Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Sonntag, 22. November 2009
893.
Während die Chefin und Dame Ö mit dem jeweiligen Nachwuchs diskutierten (und sie diskutierten noch lange), hatte die Kreativleitung den Kwaliteitswart und Mr. Precuneus zu einer kleineren Unterredung eingeladen, denn sie hatte schwere Bedenken gegenüber der Einladung der Vogelwelten, nicht so sehr wegen Mo, die wirke auf sie nun schon seit längerem ausgesprochen ruhig und munter, sondern wegen dieser unerquicklichen und anscheinend unentscheidbaren Debatten mit dem pestigsten der Pestvögel, welcher, kaum erzähle man ihm von je nach Produktion erforderlichen verschiedenen Arbeitsweisen mit den entsprechenden Einstimmungsphasen (wozu er einen nötige mit seinem ewigen Geschraster von Effizienz usw.), anfange, mit seinen Kollegen über bipolare Störungen zu faseln, und wenn man sich hinreißen lasse, auf seine Fragen nach Wahl und Einsamkeit und Energierecourcen usw. zu antworten, in ein psychotechnokratisches Gewäsch verfalle, bei dem die kritisch aufmerksame Zuhörerin ebenso wie der der Sache nach ja mit Pestvogels Anliegen völlig einverstandene obere Brachvogel nichts weiter als Zwangsverfamiliarisierung mit beliebigem, durch Druck "zusammenzuschweißendem" Partner (ausgewählt nach ebenfalls wieder sehr technischen Kriterien) hören könne, und sie verstehe nicht, wie man diesem geistig-seelisch minderbemittelten, zur Demokratie nur dem Scheine nach reifen Vogelpack auch nur eine Bühne bieten, geschweige denn, wie man auf die Idee verfallen könne, diesen Rotten ausgerechnet die Kreativabteilung zum Fraße vorwerfen zu können, und der Kwaliteitswart war ziemlich genervt von der Beunruhigung der Dame, sie könne doch mal ein bißchen gelassen sein, meinte er, während Mr. Precuneus sagte, man müsse in der Tat mit der Chefin sehr deutlich reden, denn die Vogelwelt sei ihrer Selbstdefinition nach tatsächlich nicht in der Lage, eine gleichberechtigte Gesprächssituation auch nur zu ertragen, geschweige denn aufrecht zu erhalten, es handele sich nun einmal um Raubvögel, die von den Eiern lebten, welche andere Vögel legten, da sei man mit "postkolonialem Diskurs" völlig machtlos, nach seiner Erfahrung helfe es nicht einmal, ihnen klar zu machen, daß eine Welt, in welcher es nur Pestvögel und Brachvögel und nach ihren Maßstäben zurechtgestutzte andere Wesen gebe, nicht einmal die Pestvögel und Brachvögel selbst würde tragen können, insofern sei diese Angelegenheit tatsächlich something for the security, aber vor allem eine besonders schwere Herausforderung an den Diskurswart und die Chefin selbst.
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20 Kommentare:
Mal ein bißchen bei der Wahrheit bleiben, meine Herrschaften, ihr seid doch sonst nicht so fahrlässig, also Brachvögel fressen Schnecken und Würmer und Muscheln, aber keine Eier: Der Schnabel dient auch als Pinzette, um Schnecken und Muscheln aus ihren Schalen zu holen, und Pestvögel fressen Beeren und Insekten.
Das ändert in der Sache doch nichts!
Wir wollen aber doch bitte sachliche Korrekturen nicht abweisen.
Er nervt.
Ich werde mit der Chefin reden, wie kommen Sie denn üblicherweise mit dem Diskurswart aus?
Wenig bis gar keine Berührungspunkte in der alltäglichen Arbeit.
Ich würde die Bedenken der Kreativleitung völlig unterstützen, Pestvogelinterventionen waren immer destruktiv, und die Brachvögel sollen mal lieber ihr Verhältnis zu ihrem kleinen Brachvogel und seiner Mutter klären.
Man bietet ihnen keine Bühne, man zieht sie zur Rechenschaft und gibt ihnen eine Chance, sich zu äußern, wenn sie es wünschen, aber selbstverständlich werden sie keine Gelegenheit erhalten, hier eine Situation herzustellen, die ihr altes kolonialistisches Gehabe aufleben läßt, sobald sich derartiges zeigt, ist die Zusammenkunft beendet.
Wie will sie das denn durchhalten!
Achtung, an solchen Stellen pflegen interne Aufstände auszubrechen, Kollegin.
Der hat Sorgen!
Tatsächlich, immer die falschen Probleme.
Wir sind in Wahrheit die Guten, Leute, das erzählen auch die Brachvögel:
Vor Jahrhunderten war einmal eine große Pest, welche Städte und Länder schier ganz entvölkerte. Da gingen die erbosten Menschen ganz in sich, taten Buße und flehten zu Gott um Erbarmen. Sie wurden erhört. Ein nie gesehener, niedlicher, falkenähnlicher Vogel kam geflogen und sang im Fluge:
Iß Kranabir und Bibernell
So wirst nit krank und stirbst nit schnell!
Die Menschen taten nach dem Rate des wunderbaren Vogels, der wohl ein gottgesandter Christ war, und die Pest schwand von hinnen.
Ich bin für Redezeitbegrenzung, mehr als drei Minuten darf man nicht brauchen.
Jetzt fangen die auch schon an, niedliche Geschichten zu erzählen.
Hat den die Veranstaltung schon begonnen?
Das war ganz klar ein Regelbruch, die Geschichte hat mehr als einen Satz, aber da wir schon die EinSatzRegel haben, müssen wir nicht auch noch eine Zusatzregel einführen wie Redezeitbegrenzung, meine ich, ich stelle anheim.
Wieso sagt denn ausgerechnet ein Brachvogel, wenn ein Pestvogel eine Brachvogelgeschichte zitiert, daß man die Redezeit begrenzen sollt, ihr seid ja ganz schön unsolidarisch.
Ich bin dafür, die Darstellung der Kreativleitung zu überdenken, soll man wirklich ihre ängstlichen Bedenken gegen die doch irgendwann mal gemeinsam geplante Aktion so ausführlich darstellen, und wieso soll Precuneus ihr so recht geben, aber - ausgerechnet er - keine Ahnung von den Futtergewohnheiten der Vögel haben?
Man muß irgendwie die Anfangsszene wieder einholen und korrigieren, das stimmt so schon, und der Ornithologe brauchte auch seit längerem mal wieder einen Auftritt.
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