Sonntag, 22. Juni 2008

374.B.

Die Kreativleitung entschied schließlich, das Beste sei, den Kwaliteitswart ein wenig abzulenken, indem sie ihn bei seiner eigentlichen Aufgabe packte und ihm ein Stück aus dem Wandteppich zur Prüfung vorlegte. Sie riß also ihren Blick von dem Mann, dessen Gesicht ihr auch in der ungewohnten Melancholie noch sehr gut gefiel, los, von der Art, wie er seine Hände hängen ließ, zu schweigen, und schaute auf das in Arbeit befindliche Produkt. Wie erstaunt war sie zu sehen, daß Mo mit wilden Gesten und bewegungslosem Gesichtchen auf dem Weberschiffchen saß und soeben in den Hafen der Häuslichkeit der Demokratiebeauftragten einzulaufen im Begriffe war, ein Seeräubertüchlein um den Kopf gewickelt. Die Kreativleitung pflückte das Wesen beherzt vom Schiffchen, lachte der Verblüfften verblüfft ins Gesicht und sagte, so, das sind also deine neuesten Abenteuer. Mir gefällt es eigentlich besser, wenn du irgendwo sitzt und schreibst oder deine Apfelstückchen verspeist oder irgendwelche nützlichen Erkundungen in der EinSatzLeitung und darüber hinaus betreibst, anstatt hier die Produktion zu piratisieren, aber – sag mal, habe ich dich vernachlässigt? Und Mo brach sofort in Tränen aus, streckte ihre dürren Ärmchen aus, ließ sich gern auf die Hüfte der Kreativleitung setzen und schmiegte sich fest an. Aha, sagte die Kreativleitung, so ist das also, und ließ einfach ihre Hand an Mos Rücken, während sie, ihre Rührung unterdrückend, nunmehr mit sachlichem Gesicht dem Kwaliteitswart zu erläutern versuchte, wie sie die Niederungen der Pestvögel allmählich über den – übrigens von Mo erfundenen – erzählenden Kranich wieder mit den Gärten der Kreativabteilung und den nüchternen Bauwerken der Demokratieabteilung verbinden wolle, wie sie zu diesem Zwecke die scharfe Friktion der Abteilung Ö... Aber der Kwaliteitswart hatte dafür gar keinen Sinn. Er beobachtete mit mäßigem Interesse das Gefühlstheater um Mo und die Kreativleitung, fand den winzigen eifersüchtigen Stich, den ihm dieses gab, leicht verkraftbar, wenn auch deutlich spürbar, und er fragte sich, ob denn an dieser so aufgeladenen Fußballrealität wirklich nichts mehr zu rütteln sei. Müde, heute.
Na gut, sagte die Kreativleitung, also das hilft auch nicht. Und sie merkte, wie eine Ungeduld in ihr aufstieg, gegen die noch stets nur eine einzige Sache geholfen hatte: die Produktion, in der sie alles andere vergessen konnte. Das Übliche also, dachte sie, ein wenig enttäuscht, aber wir kennen es ja schon. Sie konnte nun das Mo nicht absetzen, nahm in Kauf, daß der Kwaliteitswart sich vermutlich wieder verziehen würde, wenn ihm seine Grantigkeit nicht durch Überaufmerksamkeit beantwortet werden würde, und nahm also das Weberschiffchen in die linke Hand (die rechte mußte ja Mos Rücken halten). Sie stattete das Schiffchen unter Mos gelegentlich hervorblinzelnden Blicken fein aus mit Kanonen, aus denen schärfste Geschösschen geschossen werden könnten, und ließ es ganz langsam auf die Niederungen der Pestvögel, jene versumpften Gebiete, deren gefiederte Bewohner von der vollkommen haltlosen Illusion besessen waren, sie lebten in gut organisierten Anlagen, zufahren. Das übermütige Ahoi von Mo schien in der Luft mit zu schwirren und als ein akustisches Wimpelchen zu bleiben, während Mo selbst sanft und beruhigt bald wieder einschlief.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also, die Kreativleitung hat auch wirklich keine Ahnung vom Leben, sie könnte doch mal auf ihre eigenen äußerlichen Vrozüge, ein paar hat sie doch noch, dezent aufmerksam machen, dergleichen lenkt doch einen Mann, zumal einen, mit dem man nicht verheiratet ist, in der Regel am besten von seinem Kummer ab!

Anonym hat gesagt…

Sonst noch irgendwelche hilfreichen Fragen, Bemerkungen, Ratschläge und Kommentare?

Anonym hat gesagt…

Ich finde, der Kwaliteitswart könnte mal aufwachen.

Anonym hat gesagt…

Die Befreiungen werden vernachlässigt.

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