Dienstag, 26. August 2008

439.

Als der Kollege Karomütze am Morgen aus dem "Bistro" - wo er mit der vor dem anstehenden Besuch des Herrn X. vor allem genervten Assistentin K einen Kaffee getrunken und endlich einmal wieder recht herzhaft geplaudert hatte - direkt zur Chefin gerufen wurde, ahnte er, daß es sich nicht nur um eine der üblichen Instruktionen handeln würde, und während er sich widerwillig von seinem Stuhle erhob, bemerkte er, daß er sich doch nach den alten Zeiten zurücksehnte, in welchen es noch der Chef mit seiner dicken weichen Hand gewesen war, der den Chefsessel mit seiner ganzen Pracht befüllt hatte, denn dieser hatte speziell ihm, dem Kollegen von der Sicherheit, seiner Ansicht nach weit mehr väterliches Wohlwollen entgegengebracht als die Dame Chefin, deren ewig freundliche Strenge ihm unbehaglich war, wußte er doch, daß er in der Vorwoche an einer Stelle in einer Panik einen Fehler gemacht und zu schnell einen viel zu weit gehenden Alarm geschlagen hatte, und er wußte nicht, ob er der Chefin (an deren Sympathie für seine Belange er erheblich zweifelte) zur Erklärung erzählen sollte, daß diese Panik durch den Anblick eines ehemaligen Offiziers ausgelöst worden war: eines Offiziers, welchem er sich während seiner militärischen Grundausbildung stets derartig ausgeliefert gefühlt hatte (er war es faktisch auch gewesen, die Alternative war: Militärdienst quittieren oder die stets gern demonstrierte und aufs Gräßlichste ausgeübte Macht dieses Mannes zu ertragen, damals aber hatte ihn etwas an das Militär gebunden, das er zwar heute, nachdem er den Dienst bekanntermaßen quittiert hatte und zudem gelernt zu haben glaubte, mit dem Machtgebaren anderer Menschen, sogar Militärs, immerhin halbwegs sicher umgehen zu können, nicht mehr verstand, aber er erinnerte sich, wie wichtig es ihm damals gewesen war, diese Soldatensache hinter sich zu bringen), daß er meinte, sich ihm allein durch Tod entziehen zu können, und er hatte deswegen, wenn er sich mal wieder unter seinen trotz allem scherzenden und von jenem Kerl wohl auch nicht ganz so übel malträtierten Kameraden gefühlt hatte, als wäre er allein unter persönlicher Bewachung durch diesen (damals noch Unter-) Offizier im Spint eingesperrt, gelegentlich ernsthaft den Tod (auf dessen Möglichkeit man hier schließlich hochoffiziell vorbereitet wurde) als eine Befreiung in Betracht gezogen (und deswegen die Harmlosigkeit der damaligen Einsätze und Übungen fast bedauert), und als er nun, bei seiner Aufgabe, das Umfeld des Milchzaren unter Sicherheitsgesichtspunkten zu erkunden, feststellen mußte, daß dessen Sicherheitsapparat just von jenem (inzwischen ehemaligen) Offizier angeführt wurde, der ihm seinerzeit den Spaß (nicht nur) am Militärdienst verdorben hatte, als er dann auch noch rumoren hörte, mit diesem solle er nun zur Vorbereitung des "zarischen" Besuchs die Sicherheitsbedingungen "abklären" (wer sich das Wort ausgedacht hat, möchten wir hier in der K-Abteilung auch gern mal wissen, aber es ist wohl unentbehrlich geworden), da war er wieder wie früher in die alte Panik verfallen und hatte verzweifelt und fieberhaft alle - wirklich alle - Möglichkeiten nicht nur in Gedanken, sondern auch in Worten durchgespielt, einer Wiederholung jener schrecklichen Zeit der Grundausbildung zu entkommen, so daß er bei der eigentlichen Arbeit ganz unkonzentriert war und in der Gefahrenabwägung gestört, und nun, so nahm er an, mußte er dafür Rechenschaft ablegen und wußte doch nicht wie.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So schlimm?

Anonym hat gesagt…

Sehen Sie, wenn jetzt ich diejenige gewesen wäre, die ihn hereingerufen hätte, dann hätte er das alles in Ruhe schon mal vorab mit mir besprechen können und wäre jetzt nicht so nervös!

Anonym hat gesagt…

Eine EinSatzLeitung ist doch keine Kuschelbude!

Anonym hat gesagt…

Also es versteht einen hier wirklich keiner.

Anonym hat gesagt…

Er ist hier ja wohl auch nicht, um verstanden zu werden.

Anonym hat gesagt…

Wenn das unsere Haltung ist, warum bitten wir nicht gleich darum, uns von dem Imperium des Milchzaren aufkaufen und eingliedern zu lassen, wen interessiert denn die Farbe der Uniformen der Truppen des Warlords, unter dem man mißhandelt wird, wenn die Mißhandlung überall dieselbe ist, nein nein, hier wird in Ruhe geklärt, was los ist.

Anonym hat gesagt…

Ich biete meine Dienste als Gutachter an.

Anonym hat gesagt…

Wir danken höflich, befinden uns aber in der glücklichen Lage, eigene Experten zu haben, die sich etwas enger an gewisse Regeln der Menschenwürde gebunden haben, und wünschen einen guten Flug, es ist doch bald so weit, nicht wahr?

Anonym hat gesagt…

In der Tat, man versammelt sich schon in den Lüften, aber ganz so weit ist es doch noch nicht, und die Pestvögel waren nie unter den allerschnellsten.

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