Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Montag, 19. Mai 2008
340.
Der Kwaliteitswart kam wieder einmal vorbei, um zu sehen, was eigentlich los sei, sah sich die letzten Einträge an und fand schließlich die entscheidende Frage, von der er glauben konnte, daß er sie nun ganz gewiß der Kreativleitung persönlich stellen müsse, und so holte er zwei große Becher Kaffee und ein Tellerchen mit Äpfeln und Honig im "Bistro," stellte alles unter den mißbilligenden Blicken des Leiters Ö, welcher dort saß und auf drei Leitungen gleichzeitig telefonierte, auf ein Tablett, und ging ungehindert und ohne zu stolpern bis zur Bürotür: die Kreativleitung öffnete mit einem Lächeln, dessen besonderes Strahlen (durchmischt mit einer Spur Verlegenheit) er glauben wollte, auf sich beziehen zu dürfen (jawohl, so umständlich!), sie bat ihn herein, freute sich ausführlich über den Kaffee, ersuchte ihn wispernd, Mo nicht zu stören, welche dem Raum auf der Fensterbank hockend ihren winzigen Rücken zukehrte, weil sie emsig damit beschäftigt war, für die B-Ebene die Geschichte vom erzählenden Kranich weiter auszuschreiben, und schaute ihn so erwartungsvoll an, daß er seine Frage vor Erstaunen wieder vergaß, aber der Kwaliteitswart ist ja nicht dumm, er lenkte sich also schnell ab, indem er den Apfelteller leise und Mo nun seinerseits darum bittend, sich für einmal nicht umzudrehen, neben sie auf die Fensterbank stellte, und als er sich dann wieder der Kreativleitung zuwandte, glückte ihm doch noch seine Frage, nämlich die, ob es nicht möglich wäre, auch Zwischengrößen einzuführen, also beispielsweise den Buchhalter ein wenig schrumpfen zu lassen, ohne ihn gleich auf das Zwergenniveau von Mo und dem klitzekleinen Forschungsminister zu bringen, Mo vielleicht ein wenig wachsen zu lassen, usw., und die Kreativleitung lachte hell auf, denn sie sah eine drollige Besorgnis in seiner Frage, welche zu zerstreuen sie sich bei aller Sympathie nicht entschließen konnte, und zwar aus Prinzip, sie hätte nun wieder einmal Goethes Beherzigung zitieren können, aber auch das tat sie nicht, sie hätte ihn am liebsten umarmt, aber das wäre natürlich ihrem Verhältnis gar nicht angemessen gewesen, und so lächelte sie nur und sagte, sie habe auch schon daran gedacht, vielleicht könne man sich gemeinsam ein wenig über die kommenden Stücke unterhalten, und sie geleitete ihn zum Wandteppich, schielte immer wieder mit verstohlener, aber irgendwie auch unverhohlener Begeisterung zu ihm hinüber, und führte dann in aller Gelassenheit das Gespräch über die verschiedenen Figuren und Gebiete und freute sich immer, wenn auch in seinen Antworten einige kleine Verlegenheiten durchblitzten und er doch Zeitgefühl genug hatte, um bei der Sache zu bleiben, deretwegen er gekommen war, und eine winzige Hoffnung wehte sogar von Mo herüber, die kleine Hoffnung, daß mal einer das rationale Gespräch wirklich über den Wandteppich führen würde und nicht dessen Produzentin zum Gegenstand seiner Betrachtungen degradieren würde, daß jemand nicht nur sehen könne, sondern auch ertragen, daß er selbst dabei gesehen wird, und daß nach einer Zeit der gemeinsamen Arbeit am Wandteppich dem Kwaliteitswart und der Kreativleitung eine Zeit gegeben sein könne, die niemanden etwas anginge, weil sie einfach nur gut wäre.
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