Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Donnerstag, 31. Januar 2008
(2)31.
Während draußen heftiges Sprühregentreiben herrschte, saßen im "Bistro" die Demokratiebeauftragte und die Assistentinnen und die Minderheitlerin mit der ewigen blauben Bluse beieinander und waren wütend, denn die zensierte Version des letzten B-Ebenen-Eintrags wirke doch nachgerade, als hätte Mo einen "Gattinnenspiegel" verfaßt, der nun so recht nach dem Geschmack irgendwelcher behäbiger alter Säcke (ja, dieses Wort gebrauchte die verdrossene Minderheitlerin, und was die Assistentinnen ergänzten, grenzte durchaus ans völlig Unaussprechliche) zu diszipliniertem Gattinnenverhalten aufrufe, während Mo in Wahrheit eine Geschichte erzählt hatte, die sicher keinem Herren-Manne, weder dem behäbig fordernden Gatten älterer Schule noch etwelchen sich als Rollentauschler phantasierenden und ihre Häuslichkeit tyrannisierenden jüngeren "Idealgatten" auch nur die geringste Freude oder Bestätigung bereitet haben würde, vielmehr hatte sie die Geschichte eines kranken Mannes erzählt und auf eine herzzerreißende Weise geschildert, was passiere, wenn jemand in der Öffentlichkeit agieren müsse unter den Bedingungen eines lediglich prätendierten häuslichen Rückhaltes, und es war diese Stelle gewesen, an der die Gattinnen kurz einmal überprüft hatten, ob und inwiefern sie wohl ernsthaft ihren Gatten einen Rückhalt boten (wobei die chefliche Gattin in dem entschiedenen Vorteil war, daß ihr Eheliebster in ihr einen "Widerhalt" durchaus zu suchen schien, durch den er sich nicht, wie er als Schweizer gesagt haben würde, "konkurrenziert" fühlte, sondern oft genug die kühlenden Hände seiner Frau als Dämpfung seiner Hitzigkeit sehr nötig zu haben wußte, während der just zurückliegende Streit des Ehepaares Ö ja genau um diese Konkurrenzsache gegangen war), und alles dieses war nun also wegen der Zensur völlig verdreht worden; als aber die Assistentin Ö, um frühere Imgae-Verluste wettzumachen, gerade zu einer Predigt gegen die Zensur anhob, welche eben immer den ohnehin Herrschenden in die Hände arbeite, betrat Freund Karomütze mit ungewöhnlich ernster Miene das "Bistro" und berichtete von einem Fall, in dem im weltpolitischen Maßstab die Bereitschaft zu interner und Selbstkritik wenigstens zunächst den absurdesten Anmaßungen eines alle interne und Selbstkritik brutal unterbindenden Feindes auch in der Weltöffentlichkeit in die Hände zu arbeiten schien, und dies war der Augenblick, in dem die Minderheitlerin mit der ewigen blauben Bluse ans Fenster ging und hinausschaute und an so etwas Seltsames wie "Fürbitte" dachte.
Mittwoch, 30. Januar 2008
(2)30.B.
Als Mo wieder erwachte und sich wie von der Kreativleitung erwartet über ihre Waldhonigäpfel hermachte, gedachte die Kreativleitung, sie ein wenig zu ermuntern, indem sie wenigstens einen Teil der vor zehn Tagen zensierten Erzählung auf die B-Ebene schmuggelte. Man wird sich vielleicht noch daran erinnern, daß unter 220 eine Debatte über ein Stück namens 220 B begann. Mo wollte etwas erzählen, und die Damen Gattinnen wollten zuhören. Dies alles fand auch statt. Selbst der klitzekleine Forschungsminister hatte sich ins Büro der Kreativleitung gestohlen, und zum Zwecke der Erzählung hatte Mo auf einer Armlehne des Sessels am Fenster gesessen und der klitzekleine Forschungsminister auf der anderen Seite. Gattin Ö war noch etwas bedrückt gewesen, aber Mos Bericht aus ihrer Gefangenschaft hatte sie zunächst auf andere Gedanken gebracht. Dann freilich war Mo auch noch einmal sehr energisch aufs Ehewesen zu sprechen gekommen, tatsächlich so energisch, daß das Folgende sich zutrug, das hier nun also berichtet sei, während der große Rest weiterhin unter Zensur der Abteilungen Ö steht (und auch der Kwaliteitswart, der dieses Stück besser findet als manches, was wir hier schon haben durchgehen lassen, kann diese Abteilung einstweilen nicht überzeugen, welche sich ihrerseits trotz aller Einreden der Demokratiebeauftragten des vollen Rückhalts beim Chef erfreut):
>Mo mußte nach ihrer Erzählung ein wenig Luft holen, dann lächelte sie fast verschmitzt und fand, sie spreche ja schon fast wie seinerzeit vor den dummen Richtern und Henkern. So „argumentativ,“ und sie fragte irritiert den klitzekleinen Forschungsminister, ob sie etwa schon gewachsen sei? Und dieser, dem irgendwie daran lag, daß sie nicht wüchse, beugte sich vor, schaute sehr besorgt auf die Händchen, mit denen sie schon wieder ihren Schal um die Schultern zog und an den Fransen herumnestelte, dann auf das linke Füßchen, das für ihn sichtbar von der Armlehne des großen Sessels baumelte, dann auf das Hälschen, das dünn und bläßlich aus dem unordentlichen Karostoff herausragte, und dann befand er, das Mo sei seiner Meinung nach nicht gewachsen, aber mache insgesamt einen überraschend gefestigten und vitalen Eindruck. Da lachte die Winzige und hoffte, es möchte so aussehen wie beim Minderheitler mit den grünen Borsten, wenn der von einem seiner großen Ohren zum anderen lache, denn das gefiel ihr gut. Der Forschungsminister hatte aber noch weitere Anmerkungen. Diese betrafen den Begriff der Krankheit (welcher im zensierten Teil der Erzählung gefallen war, der Kwaliteitswart). Wie sie dazu komme und auf welcher Basis sie bitte nicht nur eine Person, sondern gar eine ganze Gesellschaft krank nenne, und hier griff die Kreativleitung, der jene fremdsprachigen Sätze, an denen sie doch zu arbeiten hatte, auf den Nägeln brannten, ein und sagte, bitte, können wir diese Diskussion nicht auf die Zeit nach der Geschichte verlegen! Die Damen Gattinnen nickten eilig mit ihren Häuptern, hatten sie doch gerade an dieser Stelle den Kitzel einer Anregung zur selbstkritischen Überprüfung ihres je eigenen Gattinnenverhaltens verspürt, der aber bei beiden, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen, sich schließlich wohltuend in warmer Zufriedenheit auflöste, denn beide waren sicher, daß sie ihren Gattinnenjob sehr gut machten, die eine, Gattin Ö, aus erhaben dünkelhafter Resolutheit, mit der sie Kritik überhaupt von sich zu weisen und lieber an anderen zu üben pflegte, die andere, die Gattin des Chefs, aus innerster Milde und Vornehmheit, welche sie, wenn es schwierig wurde, schon auch einmal gegen sich selbst walten lassen konnte.<
>Mo mußte nach ihrer Erzählung ein wenig Luft holen, dann lächelte sie fast verschmitzt und fand, sie spreche ja schon fast wie seinerzeit vor den dummen Richtern und Henkern. So „argumentativ,“ und sie fragte irritiert den klitzekleinen Forschungsminister, ob sie etwa schon gewachsen sei? Und dieser, dem irgendwie daran lag, daß sie nicht wüchse, beugte sich vor, schaute sehr besorgt auf die Händchen, mit denen sie schon wieder ihren Schal um die Schultern zog und an den Fransen herumnestelte, dann auf das linke Füßchen, das für ihn sichtbar von der Armlehne des großen Sessels baumelte, dann auf das Hälschen, das dünn und bläßlich aus dem unordentlichen Karostoff herausragte, und dann befand er, das Mo sei seiner Meinung nach nicht gewachsen, aber mache insgesamt einen überraschend gefestigten und vitalen Eindruck. Da lachte die Winzige und hoffte, es möchte so aussehen wie beim Minderheitler mit den grünen Borsten, wenn der von einem seiner großen Ohren zum anderen lache, denn das gefiel ihr gut. Der Forschungsminister hatte aber noch weitere Anmerkungen. Diese betrafen den Begriff der Krankheit (welcher im zensierten Teil der Erzählung gefallen war, der Kwaliteitswart). Wie sie dazu komme und auf welcher Basis sie bitte nicht nur eine Person, sondern gar eine ganze Gesellschaft krank nenne, und hier griff die Kreativleitung, der jene fremdsprachigen Sätze, an denen sie doch zu arbeiten hatte, auf den Nägeln brannten, ein und sagte, bitte, können wir diese Diskussion nicht auf die Zeit nach der Geschichte verlegen! Die Damen Gattinnen nickten eilig mit ihren Häuptern, hatten sie doch gerade an dieser Stelle den Kitzel einer Anregung zur selbstkritischen Überprüfung ihres je eigenen Gattinnenverhaltens verspürt, der aber bei beiden, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen, sich schließlich wohltuend in warmer Zufriedenheit auflöste, denn beide waren sicher, daß sie ihren Gattinnenjob sehr gut machten, die eine, Gattin Ö, aus erhaben dünkelhafter Resolutheit, mit der sie Kritik überhaupt von sich zu weisen und lieber an anderen zu üben pflegte, die andere, die Gattin des Chefs, aus innerster Milde und Vornehmheit, welche sie, wenn es schwierig wurde, schon auch einmal gegen sich selbst walten lassen konnte.<
(2)30.
Ach Mo, seufzte die Kreativleitung, als sie mit einem Tellerchen mit Äpfeln und besonders feinem Waldhonig in ihr Büro kam, hockst du wieder da und wartest auf Schnee, und Mo, die mit großen runden Augen aus dem Fenster geschaut und nach der erstaunlich laut tirilierenden Amsel gesucht hatte, drehte sich um, ihr flüchtiges Lächeln sah nun fast listig aus, und sie sagte, manchmal wisse man doch nicht, um wen aus der EinSatzLeitung man sich am meisten sorgen solle, zum Glück sei das Sorgen ja einstweilen nicht mehr ihre Aufgabe, und dabei betrachtete sie ihre dürren Händchen, aber man muß sich ja vorbereiten auf die Zeit, in der man wieder kräftiger ist, und die Kreativleitung mußte lachen und sagte, damit es dazu kommen kann, wirst du erstmal diesen Teller hier leer essen, und Mo sagte, Schnee wäre wirklich toll, gestern glaubte ich einen Augenblick, eine Flocke gesehen oder von ihr gehört zu haben, und die Kreativleitung sagte, etwas werden wir uns noch gedulden müssen, und ich persönlich hätte auch nichts dagegen, wenn der Frühling ausbräche, ohne daß es noch einmal schneite, aber, beeilte sie sich zu sagen, als sie Mos enttäuschtes Gesicht sah, ich sehe ein, darüber läßt du mit dir nicht reden, also an mir solls nicht liegen, nur läßt sich das Wetter von mir erfahrungsgemäß ohnehin nicht dirigieren, aber ich, wenn du mich fragst, mache mir, wenn überhaupt, Sorgen um Karomütze und den Chef und die Demokratiebeauftragte, die haben mit den internationalen Heerscharen von Kolonisatoren noch einiges zu tun, und Mo gähnte und sagte, ach die Doofen, nahm einen kleinen Bissen von dem Apfel mit Waldhonig, fand ihn vorzüglich, wollte sich noch merken, wie gut das war, fiel aber plötzlich wieder in ihren Tiefschlaf, denn sie hatte auf dem Gesicht der Kreativleitung jenen Zug gesehen, den diese bekam, wenn sie versuchte, das Bewußtsein einer drohenden Gefahr vor Mo zu verbergen, um Mo zu schützen und dennoch selbst handlungsfähig zu sein - ein Ansinnen, für das die Kreativleitung oft innerhalb der EinSatzLeitung scharf kritisiert wurde, denn die Außenkräfte brauchten eine etwas vereinfachende Opferideologie, der einige von ihnen nicht nur Mo, sondern am liebsten die ganze Kreativabteilung geopfert hätten, und sie brauchte Zeit, um ihnen und ihrer Verpestung etwas entgegenzusetzen, das nicht in die Fallen tappte, von denen die eben bis in den Kopf des Chefs vorgedrungenen Opferideologen vermuteten, daß sie seit langem darin festhänge, und wenn nicht die Demokratiebeauftragte gewesen wäre, die beharrlich und ohne Rücksicht auf die Gefahr, sich immer wieder lächerlich zu machen, und im Verein mit der ganz aus ihrer Häuslichkeit lebenden Chefgattin die Verhärtungsneigungen des Chefs lockerte, und wenn nicht der klitzekleine Forschungsminister dann und wann ein wichtiges kleines Bröckchen "Erkenntnis" anschleppte und wenn nicht der stille Theologe und die Assistentin K sie dann und wann erfreut hätten, um nur einige der freundlicheren EinSatzKräfte zu nennen, sie hätte wohl längst aufgeben müssen, aber so bedankte sie sich für den Augenblick beim weiterhin nicht schneienden Himmel für Mos instinktsicheres Einschlafen, stellte das kaum angerührte Frühstück neben Mos Fell in der Annahme, daß sein Duft das kleine Wesen schon recht bald wieder wecken würde, und machte sich an ihre mühselige Arbeit.
Dienstag, 29. Januar 2008
(2)29.
Die Demokratiebeauftragte war in der Tat ihrem stets lebhaften Pflichtgefühl gefolgt, als sie sich in das Chefbüro begeben hatte, indes wäre sie doch sehr erstaunt gewesen, wenn sie gewußt hätte, daß sie dem Chef selbst dadurch bereits als ein Aufziehpüppchen erschien, und ebensosehr würde sie sich gewundert haben, wenn ihr zu Ohren gekommen wäre, daß manche Menschen auf der Etage sich doch tatsächlich Sorgen machten, ob sie noch so etwas wie einen "Trieb" habe (nur weil sie irgendwelche Wahlen, die man für sie für passend hielt, nicht traf, sondern in den betreffenden Fragen völlig ungeachtet der Analysen und Meinungen anderer oder irgendwelcher Standards allein ihrem Herzen folgte), gelacht hätte sie wahrscheinlich und gesagt, und wie ich den habe, aber was wissen denn die Herrschaften bitte von den Genüssen einer erwachsenen Frau, wohl nicht besonders viel, weder davon, wodurch diese geweckt, noch davon, wodurch sie zuverlässig ausgebremst werden, sonst würden sie einen kaum mit ihrem Gepöbel (in welchem sich der Sicherheitsbeauftragte insonderheit gefiel, so schien ihr) behelligen, aber alle diese Dinge schlafen und schlafen in Seelenruhe, während die Kultur drumherum wild trompetet, eilt und hastet und uns scharenweise auf die Wellnessliegen als den einzigen Rückzugsort für unser Wohlbefinden treibt, dachte sie, damit wir im übrigen an 8-16 Stunden unserer Tage Aufgaben übernehmen, von denen ein kleiner Teil auch mal ein Vergnügen macht, während die anderen Teile irgendeinem Beweis dienen, aber welchem Beweis bloß, nun, dachte sie dann, es gibt auch Ausnahmen, manche, ich zum Beispiel, finden sich eine Arbeit, die ihnen neben allem etwas Vergnügen bereitet, und haben zusätzlich das Glück, mit diesen wundervollen jungen Geschöpfen, wenn sie sie noch zu fassen kriegen, überwiegend ungestört umgehen zu können, und dann und wann legt ihnen ein etwas in sich versperrter Chef irgendwelche Fragen vor, wie, ja was denn bitte, wo ist hier denn nun das Problem, nun immerhin, etwas treibt ihn, etwas wurmt ihn, das ist schon viel angesichts der gräßlichen Selbstgewißheit, mit der er sich üblicherweise auszubreiten pflegt, und nun war sie also angekommen, sah ihm voll ins Gesicht und sagte, "es spricht doch nichts dagegen, bei Feierlichkeiten als kenntliche Person zu sprechen, und ein guter, klar strukturierter Satz hat noch niemandem geschadet, aber im übrigen soll man alle Weisen zulassen, auf die sich unser armes Bewußtsein an Dingen abzuarbeiten versucht, die für das 'menschliche Ermessen' eigentlich zu groß oder zu schwer sind, beantwortet das jetzt Ihre Frage?" und sie merkte gleich, daß er keinesfalls zufrieden war.
