Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Montag, 20. Oktober 2008
495.
Als alles besprochen war und die Chefin in ihrer Häuslichkeit am Abend den Tisch deckte, stellte das Kind eine jener Fragen, die Kinder gerne stellen: wenn du gefangen gewesen wärest, nun aber plötzlich frei wärest und wenn jemand, der dir etwas getan hätte, einsichtig wäre und sich doch schämen würde, und wenn er dann Angst hätte, wie du reagieren würdest, wenn du wirklich alles von ihm erführest, und wenn er herumdrucksen und darüber seine Einsichtigkeit schon wieder vergessen würde, weil er bei jedem schärferen Wort, das du aussprichst sofort wieder dächte, du würdest ihm alles übelnehmen, so daß er ebensogut gleich wieder draufhauen könnte, oder wenn es ihm einfach zu viel Spaß gemacht hätte, dir was zu tun, und wenn er sehen könnte, daß du dich sowieso nicht wehren kannst, so daß er darum auch ebenso gut weitermachen kann, und wenn er dann doch wieder ein bißchen einsichtig wäre, und wenn du ihm die Angst nehmen wolltest, um deine eigene Haut zu retten, ohne ihn dir doch zu nahe kommen zu lassen, wie würdest du reagieren, und es fragte so, weil es in der Schule gelernt hatte über Verbrecher, die plötzlich mit ihren Opfern konfrontiert wurden im fernen Afrika, und die Chefin erinnerte sich gleich an ein Foto im Spiegel, das Hutu-Leute in rosafarbenen Anzügen auf Versöhnungstour gezeigt hatte, weil Rosa angeblich die Aggressionsbereitschaft herabsetzt, und sie sagte, ich weiß es nicht, Kind, ich weiß es nicht, ich habe es ja schon in meinen kleinen privaten Problemfällen nie gewußt, wie man das machen soll, sich behaupten, ohne doch andere zu beschämen, so wie ich auch nie gewußt habe, wie man einen Fehler ein- und ausräumen kann, ohne ihn doch wieder rechtfertigen zu wollen, oder wie man verzeihen kann, ohne die eigene Verletzung zu verraten, aber auch, ohne sie mit aller Gewalt festzuhalten, und ich weiß es wirklich nicht, aber ich freue mich sehr, daß du danach fragst.
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12 Kommentare:
Wie wollt ihr eine glaubwürdige Chefin haben, wenn sie bei so einfachen Fragen so ratlos ist?
Sie müssen ein Auge auf die Leitung Öffentlichkeit haben.
Wir wollen Führung.
Und die verträgt sich ja bekanntlich nicht mit Nachdenklichkeit, nicht wahr.
Nicht immer.
Immer.
Aber am besten war es doch immer, wenn einer erst sehr forsch war und dann sehr nachdenklich wurde und das auch noch mit Energie vertreten konnte.
Bis einer kam und ihn dann wieder aus dem Weg räumte.
Es gibt auch andere Fälle, in denen es besser gegangen ist.
Ich wollte aber gerne wissen, wie man es macht.
Das kann man aber nicht einfach ein für alle mal sagen, trotzdem gut, daß du fragst.
Aber gegen Talibane helfen alle diese feinsinnigen Überlegungen überhaupt nicht.
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