Sonntag, 6. Januar 2008

(20)6.

Die Aussicht, in der bevorstehenden ersten Bürowoche des Jahres mit einem dermaßen grämlichen Forschungsminister das Büro zu teilen, machte die Demokratiebeauftragte nervös, und ihre Laune für Milde gegen ihn hielt sich in ziemlich engen Grenzen, so daß sie die Kreativleitung um Rat fragte, die etwas weiter ausholte und sagte: "es muß ja etwas damit zu tun haben, daß er eigentlich ein ganz ernsthafter Kerl ist und wie du und ich gern alles ganz genau verstehen möchte, nur daß ihm (anders als uns irgendwer das je nahegelegt hätte) seine Wissenschaft immer suggeriert hat, er könne das auch, er habe dazu geeignete Instrumente, die er nur Schritt für Schritt anwenden müsse, und dann hätte ers, und je ernster er sich auf seine Fragen eingelassen hat, desto nutzloser wurden ihm, dem hellsichtigen, also überaufmerksamen Forscher, natürlich seine Instrumente und desto kleiner der ganze Kerl, weil, wo andere sich einfach an einer winzigen Frage selbst mit umso entschlossenerer Ausbreitung ihres Instrumentariums (und einem jedem gewissenhaften Menschen zumindest in sozialen und menschlichen Fragen unerträglich selbstsicheren, unangenehm unsensiblen Expertengestus) sehr groß machen, sich unser Forschungsminister eben doch eher für die etwas größeren Fragen interessierte - und vor den Bergen von Literatur, die es dazu bereits gab, dann entsetzlich schrumpfte, wie wir ja übrigens alle, wenn wir etwas verstehen, erstmal ganz winzig davor werden, um dann, wenn wir es ein bißchen verstanden und selbst Sätze dazu gebildet haben, wieder zu wachsen; er nimmt nun alle diese Prozesse nicht als die übliche Verstehensschleife, wie wir das in Gesprächen und Betrachtungen ganz normal finden, sondern er nimmt sie ganz persönlich und ganz körperlich, für ihn ist jedes Buch ein Prügel geworden, und wenn er schreiben würde, würde er sozusagen zurückschlagen, aber eben das kann er nach allem nicht mehr innerhalb der Welt der Wissenschaften, wo er ja, wegen der Größe seiner Fragen, ganze Flotten von Literatur hinter sich herziehen müßte, wenn er da ernsthaft arbeiten wollte, und eben drum hat er sich erstmal uns und unserem naiveren Gerede über die großen Fragen assoziiert und sich mit der Aufgabe begnügt, hier immer besonders genau auf Konsistenz und Rationalität zu pochen und dann und wann ein nützliches kleines Büchlein oder eine Anmerkung oder auch mal einen großen Zusammenhang herbeizuschaffen und seine Studien im übrigen auf der Fensterbank zu treiben, den Rest der Arbeit uns überlassend, und ich glaube, du tust gut daran, ihn dann und wann jammern zu lassen, ihn im übrigen bei allen Gesprächen gebührlich mitsprechen zu lassen, ihn gegen die gelegentlichen Attacken oder Versuchungen aus der richtigen Wissenschaftswelt draußen im Lande etwas abzuschirmen, wenn es sich nicht gerade um ernsthafte und würdige Einladungen oder Angebote, bei denen Aufwand und erwartbares Ergebnis in einem sinnvollen Zusammenhang stehen, handelt, und dich im übrigen um deine Arbeit zu kümmern."

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

O, ihr macht ja einen richtigen Faust aus dem Kleinen, ist das in Ordnung?

Anonym hat gesagt…

Ein Pudel ist er jedenfalls nicht.

Anonym hat gesagt…

Und ich bin nicht nur nicht Goethe, ich will auch kein Goethe sein, grünes Großmaul, pass bloß auf!

Anonym hat gesagt…

Komm, MInderheitler, wir gehen in mein Büro und schicken den Forschungsminister zur Forschungsministerversteherin ins Büro der Kreativleitung!

Anonym hat gesagt…

Da will ich nicht hin.

Anonym hat gesagt…

Kommt eh nicht in Frage, aber der Chef ist in der ersten Woche mal wieder nicht da, nimm doch sein Büro!

Anonym hat gesagt…

Wußtet ihr nicht, daß ich neuerdings ein eigenes Büro habe? Da kommst du natürlich mit, und ihr seid alle garstig und kommt am besten erstmal zu euch!

Anonym hat gesagt…

Verwarnung an den stillen Theologen wegen Überschreitung des Beitragsbudgets!

Anonym hat gesagt…

Wann sind wir endlich da?

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