Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Mittwoch, 18. November 2009
889.
Am Mittwochabend verließ die Chefin als letzte die EinSatzLeitung, hochzufrieden mit ihrem Tagewerk, versonnen vor sich hinlächelnd, denn es war ihr gelungen, eine Einladung an die Vogelscharen aufzusetzen, mit der sie hoffen durfte, noch das letzte der widerwärtigen Tiere verschreckt zu haben: Schlauberger vermuten in schlecht formulierten Einladungen solche Finten, und erst am Vorabend hatte sie interessante Verschwörungstheorien gehört, nach denen gewisse Leute, die des odium humani generis im allgemeinen sehr verdächtig seien, ihre Selbstverteidigungsnöte regelmäßig durch vorbeugende Schläge selbst provozierten, und niemand hatte gesagt, daß das Verschwörungstheorien seien, auch sie selbst nicht, denn immerhin gibt es in der Welt politische Ränke, und die Chefin hatte sich nur zu Dingen äußern wollen, von denen sie etwas zu verstehen glaubte, aber mitgenommen hatte sie ganz etwas anderes, nämlich Lust auf das zweifelhafte Vergnügen, einmal nicht die Position des Opfers eines solchen Ränkespiels zu imaginieren, sondern die einer Ränkeschmiedin, gleichsam im Selbstversuch, und sie hatte sehr gestaunt, wie gut sich das anfühlte - zugleich aber hatte sie als die am Schreibtisch sitzende bemerkt, daß ihr die Idee, sich wirklich nicht mehr um Verstandenwerden auch in einer gewissen das Übliche übersteigenden komplexeren Gedankenwelt zu bemühen, mehr Unbehagen bereitet hatte als der gewohnte Stress jener vergeblichen Versuche, den Belehrungen und Durchschauereien der umgebenden Kleinkrämer einen ernsten, freundlichen Widerspruch entgegenzusetzen, und dieses als Ergebnis fand sie, aus welchen Gründen auch immer, irgendwie gut, fröhlich pfeifend zog sie die Tür hinter sich zu und sah gerade noch, wie der alte Kollege Pestvogel angerauscht kam und schnell wieder abdrehte, denn eigentlich hatte er die Idee gehabt, in ihren Papierkörben ein Argument für seine Theorien zu finden, schrieb man nicht beständig von versteckten Krankheiten, Korruptionen und dergleichen, die mußten da einfach was verstecken, so wie die schon guckte, und die Chefin sah den Pestvogel wieder mit dieser doch garantiert unechten Freundlichkeit an, grüßte ihn und sagte, Sie brauchen nicht weiter zu suchen, Kollege, ich gestehe alles, ich lüge unaufhörlich und in Wahrheit ist alles so wie Sie es sagen, ich lüge, ich lüge, und Sie haben es herausgefunden, Sie und Ihr grandioses Team, und sie lachte, aber die Tür blieb ihm verschlossen.
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9 Kommentare:
Eine stets offene Tür wäre doch wirklich besser.
Macht man so in Sicherheitskreisen, stimmt, eigentlich immer.
Ich mag nicht mehr.
Hahaha.
Im Sinne der Eigenverantwortung wird ein Gedankenexperiment wie das der Chefin durchaus empfohlen, aber man soll dann natürlich keine Ränke schmieden.
Sondern glauben, daß das niemand tut, sondern daß man sich alles selbst ausdenkt, weil man es gern täte, ja?
Er macht sich doch, der Oberassistent, wer hätte das vor einem halben Jahr gedacht!
Der wahre Philosoph macht keine Gedankenexperimente, sondern er denkt.
Schön gesagt!
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