Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Dienstag, 4. März 2008
(2)64.B
Ohne sich groß um die Vorgänge auf den Fluren, im Chefbüro oder im „Bistro“ zu kümmern, gingen die Kreativleitung mit ihrem Mo-Bündel und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse ins Büro der Demokratiebeauftragten. Hier verlief ein erstes Gespräch ungefähr so, wie es die Minderheitlerin vorweggenommen hatte. Also die Demokratiebeauftragte sprach von Frieden und Versöhnung, und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse wechselte zwischen sichtbarer Verzweiflung und so etwas wie „zusammengerissenem Strong-Speaking“ hin und her. Die Demokratiebeauftragte setzte alles ein, was sie in ihren diversen Mediationserfahrungen gelernt hatte, wobei ja der Gegner der Minderheitlerin gar nicht zugegen war, weshalb die Mathematik des „Beide-Seiten-Hörens“ den Beigeschmack des Lächerlichen nie wirklich los wurde. Irgendwann resümierte die Demokratiebeauftragte, es sei doch erstaunlich, daß die einen das Ende ihrer Attacken an höchstabsurde Bedingungen und Beschreibungen der Situation knüpften, während die anderen ihrerseits nicht den geringsten Anschein erweckten, als würden sie jemals ernsthaftes Interesse daran entwickeln, die anderen leben und blühen lassen zu wollen. Dieses war übrigens noch die maßvollste denkbare Beschreibung der Situation. Zugleich war es aber die maßloseste Abstraktion, denn überall gab es ja Menschen, Minderheitler und Mehrheitler, die sich nach besten Kräften um irgendeine winzige Veränderung bemühten, manche mehr, manche weniger, natürlich gab es auch die vielen, die ohne jede Brechung im Pathos ihrer jeweiligen Fraktionen zu schwelgen schienen. „Sie sind also beide vollkommen unbeugsam,“ sagte die Demokratiebeauftragte, und der stille Theologe wiegte aus dem Hintergrund des Büros milde seinen Kopf und sagte, es müsse doch einen Ausweg geben, die Demokratiebeauftragte blieb bei ihrem Prinzip der gußeisernen Gutmütigkeit und des „Ein Friedensschluß IST möglich.“ Im Gesicht der Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse machte sich die Abweisungsbereitschaft, die sich kontuinuierlich verhärtet hatte, nun völlig breit und verdrängte alles andere, und tatsächlich wäre es möglicherweise, wenn jetzt die Gegenseite zugegen gewesen wäre, zu einem Zusammenschluß beider Seiten gegen die eisenhart wirkende Vermittlerin gekommen, aber so blieb das Gespräch nur irgendwie stecken, während man sich denken und doch nicht denken konnte, wo in der wirklichen Welt, über die hier gesprochen wurde, wieder irgendeine Haut geritzt, ein Leben zerstört, eine Seele zerfetzt wurde. Und dieses war der Punkt, an dem die Kreativleitung den Sinn ihrer im Grunde unpassenden Anwesenheit in dieser Unterredung doch noch kommen sah, und sie sprach mit einem nicht wirklich selbstgemachten Lächeln: „Wir sollten uns Unbeugsamkeit als eine Tugend denken: beim Anderen.“
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17 Kommentare:
Wie soll das denn bitte gehen?
Jetzt ist sie komplett übergeschnappt.
Ach ja, davon haben wir auch mal geträumt früher, also die, die eigentlich keine peace-nics und keine RAF-nics waren: Davon, daß man die Bösen sozusagen totlobt.
Ja aber das tut doch gar keiner, man muß doch Schaden abwenden dürfen! Wir sind hier schließlich auch mal befreit worden, und deinen lieben Jazz haben sie uns auf Panzern gebracht!
Also ich stelle mir etwas ganz anderes vor unter Unbeugsamkeit, ich finde, jetzt soll mal der stille Theologe etwas dazu sagen.
Ich fürchte, ich habe höchstens eine blöde, nein, eine schöne alte Legende zu erzählen, die nur deswegen blöd klingt, weil sie jenseits von allem zu sein scheint - ich meine, es geht auch nicht um Totloben, sondern darum, das Böse so häßlich und vor allem überflüssig erscheinen zu lassen, wie es in Wahrheit ist, und dazu gehört zuallererst, daß nirgends irgendwer irgendwem die Füße leckt, wie ihr es hier gesagt habt, also daß das mal klar ist. Aber das ist natürlich komplett utopisch, scheint ja allen zu und zu viel Spaß zu machen, das wer-darf-wem-Spiel mit diesen Sachen.
Ihr redet alle an den eigentlichen Problemen vorbei.
Das werden wir erst noch sehen, denn als alles, was jetzt passiert, vorausgesagt wurde, in der Hoffnung, daß es anders kommen möge, wußten es alle anderen besser und setzten sich durch; immer, in jedem einzelnen Schritt, und was besser war, gedieh zum Teil unter Hand trotzdem, und was man jetzt noch voraussagen kann, das sagt man nicht mehr oder sagt es doch - es wird wieder keinen Messias geben, und darum weist trotz allem in die richtige Richtung, was die K-leitung gesagt hat, auch wenn sie nicht gerade eine Politikerin ist und nun in jedem einzelnen Fall sagen könnte, wos langgeht.
Wieso überhaupt Politik, hier gehts doch um ganz was anderes!
Träum weiter.
Ich bin beauftragt worden, die Beiträge, die häßliche Wörter enthalten, als kleine Übungen in Lutherdeutsch für eine Stunde zu rechtfertigen und dann aus dem Netz zu nehmen.
Das kannst du gleich haben, dann lautet mein Beitrag jetzt wie folgt: Das solideste und nachhaltigste Nein zum Terror ist die entschlossene Weigerung, sich ihm gleichzumachen - die armen gebeutelten Menschen in irgendwelchen gräßlichen Flüchtlingslagern suchen Halt und Stärke bei autoritären Herren, und wir antworten, indem wir unsere autoritärsten Herrensignifikanten wiederbeleben und ihnen die Füße lecken, damit wir nicht die Füße der anderen Herren zu lecken haben, wer könnte daran Interesse entwickeln?
Oder fallen für irgendeinen Kitsch denen in die Arme, die uns ausmerzen wollen?
Aber es will doch niemand irgendwen ausmerzen!
Ach nein?
Nein, alle fühlen sich nur so, als sollten sie ausgemerzt werden, und glauben, zurückzuschlagen, das ist doch das Schlimme.
Schluß jetzt mit dieser unmöglichen Debatte!
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