Montag, 28. Januar 2008
(2)28.
Der Chef höchstselbst hatte sich also eingestellt, um einmal wieder nach dem Rechten zu sehen, und er suchte zunächst mit den Persönlichkeiten aus den Leitungsebenen jeweils das Einzelgespräch, dabei war er immer ein wenig ratlos, wie dies angesichts seiner cheflichen Stellung und des damit zusammenhängenden Habits so zu machen sei, daß er auch wirklich noch etwas hörte, und wenn er es recht bedachte, hatte ihm wo nötig noch stets die Demokratiebeauftragte am sichersten widersprochen, während die Kreativleitung ihre seltsamen Eigenarten allenfalls zur Geltung zu bringen wußte, indem sie sich entzog, dabei hätte er sie jetzt wirklich gern selbst gehört, wußte aber keine Alternative zu den üblichen Abläufen, Einbestellung ins Chefbüro, Einbestellung ins Chefbüro, Einbestellung ins Chefbüro, bei seiner heutigen Frage würde eine einbestellte Kreativleitung doch sofort mauern, dachte er, ach ja, ach nein, ach wieder anders, wie er es auch drehte und wendete, es schien ihm dies heute kein probates Mittel zu sein, und in seiner Ratlosigkeit bestellte er also doch lieber erst einmal die Demokratiebeauftragte ins Chefbüro, die auch gleich angelaufen kam, wie ein Aufziehpüppchen, dachte er, das war ihm schon wieder auch nicht recht, aber seis drum, ich will doch wirklich immer zu viel, dachte er, das würde ihm jedenfalls seine Gattin gesagt haben, aber er wischte den Gedanken weg, Gattinnen kann man wirklich nicht überall mit hin nehmen, dann soll man sich auch ihre Sätze aus dem Kopf schlagen, dachte er, und schon schaute er in das recht entspannt wirkende Gesicht der Demokratiebeauftragten, die er auch schon verkrampfter gesehen hatte, dachte er, und um sich nicht völlig zu verschwurbeln, sondern an diesem Tag, der zu kurz war wie die meisten Tage, doch noch etwas zuwege zu bringen, legte er nun also ihr seine Frage vor, und er fragte die Demokratiebeauftragte noch bevor diese ihm gegenüber Platz nehmen konnte, ob es wirklich möglich sei, ernste Anlässe anders ernstzunehmen, als indem man als deutlich kenntliche Person feierlich Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätze spreche, er habe den Eindruck, daß alles, was darüber hinausgehe, sozusagen zwangsläufig mißlingen und als unangemessen empfunden werden müsse, und er finde in sich keine Ruhe darüber.
Sonntag, 27. Januar 2008
(2)27.
Der Demokratiebeauftragten, als sie endlich wieder an ihre Arbeit ging, war anzusehen, wie gut ihr ihre kleine Landpartie mit Jugend bekommen war, und mit aufgeräumter Heiterkeit hörte sie sich den ach so gefährlichen Konflikt um Assistentin Ö an, drang auf Schutz für das Kreativbüro und im übrigen sinnvolle Betätigungen für die Assistentin Ö, wobei sie die Idee der Gattin Ö, die Assistentin mit dem Zitatwerfen zu beauftragen, eigentlich nicht so schlecht fand; als der stille Theologe vorschlug, man könne sie doch mit dem hübschen "Auf der Galerie" von Kafka beginnen lassen, fand sie daran freilich (obwohl sie den von ihm erwähnten Text immer schon geliebt hatte) ein NichtsoGutes, das sie nicht näher hätte bezeichnen können, und als ihr Blick auf den Kalender fiel, meinte sie, Psalm 26 wäre sehr viel passender, aber ob das etwas für die Assistentin Ö ist...
Samstag, 26. Januar 2008
(2)26.
Während die Abteilung Öffentlichkeit darüber beriet, wie mit dem verfahrenen und sich offenbar zu etwas sehr Schädigendem auswachsenden Konflikt zwischen Assistentin Ö und der Kreativleitung zu, nunja, zu verfahren sei, (jawohl, beharrte, sekundiert von seiner Gattin, der Abteilungsleiter, es ist ein Konflikt zwischen beiden, man kann nicht einfach mal eine gute Kraft entlassen, nur weil sie immer wieder der anderen guten Kraft in die Parade fährt, aber der stille Theologe sagte, man müsse hier schon sehen, daß die Konfliktsuche sehr einseitig und das Konfliktverhalten sehr asymmetrisch verlaufe, insofern ein Mensch mit offenen Karten spiele, der andere aber mit verdeckten, und ihn gehe es ja im Grunde nichts an, aber Schaden von der Institution könne nur abgewendet werden, wenn die Integrität des Kreativbüros sicher wiederhergestellt werde, auf welche Weise auch immer, im übrigen liege auch ihm daran, die Assistentin Ö zu halten, und sein sonst so freundlich leuchtendes Gesicht sah für eine Weile aus, als würde ihn der Konflikt zwischen seiner Neigung für die Assistentin und seinem ebenfalls tief verwurzelten Gerechtigkeitsgefühl schier zerreißen) fuhr die Demokratiebauftragte, auf die es jetzt vielleicht angekommen wäre, mit ihren Kindern auf alle Weisen ahnungslos und zu ihrem Vergnügen über Land, und Mo hockte zu Füßen der auf ihren Drehstuhl zurückgekehrten, hier aber verdrossen und ergebnislos vor sich hin brütenden Kreativleitung in ihrem Fell und dachte darüber nach, ob es wohl möglich wäre, einen Tunnel zu graben, der ihr erlauben würde, ungesehen ins "Bistro" zu gelangen, wenn es mal wieder Zeit für etwas Apfel mit Honig war.
Freitag, 25. Januar 2008
(2)25.
Es stellte sich heraus, daß Assistentin Ö diejenige war, die in Abwesenheit der Kreativleitung schnell ein paar befreundete Eins-zu-Einsler in deren Büro geschmuggelt hatte, die meisten von ihnen hauptberufliche Klientenmacher (eine Tätigkeit, die sie mit besonderer Vorliebe an Menschen exerzierten, welche ihre kostbare Gesellschaft verschmähten, weil sie andere Wahlen trafen), und während Mo sich zitternd in ihr Fell gedrückt und sich schlafend gestellt hatte, um nicht auch noch hervorgezerrt zu werden, war der stille Theologe, der den zweifelhaften Club das Büro betreten sah und wußte, daß er mit einem direkten Zur-Rede-Stellen das Desaster nur aufschieben und sich selbst pampige Bemerkungen und raffinierte Ausreden einfangen würde, auf der Suche nach geeigneten Maßnahmen zunächst zum Chef der Abteilung Öffentlichkeit gegangen, denn obwohl er selbst heimlich in die Assistentin Ö verliebt war, fand er, daß derartigen Machenschaften nachhaltigst entgegengetreten werden müsse, und während die anderen also herumrappelten und selbst die Kreativleitung so tat, als könne sie alles mit einer spöttischen Bemerkung abtun, dachte der stille Theologe gemeinsam mit dem Ehepaar Ö darüber nach, ob man sich der Assistentin entledigen müsse oder ob realistische Aussichten bestünden, ihr überwiegend in intrigantes Verhalten (oftmals übrigens mit ausgesprochen destruktiven Racheplänen für irgendwas, deren sie sich nie zu schämen pflegte, etwas, das der Theologe bei aller Bewunderung nie wirklich hatte verstehen können) investiertes beachtliches geistiges Vermögen doch noch in sinnvolle Bahnen zu lenken.
Donnerstag, 24. Januar 2008
(2)24.
Am anderen Tag waren alle wieder in ihren Büros, nur die totanalysierte Kreativleitung (hysterisch, narzißtisch, was der sich einbildet), erkältet, übermüdet, zuinnerst verstummt und eingeschwiegen, hatte ausgerechnet an diesem Tag mehrere EinSätze zu bestehen, die eher ein resolutes Kaliber wie Gattin Ö erfordert hätten, den ersten bestand sie trotzdem zu ihrer 80%igen Zufriedenheit, aber der zweite geriet zu einer Art Unfall: sie hatte sich auf ihre Weise vorbereitet und schön und schlicht gedichtet, dann aber von der Abteilung Ö signalisiert bekommen, daß bei der Präsentation wirklich alles anders laufen müsse als geplant, schlimmer, im Verlauf des EinSatzes funktionierte von den Dingen, die gar nicht in ihrer Hand lagen, nur weniges so, wie die (durchaus empörungsbereiten) Menschen es erwarteten, und auch ihr kleines Kunststück, das einzige, was diese EinSatzKraft der Welt wirklich immer wieder zu bieten hatte, würde nicht richtig eingesetzt werden können - so blieb ihr nichts als ihre höchsteigene Art, auf solche Situationen zu reagieren, indem sie lieb und herzlich zu der Person war, um die es bei dem EinSatz hauptsächlich ging, und den übrigen gegenüber höflich und hilfsbereit, zu welchem Zweck sie sich bemühte, die zu Stichproben eingetroffenen EinSatzKräfte einer anderen Institution, welche eigentlich mit dem Chef gerechnet hatten, oder mindestens mit der Demokratiebauftragten im entsprechenden Habit, nach besten Kräften zu ignorieren; aber wie immer, wenn es viel zu ignorieren gab, ging auch etwas vom Wichtigen verloren, so daß sie am Ende unzufrieden mit sich und der Welt und völlig erschöpft in ihr Büro kam (Mo schlief wie üblich in ihren Karoschal gewickelt), und die Kreativleitung sank endlich in sich zusammen, dankbar, daß sie das für einen kurzen Augenblick durfte.
Mittwoch, 23. Januar 2008
(2)23.
Der klitzekleine Forschungsminister, völlig unanalysiert wie er geblieben war, erwachte als erster wieder und machte Gebrauch von seiner Winzigkeit, indem er - die mächtige Körperlandschaft des Praktikanten gleichsam als Rampe benutzend - die Fensterbank des Sitzungszimmers erklomm und sich durch scharfäugige Beobachtung des Pestvogelfluges vergewisserte, daß die Luft allmählich etwas reiner wurde, und während er das tat, sann er in seinem Kopf darüber nach, ob eigentlich ein ernster Sinn in der erstaunlichen Anziehung sich finden lasse, welche im Deutschen zwischen dem Faktum der Winzigkeit und dem Buchstaben Z zu bestehen scheine, wenn man nur an Wörter wie Zwerg, winzig, klitzeklein, Zimmerchen und Konzorten denke...
Dienstag, 22. Januar 2008
(2)22.
Erste Sitzung der EinSatzLeitung im Jahre 2008
Protokollant: Der Buchhalter
Sitzungsleitung: Der stille Theologe
Tagesordnung:
1. Die Pläne für das kommende Jahr
2. Was der Sicherheitsbeauftragte herausgefunden hat
3. Der Pestvogel ist vorgeladen und wird zur Rede gestellt
4. Ein Antrag des Buchhalters auf Einführung von Kopfnoten
Zu Beginn der Sitzung sind alle relativ heiter, da der Dauerregen nachgelassen hat und selbst die Krähenschreie nach so etwas wie Frühling klingen, findet jedenfalls die Kreativleitung, die in der allerletzten Minute den Raum betritt, was als einigermaßen kühne Zeitplanung gelten kann, da sie schließlich den ersten Tagesordnungspunkt bestreiten soll, und was sie dann mitzuteilen hat, kann der Protokollant auch kaum wertfrei wiedergeben:
TOP 1
In diesem Jahr plant die EinSatzLeitung wiederum die völlige Planlosigkeit (hörbares Kopfschütteln des Protkollanten). Als fiktive Institution in einem allem Anschein nach komplett rechtsfreien Raum, den man zuweilen auch als digitales Haifischbecken darstellen könne, und ohne mehr Truppen als einen einzigen, an den auf ihn einstürmenden Arbeiten sich gleichwohl tapfer messenden Sicherheitsbeauftragten mit Karomütze könne sie sich nur durch bis zur Bodenlosigkeit flexible Reaktionen überhaupt ein Minimum an Boden sichern, von dem aus Überraschungen noch denkbar seien, dies sei nun einmal die Lage einer kleinen fiktiven Einheit, die deswegen auch nicht gemessen werden dürfe mit den Maßstäben der großen, behäbig voranschreitenden Institutionen und ihrer Mitarbeiter. Dementsprechend finden Planungen weiterhin – gegen alle Ratschläge und Rufe nach Zielvorgaben – nur per Zuruf und im übrigen im Kopf, sodann im Büro der Kreativleitung statt.
An dieser Stelle gibt es Unruhe und Störungen, die Mehrheitler empören sich mehrheitlich gegen die Selbstherrlichkeit der Kreativleitung, die Minderheitler, die ihr irgendwie näher stehen, geraten in Argumentationsnot, schließlich greift der Chef ein, bekundet, daß er voll hinter der Kreativleitung stehe und daß die Gesamtleitung selbstverständlich sehr wohl Vorgaben habe, die aber vom Vorhersehbaren so wenig abweichen, daß man daraus keinen eigenen Tagesordnungspunkt glaubte machen zu sollen, dies stelle sich nun als ein Fehler heraus, den man bedauere, er trage also nach:
Ziel sei die ökonomische Konsolidierung und die Gewinnung von möglichst viel Zeit zur Verwirklichung der diversen im Zentrum der Kreativabteilung angesammelten Schreibprojekte. Die Arbeitsspielräume der Demokratiebeauftragten, die nach erfolgter innerer Befriedung der EinSatzLeitung ihren Bürgersinn auch nach außen zu tragen wünscht, sollen erweitert und in einer eigenen Planungsgruppe „wie man bei euch wohl sagt“ operationalisiert werden. Diesen beiden Zwecken diene die Arbeit der EinSatzLeitung weiterhin in aller Flexibilität und Beharrlichkeit. Dankbarer maßvoller Beifall, die Kreativleitung ist nicht einmal rot geworden, das darf man als Fortschritt verbuchen. (Mißgünstiger nachtragender Kleinkrämer, zischelt sie da).
TOP 2
Beim Auftritt des Sicherheitsbeauftragten, der nach der endlos langen Sondersitzung mit besonderer Spannung erwartet worden war, fühlten sich die Leute zunächst wohler: so ein dynamischer junger Kerl, der flüssig und auch ein bißchen witzig zu sprechen versteht, das hat doch was. Dieser nun hatte herausgefunden, daß sozusagen nichts sicher war, außer daß irgendwelche auswärtigen Kräfte daran Interesse hätten, die Produktivität der EinSatzLeitung bei maximaler Verelendung ihrer Mitarbeiter zu erhalten. Es gehe den beteiligten Aggressoren und Ausbeutern offenkundig darum, hier Dinge abzuziehen und sich als Kuchen aufzuteilen, die als sehr rentabel angesehen würden: und eben deswegen der EinSatzLeitung selbst niemals und nirgends abgekauft würden, denn jeder vernünftige Geschäftspartner der EinSatzLeitung müßte ja Interesse an sicheren Handelskonditionen haben, was im Falle der EinSatzLeitung offenbar nicht zuerst durch deren Planungsverhalten, sondern vor allem durch äußere Einflüsse verunmöglicht werde. Das sei im Grunde lange bekannt, relativ neu seien ihm bei seinen letzten Streifzügen durchs öffentliche Geraune die pseudopädagogischen Rechtfertigungen, die so vielfältig zu sein schienen wie die Köpfe der Verwertungsgemeinschaft: Als besonders zeitgemäß falle ihm auf: „Das Institut wäre goßartig verwendbar, müßte nur noch dies und das lernen, und bis das nicht gelernt ist, sollte es eigentlich mal nach Sibirien gehen.“ Zu den „Lernzielen“ gehörten so unterschiedliche Dinge wie Durchsetzungsbereitschaft und Demut, Fleiß und Leichtigkeit, Pünktlichkeit und Flexibilität, Opferbereitschaft und positives Denken, Wertebewußtsein, mehr Sprachen, Bereitschaft zu einseitiger Bindung, systematische und durchgeplante, zugleich aber überraschende und ergebnisoffene Arbeit, oder, seitens einer besonders durchgeknallten Fraktion, die Bereitschaft, individuelle Belange (denunziert als „Agalma“) vollkommen aufzugeben und sich ganz in den Dienst einer als unbekannt dennoch ergriffenen Sache zu stellen, um, wie es aus manchen Mäulern verlaute, „endlich Verantwortung für die eigenen Wünsche zu übernehmen,“ also als gleichsam psychoanalytisch motivierte Nachreifung, die dann auch bewirken würde, daß irgendwelche „praktischen Verbindungen“ sogleich als selbstgewählt und selbstgewünscht erscheinen und aktiv beworben würden. An dieser Stelle verstanden die Lauschenden sämtlich nur Bahnhof, und es schien, als wäre auch dem Sicherheitsbeauftragten nicht ganz klar, was er mit diesen speziellen Leuten, die möglicherweise einer Sekte angehörten, anfangen solle. Dieser Fraktion gegenüber stehe eine, die just das Gegenteil fordere, nämlich die Bereitschaft, nur und allein dem eigenen Herzen zu folgen, egal ob dies zum Vorteil oder zum Nachteil sei, und die grandiose literarische Werke erst aus der völligen sozialen Not gleichsam emporsteigen sähen. Daneben gäbe es dann noch die ganz normalen Empfehler des „Nimm-dir-was-du-brauchst“ Coachings. Irgendwie seien die ihm am Ende womöglich doch noch die Liebsten, auch wenn sie ihm in ihrem altgewordenen Liberalismus reichlich realitätsfern erschienen. Die Gesamtbotschaft jedenfalls laute: Du sollst endlich von dir aus als deinen Willen annehmen und forsch vor dir her tragen, was ich von dir will, und diese ertöne von vielen sehr verschiedenen Seiten. Dieses sei der geistige Stoff, durch den die EinSatzLeitung sich nun also zu bewegen habe. Uff, sagten alle, und ließen die Köpfe hängen. Das hatten sie sich doch anders vorgestellt. Gibt es denn nichts Positives?
