicht gar das immer wieder auflodernde Verlangen nach dem Anblick der heilen heiligen Jugend, und Ungeduld befällt den ganz Welken beim Anblick der maßvoll und gesund dennoch mitgewelkten Gattin, eine Ungeduld, die dem eigenen Herzen wehtut, ach, dabei mit anzusehen, wie "souverän" (nicht wahr, so nennen sie es im allgemeinen, oder "gelassen," und etwas in ihm teufelte "tfutfu" gegen diese Ausdrücke) die Gute seine Ungeduld und seinen übel wachsenden Ingrimm bemerkte und "mit ihm umging," (nennen sie es nicht so, die allwissenden Klugscheißer, grollte er bei sich) erboste ihn nur noch mehr, bis er schließlich sich ganz verstockt fühlte in einer Bosheit, die seine eigene war und doch so fremd und gar nicht sein eigen, nicht ihm eigen, doch mir nicht, dachte er, griff nach der Zeitung, las drei Zeilen, legte sie wieder neben sich, hatte Schweißperlen auf der Stirne, ächzte ein wenig, verspannte sich mehr und ließ sich dann wieder tief in die Kissen sinken und seufzte: und nun also der Dank, das ist er, das ist seine Zeit, ich werde abdanken und ihnen allen danken, und es wird sich verlogen anfühlen, denn sie wissen doch, daß ich noch viel mehr wollte und könnte und daß die Zeit...nana, sagte seine Gattin, als sie ins Zimmer kam, so welk sind wir aber noch nicht, und er erschrak tief, sollte sie denn alle seine Gedanken lesen können, oder hatte er etwa alles laut ausgesprochen, was ihm durch den Kopf gewütet war?

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie wunderbar sie mit ihm fertig wird!

Anonym hat gesagt…

Sie wird nicht mit ihm fertig, wäre er einer, mit dem sie fertig zu weren hätte, liebte sie ihn nicht, und wäre sie eine, die glaubte, mit ihm fertigwerden zu müssen, liebte sie ihn auch nicht: sie aber liebt ihn.

Anonym hat gesagt…

Ich wußte gar nicht, daß manche Romantikerinnen sich "weise Alte" nennen.

Anonym hat gesagt…

Aber Mo würde dasselbe sagen: wenn jemand von mir verlangt, daß ich mit ihm fertig werde, ist er abgemeldet, ebenso wie jemand, der den Wunsch hätte, mit mir fertig zu werden, und ich glaube, sie hat recht.

Anonym hat gesagt…

Denkt denn hier niemand daran, wie der Mann an seinen Sünden leidet?

Anonym hat gesagt…

Wir bitten höflichst, im Sinne baldiger Genesung des Chefs und im Sinne einer würdigen Abdankung, sich der Spekulationen über unser Liebesleben zu enthalten, danken aber sehr herzlich für die Blumen, die wir empfangen haben.

Über mich