Montag, 29. Dezember 2008

564.

Jeder, der einen brutalen Menschen aus der Nähe sieht, fragt sich, warum niemand gegen den aufsteht, warum es wirklich möglich ist, daß der alles mit den ihm privat oder öffentlich ausgelieferten Personen machen darf, ohne scharf verurteilt zu werden, aber es hat sich eigentlich seit Kafkas Beschreibungen einer abgedichteten Welt nicht wirklich etwas verändert, oder, sagte die Assistentin K zur Kreativleitung, als sie am Morgen nach einem fürchterlichen Streit mit dem Vater ihres Kindes mit übernächtigtem Gesicht im Büro erschien, und die Kreativleitung sagte, setz dich erst einmal, trink einen Kaffee, hatten wir das nicht gestern schon, daß alles irgendwie sein müßte, aber so nicht ist, und wütend sprang die Assistentin, die sich doch gerade erst gesetzt hatte, wieder auf, denn sie glaubte, im Streit mit dem Vater ihres Kindes just das von ihm gehört zu haben, dieses "ich-bin-immer-auf-der-Seite-der-Dinge-wie-sie-einmal-sind-du-hingegen-auf-der-des-infantilen-Protests," und sie war sehr froh gewesen, nicht mit diesem Menschen zusammenzuleben, denn dergleichen zu hören fand sie im Zusammenleben nicht weiterführend, sie war sogar ein wenig stolz darauf, ihm dieses auch so gesagt zu haben, und nun sagte sie zur Kreativleitung, als wäre diese dabei gewesen, fang du nicht auch noch so an, und sie nahm erst einmal einen Schluck kaltes Wasser, dann setzte sie sich wieder und sagte, ruhiger schon, da sie an ihrem Gesicht sah, daß die K-Leitung es offensichtlich nicht so gemeint hatte, es ist einfach so lästig, auf der einen Seite diese ewigen Schwaller von familiären Werten usw. mit ihren nicy-nicy Rezeptchen, damit es auch was wird im Vororthäuschen, und auf der anderen Seite die nicht weniger unerträglichen free and easy und mach dich mal locker Typen mit ihren pseudo-psychoanalytischen Zugriffen, die am Ende immer auch im nicy-nicy Vororthäuschen ankommen und immer wen haben, auf dem sie es abladen können, was sie alles besser wissen, und wer böte sich da besser an als eine schwangere Frau, die trotzdem noch an was arbeitet, da kann man doch hier noch einen Rat hinstopfen und da noch einen Ratschlag draufschlagen, und wenn was nicht klappt, ist sie selbst schuld, weil sie nicht auf den Rat gehört hat, und wenn was klappt, ist es das Vedienst der wundervollen Ratschläge, die man ihr erteilt hat, und ein weiteres Argument für die herrlichen Lehren, deren Verbreitung man sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, damit man auch ein Gewicht auf die Teppiche zu stellen hat, unter denen sonst so dies und das hervorquellen würde, ach, sagte sie, und streichelte kurz mit verzückter Miene ihr kleines Bäuchlein, ich wünschte, ich wäre so megacool wie meine neue japanische Schwägerin, mit der mein Stiefbruder in ich weiß nicht wievielter Ehe verheiratet ist, dann würde mir das doch alles nicht so nahegehen, man muß aber fairerweise sagen, daß die auch ihre Verwandtschaft in der Nähe hat, während seine einen ganzen Ozean weiter weg ist, wer weiß wie es wäre, wenn es andersherum wäre, so kommen die jedenfalls klar, sogar in einem Haus.

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