Freitag, 29. August 2008

442.

Da stand er nun also vor ihr, der Erzräuber, das Monster, der Milchzar höchstselbst, der Herr mit den Gütern im durch seinen mit zweifelhaften Mitteln erworbenen Gutsbesitz quasi vereinigten Grundsächsischen, der es nie - das sah unsere Dame Ö natürlich mit einem Blick - zu dem bringen würde, was man manchmal ja durchaus auch im Guten so als Gutsherrenart zu bezeichnen pflegte, natürlich konnte er trefflich prunken mit seinen feinen Tuchen, und weder Gesichtsröte noch Schweißfluß noch Bauchfett noch Glatze noch auch die grätschbeinige Grundhaltung wären zwingend ein Einwand gewesen, selbst die Sache mit den Sicherheitstypen schien er gut im Griff zu haben, sie waren entweder nicht da oder in beispielloser Dezenz im Treppenhaus geparkt, und überhaupt, liebe Jugend, dachte die Dame Ö, während sie den Herren freundlich hereinbat, liebe Jugend, dachte die Dame, ihr denkt, man müsse immer fit und gestählt aussehen, um elegant zu sein, aber nein, auch wer schwitzt, zu viel frißt und breitbeinig in der Welt steht, kann eine Gutsherrenart haben - wenn er sie denn hat; wenn er sie aber nun einmal nicht hat, dachte Dame Ö, während sie das lästig-lächerliche Gestöhne des Herren über die vielen Treppen höflich überhörte, dann, ach Herrje, dann habe ich hier natürlich auch nichts zu beschicken, und so schickte sie sich in ihr Los, erkannte, daß in Abwesenheit von Gutsherrenart beim Milchzaren ihre Qualifikation nunmehr allenfalls noch in einer gewissen sozusagen gleichbleibenden Flexibilität bestehen konnte, sie hob die Braue, lächelte, sah, daß man es hier ganz kurz machen müsse, denn für diesen Kerl war sie aufgrund ihres Alters und trotz ihrer eben in Gutsdamenart vollzogenen Öffnung für neuere modische Ideen (bei ihr wirkte alles immer gleich klassisch, hoffte sie, und wenn man darüber lachte, so fühlte sie sich darin nur bestätigt, etwelche Unsicherheiten gingen keinen was an) bereits vollkommen unsichtbar, sie konnte ihn allenfalls stracken Schrittes und unter einigen wenigen höflichen Worten zum Kreativbüro führen, nicht einmal ihre wohlvorbereitete Rede, in der sie ihm hatte erläutern wollen, warum es für ihn viel ehrenvoller sei, direkt dorthin geleitet zu werden, anstatt erst einmal von der Chefin begrüßt zu werden, kam zum EinSatz, es wäre alles an ihn vergeudet gewesen und hätte so doch mehr geschadet als genützt, so lud sie ihn nur mit einer winzigsten Introduktion bei den K-Damen ab und ging wieder ins "Bistro" zurück, woselbst wie zur Illustration aller falschen Hoffnungen ihres Lebens eine magere Wespe die Energiesparbirne einer Tischlampe umflog, welche (dank der Energiesparbirne) nicht einmal heiß genug wurde, um das Insekt in angemessenem Tempo lahmzulegen.

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was will sie denn mit einer Gutsherrenart?

Anonym hat gesagt…

Es muß nicht jeder eine Gutsherrenart haben, aber wer Güter in Besitz nimmt, sollte dazu auch eine Art haben, meine ich, und wenn Sie sonst noch irgendwelche Fragen haben, nehmen Sie meine persönliche Sympathie gleich noch dazu!

Anonym hat gesagt…

Ich werde wirklich sehr vernachlässigt.

Anonym hat gesagt…

Haben Sie denn schon ein Projekt entwickelt?

Anonym hat gesagt…

Was für eine merkwürdige Unterhaltung, bin ich denn dick, Schatzi?

Anonym hat gesagt…

Aber nein, mein Liebster, stattlich bist du.

Anonym hat gesagt…

Was man so nennt.

Anonym hat gesagt…

Alle achten hier nur aufs Materielle und auf Äußerlichkeiten, das ist ja wirklich ein oberflächlicher Sauhaufen!

Anonym hat gesagt…

Man vernachlässigt die wirklich wichtigen Dinge.

Anonym hat gesagt…

Immerhin wird er so noch ein wenig aufgehalten.

Anonym hat gesagt…

Sie könnte ja zur Abwechslung mal etwas Öl auf ihre Stimme kippen.

Anonym hat gesagt…

Mir scheint, im Gegenteil, der Herr X. soll weiter den geballten Unmut auf sich ziehen, irgendwo muß der ja schließlich hin, und interne Tiefschläge sind vielleicht nicht soo gut.

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