Die Kreativleitung fragte sich sichtbarlich, ob der Sicherheitsbeauftragte noch ganz dicht sei, die Welt könne doch unmöglich ein so geschlossenes und gigantisches Interesse ausgerechnet an ihren Produktionen nehmen, da gäbs doch viele mit viel besseren Ideen, vermutlich sei der Mann jetzt einfach mal auszutauschen, tuschelte sie dem Chef zu, aber der war sehr ernst und sagte, die in der Sondersitzung vorgelegte Fülle seiner Beweise sei angesichts der geringen Mittel, über die er verfügte, bedrückend gewesen. In der Sondersitzung habe man beschlossen, weiter nach Verbündeten zu suchen, denn die technischen und sozialen Mittel, den Überwachungsapparat – davon sprach der, der Chef selbst! Ich wußte gar nicht, daß wir hier in einem Kulturspionagekrimi sind, der Buchhalter – abzuschütteln, seien mit den Mitteln der EinSatzLeitung allenfalls für kleine stundenweise Erfolge ausreichend, dies müsse besser werden, wenn man einen Boden gewinnen wolle, von dem aus man planen und also das tun könne, was alle machen und wollen, was sie aber, je perfekter sie es tun, desto einfallsloser mache, weshalb sie gern bei den der Planungsfähigkeit Beraubten nachschauten. Aber die Mittel der Sprache allein reichten als Gegenwehr nicht mehr aus. Der über den Büroräumen angebrachte (aus alten Stasizeiten von einem Onkel des Chefs übernommene) Spruch „Lieber übermüdet als überwacht“ habe bisher genauso wenig ausrichten können wie die diversen Signale, mit denen man Frieden oder Streik oder beides angedroht habe, und mehr könne man ja gar nicht in Anschlag bringen, und nicht einmal die Wunderwaffe der Bitte könne bei der völligen Adresslosigkeit der Gegner irgendetwas bewirken. Die brauchten mal wieder wen in Sibirien, Punkt. Das sagte der Chef.
Dann reckte er seinen Rücken gerade und sagte: Wir arbeiten weiter wie gehabt und wie besprochen. Aus dem Hintergrund tuschelte ihm Assistentin Ö zu, sie habe sehr wohl Positives gehört, das werde vielleicht doch unterschätzt, aber er winkte ab und sagte, nächste Sitzung vielleicht, soll sich erstmal verfestigen.
Der stille Theologe dachte eher wie die Kreativleitung, daß hier doch wohl etwas übertrieben werde, aber es erschien ihm nicht klug, dergleichen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu formulieren, stattdessen erinnerte er an das alte Benediktinermotto Ora et labora und brachte es fertig, ein freundliches Leuchten über sein Gesicht huschen zu lassen, das die schlimmste Verzweiflung wieder aus den allzu aufgeschreckten Gemütern verscheuchte (fehlt bloß noch, daß er jetzt anfängt zu singen und uns zum Mitsingen auffordert, sagte Kaugummi kauend die Assistentin Ö).
TOP 3
Mit unüberboten größter Spannung war der nächste Tagesordnungspunkt erwartet worden, die Rede des Herrn Pestvogels, welcher unter permanenter Absonderung eher schwieriger Gerüche bereits während der ganzen Sitzung auf der Fensterbank gehockt und in seinem Halse unterdrückt mit dem Kehlkopf gespielt hatte. Als sein Auftritt durch den stillen Theologen angewunken worden war, reckte er sich auf, räusperte sich hörbar und schrasterte, er habe mit vielen seiner Kollegen zusammengesessen und viele Unterlagen gesichtet und er sei nunmehr zu einem Ergebnis gekommen. Die Demokratiebeauftragte sah sich baß erstaunt um. Hat ihn jemand gebeten? Hat ihn jemand um seine Meinung gefragt? Reicht es nicht, daß er alles frißt, verdaut und draußen im Lande herumposaunt? Waren nicht wir diejenigen, die ihn zur Rede stellen wollten? Der Chef erbat das Rederecht vom stillen Theologen, der es ihm gern gewährte, begrüßte den Vorgeladenen höflich und freundlich und legte nahe, und sagte zu ihm, fühlen Sie sich ganz wie zuhause, assoziieren Sie ruhig, legen Sie sich bequem hin und sprechen Sie sich einmal aus (was ist jetzt los, hat jemals jemand einen lebenden Vogel liegend gesehen? fragte die Kreativleitung, die die ganze Zeit angewidert auf das Tier geblickt hatte). Sie glauben also diagnostiziert zu haben, und was glauben Sie also entdeckt zu haben, wie lautet bitte Ihre freundliche Diagnose? Nun, sagte der Pestvogel, durchaus aufrecht stehen bleibend, aber dann und wann vom einen Bein aufs andere hüpfend und die Bemühung des Chefs um Umkehrung der in seinen Augen einzig möglichen Perspektive mit einem kurzen Ruck des Halses für Abwehr erklärend, der Sicherheitsbeauftragte sei natürlich paranoid, die Kreativleitung hysterisch narzißtisch, und die Demokratiebeauftragte einfach frustriert und verstockt (anstatt versöhnungsbereit oder pragmatisch, wie sie sich doch gern gebe), der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit sei eineindeutig depressiv (erstes Warnsignal: Verbunkerung! Rückzug als Ausweg, nach innen abgedrängte Aggressionsbereitschaft etc.), der Chef scheine ihm relativ normal zu sein (na toll, dachte die Demokratiebeauftragte, ausgerechnet der, und ach ja, das kommt mir auch so vor, dachte die Kreativleitung, indem sie einen kleinen fast schwärmerischen Blick warf, denn heute gefiel ihr sein Auftreten gut), sehr normal auch die Gattinnen (huhuh, riefen die Assistentinnen, denn das Schicksal einer solchen Gattin als Normalität vorgeschrieben zu bekommen war ihnen nun nicht recht), na, die chefliche etwas übersanft, also auch narzißtisch, die Assistentinnen seien noch etwas naßforsch, aber darin durchaus gesund zu nennen, da fehle es freilich noch ein wenig an der weiblichen Reife, und ja, habe er noch wen vergessen, ach ja, den Buchhalter, banaler Zwangscharakter (hier wedelte Pestvogels nonchalant mit dem rechten Flügel) nichts besonderes, und der Praktikant ein reichlich oraler Charakter, aber...Lautes Gähnen in der Runde. Pestvogels hatte sie alle gelangweilt. Das war, wenn man bedachte, welche Unruhe sein Erscheinen noch vor wenigen Wochen ausgelöst hatte, doch wenigstens eine positive Meldung. Überhaupt die Langeweile. Wir lieben sie.
TOP 4 fiel aus. Alle waren eingeschlafen, sogar der zu Hyperaktivität neigende Kollege mit der Karomütze, dem man durchaus eine paranoide Reaktion auf die Paranoia-Diagnose zugetraut hätte, und Pestvogels, enttäuscht über die geringe Wirkung seiner Worte, war ausgeflogen.
Protokollant: Der Buchhalter
Sitzungsleitung: Der stille Theologe
Tagesordnung:
1. Die Pläne für das kommende Jahr
2. Was der Sicherheitsbeauftragte herausgefunden hat
3. Der Pestvogel ist vorgeladen und wird zur Rede gestellt
4. Ein Antrag des Buchhalters auf Einführung von Kopfnoten
Zu Beginn der Sitzung sind alle relativ heiter, da der Dauerregen nachgelassen hat und selbst die Krähenschreie nach so etwas wie Frühling klingen, findet jedenfalls die Kreativleitung, die in der allerletzten Minute den Raum betritt, was als einigermaßen kühne Zeitplanung gelten kann, da sie schließlich den ersten Tagesordnungspunkt bestreiten soll, und was sie dann mitzuteilen hat, kann der Protokollant auch kaum wertfrei wiedergeben:
TOP 1
In diesem Jahr plant die EinSatzLeitung wiederum die völlige Planlosigkeit (hörbares Kopfschütteln des Protkollanten). Als fiktive Institution in einem allem Anschein nach komplett rechtsfreien Raum, den man zuweilen auch als digitales Haifischbecken darstellen könne, und ohne mehr Truppen als einen einzigen, an den auf ihn einstürmenden Arbeiten sich gleichwohl tapfer messenden Sicherheitsbeauftragten mit Karomütze könne sie sich nur durch bis zur Bodenlosigkeit flexible Reaktionen überhaupt ein Minimum an Boden sichern, von dem aus Überraschungen noch denkbar seien, dies sei nun einmal die Lage einer kleinen fiktiven Einheit, die deswegen auch nicht gemessen werden dürfe mit den Maßstäben der großen, behäbig voranschreitenden Institutionen und ihrer Mitarbeiter. Dementsprechend finden Planungen weiterhin – gegen alle Ratschläge und Rufe nach Zielvorgaben – nur per Zuruf und im übrigen im Kopf, sodann im Büro der Kreativleitung statt.
An dieser Stelle gibt es Unruhe und Störungen, die Mehrheitler empören sich mehrheitlich gegen die Selbstherrlichkeit der Kreativleitung, die Minderheitler, die ihr irgendwie näher stehen, geraten in Argumentationsnot, schließlich greift der Chef ein, bekundet, daß er voll hinter der Kreativleitung stehe und daß die Gesamtleitung selbstverständlich sehr wohl Vorgaben habe, die aber vom Vorhersehbaren so wenig abweichen, daß man daraus keinen eigenen Tagesordnungspunkt glaubte machen zu sollen, dies stelle sich nun als ein Fehler heraus, den man bedauere, er trage also nach:
Ziel sei die ökonomische Konsolidierung und die Gewinnung von möglichst viel Zeit zur Verwirklichung der diversen im Zentrum der Kreativabteilung angesammelten Schreibprojekte. Die Arbeitsspielräume der Demokratiebeauftragten, die nach erfolgter innerer Befriedung der EinSatzLeitung ihren Bürgersinn auch nach außen zu tragen wünscht, sollen erweitert und in einer eigenen Planungsgruppe „wie man bei euch wohl sagt“ operationalisiert werden. Diesen beiden Zwecken diene die Arbeit der EinSatzLeitung weiterhin in aller Flexibilität und Beharrlichkeit. Dankbarer maßvoller Beifall, die Kreativleitung ist nicht einmal rot geworden, das darf man als Fortschritt verbuchen. (Mißgünstiger nachtragender Kleinkrämer, zischelt sie da).
TOP 2
Beim Auftritt des Sicherheitsbeauftragten, der nach der endlos langen Sondersitzung mit besonderer Spannung erwartet worden war, fühlten sich die Leute zunächst wohler: so ein dynamischer junger Kerl, der flüssig und auch ein bißchen witzig zu sprechen versteht, das hat doch was. Dieser nun hatte herausgefunden, daß sozusagen nichts sicher war, außer daß irgendwelche auswärtigen Kräfte daran Interesse hätten, die Produktivität der EinSatzLeitung bei maximaler Verelendung ihrer Mitarbeiter zu erhalten. Es gehe den beteiligten Aggressoren und Ausbeutern offenkundig darum, hier Dinge abzuziehen und sich als Kuchen aufzuteilen, die als sehr rentabel angesehen würden: und eben deswegen der EinSatzLeitung selbst niemals und nirgends abgekauft würden, denn jeder vernünftige Geschäftspartner der EinSatzLeitung müßte ja Interesse an sicheren Handelskonditionen haben, was im Falle der EinSatzLeitung offenbar nicht zuerst durch deren Planungsverhalten, sondern vor allem durch äußere Einflüsse verunmöglicht werde. Das sei im Grunde lange bekannt, relativ neu seien ihm bei seinen letzten Streifzügen durchs öffentliche Geraune die pseudopädagogischen Rechtfertigungen, die so vielfältig zu sein schienen wie die Köpfe der Verwertungsgemeinschaft: Als besonders zeitgemäß falle ihm auf: „Das Institut wäre goßartig verwendbar, müßte nur noch dies und das lernen, und bis das nicht gelernt ist, sollte es eigentlich mal nach Sibirien gehen.“ Zu den „Lernzielen“ gehörten so unterschiedliche Dinge wie Durchsetzungsbereitschaft und Demut, Fleiß und Leichtigkeit, Pünktlichkeit und Flexibilität, Opferbereitschaft und positives Denken, Wertebewußtsein, mehr Sprachen, Bereitschaft zu einseitiger Bindung, systematische und durchgeplante, zugleich aber überraschende und ergebnisoffene Arbeit, oder, seitens einer besonders durchgeknallten Fraktion, die Bereitschaft, individuelle Belange (denunziert als „Agalma“) vollkommen aufzugeben und sich ganz in den Dienst einer als unbekannt dennoch ergriffenen Sache zu stellen, um, wie es aus manchen Mäulern verlaute, „endlich Verantwortung für die eigenen Wünsche zu übernehmen,“ also als gleichsam psychoanalytisch motivierte Nachreifung, die dann auch bewirken würde, daß irgendwelche „praktischen Verbindungen“ sogleich als selbstgewählt und selbstgewünscht erscheinen und aktiv beworben würden. An dieser Stelle verstanden die Lauschenden sämtlich nur Bahnhof, und es schien, als wäre auch dem Sicherheitsbeauftragten nicht ganz klar, was er mit diesen speziellen Leuten, die möglicherweise einer Sekte angehörten, anfangen solle. Dieser Fraktion gegenüber stehe eine, die just das Gegenteil fordere, nämlich die Bereitschaft, nur und allein dem eigenen Herzen zu folgen, egal ob dies zum Vorteil oder zum Nachteil sei, und die grandiose literarische Werke erst aus der völligen sozialen Not gleichsam emporsteigen sähen. Daneben gäbe es dann noch die ganz normalen Empfehler des „Nimm-dir-was-du-brauchst“ Coachings. Irgendwie seien die ihm am Ende womöglich doch noch die Liebsten, auch wenn sie ihm in ihrem altgewordenen Liberalismus reichlich realitätsfern erschienen. Die Gesamtbotschaft jedenfalls laute: Du sollst endlich von dir aus als deinen Willen annehmen und forsch vor dir her tragen, was ich von dir will, und diese ertöne von vielen sehr verschiedenen Seiten. Dieses sei der geistige Stoff, durch den die EinSatzLeitung sich nun also zu bewegen habe. Uff, sagten alle, und ließen die Köpfe hängen. Das hatten sie sich doch anders vorgestellt. Gibt es denn nichts Positives?
