Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Dienstag, 28. Oktober 2008
502.B
Es kam ein bißchen anders. Der Kwaliteitswart war soeben im Begriffe, an die Tür des Kreativbüros zu klopfen, als diese ihm schwungvoll entgegen und nur dank der Geistesgegenwart seiner rechten Hand nicht in verletzender Weise an den Kopf flog. Er konnte das Auffliegen der Tür also abwehren, freilich mit dem Ergebnis, daß diese Tür nun wieder Karomützens Kopf bedrohte, welcher sie nämlich von innen mit seiner linken Hand aufgestoßen hatte. Aber auch Karomützens Hand war geistesgegenwärtig, und so standen sich für einen Moment die beiden Herren gegenüber und hielten ihre Hände jeweils zur Schwungabwehr an der Tür, die zitternd zum Stillstand kam. Hinter Karomütze stand mit Schweiß auf der Stirn und irritierter Braue die Dame Ö. Nach etwas wie einer gefühlten Minute des gegenseitigen Anstarrens wich der Kwaliteitswart mit einer gemurmelten Entschuldigung zunächst zurück, um den beiden anderen den geordneten Abgang zu erlauben. Dann betrat er gleichsam mechanisch und noch etwas benommen das Büro. Er suchte übergangsweise ein wenig in seiner Tasche herum, denn er hatte doch etwas für Mo dabei, war das nicht so? Er erinnerte sich dunkel, ein Radiergummi in der Form eines Rades eingesteckt zu haben, dazu ein kleines Gläschen Ahornsirup. Da er aber in seiner Tasche diese kleinen Mo-Gaben nicht finden konnte, war es vorbei mit seiner Geistesgegenwart: er suchte in der Tasche herum, so daß er nicht sehen konnte, wie die Kreativleitung vor Freude errötete, als sie bemerkte, daß der etwas unerquickliche und ein wenig zänkisch verlaufene Besuch der anderen beiden sofort abgelöst wurde durch das Eintreten dieses lange entbehrten Gastes. Die Kreativleitung bemühte sich sehr, das Strahlen, das sie anwandelte, zu unterdrücken, denn hätte er es gesehen, hätte er vielleicht seine Beschwerde, mit der er ja sicher gekommen sein würde, nicht mehr so leicht vorbringen können, oder, noch schlimmer, er hätte sie gewaltsam überkreischt vorbringen müssen, was die Unannehmlichkeit der Situation noch verschärft haben würde. Ihm selbst würde das am Ende doch allzu peinlich gewesen sein, es mußte ihm also unbedingt erspart werden. Sie versuchte, sehr ernsthaft an den Wandteppich und die Unverfrorenheit, mit der er sich erlaubt hatte, ihre komplizierten Gewebe als „holzschnittartig“ zu bezeichnen, zu denken, und das ärgerte sie wirklich ein bißchen, Gott sei Dank, dachte sie. Denn so hatte sie sich wieder halbwegs im Griff, als der Kwaliteitswart die Suche nach seinen Mitbringseln schließlich aufgab und in formvollendeter Begrüßungsgeste auf die Kreativleitung zu ging, ohne sich weiter im Raum umzusehen. Mo aber, als sie dieses Spektakel in den Gesten und Gesichtern der beiden Menschen sah, die nun zur Begrüßung aufeinander zu gingen (ohne einander anzugucken und ganz Auge für den jeweils anderen), fiel der Griffel aus der Hand. Wenn nicht die Assistentin K das kleine Wesen eingesammelt und mitsamt Schal, Block und Griffel in ihr Nebenbüro getragen und sodann leise die Tür hinter sich gezogen hätte, wäre Mo wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen oder mit frisch nachgewachsenen Flügeln herumgesprungen.
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