Samstag, 9. Februar 2008

(2)40.B.

Der stille Theologe hatte sich vom Schrecken seiner neueren Publizität – die seufzende Avancen heiratswilliger Damen ebenso einschloß wie wutschnaubende Identifizierungen und schlimme Beschimpfungen durch zornmütige Geistliche aller Denominationen – kaum erholt, als ihn eine so unpassende wie überflüssige und eben deswegen besonders ärgerliche Mahnung irgendeines scheinbar sich für ihn besonders zuständig fühlenden und dewegen zum Telefon greifenden Oberhirten zur Demut traf. Der Theologe legte mit einer kleinen höflichen Verbeugung und einem Dank für die Besorgnis schnell wieder auf. Nach kurzem Nachdenken ging er sodann zum Chefbüro und bat um Gelegenheit, zum ihm durchaus auf eigene Weise heiligen Sonntag ein Wort zu diesem Vorfall sagen zu dürfen, und die Demokratiebeauftragte wehrte es ihm nicht. Und so sprach er also:
„Die Zeit ist gekommen, ein Bekenntnis zu wiederholen. Wie wir hier bereits früher schon einmal gesagt haben, (als wir noch die Biographie einer ziemlich mitgenommenen Dame aus den Klauen einer unersättlichen und alles zerstörenden und die Dame selbst mit den widerwärtigsten Fehl- und Vorurteilen jagenden räuberischen Verwertungsgemeinschaft durch unsere EinSätze zu retten versuchten), halten wir es in unserer stillen Theologie mit dem großen Philosophen Kant und allen Weisen der Welt für überaus erhaben, wenn ein Mensch staunend und respektvoll und dankbar vor allem steht, das er nicht selbst gemacht haben kann. Wir bemühen uns nach unseren Möglichkeiten hier alle um eine derartige Haltung und halten einander und uns selbst in „ernstem Scherzen“ in dieser Frage gern mal den einen oder anderen Spiegel vor. Im übrigen lehnen wir mit anderen Weisen jeden falschen Trost ab und sorgen uns um das Klagen alles Lebendigen. Wir glauben, in diesem Klagen selbst ein schwaches Hoffen zu finden, das uns wichtiger ist als jede laut herausposaunte Heilsgewißheit. Wann immer wir des Schmerzes des Lebendigen ansichtig werden oder das Seufzen der Kreatur in Geschichte und Gegenwart vernehmen, werden wir sehr still und wünschen, diesen Klagen ihre Stimme zu lassen oder ihr aufzuhelfen. Deswegen bleiben wir dennoch jetzt lebende Menschen (oder eben fiktive Gestalten) mit ihren kleinlichen Alltäglichkeiten, Launen und Grillen, und wir sind zuversichtlich, daß auch die mahnenden Oberhirten Menschen mit ihren kleinlichen Alltäglichkeiten sind.
Wir halten es insofern für absolut sittenwidrig, wenn ein MENSCH von einem anderen MENSCHEN (oder eine Institution von ihren Mitgliedern oder den ihr Entronnenen) eine derartige Demut glaubt VERLANGEN und gar ERNÖTIGEN zu dürfen oder gar zu müssen. Es sei uns deswegen hier erlaubt, nicht nur einen Satz, sondern zwei Absätze zu diesem Thema abschließend aus den Werken des besten und größten Denkers, den dieses Land hervorgebracht hat, zu zitieren. Wir bitten dabei, beide Absätze großzügig auszulegen, nämlich auch in Hinblick auf jedweden sogenannten und lautstark an diversen konservativen Orten der Welt beklagten Werteverfall usw. Der erste Absatz ist aus dem Zweiten Abschnitt des Streits der Fakultäten:
‚AUCH GEISTLICHE WEISSAGEN GELEGENTLICH DEN GÄNZLICHEN VERFALL DER RELIGION, UND DIE NAHE ERSCHEINUNG DES ANTICHRISTS; WÄHREND DESSEN SIE GERADE DAS TUN, WAS ERFORDERLICH IST, IHN EINZUFÜHREN, INDEM SIE NÄMLICH IHRER GEMEINE NICHT SITTLICHE GRUNDSÄTZE ANS HERZ ZU LEGEN BEDACHT SIND, DIE GERADEZU AUFS BESSERN FÜHREN [diese sind bei Kant immer die der Freiheit und der Autonomie zuerst, man beachte hier die Lehrsätze der praktischen Vernunft! Es geht also nicht um besserwisserische Belehrung, sondern um Erläuterung der guten Wege!], SONDERN OBSERVANZEN UND HISTORISCHEN GLAUBEN ZUR WESENTLICHEN PFLICHT MACHEN, DIE ES INDIREKT BEWIRKEN SOLLEN; WORAUS ZWAR MECHANISCHE EINHELLIGKEIT, ALS IN EINER BÜRGERLICHEN VERFASSUNG, ABER KEINE IN DER MORALISCHEN GESINNUNG ERWACHSEN KANN: ALSDENN ABER ÜBER IRRELIGIOSITÄT KLAGEN, WELCHE SIE SELBER GEMACHT HABEN; DIE SIE ALSO, AUCH OHNE BESONDERE WAHRSAGERGABE, VORHERVERKÜNDIGEN KONNTEN.’ An einer anderen Stelle lehrt derselbe Meister, seinen Fürsten rühmend, wie folgt: ‚EIN FÜRST, DER ES SEINER NICHT UNWÜRDIG FINDET, ZU SAGEN: DAß ER ES FÜR PFLICHT HALTE, IN RELIGIONSDINGEN DEN MENSCHEN NICHTS VORZUSCHREIBEN, SONDERN IHNEN DARIN VOLLE FREIHEIT ZU LASSEN, DER ALSO SELBST DEN HOCHMÜTIGEN NAMEN DER TOLERANZ VON SICH ABLEHNT: IST SELBST AUFGEKLÄRT, UND VERDIENT VON DER DANKBAREN WELT UND NACHWELT ALS DERJENIGE GEPRIESEN ZU WERDEN, DER ZUERST DAS MENSCHLICHE GESCHLECHT DER UNMÜNDIGKEIT, WENIGSTENS VON SEITEN DER REGIERUNG, ENTSCHLUG, UND JEDEM FREI LIEß, SICH IN ALLEM, WAS GEWISSENSANGELEGENHEIT IST, SEINER EIGENEN VERNUNFT ZU BEDIENEN. UNTER IHM DÜRFEN VEREHRUNGSWÜRDIGE GEISTLICHE, UNBESCHADET IHRER AMTSPFLICHT, IHRE VOM ANGENOMMENEN SYMBOL HIER UND DA ABWEICHENDEN URTEILE UND EINSICHTEN, IN DER QUALITÄT DER GELEHRTEN, FREI UND ÖFFENTLICH DER WELT ZUR PRÜFUNG DARLEGEN; NOCH MEHR ABER JEDER ANDERE, DER DURCH KEINE AMTSPFLICHT EINGESCHRÄNKT IST. DIESER GEIST DER FREIHEIT BREITET SICH AUCH AUßERHALB AUS, SELBST DA, WO ER MIT ÄUßEREN HINDERNISSEN EINER SICH SELBST MIßVERSTEHENDEN REGIERUNG ZU RINGEN HAT. DENN ES LEUCHTET DIESER DOCH EIN BEISPIEL VOR, DAß BEI FREIHEIT, FÜR DIE ÖFFENTLICHE RUHE UND EINIGKEIT EINES GEMEINEN WESENS NICHT DAS MINDESTE ZU BESORGEN SEI. DIE MENSCHEN ARBEITEN SICH VON SELBST NACH UND NACH AUS DER ROHIGKEIT HERAUS, WENN MAN NUR NICHT ABSICHTLICH KÜNSTELT, UM SIE DARIN ZU ERHALTEN.’ Bei dem letzten Satz hatte der stille Theologe seine Stimme zu ungewohnter Lautstärke anschwellen lassen. Er fand eigentlich, dieser zuletzt zitierte Satz aus der ‚Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?’ sei an alle Tafeln aller Schulen im Lande zu schreiben und auf die Tore so mancher Institution zu meißeln. Im übrigen bitte er, von weiteren Fragen zu irgendwelchen Petitessen aus dem Leben der diversen Figuren der EinSatzLeitung einschließlich seiner eigenen Abstand zu nehmen, der Betrieb werde natürlich fortgesetzt, er speziell aber nehme nunmehr schwerpunktmäßig Fragen zu den aktuellen Religionspolitiken entgegen.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

War der Fürst denn so toll? Und wenn einer den anderen verrohte, wer sollte den einschreiten?

Anonym hat gesagt…

Ob der Fürst so toll war, ist doch egal, Kant wußte, er schreibt für die Ewigkeit, da schrieb er ihn zu einem Vorbild! Und so schrieb er noch dem Fürsten selbst sein Vorbild vor, ganz ohne Vorschrift! In Dankbarkeit, wer wollte einem solchen noch Demut abnötigen?

Anonym hat gesagt…

Zweite Frage nicht beantwortet!

Anonym hat gesagt…

Das ist auch für heute zu viel.

Anonym hat gesagt…

Mir ist der Kant zu kompliziert, diese Sätze!

Anonym hat gesagt…

Glaubs oder glaubs nicht, das lernt man ganz schnell, muß nur gemacht werden.

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