Freitag, 15. Februar 2008

(2)46.

Die Demokratiebeauftragte saß wieder in ihrem eigenen Büro und grübelte unentwegt über einen Film nach, den sie gesehen hatte, sowie über reale Gelegenheiten, bei denen sie in die Gesichter von Menschen geschaut und ihrer Rede zugehört hatte, und sie sagte sich, wenn ich die Kreativleitung wäre, ich hätte mich auch erbrochen, und zwar nur und tagelang, ich würde auch jede Produktion und jeden Kontakt zur Außenwelt verweigern und niemanden mehr in meine Nähe lassen, aber ich muß ja immer alles wissen und alles anhören, solange jemand nicht mir vollkommen den Mund verbietet, dennoch, was sie gesehen hatte, hatte sie doch tief erschüttert und ihr jede Hoffnung genommen, außerhalb der EinSatzLeitung mit ihren guten und freundlichen demokratischen Ideen an irgendeiner Stelle durchzudringen, denn die Verhärtung der Gesichter, die Verwechslung von Häme mit Humor, die Verwechslung eines ihr völlig richtig erscheinenden Strebens nach Gerechtigkeit mit dem eifernden Kleinmachenwollen ohnehin schon kleingemachter und mehr oder weniger entsetzlichen (bei Umkehrung der Blickrichtung und Betrachtung der Motive der Täter freilich stets jämmerlichen und lächerlichen) Demütigungen ausgesetzter Menschen und Organisationen und größerer Gebilde, die Verwechslung destruktiver und mit viel persönlicher Macht ausgestatteter Eiferer mit Opfern und Armseligen (wiederum würde ernste Prüfung wirklich aller Umstände in den meisten Fällen, die ihr bekannt waren, ein sehr anderes als das Oberflächenbild ergeben) die Umdefinition jedes Versuchs der Selbstäußerung und Selbstbehauptung im Namen einer durchaus ernstzunehmenden Wahrheit in Terror und die Umdefinition des eigenen Terrors in Selbstverteidigung waren trotz aller Nachdenklichkeiten in allen relevanten Kreisen weit fortgeschritten, und es leuchtete ihr mittlerweile ein, daß die üblicherweise gut abgepolsterte Planerei irgendwelcher Mittelklässler, denen niemand ans Leder wollte und die niemals jemand ernsthaft blockiert hatte, zu nichts anderem zu führen schien als dazu, daß diese im Grunde harmlosen und oft gerdaezu netten und kompetenten Menschen eben lederig wurden, und plötzlich verwandelten sie sich in manchen Richtungen zu Menschen, die man fürchten mußte, und wer ihnen kein gleiches Leder entgegenzusetzen hatte, weil er aus irgendeinem Grund aus der Welt derer, denen es zustehe, mit Würde und Rechten bekleidet herumzugehen, ausgeschlossen und zu einem Ziel geworden war, bei dem würden sie immer ein eigenes Problem suchen, denn nur so konnten sie für sich ihre eigene lederige Sicherheit behalten und gerieten auch weiter mit niemandem in Konflikt, und daß wer von ihren Sicherheiten ausgeschlossen blieb, dann eben andere Seinsformen entwickele, das leuchtete ihr ein; ferner leuchtete ihr ein, daß natürlich ein Kolonisiertes und Abgewürgtes niemals in irgendeiner Form seinen Kolonisator als einen 'honorable man' würde empfinden können und entsprechend auch niemanden ernsthaft von derartigen Qualitäten seines Kolonisators würde überzeugen wollen können, ein Umstand, der inzwischen selbst manchem Versöhnungskitschler einzuleuchten schien, so jedenfalls mußte es in einem Brief von Karomütze stehen, den der stille Theologe ihr zwar nicht hatte geben dürfen (denn er war ausschließlich an die Männer in der EinSatzLeitung gerichtet gewesen, eine Maßnahme, die der stille Theologe ihr gegenüber genauso bescheuert zu finden behauptete wie sie selbst, die er aber nicht durch Illoyalität aushebeln wollte, er schlug vielmehr vor, dies als Tagesordnungspunkt für die nächste Sitzung zu notieren), aus dem er ihr aber diese Andeutung doch zuflüsterte - und sie, sie stürzte sich darauf wie auf eine sensationelle Hoffnung, denn das andere, was der Karobemützte auch geschrieben hatte, daß nur die Auswanderung vor der gleichbleibenden Kontroll- und Blockadepolitik noch retten könne, das hatte sie ja nicht gelesen.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Und wer hat der Kreativleitung schon wieder den ausdrücklich nur an die Männer in der EinSatzLeitung adressierten Brief gezeigt?

Anonym hat gesagt…

Niemand, ich kenne nur unseren Sicherheitsbeauftragten und weiß so ungefähr, was er empfiehlt, wenn er sich besonders wichtig macht und dazu auch noch ein paar ernsthaft beunruhigende Faten findet, und ich weiß, was der einzige Grund wäre, aus dem er darauf verzichten würde, auch die Damen mit seinen kunstvollen Formulierungen beeindrucken zu wollen: Angst vor deren Konservatismus und Bleibenwollen, also...

Anonym hat gesagt…

Das ist natürlich gut erschlossen, aber ich muß dennoch etwas dementieren: Ich habe alles, was die Kreativleitung mir andichtet, wirklich gedacht, nämlich nach dem Film, aber ich habe im wirklichen Leben auch viele sehr sympathische und wirklich freundliche Menschen getroffen, die mir zu Karomützens Dramatisierung der Lage gar nicht zu passen scheinen, und erschreckt hat mich nur, wie sympathisch auch in dem Film einige der Leute, die doch schlimme Dinge getan hatten, aussahen, und wie ratlos ergeben alle in "die Verhältnisse" - das hat mich kurzfristig angesteckt, ach ja, und noch was, ich beurteile das Verhalten der K-Leitung gar nicht so ungünstig wie sie es zu befürchten scheint.

Anonym hat gesagt…

Bin ich die einzige hier, die sich über Karomützens Spaltungspolitik ernsthaft aufregt?

Anonym hat gesagt…

Natürlich nicht!

Anonym hat gesagt…

Ich finde, wir warten mal ab, was er zu sagen hat, wenn die nächste Sitzung (bei 266, nicht früher!) stattfindet, vertraut uns, wir werden keine Machenschaften über über Köpfe hinweg aushecken.

Anonym hat gesagt…

Ich werde ein Auge darauf haben.

Anonym hat gesagt…

Zwei Augen dürften besser sein.

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