Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Donnerstag, 9. Oktober 2008
483.
Als die drei Vögel die Kreativabteilung wieder verlassen hatten, bemerkten sie im Überflug über die Niederungen der minderen Sprachen ein derartiges Spektakel unter den dortselbst klamm und breit nistenden Pestvögeln, daß sie ohne weitere Absprachen sich in einen leisen Landeanflug begaben in der Absicht, die Sache in genaueren Augenschein zu nehmen, und während die Spottdrossel und die Nachtigall sich in einer Weide niederließen, mußte der Kranich in seiner für derartige Niederlassungen unpraktischen Größe ganz bis an den Grund rauschen und sich hinter etwas Schilf aufstellen, um zu sehen, um was es in diesem ungeheuerlichen Spektakel recht eigentlich ging, und während er die Pestvögel im Zerreißen von etwas, das halb wie ein menschliches Wesen, halb wie ein Buch aussah, beobachtete, wobei sie heftig über die richtige Methode des Zerreißens zankten, fühlte er an sich selbst, wie es der Kreativleitung ergehen mußte, wenn sie recht grün wurde, aber an sich herabblickend bemerkte er kein Grünen, und dann hörte er, wie ein offenbar abtrünniger oder ebenfalls hier gelandeter Brachvogel einen Pestvogel darüber belehrte, daß jener Autor Jerzy Kosinski seine unglaublich barbarischen Geschichten erdacht (und keineswegs erlebt) hatte, anscheinend in dem Versuch, mit einer Erfahrung, der er selbst gerade entkommen war, bilderreich fertig zu werden, und der Pestvogel sagte, nein, alles was ein Mensch berührt, ist auf ihn zurückzubiegen, es sind alles seine eigenen Wünsche und Ängste, wenn er einen Blick hineintut, und der Brachvogel sagte, ist das so, weil Menschen keinen Schnabel haben, und der Pestvogel antwortete, nun, es könnte sein, daß es eine Schwäche ist, wenn man keinen Schnabel hat, da wandte sich der Kranich ab und weinte, denn es fehlte ihm an Verstand, so daß er nicht sagen konnte: das ist unlogisch, die Herren, denn wäre es so, dann gäbe es die Verbindungen, um deretwillen Sie Ihre tief beeindruckenden Analysen betreiben, gar nicht, ja, es könnte sie schlechterdings nicht geben, und da er so gering an Verstand war, konnte er auch nicht sagen, wenn das so ist, dann spricht die Tatsache, daß Sie überhaupt auf dieses Buch reagieren, doch Bände über Ihre eigenen Ängste und Wünsche - und ach, dachte die Spottdrossel, die das zankende Zerreißen und das Weinen und das nichtsnutzige, wenn auch wohlmeinende Gespräch mitleidig von ihrem Weidenast aus beobachtete, vielleicht ist es gut, daß der erzählende Kranich so wenig Verstand hat, denn hätte er ihn, müßte er zuallererst erfahren, daß er ihm genau gar nichts hilft, sein Argument würde ungehört verhallen, und das würde ihn doch nur noch trauriger machen.
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