Donnerstag, 6. März 2008

(2)66.

Sitzung der EinSatzLeitung

Sitzungsleitung: Der Chef
Protokoll: Assistentin K


Tagesordnung:

1. Der Bericht der Karomütze
2. Inhaltliche Debatten
3. Verschiedenes

Es ist zum ersten Mal nicht nötig, vor der Sitzung um Ruhe zu bitten, alle sind von ungeheuer gespannter Erwartung. Karomütze zeigt etwas wie einen leisen Groll, obwohl er zwischendurch mit der neben ihm sitzenden Assistentin Ö herumtuschelt, damit als einziger die Stille während der Eröfffnungsworte des Chefs etwas störend.

TOP 1.
Der Chef beginnt nun also damit, daß Karomütze, von seinem Auslandseinsatz zurückgekehrt, über vielfältige Vorfälle und Vorgänge in aller Form Bericht erstattet habe. Insgesamt ergebe sich der Eindruck, daß von der EinSatzLeitung eine solide Arbeit in mehreren Gebieten und auf mehreren Gebieten erwartet werde, wobei sich dann und wann der Eindruck einer gewissen Überschätzung ihrer Möglichkeiten nicht ganz vertreiben lasse. In einem der bearbeiteten ausländischen Krisengebiete habe es einen Skandal gegeben, der weite Kreise gezogen habe, das sei natürlich das schweizerische Heimatland des Chefs gewesen, von dem aus seine herausgehobene Tätigkeit mit besonderem Argwohn beobachtet werde. Um hier eine weitere Ausbreitung der Skandale zu verhindern, ziehe er es vor - und habe auch dem Kollegen Sicherheitsbeauftragten sehr dringend und unter Androhung schärfster Strafen nahegelegt - gar nicht erst zu widerlegen, was alles fälschlich gegen die EinSatzLeitung vorgebracht werde, denn jedes weitere Wort würde mehr für die Verbreitung des Gerüchts tun als daß es ihm entgegenarbeiten könnte.
An dieser Stelle erhebt sich ein Tumult in der Ecke, in der der Buchhalter sitzt. Der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit sitzt neben ihm und versucht, ihn daran zu hindern, eine seiner gefürchteten sehr ins Querulatorische spielenden Reden zu halten, aber der Buchhalter reißt sich förmlich los, steht auf und fuchtelt herum, wie man es nur von Filmaufnahmen aus den Parlamenten irgendwelcher "Schwellenländer" (United Kingdom oder so) kennt, und wann immer der Leiter der Abteilung Öffentlichkeit nach seinem Arm greift, haut er ihn sich vom Leibe, dabei eifervoll zum Vortrag bringend, was er zu sagen zu haben glaubt, daß er nämlich genau wisse, was die Schweizer da vorbringen, wenn Schweiz, dann immer Steuern und ihre Hinterziehung, das sei doch klar, und seine Bücher seien so was von in Ordnung, und er dulde nicht, daß durch irgendeine Maßnahme, die nach Unter-den-Teppich-Kehren aussehe, auch nur der leiseste Zweifel an seiner Buchführung, und die Schlawinereien, deretwegen der Herr Chef möglicherweise die Schweiz habe verlassen müssen, und die Wichtigtuereien, mit denen der Kollege von der Sicherheit sich ausgerechnet auf ihn stürze (es ärgerte den Buchhalter schon sehr, wie Karomütze mit Assistentin Ö flirtete und wer weiß was da noch oder schon war und er hatte wohl doch noch nicht ganz verwunden, daß seine Affäre mit dieser Assistentin nun endgültig vorbei zu sein schien) und all diese Sachen, deren er noch etliche in Halbsätzen anriß, hätten vielleicht eine Karomütze, aber weder Hand noch Fuß. Der Karobemützte vergewisserte sich mit einem kurzen Blick der fortdauernden Existenz seiner Extremitäten und schaute dann hilfesuchend zum Chef. Dieser versicherte in beruhigend tiefergelegter Stimme, daß auf die Arbeit des Buchhalters nicht der Schatten eines Zweifels gefallen sei noch fallen werde, bei den Insinuationen alter Feinde handele es sich ausschließlich um Fragen, die den Sicherheitsbereich im engeren Sinne beträfen, und es sei hier nun einmal Diskretion zu wahren. Ein Krisengebiet freilich sei offenbar völlig befriedet und weitere Einsätze dort einstweilen überflüssig: die belgischen Niederungen und Nistgebiete des Pestvogels, aus denen immer wieder terroristische Übergriffe erfolgt seien, dürften als neugeordnet und relativ stabil gelten, das Geschlecht der Pestvögel habe verstanden, daß es sich eher mit sich selbst befassen und auf der Suche nach geeigneten Objekten für spätere Übergriffsbereitschaft sich anderweitig orientieren müsse, man habe aber den leitenden Pestvögeln nahegelegt, es einmal mit Umlenkung der Energien auf friedlichere Aktivitäten zu versuchen, und hierbei möglicherweise auch nachhaltige Erfolge erzielt. Für kommende EinSätze in anderen Gebieten würden alle weiteren Erkenntnisse per Dienstanweisung an die je relevanten einzelnen Abteilungen kommuniziert, und an dieser Stelle bleibe ihm nur, ausdrücklich dem Sicherheitsbeauftragten für seine mühsame und durchaus erfolgreiche Reisetätigkeit und seine unermüdliche Aufmerksamkeit zu danken, er bitte, sich zu einem Beifall zu erheben.
Dies wurde getan, es wurde Beifall verabreicht, und dann wurde sich wieder gesetzt.

