Samstag, 10. Mai 2008

331.B.

Als er nun so die Stapel auf seinem Schreibtisch um und um wendete, bemerkte der Kwaliteitswart ein Blatt vom kleinen Mo aus der EinSatzLeitung, in dem wieder einmal von Kranichen die Rede war, und er fragte sich, wie es wohl gekommen sein mochte, daß er just an diesem Morgen die Abwesenheit der Kraniche bemerkt hatte. Etwas war doch merkwürdig mit Mo, sie schien noch aus der Ferne hier und da jemandem Gedanken gleichsam zustecken zu können. Dann wischte er diese leicht ins Abergläubische hinüberspielende Idee schnell wieder weg, indem er sich erinnerte, daß er schließlich selbst das Blatt aus der ihm irgendwie liebgewordenen Hand der Kreativleitung entgegengenommen und schon einmal flüchtig draufgeschaut hatte. Und dann las er:

"Du schuldest der Welt einen Flug, sprach ein majorer Brachvogel zum heute nicht erzählenden Kranich, als er diesen so durch die Lüfte taumeln und mit seinen überflüssig langen Beinen spielen sah, jetzt reiß dich mal zusammen und flieg uns was vor, aber der Kranich lachte von einem Bein zum anderen und so laut, daß der majore Brachvogel selbst ins Trudeln kam, denn er nahm für einen Moment seine Flügel an die Ohren, und die Spitzen der Schwungfedern des Kranichs schillerten vor Vergnügen, aber der majore Brachvogel zog schnell seine Halsfalten kraus und ließ die Federn sich sträuben und sagte zum spielenden Kranich, wir werden dich zwingen, wir werden dich isolieren und bedrängen, und dann wirst du schon fliegen wie es sich gehört, und der Kranich lachte weiter und sagte, habt ihr das nicht schon seit Jahren getan, und habe ich nicht gerade deswegen immer wieder meinen Flug unterbrechen müssen, um dann in kurzen unbeaufsichtigten Momenten eilends aufzuholen, und glaubt ihr wirklich, ich könnte noch glauben, euch nach allem etwas zu schulden, und der majore Brachvogel gewitterte und zitierte sich einen minoren Pestvogel herbei, welcher in reichlich durchsichtigem Manöver beklagte, wie sehr dieser ehemals so herrliche Vogel herabgekommen sei zu einem, der die Tölpel imitiere, und der Kranich flog, ein Fern-Ohr immer am häßlichen Schnabel des Pestvogels, ein kurzes Stück gerade und elegant durch die Luft wie um zu zeigen, daß er es könne, nur um dann wieder in sein Spiel mit dem Bein zu verfallen, und der Brachvogel und der Pestvogel zeterten und krächzten, aber der Kranich fragte, was wollt ihr, daß ich auch ein Brach- oder Pestvogel werde, der andere zwingen will, und als er versuchte, mit seinen langen Gliedmaßen die plumpen Bewegungen der Kurzen nachzumachen, wäre er fast vom Himmel gefallen, aber er fing sich wieder auf, und in großen Kreisen um die beiden mit besorgten und verdrossenen Gesichtern in der Luft herumrüttelnden und sich schüttelnden Vögel herumfliegend, sah er sie schließlich von allen Seiten an und wurde freundlicher, flog immer wieder ganz nah an sie heran, stippte sie gar mit seinem Schnabel ein wenig an, tippte auch einmal mit der Fußkralle in ihr Gefieder und fragte: wäre es nicht viel netter, ich hätte Grund zu Liebe und Dankbarkeit und würde aus Freude an euch einen schönen Flug vorfliegen, was sagt ihr mir immer, du schuldest uns noch, und der Pestvogel, der mittlerweile seinerseits versuchte, die Flugübungen des Kranichs zu imitieren, und der Brachvogel, der des stehend in der Luft Herumrüttelns auch allmählich müde wurde, sahen einander an und wußten nicht recht zu antworten, und als sie noch miteinander debattierten, wie sie es anstellen sollten, sahen sie den Kranich mit großen Schwüngen davonfliegen, und glaubten aus der Ferne zu hören, wie er seine kraniche Einsamkeit beklagte."

"Ach Mo, so geht das doch nicht," hatte die Kreativleitung gesagt, als sie diesen Zettel bekam, "wie soll ich das denn dem Kwaliteitswart erklären, du kannst auf der B-Ebene doch mal die Sätze zerlegen, ich finde, das liegt dir sowieso mehr, das Sprechen in kürzeren Sätzen, und dann will ich eigentlich auch von Pestvögeln weder in groß noch in klein viel hören, und dann immer diese lästige Einsamkeit, ach Mo!"

Wir wissen ja schon, wie Mo auf so eine Kritik zu reagieren pflegt und brauchen es jetzt nicht noch einmal zu erzählen: Sie legte sich schmollend auf ihr Fell und schlief ein. Die Kreativleitung, als sie das sah und ihre Meinung über den Text doch keineswegs geändert hatte, meinte, man könne ihn vielleicht retten, indem man ihm den folgenden Schluß anfügte, den der Kwaliteitswart nun also nahtlos mitlas:

"Der Kranich aber, nachdem er ein paar unbeschreibliche Laute von sich gegeben hatte, kam auf seinem Fluge an ein Flußtal an welchem andere Kraniche kürzlich gelandet waren und tanzten, und sachte flog er auf sie zu, verständigte sich vorsichtig, verwandelte seinen trudelnden Landeflug zu einer Art Tanz, und wie im Rausch entdeckte er, daß es möglich war, die Beine ganz tief in das Flußwasser zu tauchen und zeitgleich wieder herauszuziehen, einen kurzen Augenblick über dem Wasser zu schweben, ein paar Schritte mit den anderen zu tanzen und das Spiel zu wiederholen."

Der Kwaliteitswart blickte von dem Blatt auf und wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Was ist denn bloß aus dem erzählenden Kranich geworden, dachte er. Wird er denn wieder erzählen?
Und er fand, es sei Zeit für einen kleinen Ausflug.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Aber Kwaliteitswarte mögen viel können, fliegen können sie doch nicht.

Anonym hat gesagt…

Das mußtest du uns sagen, er selbst wird es bestimmt auch noch nicht gewußt haben!

Anonym hat gesagt…

Also am Wochenende machen die wirklich alle, was sie wollen!

Anonym hat gesagt…

Und in meiner Nachbarschaft ist der Teufel los!

Anonym hat gesagt…

Wir achten darauf.

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