Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Dienstag, 11. März 2008
(2)71.B.
Die Kreativleitung war, den Rücken fest auf ihrem Teppich, in einen kurzen, zu kurzen, aber tiefen Schlaf verfallen: Träume wollten geträumt sein, bevor eine neue dringlich erforderliche Produktion weitergeführt werden konnte, und sie wußte schon seit langem, daß bei diesen Dingen der alte Satz: "wenn du es eilig hats, mach einen Umweg" nur umso gültiger war. Ja, wichtiger als das Wegräumen von Kaffeetassen und dergleichen war es, den Träumen den Weg frei zu machen, bevor dann wieder das "Vernünftige" heraus- und durchkam. Aber nun schreckte sie hoch von dem Lärm, der plötzlich aus allen Büros in ihres gewabert kam, denn alle ihre Figuren flatterten durcheinander und schrien "Krise, Krise," und sie dachte, nicht schon wieder, immer noch das Gattinnenwesen, was soll das denn nur, und die Politjungs natürlich unzufrieden, scheinbar nichts, woran sie andocken können? Mo ließ sich von alledem in ihrem Schlaf immerhin nicht stören, aber sie selbst war nun doch wach und fühlte sich genötigt, alle ein wenig zu ermahnen. Natürlich sei es gut, daß die Demokratiebeauftragte die Gattin des Chefs nach den Frustrationen der Sitzung so lobe, aber ursprünglich hätten sich die im cheflichen Haushalt versammelten Minderbemittelten vielleicht nur darum bemüht, jemanden "ein wenig zu motivieren?" "Das glaubst du ja wohl selbst nicht, träum weiter," sagte die Assistentin K, "man kann keine Texte schreiben, in denen alle Leute gute Absichten haben und sich darin bloß verwickeln, es muß auch mal richtig Böse geben, sonst hat man keine klaren Verhältnisse und nicht einmal Bedarf für Zivilcourage, von allem anderen ganz abgesehen." Die Kreativleitung fand es komisch, sich jetzt von dieser Assistentin belehren zu lassen, zumal es doch auch einfach falsch war: waren nicht schon die antiken Tragödien eher von der Art gewesen, daß alle ein bißchen dumm, ein bißchen eitel, ein bißchen klug, ein bißchen heroisch und irgendwie immer falsch und immer blutig waren, aber das voller Stolz und Schmerz usw.? Gab es denn da richtig böse Figuren? Nein. In Märchen vielleicht. Aber sonst? "Es gibt aber doch das Böse, wenn schon nicht das Gute, dann doch wenigstens das Böse," beharrte die Assistentin. Und die Kreativleitung, die irgendwie lieber wieder in ihren schönen Traum, der etwas mit Mos alter Schneeflockengeschichte zu tun zu haben schien, zurück wollte, aber sich an eine ganz andere Arbeit drängen mußte, argumentierte nicht weiter, sondern sagte resiginiert "na gut, in den nächsten Tagen bist du sowieso am Zuge, lass mal sehen, wie du das hinkriegst, und ich guck dann hinterher, ob mit den Figuren noch weiterzumachen ist, übrigens gefällt mir die Sache mit Pestvogels Flügel und dem Buchhalter ganz gut, und wenn ich dir einen letzten Rat geben darf, das Gattinnenproblem ist eines, mit dem du dich bloß unbeliebt machst, ohne in der Sache auch nur einen Milimeter weiterzukommen, man kommt nicht darüber hinaus, daß es Gelingen und Scheitern gibt. Sobald man sich daran macht, eine 'zugrundeliegende Ordnung' zu analysieren, ist man in Teufels Küche oder in Pestvogels Schnabel, und das Leben verschwindet aus allem, das ist übrigens das Dilemma, über das ich gerade in meinen Bergwerken arbeite," und die Assistentin guckte erwartungsgemäß etwas verständnislos, versprach aber, sich um die Dämpfung der allgemeinen Aufregung zu bemühen, und wünschte der Kreativleitung alles Gute für die weitere Arbeit.
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