Die Kreativleitung fragte sich sichtbarlich, ob der Sicherheitsbeauftragte noch ganz dicht sei, die Welt könne doch unmöglich ein so geschlossenes und gigantisches Interesse ausgerechnet an ihren Produktionen nehmen, da gäbs doch viele mit viel besseren Ideen, vermutlich sei der Mann jetzt einfach mal auszutauschen, tuschelte sie dem Chef zu, aber der war sehr ernst und sagte, die in der Sondersitzung vorgelegte Fülle seiner Beweise sei angesichts der geringen Mittel, über die er verfügte, bedrückend gewesen. In der Sondersitzung habe man beschlossen, weiter nach Verbündeten zu suchen, denn die technischen und sozialen Mittel, den Überwachungsapparat – davon sprach der, der Chef selbst! Ich wußte gar nicht, daß wir hier in einem Kulturspionagekrimi sind, der Buchhalter – abzuschütteln, seien mit den Mitteln der EinSatzLeitung allenfalls für kleine stundenweise Erfolge ausreichend, dies müsse besser werden, wenn man einen Boden gewinnen wolle, von dem aus man planen und also das tun könne, was alle machen und wollen, was sie aber, je perfekter sie es tun, desto einfallsloser mache, weshalb sie gern bei den der Planungsfähigkeit Beraubten nachschauten. Aber die Mittel der Sprache allein reichten als Gegenwehr nicht mehr aus. Der über den Büroräumen angebrachte (aus alten Stasizeiten von einem Onkel des Chefs übernommene) Spruch „Lieber übermüdet als überwacht“ habe bisher genauso wenig ausrichten können wie die diversen Signale, mit denen man Frieden oder Streik oder beides angedroht habe, und mehr könne man ja gar nicht in Anschlag bringen, und nicht einmal die Wunderwaffe der Bitte könne bei der völligen Adresslosigkeit der Gegner irgendetwas bewirken. Die brauchten mal wieder wen in Sibirien, Punkt. Das sagte der Chef.
Dann reckte er seinen Rücken gerade und sagte: Wir arbeiten weiter wie gehabt und wie besprochen. Aus dem Hintergrund tuschelte ihm Assistentin Ö zu, sie habe sehr wohl Positives gehört, das werde vielleicht doch unterschätzt, aber er winkte ab und sagte, nächste Sitzung vielleicht, soll sich erstmal verfestigen.
Der stille Theologe dachte eher wie die Kreativleitung, daß hier doch wohl etwas übertrieben werde, aber es erschien ihm nicht klug, dergleichen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu formulieren, stattdessen erinnerte er an das alte Benediktinermotto Ora et labora und brachte es fertig, ein freundliches Leuchten über sein Gesicht huschen zu lassen, das die schlimmste Verzweiflung wieder aus den allzu aufgeschreckten Gemütern verscheuchte (fehlt bloß noch, daß er jetzt anfängt zu singen und uns zum Mitsingen auffordert, sagte Kaugummi kauend die Assistentin Ö).
TOP 3
Mit unüberboten größter Spannung war der nächste Tagesordnungspunkt erwartet worden, die Rede des Herrn Pestvogels, welcher unter permanenter Absonderung eher schwieriger Gerüche bereits während der ganzen Sitzung auf der Fensterbank gehockt und in seinem Halse unterdrückt mit dem Kehlkopf gespielt hatte. Als sein Auftritt durch den stillen Theologen angewunken worden war, reckte er sich auf, räusperte sich hörbar und schrasterte, er habe mit vielen seiner Kollegen zusammengesessen und viele Unterlagen gesichtet und er sei nunmehr zu einem Ergebnis gekommen. Die Demokratiebeauftragte sah sich baß erstaunt um. Hat ihn jemand gebeten? Hat ihn jemand um seine Meinung gefragt? Reicht es nicht, daß er alles frißt, verdaut und draußen im Lande herumposaunt? Waren nicht wir diejenigen, die ihn zur Rede stellen wollten? Der Chef erbat das Rederecht vom stillen Theologen, der es ihm gern gewährte, begrüßte den Vorgeladenen höflich und freundlich und legte nahe, und sagte zu ihm, fühlen Sie sich ganz wie zuhause, assoziieren Sie ruhig, legen Sie sich bequem hin und sprechen Sie sich einmal aus (was ist jetzt los, hat jemals jemand einen lebenden Vogel liegend gesehen? fragte die Kreativleitung, die die ganze Zeit angewidert auf das Tier geblickt hatte). Sie glauben also diagnostiziert zu haben, und was glauben Sie also entdeckt zu haben, wie lautet bitte Ihre freundliche Diagnose? Nun, sagte der Pestvogel, durchaus aufrecht stehen bleibend, aber dann und wann vom einen Bein aufs andere hüpfend und die Bemühung des Chefs um Umkehrung der in seinen Augen einzig möglichen Perspektive mit einem kurzen Ruck des Halses für Abwehr erklärend, der Sicherheitsbeauftragte sei natürlich paranoid, die Kreativleitung hysterisch narzißtisch, und die Demokratiebeauftragte einfach frustriert und verstockt (anstatt versöhnungsbereit oder pragmatisch, wie sie sich doch gern gebe), der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit sei eineindeutig depressiv (erstes Warnsignal: Verbunkerung! Rückzug als Ausweg, nach innen abgedrängte Aggressionsbereitschaft etc.), der Chef scheine ihm relativ normal zu sein (na toll, dachte die Demokratiebeauftragte, ausgerechnet der, und ach ja, das kommt mir auch so vor, dachte die Kreativleitung, indem sie einen kleinen fast schwärmerischen Blick warf, denn heute gefiel ihr sein Auftreten gut), sehr normal auch die Gattinnen (huhuh, riefen die Assistentinnen, denn das Schicksal einer solchen Gattin als Normalität vorgeschrieben zu bekommen war ihnen nun nicht recht), na, die chefliche etwas übersanft, also auch narzißtisch, die Assistentinnen seien noch etwas naßforsch, aber darin durchaus gesund zu nennen, da fehle es freilich noch ein wenig an der weiblichen Reife, und ja, habe er noch wen vergessen, ach ja, den Buchhalter, banaler Zwangscharakter (hier wedelte Pestvogels nonchalant mit dem rechten Flügel) nichts besonderes, und der Praktikant ein reichlich oraler Charakter, aber...Lautes Gähnen in der Runde. Pestvogels hatte sie alle gelangweilt. Das war, wenn man bedachte, welche Unruhe sein Erscheinen noch vor wenigen Wochen ausgelöst hatte, doch wenigstens eine positive Meldung. Überhaupt die Langeweile. Wir lieben sie.
TOP 4 fiel aus. Alle waren eingeschlafen, sogar der zu Hyperaktivität neigende Kollege mit der Karomütze, dem man durchaus eine paranoide Reaktion auf die Paranoia-Diagnose zugetraut hätte, und Pestvogels, enttäuscht über die geringe Wirkung seiner Worte, war ausgeflogen.
Montag, 21. Januar 2008
(2)21.
Die Sondersitzung war beendet, das Ehepaar Ö hatte sich irgendwie wieder zusammengerauft, wenngleich die innere Verbunkerung des Gatten nicht gelöst war und die Gattin Ö den Abend einsam im Sessel sitzend mit der Lektüre der Lebensansichten das Katers Murr verbrachte, das chefliche Ehepaar hatte sich in seiner Häuslichkeit anderen Themen zugewandt, die sich üblicherweise für "glücklich geschieden" erklärende Demokratiebeauftragte war durch einen Anruf der Berater ihres Exmannes genötigt worden, zum wiederholten Male zu erklären, daß sie jederzeit und wie immer die ihr zufallende Verantwortung für Altlasten übernehmen, bei weiteren Behelligungen mit dezenten Rückkehrempfehlungen, Umdichtungen der Geschichte oder ähnlich gelagerten Zumutungen jedoch ihrem Vorbild William Penn zum frühesten möglichen Zeitpunkt folgen und gänzlich auswandern werde (sie verkrampft sich manchmal etwas, die Gute, denkt Assistentin K, die heute aufschreiben muß, aber wer weiß, was dahinter steckt, man sollte ihr auch einmal einen Privatgeneral an die Seite stellen, vielleicht würde ihr das etwas helfen) und Mos Erzählung im Büro der Kreativleitung, die sich für eine kleine Stunde schon einmal herausgestohlen hatte, mußte wieder hinter verschlossenen Türen im Archiv abgelegt werden, denn es waren Eins-zu-Einsler aufgetaucht, die Karomütze für seine Analyse der Situation einiges zu denken gegeben und ihm nahegelegt hatten, die Sicherheitsvorkehrungen wieder etwas zu verschärfen; Assistentin Ö fiel es daher zu, den Freunden von Mos Erzählungen mitzuteilen, daß diese erst wieder auf der B-Ebene zu finden sein würden, wenn der Abstand zu den zudringlichen Eins-zu-Einslern für die Autorinnen und die armen Menschen draußen im Lande, welche sich möglicherweise durch irgendeine der Figuren und ihre Taten gemeint fühlen und daraus einen Zauber machen könnten, etwas sicherer geworden sei, man werde die Situation beobachten und seitens der EinSatzLeitung alles tun, um dann und wann eine publizierbare Erzählung aufzutreiben, im übrigen über Zensur und Selbstzensur und alles dieses weitere Debatten anregen.
Sonntag, 20. Januar 2008
(2)20.
Ein kleiner Zwischenfall nötigt uns, den Bericht über Mos Erzählstunde im Büro der Kreativleitung noch aufzuschieben, denn auf dem Flur trafen aufeinander der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit und seine Gattin, der Gatte versunken in ein wütendes Gebrumm, das er unmittelbar aus dem Chefbüro mitgenommen hatte, wo die Diskussion anhielt, denn dem Chef war der fatale Gedanke gekommen, so etwas wie eine psycholgische Krigesführung zu entwickeln, und nun murmelte also der Herr aus der Öffentlichkeit: „General, Diskurswart, Psychologin, gibt es eigentlich einen Psychologen, der nicht im Innersten ein General ist (man denke doch nur an Zizeks semistalinistischen Brachial-Lacanianismus!), und gibt es eigentlich irgendeinen kompetenten General, der nicht eine gute psychologische Intuition hat, was will Karomütze noch herausbekommen, wenn er unterwegs alles ausplaudert, und was sollen überhaupt Diskurswarte sein, irgendwie ist das hier doch eine völlig versumpfte und verlotterte Angelegenheit geworden, und im Ernst, man kann sich nicht dauernd mit irgendwelchen verletzten Infanten wie Mo und ihren abenteuerlichen Reisen in Cafeterien blamieren, da muß schon mal wieder ein anderer Zug kommen in diese Sache, muß da, ist doch wahr, sonst wird aller EinSatz umsonst gewesen sein,“ und als er seiner Gattin ansichtig wurde, bemerkte er, daß es ihn im übrigen zunehmend zu stören begann, wie diese sich in ihrer ganzen Gattinnenhaftigkeit und Gouvernantenhaftigkeit nur deswegen so in den Vordergrund hatte spielen können, weil sie wohl über eine seltsame und unzeitgemäße, aufreizend unzuverlässige Art von Humor (wenn ich mal einen Witz erzähle, dann lacht die nie!) verfügte, die man zwar nicht „Mutterwitz“ genannt haben würde, aber ... aus solchen Gedanken riß ihn die so ambivalent bis eindeutig mißmutig Bedachte, indem sie mit erhobener Braue, das Tellerchen mit Mos Frühstück fest in der Hand, sagte, seine Aufgabe sei es nicht, grummelnd herumzustehen und über das Wesen der einen oder anderen EinSatzKraft nachzugrübeln, seine Aufgabe sei vielmehr, der Öffentlichkeit draußen im Lande plausibel und begreiflich zu machen, was die EinSatzLeitung tue, und jeden, wer auch immer er sei und wie sehr er sich auch immer intern zu einer „Fehlaquelle“ (Zitat Zitty Didi und Stulle, Zitieren müsse man auch können in „unserer Abteilung,“ jaja, wir sind da durchaus vorbildlich) gemacht habe, er, der Leiter der Abteilung Ö habe nun einmal alle zu decken und zu verteidigen und in der Tat gemeinsam mit dem Herrn Chef geschickte Strategien zu entwickeln, um die Menschen draußen im Lande davon zu überzeugen, daß die Leistung der EinSatzLeitung ihren Preis habe und diesen auch wert sei, wenn er aber nur herumstehe....“ist ja gut ist ja gut,“ stammelte der Angeredete, „aber manchmal und manches kann man doch nicht mehr verteidigen, also was die hier treiben, also wirklich...,“ nach außen freilich hob er nunmehr die Hände und rückte der Wand mit seinem Rücken ein wenig näher, aber innerlich grollte er in einem Fort, jawohl, großgeschrieben.
Samstag, 19. Januar 2008
(2)19.B.
Aus dem Schnee war Dauerregen geworden. Die Sondersitzung im Chefzimmer schien sich hinzuziehen, die Ergebnisse konnten nur abgewartet werden. Die Kreativleitung hatte letzte Hand an eine andere Arbeit zu legen. Mos leises Schnaufen vermischte sich mit den Regengeräuschen. Auf dem Markt würden die armen Händler nicht viel verkaufen, aber viel Last haben mit den nassen Planen. Wie sie das machten, jede Woche mindestens zwei mal auf so einem Markt stehen und ihre Ware anpreisen. Die Kreativleitung ließ sie im Hintergrund ihren Arbeiten nachgehen, um sich ihrer eigenen öden Arbeit zu entledigen und dabei selbst nicht ganz zu veröden. Irgendwann regte sich etwas zu ihren Füßen, Mo erwachte und streckte sich. Nach einer Weile ließ sie sich auf den Schreibtisch heben und sah der Kreativleitung dabei zu, wie sie in den Bildschirm starrte, um an Sätzen zu feilen, die nicht ihre waren und niemals ihre werden konnten, und die ihr nie passend erschienen zu der fremdsprachigen Vorlage, aus der sie übersetzt waren, und wenn passend, dann nicht schön in der eigenen Sprache. Die Kreativleitung ermunterte sie, wieder ins "Bistro" zu gehen, um dort vielleicht etwas Honig zu finden, denn sie wußte, daß die Gattin des Chefs dort gemeinsam mit Gattin Ö saß, und daß eine der beiden frischen Honig mitgebracht hatte, die andere ihren berühmten Honigkuchen. Nach einigem Zögern war Mo bereit, sich aufzumachen, aber eigentlich wollte sie viel lieber bei der Kreativleitung sitzen bleiben und ihr wieder etwas erzählen, wenn sie aber sich auf den abenteuerlichen Weg ins "Bistro" gemacht haben würde, würde sie hinterher gleich wieder schlafen müssen, es fehlte ihr ja einfach an Kraft. Mürrisch fügte sich die Kreativleitung in das Dilemma, sprang mit Mo unter dem Arm selbst kurz ins "Bistro" und bat Gattin Ö, ein Frühstückstellerchen für Mo vorzubereiten. Diese wollte das gern tun, bat aber darum, dann auch dabei sein zu dürfen, wenn Mo erzählte, ein Ansinnen, dem sich die Gattin des Chefs sogleich anschloß, sie werde die Getränke zubereiten. Mo war ausgeschlafen und lachte sogar dazu, geradezu stolz und fröhlich. Die Kreativleitung raufte sich die Haare, denn sie hatte ja noch diese Sätze da, sagte schließlich, gut, gebt mir eine halbe Stunde und dann kommt meinetwegen alle in mein Büro. Damit war sie erstmal weg. Unterwegs dachte sie: seltsam, gestern war sie so finster, heute will sie plötzlich viel erzählen und lacht mit den beiden schrägen alten Damen da herum.
(2)19.
Im Büro der Kreativleitung legte diese Mo auf das Fell unter dem Schreibtisch, und das kleine Wesen streckte seine winzigen Ärmchen und Beinchen von sich, gähnte laut, lächelte dann leise und sagte: wir haben sie noch lange nicht genug gelangweilt, und nicht halb so sehr, wie sie uns langweilen, sie werden immer noch auf neue Beute warten, von der sie immer noch hoffen werden, sie uns abpressen zu können, und sie werden dabei immer wütender werden, weil wir sie umso mehr enttäuschen, je mehr sie den Druck erhöhen, ach du Arme, du bist noch in einem großen Menschenleib, du Arme, du Arme, so ein Leib will doch leben, und ohne weiter auf die Kreativleitung zu achten, die nicht so recht wußte, ob sie nun bestürzt oder amüsiert sein sollte, sammelte Mo ihre kleinen Gliedmaßen wieder um sich, rollte sie sehr fest zusammen und verschwand im Schlaf und war wie nie in der Welt gewesen.
Freitag, 18. Januar 2008
(2)18.
