Samstag, 11. Oktober 2008

485.

Während die heilige, aber dabei herzlich leidenschaftliche Heuchelei selbdritt durch den Korridor schritt und sich nun ihrerseits bemühte, die Bemühungen der Dame Ö zu ignorieren, als wäre diese Person insgesamt nichts weiter als ein Kaffeefleck auf einer Prachtschärpe (diesen Eindruck zu vermitteln gelingt Persönlichkeiten wie dem ersten immer am besten dadurch, daß sie etwas aufsetzen, das sie selbst für eine strenge und würdige Miene halten, es wird bei Persönlichkeiten wie dem zweiten stets am gewissesten durch eine weltabgewandte Versenkung erreicht und bei Persönlichkeiten wie dem dritten durch die bemerkenswerte Fähigkeit, vollkommen unsichtbar zu wesen) tänzelte Dame Ö eben so neben ihnen her und lächelte tapfer, verließ sich auf einen Automatismus in ihren Füßen und in ihrer Wirbelsäule und dachte an irgendeinen Moment im Leben, in dem wenigstens diese abscheuliche Beklemmung noch nicht da gewesen war, hoffte auf einen Moment, in dem sie vorbei sein werde, und zugleich innig auf den Einfallsreichtum der Kreativleitung (ja, sie hoffte plötzlich sogar auf das Mo, das sie üblicherweise einfach nur ungezogen fand), so entsetzlich war es ihr, neben diesen Schreckensfiguren zu gehen: sie hörte das Klacken der Schuhe des ersten auf dem Boden und fühlte die gesamte Verpanzerung seines Wesens, mit welcher er die eigene Bedürftigkeit auf andere abzuladen pflegte, sie fühlte die gesamte Gewalt seines Verlangens, anderen seine Vorstellungen davon, wie die Welt zu sein habe, aufzunötigen, sie fragte sich, wie man je auf die Idee habe verfallen können, solche Existenzen in die EinSatzLeitung zu laden in der ernsthaften Hoffnung, das zu überleben, und so wurden ihr die lächerlichen Töne des Mobiltelefons des ersten zu einer Art Erlösung, ja, fast sympathisch wurde er ihr, als er nervös in seiner Prachtrobe herumwühlte, um das kleine Gerät herauszuholen, und als er dann mit weiterem Bemühen um seine würdelos angemaßte Würde salbungsvoll ein Ja bitte in den Hörer schnarrte, nur um dann von irgendeinem minderen Beamten (dem die Dame Ö einen Blumenstrauß zu schicken sich vornahm) die Nachricht über die Vergabe des Nobelpreises für Literatur entgegenzunehmen und ferner die Nachricht über die Verschärfung der Haftbedingungen für Michail Chodorkowsky nebst einer Bitte um EinSatz für dessen Befreiung, da empörte ihn die erste Nachricht (die Dame bemerkte es und lächelte, denn sie fand diese Wahl zwar nicht ganz so brillant wie damals die Wahl von Elfriede Jelinek, aber doch sehr erfreulich), während er zur zweiten Nachricht nur zu bemerken hatte, naja, was redet er sich auch um Kopf und Kagen, nicht wahr, man muß eben wissen, wo unten und wo oben ist, es ist eine Prüfung, wenn er daraus stark hervorgegangen sein wird, wird er uns nur umso besser und williger dienen, und damit war die allgemeine Erstarrung wieder vollkommen, als der Zug die Tür der Kreativleitung erreicht hatte, das zarte Klopfen der Dame Ö an der Tür erschien dieser selbst wie ein letzter Augenblick der Schonung für die Abteilung K, Dame Ö empfand sich plötzlich ganz gegen die Tagesordnung als eine Verräterin, die das Todesschwadron zur Delinquentin geleitet hatte und nun vor Scham in den Boden zu versinken hätte.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dame Ö irrt nicht in ihrem Gefühl, sie wollen, nachdem sie den klitzekleinen Forschungsminister aufgeben mußten, nun die Kreativleitung zwingen, ihnen für die Festschreibung ihrer Weltordnung zuzuarbeiten.

Anonym hat gesagt…

Ja, dabei habe sogar ich von meiner Nachfolgerin, als sie noch meine Demokratiebeauftragte war, lernen müssen einzusehen, daß man von niemandem etwas bekommt, von dem man nicht das annimmt, was er freiwillig zu geben bereit ist - will man das nicht einsehen, hat man nur die Wahl zwischen Vernichten und Unbedeutendwerden, wobei, wenn man sich für Vernichten entscheidet, man natürlich zwangsläufig selbst unbedeutend wird, wenigstens in den Augen derjenigen, die man vernichtet; nimmt man aber das an, was man bekommen kann, wird man manchmal staunen, ich dachte, das hätte der erzählende Kranich in Gemeinschaft mit der Spottdrossel hinreichend deutlich gemacht.

Anonym hat gesagt…

Na, es geht ja auch um die Fortexistenz einer heimlichen Drainage-Anlage, die kann man nur unterhalten, wenn man die eigentlichen Produzenten durch falsche Überbeschäftigung mit Unsinn, der ihnen nicht liegt, daran hindert, ihre Produkte selbst verkaufsfertig zu machen.

Anonym hat gesagt…

Man hält uns für böse, aber wir sind sehr gut.

Anonym hat gesagt…

Ich komme ja immer noch nicht zu Wort!

Anonym hat gesagt…

Ich finde, man soll sich auch mal mit der Wahl des Eisvogels beschäftigen.

Anonym hat gesagt…

Und ich finde, man darf sich nicht durch irgendwelche Prätendenten die Laune verderben lassen.

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