TOP 2.
Die Demokratiebeauftragte berichtet über laufende Debatten zu verschiedenen Problemen der Schlichtung als solcher. Man habe sich allenthalben angewöhnt, diese in einer sehr technischen und nachgerade mathematischen Weise zu betrachten und sei auch in den vergangenen Jahren dank der Kommunikationswissenschaft auf vielen Gebieten recht weit damit gekommen. Es gebe nun aber einerseits etliche festsitzende Fälle, in denen man überhaupt nicht vorwärts komme, und es gebe andererseits sehr kuriose Debattenbeiträge aus der Öffentlichkeit und aus der Kreativabteilung, die wohl die kommenden EinSatze ein wenig bestimmen würden. Sie ermuntere hiermit alle, sich daran weiter zu beteiligen, mehr wolle sie im Rahmen einer solchen Geschäftssitzung darüber nicht verlauten lassen.

TOP 3.
In einer Ecke des Sitzungszimmers sitzen die Gattin Ö und die Gattin des Chefs sowie die Kreativleitung mit einem putzmunteren Mo auf dem Schoß, und Mo meldet sich zu Wort, um mitzuteilen, daß man in der Kreativabteilung den Film "Kitchen Stories" gesehen habe, alle hätten sich sehr amüsiert und gemeint, das sei sozusagen "der Film" für die EinSatzLeitung, aber sie selbst, Mo, finde es entsetzlich traurig, daß am Ende das Pferd tot sei.

Vor dem ausbrechenden Gezischel über diesen völlig unqualifizierten Beitrag und dem wütenden Gemurre, daß dergleichen in der Geschäftssitzung nun wirklich nichts zu suchen und nichts verloren habe, bringen die Gattinnen das verwunderte und irgendwie verwundet blickende Mo schnellstens in Sicherheit, der Leiter der Abteilung Ö stellt anheim, überhaupt die Anwesenheit von nicht eigentlich zur Leitung oder zum Team gehörenden Personen ein für allemal zu klären, er sei sicher, daß man hier eine Lösung finden müsse und könne, und die Kreativleitung ist die einzige, die ein wenig genervt der allgemein schnellstens gefaßten Übereinkunft widerspricht, nach der Gattinnen und Mos in ihrem eigenen Interesse draußen zu bleiben hätten. Der Grund: "Dann muß ich wieder für diese alle mitsprechen und werde, wenn ich es tue, also wieder mit dem Image der Heulsuse belämmert, darauf habe ich eigentlich, kurz gesagt, keinen Bock."

Sie wird überstimmt und fügt sich resignierend in die Ordnung, die nun einmal zwischen verschiedenen Belangen trenne, kündigt allerdings an, daß es aus ihrer Abteilung daraufhin natürlich nicht Dienstanweisungen hageln könne, aber ganz gewiß weiter jene Sorte von Beobachtungen, die sie niemals machen könnte, wenn sie nicht ihren guten Draht zu den Gattinnen, und vor allem, wenn sie alle das Mo nicht hätten.

Die Sitzung wird vom Chef, der plötzlich sehr müde aussieht, mit würdigen Worten und allgemeinen Mahnungen zu Geduld und Mut geschlossen, und während die Kreativleitung schnellstens in ihr Büro verschwindet, debattieren die anderen Persönlichkeiten noch lange in den Korridoren und im "Bistro." Daß der Chef das Haus verläßt, fällt niemandem mehr auf.
Die Leitung Öffentlichkeit wird von heftigem Telefonklingeln in ihr Büro gezwungen, denn die Vertreter der Länder Schweiz, Belgien und Großbritannien verbitten sich energischst, als veralberte herzuhalten für die frei erfundenen Krisen der EinSatzLeitung.

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