Wenn der Minderheitler mit den grünen Borsten gewußt hätte, welche phantastischen Vorschläge der Chef ihm zutraute, wäre er wahrscheinlich sehr erstaunt gewesen, stattdessen lieferte er das von Quengeligkeit schon wieder in tiefste Resignation übergegangene Mo, das schlaff schnaufend in seinem Bündel hing, verdrossen bei der aus wieder ganz anderen Gedanken auftauchenden und besorgt in des Bündel (welches sie sogleich an sich drückte) spähenden Kreativleitung ab und verabschiedete sich schnellstens, denn er hatte von Assistentin Ö gehört, daß Pestvogels doch tatsächlich auf der Kommentarebene wieder aufgekreuzt war, diesmal mit der überaus frechen Idee, sich und seine Häßlichkeit mit den Federn eines Heroen der amerikanischen Arbeiterbewegung zu schmücken, und er mußte wohl oder übel seine Lust, sich mit der Kreativleitung ein wenig zu unterhalten, ebenso ausbremsen wie seine immer wieder aufkommende Empörungsbereitschaft, wenn er an die Gutsherrenart seines Chefs dachte, denn hier war nun wohl doch etwas zu tun, er würde jetzt nicht gleich sagen, ein Königreich für einen General, aber ein bißchen leuchtete ihm ein, daß man solche Leute manchmal brauchte, und er wartete auf das Ende der Sondersitzung und hoffte, sich danach auch einmal mit dem Chef unterhalten zu können.
Donnerstag, 17. Januar 2008
(2)17.
Der Chef hatte durch die ja weit offenstehende Tür das Gezänk im Flur gehört und sich einfach aus Zeitgründen große Zurückhaltung auferlegt, er war im übrigen sicher, daß die Idee zu dieser Sitzung zur Kreativleitung schon durchgedrungen sein würde und durch diese dann schließlich auch den Buchhalter erreichen könnte, ferner wußte er Mo beim Minderheitler in guten Händen, und, da er selbst in phantastischer Hinsicht von früher her nicht unterbegabt war, stellte er sich kurz vor, daß in diesen Minuten bereits der Minderheitler der sicher wieder etwas aufgeregten Kreativleitung und dem noch zappeligen Mo auseinandersetzte, wie wunderbar vielleicht die Formehe mit einem nichtheterosexuellen Mann sein könnte, die werde ihr erstmal gesellschaftliche Sicherheit und Mo eine Nestwärme geben und vermutlich, falls eine richtige Ehe ins Haus stünde, in einer anderen als einer "Trümmerscheidung" aufzulösen sein, aber der Chef mußte diese und andere Phantastereien schleunigst aufgeben, um, ja setzen Sie sich doch bitte, klarzumachen, daß hier, wenn wir uns auf AußenEinSätze ernsthaft vorbereiten wollen, sehr klare Absprachen insbesondere mit denjenigen EinSatzKräften erforderlich seien, die für Straffung und Effizienz zuständig seien, und ebendiese habe er deswegen zu sich gebeten, das bedeute aber nicht eine Privilegierung, vielmehr müsse klar sein, daß gewisse Leitungsfunktionen nun einmal für die Vereinfachung und Verklarung zuständig seien, während das Ganze aber vollkommen sinnlos werden, wenn nicht innerhalb der EinSatzLeitung auch diejenigen Kräfte vollumfänglich gewürdigt würden, deren Spezialgebiet die Komplikation sei, in welche sie sich recht gründlich auch weiterhin zu vertiefen hätten, allen voran die Kreativleitung, dann aber auch der klitzekleine Forschungsminister und der detailversessene Buchhalter, sowie in gewissen Grenzen übrigens auch die Demokratiebeauftragte, deren Zuständigkeit freilich vornehmlich darin bestehe, zwischen den beiden so notwendigen wie gegensätzlichen Abteilungen zu vermitteln und immer wieder nach dem dritten Wege zu suchen; der Sicherheitsbeauftragte insonderheit sei gehalten, mit seinen Informationen etwas zurückhaltender umzugehen und noch viel zurückhaltender mit seinen allzu forschen Äußerungen über Dinge und Leben, von denen er nichts verstehe, sein Auftrag bestehe einzig und allein darin, etwaige pestvogelige und andere Aktivitäten draußen im Lande zu beobachten und der EinSatzLeitung in einer Weise Bericht zu erstatten, die dann auch erlaube, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu treffen...
Mittwoch, 16. Januar 2008
(2)16.
Die Kreativleitung hatte am Morgen ihr Gespür für Angler in jenen dunklen Text übersetzt oder ihre dunkle Ahnung in jenen Text über Angler – und dann am Nachmittag hatte sie ein längeres Gespräch mit dem Sicherheitsbeauftragten geführt, der ihr in allen Einzelheiten dargelegt hatte, wie schön er sich das Leben im Dienste jenes ausländischen Geheimdienstes vorstellte, und er hatte, gleichsam in imaginärer Vorbereitung auf die bedeutsame Aufgabe, auch andere anzuwerben, versucht, es der Kreativleitung schmackhaft zu machen, und sich dazu also in eine alternde Frau, die keine Lust auf Bondgirls oder –boys hatte, einzufühlen versucht, also sagte er, für dich wäre vielleicht viel passender etwas im Umfeld der Diplomatie und Politik, wenn du richtig repräsentieren könntest, du müßtest dich nur zu einer mindestens mal formalen Ehe entschließen und ein paar Businesskostüme und Ballkleider kaufen, übrigens auch eine Wohnung mit richtig Raum für Gäste usw., und, o Gott, hatte die Kreativleitung noch leicht amüsiert gefragt, aus welchem Nichts würdest du denn bitte die Gebrauchsgegenstände und das Geld für die paar organisatorischen Kleinigkeiten stampfen wollen, und dann, etwas ernster, anstelle eines Ballkleides und der dazu passenen Schuhe besitze ich nur einen eigenen Kopf, den keiner haben will, und ein so dringendes Bedürfnis nach einem liebevollen Schonraum um mein wundes Herz, daß ich mir absolut niemanden vorstellen könnte, mit dem ich mehr als einen halben Tag eine Formehe vorstellen würde, und für eine echte Ehe, in der ich mich wohlfühlen könnte, ist niemand in Sicht, was also sollte mich locken, und er sagte, wenn du dich nicht locken läßt, werden sie dich schrecken und dir sagen, daß du nirgends in der Welt was wirst, wenn du nicht mitmachst, und die Kreativleitung fragte, nun schon etwas erschrocken, von wem sprichst du, daß du so genaue Vorstellungen hast, und die Karomütze sagte, ich scherze doch nur, aber ich denke, weiter im Spiel, stattdessen werden sie sagen, die blöde Kuh, wenn sie nicht will, dann machts halt wer anders, das wird dir auch nicht recht sein, und die Kreativleitung sah ihn ernsthaft an und sagte, ich mach mir schon lange Sorgen um dich, und der Karobemützte, immer noch ganz im Eifer seiner Geheimdienstanwerbungsgeschichte sagte, und ich sorge mich um dich, hast du denn gar kein schmutziges Geheimnis, das man mit dir teilen und mit dem man dich erpressen kann, wie willst du ohne die durch solche Geheimnisse gebildeten Seilschaften auf irgendeinem Gebiet überleben, und die Kreativleitung wurde ganz grün und bat in einem heimlichen Stoßgebet zum Himmel darum, daß Mo es noch einen Augenblick bei der Demokratiebeauftragten aushalten möge (denn wenn sie in dieses Gespräch geraten würde, wäre die gesamte Wiederbelebung umsonst gewesen), bevor sie, nun wieder normalgesichtig, zu Karomütze sagte, braucht man so etwas wie ein schmutziges Geheimnis wirklich immer noch, um jemanden zu erpressen, da bin ich ja fast beruhigt.
Dienstag, 15. Januar 2008
(2)15.
Unbemerkt und zugleich unangefochten von alledem hockte an fernen Gestaden eine Gruppe von Anglern vor den schäumenden Wellen eines der kleineren Südmeere, und mancher von ihnen verlor sich manchmal und gleichsam "gebaffelt" von der Leichtigkeit seiner eigenen Einfallslosigkeit in der Frage, warum er eigentlich seine Nase immer wieder in einen Sturm hielt, welcher so gar keine Beziehung zu ihm zu haben schien und ihn möglicherweise gerade deswegen so unwiderstehlich anzog, daß er nicht aufhören konnte, das Meer, von dem her der Sturm wehte, auf alle gerade noch zulässigen Weisen wegen der unerträglichen Selbstbezüglichkeit seiner Wasser, wegen seiner unzuverlässigen Wildheit und häßlichen Einfärbungen, wegen der unköstlichen Salzigkeit und der in den Wellen täglich lauter tosenden Bereitschaft, alle schöneren Fische zurückzuhalten, zu beschimpfen - und mancher begann auf eine äußerst seltsame Weise sich loszureißen, indem er nämlich endlich seine mitgebrachten Angelwürmer zornig ins Meer schmiß, ohne sie noch an einem Haken eigens zu befestigen, und von diesen wird bis heute niemand wissen, ob die Fische sie gefressen haben, aber endlich endlich wollen das die Herren Angler vielleicht auch gar nicht mehr wissen, sondern kümmern sich mal um die eigentlich wichtigen Dinge unter der Sonne und lernen, mit dem Meer zu leben und es leben zu lassen?
Montag, 14. Januar 2008
(2)14.B.
Im Büro der Demokratiebeauftragten hatte man unterdessen darüber nachgesonnen, warum eigentlich den Südkoreanern, wenn sie Nordkorea besuchten, selbst der Gebrauch von Handys untersagt sei, und man hatte sich unter mäßig interessanter Wortführung der Demokratiebeauftragten gerade wieder in dankbare Bewunderung für die eigene Republik hineingeredet, als der stille Theologe in eine Erscheinung trat und, nachdem er sich, wie es seiner Natur entsprach, eine ganze Weile lang nicht geäußert hatte, nun (nach, wie er zugeben mußte, einschlägigen Lektüren) herauskam mit einer kleinen Meditation über das Fallen, das wie das Fallenwesen in den Phantasien mancher Menschen recht eigene Dynamiken annehme, denen dann manchmal nicht nur sie selbst, sondern auch andere zum Opfer fielen. Denn, so holte er aus, weil solche in aggressives Sprechen umgesetzte Phantasien auch hierzulande wieselflink vom Stolpern und Purzeln eines unbeholfenen kleinen Menschleins (wie Mo nun ohne Zweifel eines war und vielleicht schon immer in irgendeinem „Kern“ gewesen war) über den Fall der großen Hure Babylon oder der treulosen Stadt Jerusalem auf die gefallenen Mädchen im einzelnen und besonderen kämen, würden sie ebenso flink sämtliche thematischen Kontexte verwechseln und vermengen, und zwar dies alles nicht, weil irgendwo irgendetwas objektiv zu komplex gewesen wäre, sondern weil in denen, die da phantasierten, gewisse Komplexe etwas zu einfach funktionierten. So weit so geißelnd seine Rede.
Aber dann bekam der stille Theologe wieder sein ganz weiches Gesicht und seine Stimme hatte ihren schönsten Schmelz, als er sagte, vielleicht nirgends mehr als an dieser Stelle zeige sich, wie groß unser Hunger und Durst nach Erlösung sein müssten, wenn wir dem winzig kleinen Mokind in die schöne Schamlosigkeit seiner einfachen Bedürftigkeit folgen wollten, was doch im wirklichen Leben allenthalben nur mit erstaunlicher Gewaltbereitschaft abgewehrt werde. „Schöne Schamlosigkeit?“ fragte die Demokratiebeauftragte, der Adorno immer schon eher fremd geblieben war, und der Theologe sagte, „ja, schöne Schamlosigkeit, die gibt es gar nicht nur in der Kunst“ - denn er glaubte natürlich, alle hätten wie er viele Stunden ihrer Jugend mit den Texten des Herrn Adorno verbracht. Nun, da dies offenkundig nicht der Fall war, sah er ein, er mußte deutlicher werden, und so erzählte er weiter:
„Mos Gefangenschaft hatte – neben anderem – damit zu tun, daß man sie, als sie noch eine normale, fast stattliche Größe gehabt hatte, einmal wegen einer kleinen Privatsache verdächtigte, ein ‚gefallenes Mädchen’ zu sein, und daß dieses sie für viele Dinge nicht in Frage kommen lasse, für die sie im übrigen durchaus qualifiziert sei. Sie in ihrer naiven Gläubigkeit an die Freiheit der Republik, in der sie damals lebte, hatte, als der Verdacht endlich ausgesprochen war (man spürt dergleichen ja lange vorher, aber ausgesprochen wird’s doch selten) gewagt, wie folgt zu antworten: ‚Liebe Richter und Henker, ich ehre Ihre Institutionen bis auf die Todesstrafe sehr, aber es gibt einige Institutionen, für die sind die Schamregeln seltsam verteilt. Ich darf sagen, ich habe dieses und jenes zum Thema der Prostitution geschrieben und öffentlich gesagt, und ich habe öfter mal probiert, mich hier in die verschiedenen ‚Rollen’ einzudenken, denn dies ist für mich von ähnlich bewegendem wissenschaftlichem Interesse wie etwa die Frage ‚was will das Weib’ in aller Honorabilität für Herrn Freud war. Mich interessierte viele Jahre lang also die Frage, ‚was will der Mann,’ denn das schien mir weit weniger deutlich am Tage zu liegen als allgemein angenommen, aber vielleicht mochte ich einfach manche Männer zu gern, um mich mit gewissen Seltsamkeiten ohne weiteres Fragen abzufinden. Nun muß man, um dieser Frage nachzugehen, meine Damen und Herren...’“ „Moment,“ sagte die Demokratiebeauftragte, „du willst nicht behaupten, daß unsere kleine verschrumpelte Mo einmal so gesprochen haben könnte!“ „O doch,“ sagte der stille Theologe, „das hat sie, sie hat wirklich an alles geglaubt, was wir hier so schwätzen, und erst ihre Gefangennahme hat ihr gezeigt, daß alles ganz anders ist. Und sie sagte also, ‚meine Damen und Herren, man kann diese Frage durchaus auf der Basis von Erzählungen und ähnlichen Dingen bearbeiten, auch wenn man nicht Freud oder Kristeva oder wer auch immer ist, und man kann sich viel dazu denken, über diese seltsamen Wunschstrukturen aller Beteiligten, und dies habe ich immer ungescheut getan. Ich will aber – und hier machte sie nun den entscheidenden Fehler, der sie auf höchst banale Weise zu Fall brachte, wenn dies auch keinesfalls DER Fall war, der ihr hinterher angehängt wurde – noch weiter gehen, und zwar in der vielleicht frevelhaften Absicht, Sie ein wenig zu belehren (so sprach sie, im Ernst, die traute sich was): Wenn es der Fall wäre, daß ich mit eigenem Leib und Leben im Eigenexperiment das Wesen der Prostitution erforscht hätte, was keineswegs der Fall ist, dann, meine Damen und Herren, würde ich mich dessen nicht einmal schämen, sondern es freimütig zugeben und Ihnen von meiner Erfahrung berichten. Dem stand bei mir indes immer ein gewisser Ekel entgegen, darum ist das nie eingetreten, ich mochte zu gern, wen und was ich mochte, und zu wenig gern, wen und was ich nicht mochte. Aber ich kann nicht verstehen, daß Sie, die mir gegenüber den Rechtsstaat und die Gleichheit der Geschlechter geltend machen, mir sagen wollen, ich solle mich einer solchen Sache, von der Sie unterstellen, ich hätte sie getan, schämen, während jeder einzelne wenigstens der Herren unter Ihnen dann ‚heimlich’ #mein# ‚Kunde’ gewesen sein könnte, ohne sich dessen im geringsten zu schämen, solange das doch allenfalls ‚a matter of discretion’ sei?’
Nun, mit dieser Antwort, die ihr ganz einfach und ganz frei und geradezu selbstverständlich erschienen war, hatte sie damals ihren Fall herbeigeführt und auch das schlimmste Hindernis bei allen Versuchen, wieder aufzustehen. Und dieses ist doch, nicht wahr, wirklich erstaunlich, und es ist dieses, was mir zu den Worten des lieben Chefs, der uns zur Achtung der Würde des Tierischen in uns ermahnt hat, eingefallen ist. Darum freue ich mich, daß die Kreativleitung, Mo und der Minderheitler mit den grünen Borsten sich an den ersten Schneeglöckchen ihrerseits so freuen.“ So endete der stille Theologe, ganz erstaunt von seiner eigenen Gesprächigkeit und der Genauigkeit seiner Erinnerung an Mos Rede, die ihm die Kreativleitung bei einer freundlichen Gelegenheit gezeigt hatte.
Die Demokratiebeauftragte war etwas betreten. Sie hatte wirklich geglaubt, daß die Gefangennahme Mos woanders erfolgt war, aber doch nicht hier, unter uns.
