Freitag, 21. November 2008

526.

Heute ist wieder Sitzung, sagte die Chefin, als sie ins "Bistro" kam, aber niemand antwortete, niemand war da, alle waren entweder krank oder im Chaos des ersten Schneefalls steckengeblieben, dabei war der Schnee nur im Fallen zu sehen gewesen und auf den Dächern und Scheiben der Autos mit ihrem ewigen kalten Metall, unzählige kalte Sternschnuppen vor aller Augen, Nässe auf allen Schirmen, Kapuzen und Haaren, auf der Straße aber nichts als Wassermassen, und nicht einmal die Kreativleitung war in ihrem Büro, nur ein kleiner Zettel von Mo, dessen Entzifferung jetzt doch zu viel Geduld erfordert hätte, lag auf ihrem Schreibtisch, die Chefin seufzte "die Chefin regiert, aber niemand ist da, sich regieren zu lassen, die Selbstverwaltung funktioniert nur noch als verwaltete Abwesenheit, so geht das doch nicht," und sie ging an ihren Computer, der mit gewohntem Gongen seinen Schirm anbot, öffnete das Mailprogramm und fand brave Absagen sämtlicher EinSatzKräfte, strich sich die Haare aus der Stirn, tippte eine kleine Rundmail, in der sie einen Ersatztermin vorschlug, und dachte, wie lange hatte ich schon keine Zeit mehr, selbst ein bißchen über Demokratie nachzudenken, und sie ging an eines der Bücherregale, nahm sich eines der Bücher, die da standen, setzte sich mit dem Blick über die Stadt ans Fenster und genehmigte sich eine halbe Stunde mit "Menschen in finsteren Zeiten," jeder Satz bei aller beschriebenen Finsternis so, daß man ihn immer wieder "lucide" nennen wollte.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wird doch überschätzt, die Arendt.

Anonym hat gesagt…

Ach, da sind Sie ja doch?

Anonym hat gesagt…

Reicht kaum für eine Sitzung, würde ich sagen.

Anonym hat gesagt…

Sie irren über Arendt, ist eine der wenigen, die man überhaupt noch lesen kann, ohne daß einem schlecht wird, irrt in manchem, hat recht in vielem.

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