Mittwoch, 24. Dezember 2008

559.

Die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse hatte sich rechtzeitig auf die Flucht vor dem Weihnachtswesen begeben und frühstückte an diesem Morgen wohlausgeschlafen in der Tel Aviver Schenkinstraße in einer angenehmen kleinen Bar mit ihrer Freundin, entzückt dem Wohlklang der Landessprache und einiger anderer Sprachen lauschend, mit Genuß die verschiedenen Varianten gehobener und nicht ganz so gehobener Spontaneität und Eitelkeit der Leute beobachtend, die es hier immer verstanden, ein Element von Schlamperei ins Teure, ein Element von Teurem ins Schlampige zu mischen; dabei trank sie einen "umgedrehten Kaffee" nach dem anderen, und nachdem ihre Freundin sich eine Weile über den "Apifior" und seine letzten Aussprüche ereifert hatte, lächelte sie und sagte, trotzdem oder deswegen ist er irgendwie Kult bei der Jugend, wie erklärst du dir das, und gerade die Szenen, die sich jetzt so empören, die nehmen ihn natürlich auf eine Weise wichtig, man fragt sich doch, wie sie dazu kommen, mir würde das doch nicht einfallen, eine Weile habe ich mich damit beschäftigt und abgewogen, irgendwann ist das doch vorbei (dreifaches doch, dododo statt hohoho, und dazu spielte Dodo Mamarosa im Hintergrund), sagte sie, und: ich meine, wie kann man überhaupt jemanden ernstnehmen, der sich selbst so deutlich ausnimmt von allem, was er anderen umso vehementer rät, da kannst du doch am Ende nur immer noch eins draufsetzen, wenn mal einer was merken soll, ich habe eine Idee, willst du ihm nicht mal einen Heiratsantrag machen und gucken, was er dann sagt, schreib ihm inbrünstig, du willst gern ein Kind von ihm, in einer ganz besonders tollen Familie, es ist dir von der heiligen Jungfrau Maria eingegeben worden als deine persönliche Bestimmung, und die Freundin guckte sie entgeistert an, so blasphemisch fand sie diese im Grunde doch ganz naheliegende Idee, und dann sagte sie entsetzt, aber prustend mit rollenden Augen, am Ende sagt er noch ja, was mach ich dann, und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse sagte, so ernst habe ich es nun auch wieder nicht gemeint, und während am Nebentisch eine kleine Gruppe sensationslustiger Tel Aviver sich verabredete, dann und dann zur Messe in die Grabeskirche nach Jerusalem zu fahren, überlegten sie gemeinsam, mit wem sie ihren für den späten Nachmittag geplanten Strandspaziergang teilen sollten, aber die Freundin konnte sich nicht recht wieder beruhigen und sagte, du wirst irgendeine Abbitte leisten müssen für deinen perversen Gedanken, und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse sagte, mindestens, sonst werde ich eingesperrt und behandelt, perverse Gedanken darf man sich nur erlauben, wenn man ein paar größere bunte Immobilien nebst Mannschaft drumherum baut, und sie sagte, lass gut sein, und dann bummelten die beiden durch die Geschäftsstraße und sahen sich an, was die lokalen Schaufensterdekorateure wieder geleistet hatten, es war enorm, und der leichte Wind vom Meer her versetzte die Minderheitlerin in eine durchaus gehobene und überaus friedliche Stimmung.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was diese jungen Leute so machen und so reden, Strand ist ja schön. aber mir würde doch was fehlen, und was ist das überhaupt für eine seltsame Bezeichnung für ein Kirchenoberhaupt.

Anonym hat gesagt…

Warum bin ich nicht da?

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