Aber dann bekam der stille Theologe wieder sein ganz weiches Gesicht und seine Stimme hatte ihren schönsten Schmelz, als er sagte, vielleicht nirgends mehr als an dieser Stelle zeige sich, wie groß unser Hunger und Durst nach Erlösung sein müssten, wenn wir dem winzig kleinen Mokind in die schöne Schamlosigkeit seiner einfachen Bedürftigkeit folgen wollten, was doch im wirklichen Leben allenthalben nur mit erstaunlicher Gewaltbereitschaft abgewehrt werde. „Schöne Schamlosigkeit?“ fragte die Demokratiebeauftragte, der Adorno immer schon eher fremd geblieben war, und der Theologe sagte, „ja, schöne Schamlosigkeit, die gibt es gar nicht nur in der Kunst“ - denn er glaubte natürlich, alle hätten wie er viele Stunden ihrer Jugend mit den Texten des Herrn Adorno verbracht. Nun, da dies offenkundig nicht der Fall war, sah er ein, er mußte deutlicher werden, und so erzählte er weiter:
„Mos Gefangenschaft hatte – neben anderem – damit zu tun, daß man sie, als sie noch eine normale, fast stattliche Größe gehabt hatte, einmal wegen einer kleinen Privatsache verdächtigte, ein ‚gefallenes Mädchen’ zu sein, und daß dieses sie für viele Dinge nicht in Frage kommen lasse, für die sie im übrigen durchaus qualifiziert sei. Sie in ihrer naiven Gläubigkeit an die Freiheit der Republik, in der sie damals lebte, hatte, als der Verdacht endlich ausgesprochen war (man spürt dergleichen ja lange vorher, aber ausgesprochen wird’s doch selten) gewagt, wie folgt zu antworten: ‚Liebe Richter und Henker, ich ehre Ihre Institutionen bis auf die Todesstrafe sehr, aber es gibt einige Institutionen, für die sind die Schamregeln seltsam verteilt. Ich darf sagen, ich habe dieses und jenes zum Thema der Prostitution geschrieben und öffentlich gesagt, und ich habe öfter mal probiert, mich hier in die verschiedenen ‚Rollen’ einzudenken, denn dies ist für mich von ähnlich bewegendem wissenschaftlichem Interesse wie etwa die Frage ‚was will das Weib’ in aller Honorabilität für Herrn Freud war. Mich interessierte viele Jahre lang also die Frage, ‚was will der Mann,’ denn das schien mir weit weniger deutlich am Tage zu liegen als allgemein angenommen, aber vielleicht mochte ich einfach manche Männer zu gern, um mich mit gewissen Seltsamkeiten ohne weiteres Fragen abzufinden. Nun muß man, um dieser Frage nachzugehen, meine Damen und Herren...’“ „Moment,“ sagte die Demokratiebeauftragte, „du willst nicht behaupten, daß unsere kleine verschrumpelte Mo einmal so gesprochen haben könnte!“ „O doch,“ sagte der stille Theologe, „das hat sie, sie hat wirklich an alles geglaubt, was wir hier so schwätzen, und erst ihre Gefangennahme hat ihr gezeigt, daß alles ganz anders ist. Und sie sagte also, ‚meine Damen und Herren, man kann diese Frage durchaus auf der Basis von Erzählungen und ähnlichen Dingen bearbeiten, auch wenn man nicht Freud oder Kristeva oder wer auch immer ist, und man kann sich viel dazu denken, über diese seltsamen Wunschstrukturen aller Beteiligten, und dies habe ich immer ungescheut getan. Ich will aber – und hier machte sie nun den entscheidenden Fehler, der sie auf höchst banale Weise zu Fall brachte, wenn dies auch keinesfalls DER Fall war, der ihr hinterher angehängt wurde – noch weiter gehen, und zwar in der vielleicht frevelhaften Absicht, Sie ein wenig zu belehren (so sprach sie, im Ernst, die traute sich was): Wenn es der Fall wäre, daß ich mit eigenem Leib und Leben im Eigenexperiment das Wesen der Prostitution erforscht hätte, was keineswegs der Fall ist, dann, meine Damen und Herren, würde ich mich dessen nicht einmal schämen, sondern es freimütig zugeben und Ihnen von meiner Erfahrung berichten. Dem stand bei mir indes immer ein gewisser Ekel entgegen, darum ist das nie eingetreten, ich mochte zu gern, wen und was ich mochte, und zu wenig gern, wen und was ich nicht mochte. Aber ich kann nicht verstehen, daß Sie, die mir gegenüber den Rechtsstaat und die Gleichheit der Geschlechter geltend machen, mir sagen wollen, ich solle mich einer solchen Sache, von der Sie unterstellen, ich hätte sie getan, schämen, während jeder einzelne wenigstens der Herren unter Ihnen dann ‚heimlich’ #mein# ‚Kunde’ gewesen sein könnte, ohne sich dessen im geringsten zu schämen, solange das doch allenfalls ‚a matter of discretion’ sei?’
Nun, mit dieser Antwort, die ihr ganz einfach und ganz frei und geradezu selbstverständlich erschienen war, hatte sie damals ihren Fall herbeigeführt und auch das schlimmste Hindernis bei allen Versuchen, wieder aufzustehen. Und dieses ist doch, nicht wahr, wirklich erstaunlich, und es ist dieses, was mir zu den Worten des lieben Chefs, der uns zur Achtung der Würde des Tierischen in uns ermahnt hat, eingefallen ist. Darum freue ich mich, daß die Kreativleitung, Mo und der Minderheitler mit den grünen Borsten sich an den ersten Schneeglöckchen ihrerseits so freuen.“ So endete der stille Theologe, ganz erstaunt von seiner eigenen Gesprächigkeit und der Genauigkeit seiner Erinnerung an Mos Rede, die ihm die Kreativleitung bei einer freundlichen Gelegenheit gezeigt hatte.
Die Demokratiebeauftragte war etwas betreten. Sie hatte wirklich geglaubt, daß die Gefangennahme Mos woanders erfolgt war, aber doch nicht hier, unter uns.
Sonntag, 13. Januar 2008
(2)14.
Nachdem die Kreativleitung ihren Teppichschlaf beendet hatte, sprang sie fast erschrocken auf ihre Füße, sammelte das mittlerweile gesättigt und erschöpft über den Flur taumelnde Mo schnell wieder in ihr Bündel und verschleppte dieses und den so mürrisch wie unabweisbar neben ihnen her trottenden Minderheitler mit den grünen Borsten auf einen Weg durch eine städtische Grünanlage, wo sie gemeinsam unter schütterem braunen Laub die ersten Schneeglöckchen entdeckten - Blumen, draußen, einfach so, unter der Sonne!
(2)13.
Auf dem Weg zum „Bistro“ hörte Mo gleich wieder alles, was in den letzten Tagen aus den einzelnen Bürotüren gedrungen und als Klangrest in der Luft hängen geblieben war, wobei sie die von der Assistentin K erfundenen Worte des Esels am lustigsten fand (jedenfalls bis sie daran denken mußte, daß es allzu vielen Eseln eben nicht möglich ist, wegzuspringen, so daß die am Ende leider doch zusammenbrechen, sie pustete diesen Gedanken, der sie leicht wieder hätte niederschmettern können, schnell beiseite, um doch noch ihr Ziel zu erreichen), und nach einer Weile beharrlichen Tippelns kam sie tatsächlich im „Bistro“ an, wo der Minderheitler mit den grünen Borsten sie schon erwartete, denn auch er hatte große feine Ohren und hörte gut, das Halleluhjaah zumal hatte ihn bei seiner Apfelmahlzeit überrascht, und nachdem er selbst schon vorher den Honig aufgegessen hatte, war ihm die Idee gekommen, er könne wenigstens den Apfelteller von der für Mo ja viel zu hohen Theke holen, eine Idee, die weitere nach sich zog: so empfing er das kleine Wesen, das trotz seiner schon sehr hungrigen Augen so munter und zufrieden dreinschaute (es war wohl der Stolz, den Weg in die Küche allein geschafft zu haben, der Mo um die immer noch hochknochigen Wangen lichterte), schon mit einer Untertasse, auf der er ein paar Apfelscheibchen mit Ahornsirup angerichtet hatte, und er lachte von einem Ohr zum anderen mit der begeisterten Mo, die sogleich vergaß, daß sie eigentlich schnellstens wieder ins Büro der Kreativleitung zurück gewollt hatte, und nun lieber für den Augenblick beim Minderheitler blieb, um vor seinen erfreuten Augen seine freundliche Wohltat mit Genuß zu verspeisen.
Samstag, 12. Januar 2008
(2)12.
Mo mußte sich also selbst aufmachen und mit ihren kleinen dürren Beinchen zum „Bistro“ tippeln in der Hoffnung, dort ein Stück Apfel und etwas Honig zu finden, und in der Befürchtung, unterwegs von irgendwelchen Chefs oder Beauftragten oder Abteilungsleitern oder Praktikanten oder wilden jungen Kolleginnen und Kollegen oder von irgendwelchen Gattinnen, die auf der Suche nach ihren Ehehälften waren, zertrampelt zu werden; es war das erste Mal, so schien ihr (in Wahrheit war es nur das erste Mal seit ihrer Gefangennahme und allem, was darauf und daraus gefolgt war), daß sie nicht im Bündel herumgetragen wurde, sondern selbst ihre winzigen Füßchen voreinander setzte, den karierten Schal nun als einen Umhang fest um sich ziehend, und sie war sehr erstaunt, daß sie auf dem leeren langen Flur tatsächlich die paar Zentimeterchen, die ihr Körper in die Luft ragte, aufrecht und gerade halten konnte, aber ja, es ging, es ging, sie ging, halleluhjaah, sie ging!
Freitag, 11. Januar 2008
(2)11.B
Seltsame Besucher, seltsame Ereignisse gleich zu Jahresbeginn in der EinSatzLeitung. Als die Kreativleitung von den nächtlichen Szenen im cheflichen Haushalt gehört und die Einträge der diversen Besucher gelesen hatte, legte sie sich erst einmal auf den Teppich in ihrem Arbeitszimmer, die Füße - wie stets in solchen Lagen - auf der Sitzfläche des Drehstuhls, um in Ruhe nachzudenken. Neben ihr hockte Mo auf dem Fell, hatte sich fest in den karierten Schal eingewickelt und wieder ihr früheres eher schrumpeliges Gesicht angenommen, aus dem heraus sie aber lächelte. Fass dich erstmal, wisperte sie der Kreativleitung zu, dann erzähle ich dir etwas.
Und nach einer Weile, als die Kreativleitung wieder ihre normale Gesichtsfarbe zurückgewonnen hatte, ein nicht kleidsames, aber freundliches winterliches Blaßviolett, fing Mo im ihr eigenen Singsang zu erzählen an:
Eine sehr einfache Dame, die in einer großen Stadt lebte, traf einmal einen gar nicht einfachen Herren, der wie aus einer anderen Welt für einen winzigen Augenblick in ihr Leben geschneit war. Er hatte ein Gesicht wie eine Schneeflocke, die nicht schmolz. Das fand die Dame erstaunlich, sie hatte so etwas noch nie gesehen, und sie schaute sehr gern in dieses Gesicht. Der Herr war ohne Zweifel sehr erfahren - und ebenso zweifellos nicht auf etwas aus, das sich einer Serie von Erfahrungen hätte eingliedern lassen. Darum konnte sie eine Weile ihm gegenüber sitzen bleiben und sich an dem Schneeflockengesicht freuen. Die Schneeflocke erzählte, dieses und jenes, erst war es harmlose Konversation nach allen Regeln dieser Kunst. Die Dame verstand von der Konversationskunst im Grunde nichts, sie hatte ja selten mit Menschen zu tun, die dergleichen pflegten, war selbst eher von ruppigem Tiefsinn. Aber es erschien ihr alles ganz gekonnt, geradezu perfekt nach einer Ordnung, auch wenn ihr diese Ordnung selbst nicht bekannt war. Sie bemühte sich, richtig zu antworten. Der Herr mit dem Schneeflockengesicht schien in seiner großen Aufmerksamkeit zu bemerken, daß die Sache für die Dame anstrengend war, wegen der unbekannten Ordnung, und so verlegte er sich zu ihrer Entlastung, wie sie unterstellte, immer mehr aufs Erzählen. Was er erzählte, war vielfältig und vielseitig wie nur irgendetwas sein konnte. Und wegen einer Geschichte erzähle ich es dir jetzt weiter: Es war einmal ein Mann, der lebte in einem Land, in dem alle Zeitungen und Zeitschriften denselben Stil schrieben. Ihn langweilte das. Also gründete er von einem kleinen Vermögen, das er geerbt hatte, eine kleine Zeitschrift. In dieser Zeitschrift schrieb er in einer Weise, die bis dahin als "anathema" gegolten hatte, über Dinge, die man bis dahin eher lautstark beschwiegen hatte. Man schüchterte ihn ein, man bedrohte ihn, man schmähte und verleumdete ihn, aber alles half nichts, der Mann schaffte es irgendwie, seine kleine Zeitschrift beharrlich durch die Widrigkeiten zu steuern, den Verleumdungen standzuhalten und sich und sein Anliegen bekannt und bekannter zu machen. Bis man schließlich die richtige Methode fand, um ihn auszuhebeln: Man machte ihn nach. Immer mehr Zeitungen und Zeitschriften machten sich seinen Stil zu eigen, übernahmen seine Themen und "korrigierten" sie nur um dieses winzige Bißchen, das den Unterschied zwischen seiner anstößigen und der glattgebügelten Schreibe der anderen ausmachte. Damit hatte man ihn. Er ging pleite, sagte der Erzähler, und lächelte abgründig.
Unsere Dame wußte nicht, was sie auf diese Geschichte erwidern sollte. Sie war einfach zu schrecklich.
So tat sie das einzige, was ihr übrig blieb. Sie lächelte freundlich in das freundliche Gesicht, das aussah wie eine Schneeflocke, die nicht schmolz.
Mo beendete ihre Erzählung mit erwartungsvollem Schweigen. Ihr Gesicht war darüber wieder glatt geworden. Es verlangte sie nach einem Apfel und etwas Honig. Aber die Kreativleitung schwieg betreten und rührte sich nicht.
Und nach einer Weile, als die Kreativleitung wieder ihre normale Gesichtsfarbe zurückgewonnen hatte, ein nicht kleidsames, aber freundliches winterliches Blaßviolett, fing Mo im ihr eigenen Singsang zu erzählen an:
Eine sehr einfache Dame, die in einer großen Stadt lebte, traf einmal einen gar nicht einfachen Herren, der wie aus einer anderen Welt für einen winzigen Augenblick in ihr Leben geschneit war. Er hatte ein Gesicht wie eine Schneeflocke, die nicht schmolz. Das fand die Dame erstaunlich, sie hatte so etwas noch nie gesehen, und sie schaute sehr gern in dieses Gesicht. Der Herr war ohne Zweifel sehr erfahren - und ebenso zweifellos nicht auf etwas aus, das sich einer Serie von Erfahrungen hätte eingliedern lassen. Darum konnte sie eine Weile ihm gegenüber sitzen bleiben und sich an dem Schneeflockengesicht freuen. Die Schneeflocke erzählte, dieses und jenes, erst war es harmlose Konversation nach allen Regeln dieser Kunst. Die Dame verstand von der Konversationskunst im Grunde nichts, sie hatte ja selten mit Menschen zu tun, die dergleichen pflegten, war selbst eher von ruppigem Tiefsinn. Aber es erschien ihr alles ganz gekonnt, geradezu perfekt nach einer Ordnung, auch wenn ihr diese Ordnung selbst nicht bekannt war. Sie bemühte sich, richtig zu antworten. Der Herr mit dem Schneeflockengesicht schien in seiner großen Aufmerksamkeit zu bemerken, daß die Sache für die Dame anstrengend war, wegen der unbekannten Ordnung, und so verlegte er sich zu ihrer Entlastung, wie sie unterstellte, immer mehr aufs Erzählen. Was er erzählte, war vielfältig und vielseitig wie nur irgendetwas sein konnte. Und wegen einer Geschichte erzähle ich es dir jetzt weiter: Es war einmal ein Mann, der lebte in einem Land, in dem alle Zeitungen und Zeitschriften denselben Stil schrieben. Ihn langweilte das. Also gründete er von einem kleinen Vermögen, das er geerbt hatte, eine kleine Zeitschrift. In dieser Zeitschrift schrieb er in einer Weise, die bis dahin als "anathema" gegolten hatte, über Dinge, die man bis dahin eher lautstark beschwiegen hatte. Man schüchterte ihn ein, man bedrohte ihn, man schmähte und verleumdete ihn, aber alles half nichts, der Mann schaffte es irgendwie, seine kleine Zeitschrift beharrlich durch die Widrigkeiten zu steuern, den Verleumdungen standzuhalten und sich und sein Anliegen bekannt und bekannter zu machen. Bis man schließlich die richtige Methode fand, um ihn auszuhebeln: Man machte ihn nach. Immer mehr Zeitungen und Zeitschriften machten sich seinen Stil zu eigen, übernahmen seine Themen und "korrigierten" sie nur um dieses winzige Bißchen, das den Unterschied zwischen seiner anstößigen und der glattgebügelten Schreibe der anderen ausmachte. Damit hatte man ihn. Er ging pleite, sagte der Erzähler, und lächelte abgründig.
