Mittwoch, 26. November 2008

531.

Dame Ö hatte nach Feierabend einen Anruf vom ehemaligen Projektleiter erhalten, welcher sich auf einer neuen Stelle und mit einer neuen Dame recht wohl befand und glaubte, der in ihrer Unzeitgemäßheit ohne seinen Beistand besonders hilflosen Ehemaligen gegenüber eine gewisse Fürsorgepflicht zu haben, weshalb er sich nach etwas erkundigte, was ihm als eine falsche Assoziation in ihrem Leben zugetragen worden war, und er gab sich jovial und sagte, merkst du denn nicht, daß diese Leute dich die ganze Zeit verarschen, und die Dame Ö sagte höflich, sie freue sich, daß er, der Projektleiter, nun wieder ganz bei sich angekommen sei, es tue ihr aufrichtig leid, ihn so lange in eine derartige Selbstentfremdung gezogen oder genötigt zu haben, wie es der Umgang mit ihr offenbar unvermeidlich mache, es ehre ihn in gewisser Weise, daß er sich dieser Anstrengung so lange ausgesetzt habe, aber nun sei es doch recht wohltuend zu wissen, daß ihn alle diese Dinge so gar nichts mehr angingen, nicht wahr, und als sie aufgelegt hatte, war ihr dennoch eher unwohl zumute, weniger, weil ihr diese Rede von irgendwelchen Verschaukelungen ernsthaft Sorgen bereitet hätte - sie pflegte keinen Wert auf Durchschauereien zu legen, mochten die Leute Motive haben wie sie wollten, mochten sie Dame Ö für blöder halten als sie war und sich selbst für sehr schlau und durchtrieben und geschickt, für sie war das alles lästig lächerliches Gehampel, wenn sie den Eindruck hatte, einen oder mehrere Menschen einer ernsten Zuneigung würdigen zu dürfen, so tat sie das, ungeachtet alles dessen, was sie auch noch sehen mochte (und sie pflegte durchaus tief zu blicken, oft vielleicht wie sie sich schmeichelte sogar ein bißchen tiefer als die Durchschauer von Verschaukelungen) und wenn sie wirklich einmal den Eindruck hatte, jemand sei im Einzelfall einer einmal frei verschenkten Zuneigung doch nicht so würdig, so verabschiedete sie sich eben wieder, man ist schließlich nicht mehr 15, sagte sie sich, aber meistens hat man doch Gründe, und fast immer andere, als die Leute (insbesondere aber Menschen, die lebenslänglich über Klassenkameraderien und deren Spiele nicht hinauskommen) denken, so müsse man dergleichen wohl auch anderen mindestens als eine Möglichkeit zugestehen und eben darauf achten, daß man notfalls den Absprung schaffe, bevor es zu schlimmeren Verletzungen komme - sondern mehr, weil sie in dem Anrufen und Eingreifen des Ehemaligen eine Übergriffigkeit empfand, die ihr insbesondere in Ansehung seiner neuen Arbeitsstelle durchaus mißfiel, und über dieses hätte sie schon gern einmal mit irgendwem gesprochen, so daß sie schließlich die Gattin des ehemaligen Chefs anrief, um diese nach ihrer Meinung zu fragen, denn die jungen Leute, die leben ja alle selbst noch in ihren Schulklassen, sagte sie sich, da kann man ja mit keiner vernünftigen Ansicht rechnen, man soll sie auch nicht von ihnen verlangen, und die Gattin des ehemaligen Chefs sagte, interessant wäre zu wissen, wer ihm da was zugetragen hat, und die Dame Ö sagte, meinst du wirklich, daß man danach fragen sollte, ich denke immer, man gibt in solchen Fällen der Intrige schon viel zu viel Raum, aber ich mag ja naiv sein (o ja, sagte die Gattin des ehemaligen Chefs, das bist du wahrhaftig) und dann erkundigte die Dame Ö sich trotzdem einfach nur noch nach dem Befinden im Haushalt des ehemaligen Chefs und wie denn die Studien des Herren Sohn vorankämen, und was sie dabei erfuhr, war von Interesse durchaus, dazu auch noch ein wenig bekömmlicher.

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es könnte mal wieder etwas politischer werden.

Anonym hat gesagt…

Durchaus durchaus.

Anonym hat gesagt…

Aber im Politischen, da haben wir doch diese ganzen Intrigen dauernd!

Anonym hat gesagt…

Man muß für Ordnung sorgen.

Anonym hat gesagt…

Es wird eben nicht überschätzt, sondern unterschätzt, wie man hin und her zu konstruieren hat, und wir haben noch sehr zu arbeiten, damit das EinSatzPrinzip verständlicher wird.

Anonym hat gesagt…

Unterdessen häuft sich etwas viel Text an, finden Sie nicht? Das war ja schon zu meiner Zeit als Öffentlichkeitsleiter nicht mehr zu vertreten.

Anonym hat gesagt…

Ebensogut könnten Sie einer Tageszeitung vorwerfen, daß sie zu viel Text produziert, es muß eben jeden Tag etwas gedacht und gesagt werden.

Anonym hat gesagt…

Die tiefsinnigere Frage stellen manche Kollegen aus der Philosophie, nämlich ob das auch alles archiviert werden muß und zu welchem Zweck und wo das enden soll.

Anonym hat gesagt…

Sie werden aber doch nicht ernsthaft fürs Nichtarchivieren sein, nur weil nicht jeder in alle Archive gucken kann.

Anonym hat gesagt…

Ein Königreich für einen link zu diesem Thema.

Anonym hat gesagt…

FILOSOFIE

Anonym hat gesagt…

Will er die jetzt als Königreich anbieten oder eher gegen ein Königreich eintauschen?

Anonym hat gesagt…

Wer sagt euch, daß anonym ein Mann ist, vielleicht ist es auch eine Frau?

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