Montag, 13. Oktober 2008

487.

Die Prachtrobe des leidenschaftlichen Heuchlers saß nach dieser Eröffnung wie leer auf dem Stuhl, und der doch noch darin saß, hatte den Kopf und den Blick gesenkt, da seine üblichen Blick-Techniken der Heuchelei im Gegenblick der Kreativleitung zu schmelzen drohten, und als er ihr seine Augen wieder zuwandte, hatte er die Überraschung auf seiner Seite, indem er fragte, was verlangen Sie also, und die Kreativleitung sagte fast verlegen, es wäre nett gewesen, wenn Sie mich das schon früher gefragt hätten, Sie wären übrigens erstaunt gewesen, wie wenig es ist, und sie geriet in die Versuchung, noch einmal aufzuzählen, wieviel Mühe und Peinlichkeit alle sich hätten sparen können, wenn man nur früher auf die einfache Idee verfallen wäre, sie so zu respektieren wie man es für sich noch stets in Anspruch genommen hatte, sie hob schon an zu erläutern, wieviel Gehirnschmalz auch allseits erspart worden wäre, welchen eine Seite - die der leidenschaftlichen Heuchelei - auf Rechtfertigung aller dümmlichen Maßnahmen verschwenden mußte, während sie ihrerseits noch mehr davon verbraucht habe, um alle diese Maßnahmen zu verstehen und zu umgehen und so unwirksam wie möglich zu machen, ja, eine gewisse Ermüdung hätte sie leicht veranlassen können, sich in eine entgrünende Rage zu reden, aber ein Rascheln am Schreibtisch der Assistentin veranlaßte sie, ihren neuerlichen Redeschwung zu bremsen und unumwunden zu sagen, was sie verlangte: Abzug aller Truppen, lachte sie, so würde man das politisch wohl nennen, ich verlange, daß Sie aufhören mit allen mehr oder weniger lächerlichen Versuchen der Gehirnwäsche, sei deren Ziel nun Rache für ein nie begangenes oder lange gesühntes privates "Verbrechen" oder eine gewaltsam durch Raub und Manipulation und Terror erzwungene falsche Gerechtigkeit, die die einseitige Ermächtigung nicht ankratzt (wo richtige Gerechtigkeit bei richtiger Einschätzung der Lage und Wahrung meiner Persönlichkeits- und Produzentinnenrechte eine leicht erreichbare Sache wäre) oder Versöhnungskitsch oder irgendein gegenstandsloses Anerkennungsverlangen, (dem ich immer schon genügt habe, sobald ich selbst über die "Anerkennungsresourcen" verfügte, ohne die man niemanden anerkennen kann, und wer sich einseitig in eine Machtposition bringt, bringt sich damit zwangsläufig um die Möglichkeit, vom Überwältigten noch anerkannt zu werden, ein Problem, das er aber nur allein lösen kann, wie er es auch allein herbei geführt hat, das kann man übrigens hier und da nachlesen, fragen Sie den Forschungsminister, Hegel ist keine schlechte Adresse, hat auch ein paar neuere Interpreten, die viel können), also ich verlange den Abzug aller mit derartigen Zielen ausgestatteten Truppen aus den mich im engeren Sinne betreffenden Gegenden, ich verlange volle soziale Rehabilitierung ohne daß man mich nötigt, hinter die in Jahren massiven Drucks ernötigte Erfahrung zurück zu gehen und so zu tun, als dächte ich noch so wie vor diesen unerfreulichen Ereignissen, und ich verlange volle Freiheit für ein wirklich neues Leben, natürlich wäre Unterstützung dabei auch nicht schlecht, aber die erste und beste Unterstützung ist doch wohl einfach offener und respektvoller Umgang auf Augenhöhe und vor allem uneingeschränkte Wahrung meiner Persönlichkeitsrechte, nicht wahr, und sie sah, wie der leidenschaftliche Heuchler angesichts dieser dreisten, zugleich sich wegen mangelnder Gewöhnung an einen Zuhörer verhaspelnden Rede an Kraft wieder zu nahm, denn hier zeigte sich endlich wieder ein Widerstand, auf den er in der gewohnten Weise reagieren könne, die Kreativleitung war gar nicht mehr so grün, Mo war für den Augenblick wie nicht in der Welt - und der leidenschaftliche Heuchler sagte, indem er kalt wieder in seine Robe hineinwuchs, dergleichen habe ich nicht vorgesehen, aber die Kreativleitung sagte, doch, das haben Sie vorgesehen, als sie sich auf dieselbe Verfassung verpflichtet haben wie ich, es ist nur so, daß ich keine Zwangsmittel habe, um von Ihnen die Pflichttreue zu erzwingen, die Sie mir absprechen, um vor sich und der Welt zu rechtfertigen, daß Sie in meinem Leben herumfuhrwerken, als wäre es Ihr Eigentum, aber dann hatte sie plötzlich den Impuls, ihm sanft die Wange zu streicheln und zu sagen, macht nichts, am Ende sind sie doch vielleicht ein ganz liebenswürdiger Kerl, wenn Sie sich das mal erlauben würden, und vor Schreck über diesen Gedanken errötete sie ein wenig, sprang auf und öffnete der Dame Ö die Tür, welche mit einem Tablett hereinkam, auf dem außer dem Tee für Gast, Assistentin und sie selbst auch ein Kaffee für die Kreativleitung dampfte.

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wo bleiben eigentlich meine Persönlichkeitsrechte, wenn ich immer noch "der leidenschaftliche Heuchler" heiße?

Anonym hat gesagt…

Das ist eine gute Frage, vielleicht sind wir allmählich so weit, daß das geändert werden könnte.

Anonym hat gesagt…

Muß erstmal überprüft werden, uns sind da Unterlagen zugegangen...

Anonym hat gesagt…

Jetzt fang du nicht genauso an!

Anonym hat gesagt…

Ich werde noch etwas Honig holen, damit Mo doch auch etwas zu naschen hat.

Anonym hat gesagt…

Jetzt werdet ihr aber allmählich kitschig.

Anonym hat gesagt…

Stimmt.

Anonym hat gesagt…

Könnte ich bitte auch einen Tee haben?

Anonym hat gesagt…

Am erstaunlichsten finde ich, daß alle zu wissen scheinen, worum es zwischen der Kreativleitung und dem Herren, für den wir jetzt einen neuen Namen brauchen, geht, also da sind die Übergänge nicht gerade sehr leserfreundlich, die Kreativleitung muß wohl sehr verlegen sein!

Anonym hat gesagt…

Haben wir das wirklich nie vorher gesagt?

Anonym hat gesagt…

Vielleicht findet man morgen Zeit für eine kleine "Nacherzählung" - mir wäre freilich ein kleiner Methodenvortrag lieber.

Anonym hat gesagt…

O ja, endlich die Sache mit der Kiepe erzählen!

Anonym hat gesagt…

Ich würde so gern übertragen, aber ich finde zu viele und zu wenige Möglichkeiten, und warum hat die EinSatzLeitung nicht aufgepaßt, wenn die Kreativleitung sich über solche Sachen beschwert?

Anonym hat gesagt…

Man beachte die neue Dekoration meines Übertragungswagens.

Anonym hat gesagt…

Die Kreativleitung muß aber auch immer an den letzten Idioten noch etwas Liebenswürdiges finden.

Anonym hat gesagt…

Das hat dich früher doch nicht gar so sehr gestört, möchte ich meinen.

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