Unsere Dame wußte nicht, was sie auf diese Geschichte erwidern sollte. Sie war einfach zu schrecklich.
So tat sie das einzige, was ihr übrig blieb. Sie lächelte freundlich in das freundliche Gesicht, das aussah wie eine Schneeflocke, die nicht schmolz.
Mo beendete ihre Erzählung mit erwartungsvollem Schweigen. Ihr Gesicht war darüber wieder glatt geworden. Es verlangte sie nach einem Apfel und etwas Honig. Aber die Kreativleitung schwieg betreten und rührte sich nicht.
(2)11.
Wie so oft müssen wir unsere Pläne umwerfen, die Erklärung für Mos rätselhaftes Quieken muß ein wenig warten, denn der Sicherheitsbeauftragte hat gemeinsam mit dem Chef in den Fernseher geschaut und dort in einer Debatte über die Frage an die Frauen, was die denn eigentlich wollen, erfahren, daß der hochfeine Herr Pascal Bruckner gegenwärtig im schönen Frankreich mit einem Roman reussiert, in dem die Figur eines Mannes, welcher so sehr geschrumpft sei, daß er in der Pyjamatasche seiner Gattin Platz gefunden habe, eine seiner Größe etwas unangemessene Rolle zu spielen scheine - und natürlich empörten sich die Herren, wie er denn wohl dazu komme, unseren klitzekleinen Forschungsminister, welcher zeitweilig in der Jackentasche der Demokratiebeauftragten residierte, zu seiner Sache zu machen, das sei ja nun rundweg Diebstahl, und wenn man das lesen werde, werde man finden, daß es zudem eine widerliche Banalisierung unserer großartigen Figur sein werde, gerade eingängig genug, um das Geschwätz eines Abends zu finanzieren, mit dem Herr Bruckner und der Sender sicher verdienten, während wir dafür auch noch von unserem Nichts Rundfunkgebühren zahlen, und wenn nicht die Gattin des Chefs dabei gesessen hätte (das Ganze fand ja in der sogenannten Freizeit im Hause des Chefs statt), welche einer gewissen ontologischen Vorbildung nicht enbehrte und zugleich so etwas wie Stil hatte, dann wären die Herren noch stante pede losgerannt und hätten einen gewaltigen Prozeß angestrengt, so aber legte die Dame des Hauses wieder einmal begütigend ihre kühlen Hände auf die hitzigen Stirnen und sagte, meine Lieben, es muß sorgfältig erwogen werden, wie wir uns hier verhalten, wir müssen bedenken, daß es selbst dann, wenn der hochfeine Herr Bruckner diese Idee, welche wir kostenlos und unverbindlich in die Welt gestellt haben wie so vieles, gestohlen haben sollte, andere Wege geben müsse, um diese Sache beizulegen, wir sollten ihn vielleicht einmal zu einer Tasse Tee einladen, sollten wir nicht, aber der Herr Chef sagte, da werde er sich dann doch übergeben müssen, während der Kollege mit der Karomütze meinte, man müsse doch einmal sehen, was hier eigentlich wirklich vor sich gehe, vielleicht könne der Kollege uns bei der Buch-Publikation des EinSatzBuches Band 1 ein wenig zur Hand gehen, und wie sieht es überhaupt aus mit dem Schutz unserer geistigen Anlagen, ist da vielleicht Reformbedarf, oder läßt sich alles auf einem geschickten Verhandlungswege zu aller Zufriedenheit beilegen?
Donnerstag, 10. Januar 2008
(2)10.
"Wie findest du es, wenn man Politikern nahelegt, 'Mensch' zu bleiben," fragte die Kreativleitung am anderen Morgen im "Bistro" die sehr müde aussehende Demokratiebeauftragte, und diese antwortete, bisher habe sie sich eigentlich nichts dabei gedacht, wieso - ihre Frage blieb aber unbeantwortet, denn Mo hatte einen lauten Quieker von sich gegeben, so daß die Kreativleitung erschrocken in ihr Büro zurückgerannt war.
Mittwoch, 9. Januar 2008
(20)9.
Als das Fahrzeug der EinSatzLeitung in der Stadt angekommen war, läuteten von verschiedenen Kirchtürmen die Glocken und erfüllten die Stadt mit jener Atmosphäre alarmierter Dankbarkeit, welche über viele Jahrhunderte den Grundton christlichen Befindens gebildet und immer wieder in die eine oder andere Richtung zur Vereindeutigung getrieben hatte (nie ohne dann ein tiefes Unbehagen und eine Tendenz zur genau anderen Richtung zu hinterlassen), und zuletzt brachte der nach dem Aussteigen der Assistentin K ans Steuer gewechselte Sicherheitsbeauftragte die Demokratiebeauftragte zu ihrer Behausung, was den Effekt hatte, daß beide ihre imaginären Gespräche (sie mit William Penn, er mit einem Abgesandten des ausländischen Geheimdienstes) unterbrachen und miteinander sprachen, und, stimuliert durch eine Nachricht über den Etappensieg von Hillary Clinton, sagte die Demokratiebeauftragte: "wetten, gewonnen hat sie mit Einem Satz, mit dem sie auf die 'Hemdenbügelpöbler' geantwortet hat, 'Ah, the old sexists, still alive and kicking,' und stell dir vor, du müßtest ein universaler Verteidiger sein (was ja eine wunderbare 'Rolle' für ein neues Amerika der alten amerikanischen Schule wäre), Verteidiger der Grenzanlagen und der Grenzübergänge, Verteidiger der Kinder und Verteidiger der Eltern, Verteidiger der Gefangenen und Verteidiger selbst derer, die Gefangene machen, Verteidiger der einen Religion gegen die andere und umgekehrt und Verteidiger der Nichtreligion gegen beide, Verteidiger der Geschiedenen und Verteidiger der Idioten, die Geschiedene unbedingt wieder verkuppeln wollen, Verteidiger der Betrogenen und Verteidiger der Betrüger" ... "genug," sagte Karomütze, "das kann doch kein Mensch aushalten."
Dienstag, 8. Januar 2008
(20)8.
Auf den letzten Kilometern hingen alle jeweils ihren eigenen Gedanken nach, der Sicherheitsbeauftragte träumte davon, heimlich von einem fremden Geheimdienst zu ehrenvoller Mitarbeit erwählt und deswegen in vielen seiner sonstigen Aktivitäten zum Zwecke der Prüfung seiner Belastbarkeit behindert und bedrängt zu sein, aber alle geheimen Prüfungen mit Bravour zu bestehen und schließlich einen wundervollen Bond-Job mit allen entsprechenden Prämierungen zu machen (die Kreativleitung, die von seinen entsprechenden Träumen, über die er gern sprach, schon lange wußte, dachte, armer Junge, kennst das Leben auch noch nicht...), die Demokratiebeauftragte erlaubte sich in ihrem wiederaufgenommenen Gespräch mit William Penn Sätze, welche sie als ausgesprochene der Phrasendrescherei verdächtigt hätte, der Buchhalter bahnte sich mit einer phantastischen Machete einen Weg durch einen Zahlenwald, in dem zu seinem Erstaunen plötzlich ungezählte Blüten zu blühen anfingen, wie er sie nur einmal bei einem weit zurückliegenden Besuch im Frankfurter Palmengarten gesehen hatte, der Chef sah sich entlastet von aller Regierungsverantwortung in einem schönen Haus auf Long Island residieren und hätte um keinen Preis den weiteren Inhalt seiner Träume verraten, auch seine Gattin hätte, nach ihren Träumen befragt, den Fragenden wohl abschlägig beschieden mit der Bemerkung, wenn nicht einmal Freud, dem doch viele Frauen vieles erzählten, herausfinden konnte, was "das Weib" will, wie könnt ihr Naseweise glauben, daß ihr es auch nur verstehen könntet, wenn man es euch sagte, im übrigen sagt man es euch nun wirklich nicht, die Kreativleitung wälzte Sorgen um und um, die sie am Träumen auch weiterhin hinderten, dabei hätte sie gern ihre Träume umgestaltet und ausgeplaudert, wenn sie welche gehabt hätte, aber von den schrecklichen Ahnungen, von denen sie heimgesucht wurde, während Mo anscheinend wieder in bester Verfassung war, wollte sie für den Augenblick einfach nichts wissen, auch dann nicht, wenn sie darüber fast verblödete, denn sie hätte zu viele Gräßlichkeiten zu verzeihen und glaubte, sich das erst nach der Fahrt und nach einem langen Schlaf zutrauen zu können, und außer dem vom vielen finsteren Brüten ganz leer gewordenen Forschungsminister waren nur noch die beiden Assistentinnen richtig und füreinander wach und übten sich leise kichernd in der "Nachbereitung" der hinter ihnen liegenden Party, während das Ehepaar Ö händchenhaltend gemeinsam mit geschlossenen Augen und offenem Mund aus dem Fenster starrte und seltsame Geräusche von sich gab (und die Kreativleitung dachte, na nett, die beiden können doch wirklich miteinander, dazu kann man ihnen ja nur gratulieren).
Montag, 7. Januar 2008
(20)7.
Die Versuchung, nun schnellstens den Bus angekommen sein zu lassen und alle noch in einen Sonntag vor Beginn der nächsten Bürowoche zu schicken, ist außerordentlich groß und viel attraktiver als der Plan, dem Kleinbus jetzt etwa eine Strecke mit Zwischenfällen bei Blitzeis (welche weitere langatmige Gespräche immerhin unterbrochen und alle in eine Auseinandersetzung mit realexistierenden Polizisten und richtigen Autofahrern gebracht haben würde, wie sich da wohl der Chef bewährt hätte) zuzumuten, andererseits kann man doch nicht einfach, nur weil ein Mo mal quengelt, schon herbeizaubern, daß der Bus angekommen ist, also lassen wir ihn noch ungefähr 70 Kilometer weiter fahren, legen der Kreativleitung eine Bitte um Verzeihung an den klitzekleinen Forschungsminister in den Mund, denn durch ihre ach so verständnisvolle Verteidigung werde der ja endgültig zum integrationsbedürftigen Problembär gestempelt, was auch kein leichtes Brot ist für jemanden, der niemandem etwas getan hat (zumal Integration, wie wir wissen, ohne extreme Kontrollen praktisch unmöglich ist, wenn jemand, sei es auch nur durch Denunziation und idiotische Vermutungen anderer, einmal auffällig geworden ist, nicht wahr, aber nach einer solchen Zeit hat der Problembär gefälligst dankbar zu sein, wenn wirklich genau hingeguckt wird, denn erst dann kann er auch zeigen, was an Gutem in ihm steckt, sehr zweideutig also auch dies, und schon hätte der Forschungsminister wieder ein neues Thema, das er wieder nicht würde bearbeiten können, so wird er es also vorziehen, von der Bitte der Kreativleitung gerührt zu sein und "schon gut" zu sagen und "du hast mich ja wirklich ziemlich gut verstanden"), und denken darüber nach, ob auf den nächsten 20 Kilometern eher der Buchhalter sich mit seinem Assistenten oder eher das Haus Ö untereinander oder ob sich mal überhaupt niemand in dem kleinen durchgerüttelten Fahrzeug streiten soll.
Sonntag, 6. Januar 2008
(20)6.
Die Aussicht, in der bevorstehenden ersten Bürowoche des Jahres mit einem dermaßen grämlichen Forschungsminister das Büro zu teilen, machte die Demokratiebeauftragte nervös, und ihre Laune für Milde gegen ihn hielt sich in ziemlich engen Grenzen, so daß sie die Kreativleitung um Rat fragte, die etwas weiter ausholte und sagte: "es muß ja etwas damit zu tun haben, daß er eigentlich ein ganz ernsthafter Kerl ist und wie du und ich gern alles ganz genau verstehen möchte, nur daß ihm (anders als uns irgendwer das je nahegelegt hätte) seine Wissenschaft immer suggeriert hat, er könne das auch, er habe dazu geeignete Instrumente, die er nur Schritt für Schritt anwenden müsse, und dann hätte ers, und je ernster er sich auf seine Fragen eingelassen hat, desto nutzloser wurden ihm, dem hellsichtigen, also überaufmerksamen Forscher, natürlich seine Instrumente und desto kleiner der ganze Kerl, weil, wo andere sich einfach an einer winzigen Frage selbst mit umso entschlossenerer Ausbreitung ihres Instrumentariums (und einem jedem gewissenhaften Menschen zumindest in sozialen und menschlichen Fragen unerträglich selbstsicheren, unangenehm unsensiblen Expertengestus) sehr groß machen, sich unser Forschungsminister eben doch eher für die etwas größeren Fragen interessierte - und vor den Bergen von Literatur, die es dazu bereits gab, dann entsetzlich schrumpfte, wie wir ja übrigens alle, wenn wir etwas verstehen, erstmal ganz winzig davor werden, um dann, wenn wir es ein bißchen verstanden und selbst Sätze dazu gebildet haben, wieder zu wachsen; er nimmt nun alle diese Prozesse nicht als die übliche Verstehensschleife, wie wir das in Gesprächen und Betrachtungen ganz normal finden, sondern er nimmt sie ganz persönlich und ganz körperlich, für ihn ist jedes Buch ein Prügel geworden, und wenn er schreiben würde, würde er sozusagen zurückschlagen, aber eben das kann er nach allem nicht mehr innerhalb der Welt der Wissenschaften, wo er ja, wegen der Größe seiner Fragen, ganze Flotten von Literatur hinter sich herziehen müßte, wenn er da ernsthaft arbeiten wollte, und eben drum hat er sich erstmal uns und unserem naiveren Gerede über die großen Fragen assoziiert und sich mit der Aufgabe begnügt, hier immer besonders genau auf Konsistenz und Rationalität zu pochen und dann und wann ein nützliches kleines Büchlein oder eine Anmerkung oder auch mal einen großen Zusammenhang herbeizuschaffen und seine Studien im übrigen auf der Fensterbank zu treiben, den Rest der Arbeit uns überlassend, und ich glaube, du tust gut daran, ihn dann und wann jammern zu lassen, ihn im übrigen bei allen Gesprächen gebührlich mitsprechen zu lassen, ihn gegen die gelegentlichen Attacken oder Versuchungen aus der richtigen Wissenschaftswelt draußen im Lande etwas abzuschirmen, wenn es sich nicht gerade um ernsthafte und würdige Einladungen oder Angebote, bei denen Aufwand und erwartbares Ergebnis in einem sinnvollen Zusammenhang stehen, handelt, und dich im übrigen um deine Arbeit zu kümmern."
Samstag, 5. Januar 2008
(20)5.
Der Forschungsminister war von allen im Bus vielleicht am grämlichsten geblieben, und daß man ihm jetzt mit diesem albernen Gedichtchen kam, hatte ihn zusätzlich verdrossen, da half der Einwurf des Chefs nur wenig, denn es war ja keineswegs klar, für wen dessen Herz nun mehr schlug, für die verschnarchten Chaotinnen aus der Kreativabteilung, die ihm schon jetzt wieder gewaltig auf die Nerven gingen, für die etwas verschusselte, aber gutmütige und darin eben letztlich doch energische Demokratiebeauftragte, oder für ihn und seine so erhabenen wie bescheidenen Aspirationen, mit seinen Mitteln der streng rationalen Prüfung, der genaueren Unterscheidung und der feineren Definition das wahrere Bild von der Wirklichkeit zu geben, und er nahm sich vor, sich doch noch einmal mit dem stillen Theologen (den er allerdings in seinem Mißmut auch beschuldigte, seinem wissenschaftlichen Image draußen im Lande schwer zu schaden, obwohl dieser Theologe, der sich der EinSatzLeitung assoziiert hatte, doch wahrhaftig weit genug entfernt sein sollte von Priesterpomp und Zauberei, um dort irgendeinen Verdacht zu erregen) darüber zu beraten, wie man ein Projekt so interessant gestalten könne, daß der Chef es umstandslos gegen den Tantenverein (ein Wort, das er dem Theologen gegenüber nicht würde sagen dürfen) durchsetzen würde, aber in seiner Grämlichkeit bemerkte er, wie diese selbst ihn schon wieder von innen auffraß, und daß eben aus seinem Ressort nichts, aber auch gar nichts ihm je gegen diese Erscheinung zu Hilfe gekommen war, während die Kreativabteilung, wie er sich neidisch eingestehen mußte, hier mit Ressourcen gesegnet zu sein schien, die ausreichten, auch noch die Pflanzungen der anderen Abteilungen und selbst seine eigenen kümmerlichen Gärtchen immer wieder überraschend zu bewässern.
