Dienstag, 6. April 2010

1029.

Es gab Tage, an denen sah die Chefin auf dem Weg in ihr Büro es förmlich zischeln und tuscheln und qualmend aufsteigen, das Ressentiment der Vielen, die sich in ihren jeweiligen Häusern und Gemeinschaften, um sie zu ertragen, ausmalten, wie schrecklich ausbeuterisch, böse, faul und verkommen die anderen alle waren, die an der Regierung, die jenseits der Regierung, die Beamten oder die Freiberufler, die Arbeitslosen oder die Handwerker, je nachdem, welcher Gruppe man gerade nicht zu gehörte, am schlimmsten aber schienen alle zusammen diejenigen zu finden, die sich dem immer lauernden Terror der Kartenspieltische und Westkurven nicht zu oft aussetzten und in Gesprächen an den unpassendsten Stellen still freundlich darauf bestanden, daß zuweilen auch eine Sprache schön sein könne, die nicht kompatibel wäre mit den Ansprüchen der Leser ihrer wie auch immer politisch eingefärbten Boulevardzeitungen, ach je, sagte die Chefin dann, und dachte an ihren Laden, sie straffte sich und ging weiter und hörte vielleicht an der nächsten Ecke wieder dumpfbackiges Gedröhne aus den Hälsen von Menschen, die fanden, ein anderer nur ihnen bekannter Mensch, welcher auf einem Gefühl bestand, das auch durch arbeitsdienstähnliche Maßnahmen oder Sicherheitsverwahrungen nicht tot zu kriegen war, anstatt es sich abrenovieren zu lassen, müsse eben kaltgestellt und zu Diensten gezwungen werden (vermutlich, dachte die Chefin, diene dieser Mensch in Wahrheit irgendwo und irgendwem, brachte es nur ums Verrecken nicht fertig, das in den selbstzufriedenen Formeln vermeintlicher Selbstlosigkeit pathetisch anzupreisen, und vermutlich, dachte sie, imaginierten sie den Geschmähten nur als faul und böse, während sie selbst ihre Tuschelpausen in den Gängen oder zwischen den Läden und Marktständen verlängerten) und an solchen Tagen konnte sie erst wieder lächeln, wenn sie irgendwo an irgendwem eine unwillkürliche und grausamkeitsaverse Bewegung sah, an dem Mann am Honigstand ein kleines Insichgekehrtsein oder ein helles Lachen von der Frau am Fischstand - an diesem Tage sah sie so etwas ausgerechnet im Korridor der EinSatzLeitung, in welchem Karomütze, den sie nicht wirklich mochte, mit erstaunlich uninszeniert behutsam wirkender Geste das Taschentüchlein der Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den um diese Jahreszeit besonders rotgeränderten Augen aufhob und ihr stillfreundlich zusteckte, bevor er der Chefin übereifrig wie immer in ihr Büro folgte, um Bericht zu erstatten über die Auswertung der Fangschaltung, welche ergeben hatte, daß der Anrufer einer vermeintlichen Verwertungsgemeinschaft mit dieser in keinerlei Verbindung gestanden, sondern nur prätendiert hatte, ein Tester zu sein, und die Chefin sah den jungen Mann aus müden Augen an, schon gut, sagte sie, ich hatte es mir fast gedacht, ich sehe, auch für Sie hätten die Feiertage ein klein wenig länger dauern können, worauf Karomütze nickte, eine Verbeugung andeutete und den Raum unauffällig wieder verließ.

8 Kommentare:

Oberassistent hat gesagt…

Ich sehe, wenn ein paar Tage gar keine Kommentare da sind, bastelt man endlich mal wieder einen richtigen Bandwurmsatz, ja glaubt ihr denn, das hilft?

Diskurswart hat gesagt…

Es ist allemal einen Versuch wert, ich vermute nur, die Dame Chefin wird es nicht so gern sehen, wenn ihre schlechte Laune, begründet oder unbegründet wie sie auch immer sein mag, so nach außen dringt.

Verteidigung K hat gesagt…

Man sagt den Leuten viel zu selten, wie blöd sie sind, in Wahrheit verlangt es sie aber danach.

Demokratiebeauftragter hat gesagt…

Wie bitte? Was ist denn in die gefahren, hat der Osterhase keine Eier gebracht oder was?

kwaliteitswart hat gesagt…

Man sollte sie verstehen, das Kind hatte Mittelohrentzündung, und ich war die Feiertage über auf der Fortbildung, bin dann auch noch schlechtgelaunt nach haus gekommen, weil keiner die Aufgabe mit dem roten Ferrari gelöst hat.

Mo hat gesagt…

Der in der Westentasche hätte mich interessiert, früher fuhr ich auch gern Auto.

komplexitätswart hat gesagt…

Mo nimmt es eben immer einfach.

kreativleitung hat gesagt…

glööw man.

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