Sonntag, 1. Juni 2008

353.

Der erzählende Kranich kehrte zurück aus Übersee, es waren für ihn nur einige Flügelschläge gewesen - recht vorstellbar ist uns eigentlich nicht, daß er wirklich den Ozean überquert haben konnte, aber vielleicht war ihm nur etwas wie ein Ozean erschienen, das in Wahrheit und Wirklichkeit oder dem, was wir dafür halten, eher die Ausmaße des Steinhuder Meeres hatte - wir wissen es nicht, wer zählte die Flügelschläge eines erzählenden Kranichs, und wir wissen auch nicht, ob ihm wirklich nahegegangen war, daß in einer knapp zwei Wochen alten Ausgabe des New Yorker unter der Überschrift "Bird-Watch" Bemerkenswertes über Charlie Parker geschrieben worden war, auffallend war nur, daß er, als er sich lässig in den Rahmen der Tür zum "Bistro" lehnte und den soeben etwas düpiert den Raum verlassenden Praktikanten mit einem heftigen "how are you today" grüßte und dann zu der kurz danach ihm entgegen kommenden Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse sagte, "I know you like Jonathan Franzen, you know, I overheard somebody saying like when Jonathan Franzen blabla, and it goes like," wobei der betonten Unentschlossenheit seiner Formulierungen (die Dame erinnerte sich sogleich an ein einmal mitgehörtes: "I was supposed to be in like Paris with my so-called boyfriend, but when he did not seem to be there, I seem to have considered...") eine unentrinnbare Festigkeit entsprach, mit welcher die Augen des Sprechenden auf das durch diesen nämlichen Blick gleichsam verhaftete Gegenüber gerichtet wurden, und es war ferner bemerklich, daß er doch tatsächlich versuchte, dabei so zu grimassieren, wie es zu einer bestimmten Spreche einfach dazuzugehören scheint, ja, er übte sich sogar in einer Stimmführung, die bald tief in der Kehle kollerte, bald sich hysterisch ein wenig zu überkreischen schien, und als er bemerkte, daß die Minderheitlerin ihn ein wenig konsterniert ansah, weil sein Schnabel einfach zum Grimassieren ein wenig zu festgewachsen war in seinem alles in allem doch nicht gerade flächigen Vogelgesicht, da - erinnerte er sich mit leisem Bedauern des erzählenden Kranichs, der er einst gewesen, und machte unter Zuhilfenahme seiner Schwingen einen hoheitsvollen Satz.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist ja geradezu antiamerikanisch, man sieht mal wieder, dass die Damen hier eher ihre Grossmutter verkaufen, als auf eine Formulierung zu verzichten, die ihnen passend erscheint.

Anonym hat gesagt…

Also mir hat neulich ein Amerikaner ausführlich erzählt, wie furchtbar ihm das Deutsche Verbote ins Denken baue, ganz viele Sachen, die mir nie aufgefallen waren, und ich dachte, er übertreibt maßlos, hatte abr an dem Tag frei und wollte nichts und niemanden verteidigen, dachte trotzdem, er übertreibt, bis ich dann in einem coolen Kreuzberger Hausflur ein ziemlich neues Schild sah, auf dem stand: "Den Besuchern der Praxis ist der Aufenthalt in Flur und Durchfahrt untersagt, Ihr Praxisteam," und zugeben mußte, der Mann hatte recht, Großmutter hin, Klischee her, er hatte etwas gesehen, das immer noch da ist, als wäre es nie weggewesen, nicht einmal aus Kreuzberg.

Anonym hat gesagt…

Ich bin gegen solche Verkäufe.

Anonym hat gesagt…

Und mit dem muß ich es den ganzen Tag im Büro aushalten, das muß man sich mal vorstellen.

Anonym hat gesagt…

Ich finde, dem erzählenden Kranich hat der Aufenthalt in Amerika, wie immer er nun dahin gekommen sein mag, sehr gut getan, aber was ist dem armen Mädchen in Paris passiert?

Anonym hat gesagt…

Es ist like mit schon verdrehtem kopf dahin gefahren, und als es zurückkam, war der Kopf noch verdrehter.

Anonym hat gesagt…

Und als ihm der Kopf wieder zurechtgesetzt worden war, da sagte es, I was supposed to be in like Paris?

Anonym hat gesagt…

So wird es gewesen sein, genial rekonstruiert.

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