Freitag, 4. Januar 2008
(20)4.
Anstatt, wie ursprünglich vorgesehen, nun auf das Fliehen und Auswandern und die Migrationsbewegungen als solche zu sprechen zu kommen (und nebenher in finaler Auseinandersetzung mit gewissen auch schon sterbenslangweilig gewordenen Anwürfen aus der Pestvogelwelt aufzuräumen, deren Lieblingsgeschraster das Weglaufen betraf), hatte die Demokratiebeauftragte sich während der weiteren Fahrt im Geiste mit William Penn unterhalten, in dem sie einen ausgesprochen interessanten Gesprächspartner gefunden zu haben glaubte, sie hatte leider - da er ja nun einmal nicht real zugegen sein konnte - keine Antwort auf ihre etwas moderatorinnenhafte Frage erhalten, wie er denn heute die europäischen Institutionen ansehen würde, die doch teilweise aussähen, als wären sie sozusagen nach seinem Bilde geformt, und in ihrem Grübeln, ob er diese eher in der Tonlage seiner gelegentlich mürrisch wirkenden "Früchte der Einsamkeit" kommentieren oder vielleicht doch frisch und erstaunt ansehen, gar rühmen würde, war sie noch zu keinem Schluß gekommen, als Assistentin K, des schneeigen Schweigens müde, das Radio anschaltete und auf diese Weise alle im Bus unvermittelt in den Zauber betörender Gesänge eines kenianischen Chores zog, welcher sich im fernen Nairobi zusammengefunden hatte, um Proteste gegen Wahlfälschungen der Regierung und Niederknüppelung der Opposition zu singen, und, noch immer halb an William Penn addressiert, sagte die Demokratiebeauftragte, als der Gesang, der auch sie nicht unberührt ließ, verklungen war: Singen kann man etwas länger als Steine werfen, wie.
Donnerstag, 3. Januar 2008
(20)3.
Ganz hinten in dem Bus saß die Kreativleitung, sehr müde, den Kopf mit Schal an die Scheibe gelehnt, sie starrte eine Weile auf den Straßenrand, an dem eine gleichmäßig unsaubere Grenze zwischen dem hellweißen frischen Schnee und dem schmutzig aufgespritzten zu sehen war, dann schlief sie ein und träumte, an einem Fluß entlang zu fahren, auf dem knirschend aneinanderreibend und -schlagend Eisschollen trieben, darüber vergaß sie, wie flau ihr im Magen zumute gewesen war, und vergaß und vergaß und hörte gar nicht mehr auf zu vergessen, und in der Ferne, jenseits des Flusses mit den Eisschollen und weiter entfernt als der Horizont, da wäre vielleicht etwas, das noch einmal zu so etwas wie einem Traum verlocken könnte, irgendein Land, in dem jeder und jede einen akzeptierten und akzeptablen Platz mit dem, was sie konnten, erwerben konnten, irgendein Land, in dem man sich nicht in soziale oder gar in Lebensgefahr begab, wenn man seinem Herzen folgte, irgendein Land, in dem es möglich war, wieder aufzustehen, wenn man gefallen oder niedergeschlagen worden war, irgendein Land, in dem intrigante und rachsüchtige Menschen einfach ausgelacht wurden, irgendein Land, in dem man nicht einmal jemandem wie der Karomütze sagen mußte, daß es besser wäre, dann und wann ein Auge zuzumachen, denn alles, was er sehen könnte, wäre so wie es eben in Mos von ihr gelegentlich umschwärmtem verlorenem Heimatland, in dem Milch und Honig fließen, sein müßte, und niemand würde sich in die stolzgeschwellte Brust werfen, weil er so toll tapfer sich durchzuboxen wüßte, ohne Regeln zu brechen, denn niemand hätte es nötig, stolz zu sein auf seine wundersame Angepasstheit an das Rohe und Rauhe, das wir schließlich alle nicht übersehen können, weil alle wüßten, es gibt das Rohe und Rauhe, und besser wäre, es gäbe das nicht, und besser wäre, wir würden es gemeinsam Stückchen für Stückchen beiseite räumen...
Mittwoch, 2. Januar 2008
(20)2.
Neben der Assistentin K auf dem Beifahrersitz machte der Sicherheitsbeauftragte zunächst ein Nickerchen, aus dem er aber erschreckt auffuhr, als der Kleinbus einen Bahnübergang nicht ohne Rumpeln überquerte, und, noch halb in einem Traum befangen, fragte er, ob sich die anderen sicher seien, die richtige Entscheidung getroffen und den richtigen Weg genommen zu haben, und ob das gestern bei der Party ein schlimmer Exzess gewesen sei, als er außer dem Tanzbein auch etliche reichlich wüste Reden geschwungen habe, und während er noch Bedenken gegen sich und die Welt ersann, spürte er, wie sich von der Bank hinter ihm die chefliche Hand schwer auf seine Schulter legte, er drückte sich etwas tiefer in seinen Sitz und tuschelte der Assistentin K zu: "Jetzt will er begütigend sein, aber siehst du, was er tut, warte nur, was er sagen wird," und der Chef sagte den tatsächlich gerade für Karomütze sehr bedrohlichen Satz: "In Andersens Märchen verändert zwar der Ausspruch des kleinen Kindes die Sache entscheidend, aber, vielleicht weil der Autor ein freundlicher Däne ist, wird am Ende weder das Kind zerfetzt noch der Kaiser daran gehindert, in Würde die Bühne zu verlassen, begleitet von Kammerherren, die ihm geduldig jene Schleppe tragen, die gar nicht da ist."
Dienstag, 1. Januar 2008
(20)1.
Die EinSatzLeitung hatte eine Art Kleinbus gemietet, um damit zu einer Silvesterparty aufs Land zu fahren, und am ersten Tag des neuen Jahres saßen Mo und der Forschungsminister wegen ihrer geringfügigen Größe in Kindersitzen mit Tischchen in diesem Bus, Mo stippte Apfelstückchen abwechselnd in Honig oder Ahornsirup und lachte und plapperte unentwegt, weil es tatsächlich schneite, und weil es ihr so gefiel, wie das schüttere Gelbgrün mancher Felder erst durch tiefschwarze Maulwurfshügel unterbrochen wurde, wie dann aber, je näher sie der Stadt kamen, alles immer weißer wurde, und wenn sie über die Straße und die Autos hinweg sah (viele waren nicht unterwegs, und Assistentin K, die den Wagen lenkte, wünschte sich manchmal geradezu die roten Rücklichter und die schwarzen Spuren eines vor ihr her fahrenden Fahrzeugs), fielen auf einigen Strecken nur noch die dunkelgraubraunen Büsche in das gleichmäßige Weiß, oder es loderten ein paar von den selteneren flammroten Sträuchern auf, die sie besonders liebte.
200.
"Die Koinzidenz vom letzten Tag des Jahres mit der in diesem Jahre letzten Sitzung der EinSatzLeitung war ja vorauszusehen, denn hier handelt es sich, herrlich, sich darauf stützen zu können, um ein reines Zahlenspiel," sagte zufrieden der Buchhalter, als er den Sitzungsraum betrat und erst etwa die Hälfte der Mehrheitler und Minderheitler um das namentlich bekannte Personal versammelt fand. Es war vorab festgelegt worden, daß diese Sitzung ihrer herausgehobenen Zahlenposition wegen vom Chef selbst geleitet und mit einer feierlichen Ansprache eröffnet und beschlossen werden sollte, dieser war auch, wie sein Marsch am Vortage nicht nur seiner Gattin bewiesen hatte, gesundheitlich wieder "völlig auf dem Posten." Diese letzte Feststellung oder Beschreibung der Sachlage wurde durch den Buchhalter vorgebracht, der in ihr einen Hang zur Zackigkeit unterbringen konnte, mit dem er sonst bei seinen Kollegen, wie der Sicherheitsbeauftragte mit der Karomütze es ausdrücken würde, selten mal "eine Schnitte ziehen" konnte. Der Sicherheitsbeauftragte war heute mit dem Protokoll betraut, wurde aber an der Ausübung seines Amtes vorläufig gehindert, denn noch befanden sich alle Stifte, Papiere und Tastaturen in der Obhut der Kreativleitung, die sie auch vor dem offiziellen Beginn der Sitzung nicht herausrücken wollte, zu sehr juckte es sie in den Fingern, die Bekleidungen und habituellen Eigenheiten aller Anwesenden zu protokollieren, ihre Mienenspiele zu beobachten und sich Formulierungen auszudenken, in denen alles dieses zu einem völlig neuen Bild zusammengestellt werden könnte. In einer kleinen handgreiflichen Rangelei entriß ihr aber der Sicherheitsbeauftragte (nicht ohne ein entschuldigendes "wirklich nur für diese Sitzung" an sie hin zu zwinkern, denn sogar er selbst wußte ja, daß er eigentlich immer am liebsten ihre kleinen Personenbeschreibungen und -charakterisierungen las und sogar für seinen eigenen, den Sicherheitsjob, daraus am meisten lernte) die Schreibgeräte,
und nun eröffnen wir also das Protokoll mit einem nicht gelöschten Bericht über Handgreiflichkeiten, wie peinlich!
Also, noch einmal ordentlich:
Nummer 200, Sitzung der EinSatzLeitung
Protokoll:
Sicherheitsbeauftragter.
Sitzungsleitung:
Der Chef
Tagesordnungspunkte:
1. Bilanz der Buchhaltung
2. Silvesteransprache des Chefs
TOP 1:
Der Buchhalter bedankt sich für die Übertragung des verantwortungsvollen Jahres-Gesamtberichts aller Abteilungen auf ihn, verspricht, sich kurz zu fassen, und berichtet, daß seit dem ersten Tag des EinSatzBuches jeden Tag ein Eintrag erfolgte, daß einmal eine Stellvertretung nötig wurde, daß es dann und wann zu kleinen Schwankungen in den Zeiten kam, daß aber insgesamt positiv bilanziert werden könne: alle 24 Stunden habe die EinSatzLeitung mindestens einen Satz geliefert. Zusätzlich zu den gewöhnlichen EinSätzen äußerst unterschiedlicher Länge könne zurückgeblickt werden auf eine kleine Sammlung von Einträgen auf der B-Ebene, welche etwas heterogen seien, unregelmäßig erschienen, aber doch nach allem, was aus der Abteilung Öffentlichkeit verlaute, eine kleine, nicht durchweg unzufriedene Stammleserschaft hätten. Weniger zufrieden sei er mit der Sitzungsdisziplin. Der Turnus von Sitzungen an jedem 22. Tag sei nicht strikt eingehalten worden, die Protokollführung schlampig, das Sitzungsverhalten teilweise chaotisch. Hier gebe es Reformbedarf. Ein weiteres Problem sei die sehr unterschiedliche Publikumsbeteiligung. Diese könne man selbstverständlich nur begrenzt steuern, es seien aber in sensiblen Phasen schwere Fehler durch exzessive Publikumsbeschimpfung gemacht worden, und man müsse davon ausgehen, daß die scharfe Feder so manchen Mitglieds der EinSatzLeitung etliche ursprünglich muntere Skribentinnen und Skribenten verschreckt habe. Dies sei gelegentlich nötig gewesen, um gefährliche bis lästige Eins-zu-Einsler abzuwehren, aber man sei hier zuweilen übers Ziel hinausgeschossen. An diesen Stellen empfehle er, im kommenden Jahr aufmerksamer zu arbeiten, im übrigen wünsche er allen einen fröhlichen Jahreswechsel und viel Mut für das kommende Jahr, um die Bilanzen weiter zu verbessern.
Ausführlicher Beifall.
TOP 2:
Der Chef erhebt sich feierlich zu einer Jahresendansprache, die eine geschlagene halbe Stunde dauert. Er ist zu diesem Anlaß besonders elegant gekleidet, hat wieder seine allerschönste Ledertasche auf den Tisch gelegt und sagt alle Worte, die man an einem solchen Datum von einem Chef erwartet - und die wir deswegen hier nicht wiedergeben müssen, denn sie werden zuverlässig alle von allen anderen Chefs auch ausgesprochen werden und in den jeweiligen Nuancierungen über alle Schirme laufen, auch wir werden viele von ihnen mit wohlwollendem Interesse anhören.
Erwähnenswert sind unter diesem Aspekt vielleicht allenfalls ein paar Besonderheiten, ja, teilweise brachte der Chef gar einige persönliche Grillen unter, so schien es, etwa indem er sich bei einem Sender seines Vertrauens recht herzlich dafür bedankte, daß dieser ihm auf einer der langweiligeren Arbeitsstrecken des vergangenen Jahres das gute alte Hörspiel "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen" ins Haus geschickt und ihn damit sehr erheitert hatte.
Und vor allem dann das Ende: Unser Chef beendet seine Rede mit einer rührenden Liebeserklärung an das Abendland und seine Freiheitsliebe und mit einem Appell, diese Freiheit mit allen Mitteln, welche ihrer Idee nicht widersprechen, zu schützen und zu erhalten, sich für sie einzusetzen und für sie zu werben und ihren Begriff an der Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition von Glaube, Liebe und Hoffnung, aber auch mit dem, was anderen Kulturen wichtig ist, Erwählung, Bund, Gerechtigkeit, weiter zu entwickeln (so weit so geläufig, aber nun gehts los) und er mahne dazu, vor allem und allem nicht zu vergessen, daß wir alle Tiere sind, jawohl, wir haben richtig gehört, und Sie haben richtig gelesen, daß wir alle Tiere sind, die als solche voller Wünsche und Begierden und aus verletzlichem körperlichem Gewebe sind, und wir müßten irgendwie weiter darin fortschreiten, die Rücksicht gegen diese verletzlichen körperlichen und tierischen Eigenheiten und ihre eigene Würde zu üben und zu achten und die gewiß großen Mächte unserer gewaltigen Geistesgaben auszusöhnen mit unserer bald schwächelnden, bald übermütigen und vor allem individuell und nach Lebensphasen je verschiedenen Leiblichkeit, jawohl, also auszusöhnen, sagte er dann noch in die staunenden Gesichter der Herumsitzenden, und noch einmal, jawohl. Er habe hier im vergangenen Jahr aus den Diskussionen innerhalb der EinSatzLeitung, aber auch in seinem privaten Glück viel gelernt und sei nunmehr entschlossen, für manche Lebensbereiche auch so etwas wie eine "zarte Ordnung" für erwägenswert und schützenswert zu halten, und er warne geradezu ausdrücklich davor, der in manchen Belangen notwendigen "harten Ordnung" der strategischen Rationalität zu gestatten, die für andere Belange passenderen zarten Ordnungen zu zersiedeln und zu zerstören. Im kommenden Jahr sei an diesem Problem weiter zu arbeiten, und er bedanke sich bei allen in der EinSatzLeitung für ihre unermüdliche Beharrlichkeit in der Aufrechterhaltung der institutionseigenen Vielfalt, für ihre Geduld gegenüber allen gelegentlich nötigen Ordnungsmaßnahmen, aber auch für ihren Widerspruch und viele viele Anlässe zu spontaner, unkontrollierter Heiterkeit.
Zögernder, anfangs sehr zögernder, dann aber doch noch frenetisch werdender Beifall brachte die Sitzung zu einem glücklichen Abschluß.
Als die Mehrheitler, Minderheitler und die namentlich bekannten EinSatzKräfte schon den Sitzungsraum verließen, richtete der Leiter der Abteilung noch einmal das Wort an die Menschen draußen im Lande und wünscht hiermit allen einen guten und friedlichen und vergnügten Übergang in ein Neues Jahr.
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