Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Samstag, 8. November 2008
513.
Die Kreativleitung hatte die Nacht versehentlich rücklings auf dem Teppich liegend verbracht, die Füße waren ihr vom Drehstuhl gefallen, bevor sie aufspringen konnte, um sich ordentlich schlafen zu legen, und so schrak sie verfroren aus unmöglicher Lage auf, als das Telefon klingelte und ausgerechnet Herr Y. an der Leitung war, welcher, in seinem Hochhausbüro in jener fernen Stadt in seiner neuen Heimat sitzend und sich soweit ganz wohl befindend sagte, es sei vielleicht eine ungünstige Zeit für einen Anruf, aber er habe nicht gewußt, an wen wenn nicht an sie er sich wenden solle mit einem Ärger, der ihn überfallen habe am Morgen beim Lesen der Nachrichten aus der fernsächsischen alten Heimat, und die Kreativleitung verstand überhaupt nicht und fragte, worüber haben Sie sich denn so geärgert, hat man Ihnen Unrecht getan, und er sagte, nein, mir nicht, aber ich habe mich über die Leute in eurem Hessen da geärgert, und über ihre Berliner Genossen, erst zerlegen sie mit allem Medienpomp eine Frau (über deren persönliche Qualitäten ich übrigens gar nichts weiß, ich weiß nicht, ob ich sie mag oder nicht, ich kenne sie gar nicht) so lange, bis wieder mal eine weibliche SPD-Größe aufgibt, dann machen sie Neuwahlen, und da treten sie dann genau mit derselben Idee an, die sie ihr vorher als schlimmsten Tabubruch vorgeworfen haben, sie sind also nicht besser als die Jungs von der CSU, die ihren Stoiber stürzen lassen von einer Gaby Pauli, die sie dann, nachdem sie ihren Job erledigt hat, genüßlich zerkleinern und versenken, um dann irgendeinen Seehofer, der alles darf, an die Spitze zu gockeln, und fast möchte man meinen, in Amerika seis auch so gelaufen, ich selbst würde das alles vielleicht gar nicht so auffällig finden, wenn ich nicht eine Tochter hätte, der ich dergleichen eigentlich nicht wünsche, ich habe ihr davon erzählt, und sie hat zu meinem Schreck nur abgewunken und gesagt, ich kenne die Literatur dazu, man braucht wirklich nicht viel mehr als Alice Schwarzer zu lesen, hat sie gesagt, es ist immer dasselbe Schema, hat sie gesagt, und dann hat sie gesagt, man muß eben noch härter sein als sie alle zusammen, dann kommt man vielleicht sogar dagegen auf, dann hat sie mit dem Fuß aufgestampft, die Tür zugeknallt und nochmal aufgemacht, um kalt grinsend zu sagen, draußen werde ich natürlich sprechen, wie man es muß, um mit diesen Männerrotten klarzukommen, und als ich das hörte, war ich sehr erschrocken, denn eigentlich ist sie mir lieber, wenn sie lieb ist, und die Kreativleitung mußte sehr lachen über diesen Redefluß des Herrn Y., den sie als so traurig und schweigsam kennengelernt hatte, daß sie sogar einmal fast mit ihm geweint hätte, und sie sagte dankbar schnurrend, was für ein herrlich erfrischender Anruf am Morgen, viel mehr als diese besorgte Solidarität von Männern, die Töchter haben, haben Leute wie meine Chefin in der Männerwelt leider immer noch nicht, und ich selbst wüßte den Damen in der Politik wirklich immer noch keinen Rat außer dem, nicht nachzulassen in jenem ergebenen Widerstand, in den wie eh und je in der gesamten Welt jede gezwungen wird, die politisch etwas erreichen, aber ihr Herz nicht verraten will, und vielleicht wird ja Ihre Tochter einmal ein Beispiel dafür sein, daß man es auf diese Weise am Ende doch für alle zu einem besseren Ergebnis bringen kann, und ich selbst werde weiter nur ein paar Geschichten schreiben, die ihr in der einen oder anderen traurigen Minute vielleicht den Rücken stärken könnten, und dann fragte sie abschließend nach dem Wetter dort, um nicht über den grauen Himmel in Berlin sprechen zu müssen, schüttelte ihre lästig langen Glieder kräftig aus, schaute nach, ob Mo schon wach und bereit für etwas Honig wäre, und ging ins "Bistro," um einen Kaffee zu suchen.
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10 Kommentare:
Ich will keinen Kaffee.
Ah, the old sexists, still alive and kicking...
Wo kommt die denn jetzt her, und was soll ich denn sagen, mir hat man hier sehr übel mitgespielt.
In anderen Einsatzleitungen hätte man Sie als Verräter ein bißchen anders behandelt, junger Freund, wie geht es übrigens an der neuen Stelle?
Es kann ein Wissen vom Teuflischen geben, aber keinen Glauben daran, denn mehr Teuflisches als da ist gibt es nicht.
Wenn du eine Seite weiter den ungeschriebenen Brief liest, wird es auch bei Kafka schlimm, immer nur an dieser Stelle, an der aber auch immer und bei ausnahmslos jedem.
Ihr seid immer so unpräzise, selbst am Wochenende muß man noch Zitationen nachreichen: Franz Kafka, Beim Bau der chinesischen Mauer und andere Schriften aus dem Nachlaß, Gesammelte Werke in 12 Bänden, hg. von Hans-Gerd Koch, Band 6, FfM 1994, S. 211 und 213.
Aber wenn nicht einmal Dame Ö noch uneingeschränkt an Kafka glaubt, was soll man denn dann machen?
Kämpfen, kämpfen, kämpfen!
Vielleicht sollten wir hier Herrn X engagieren.
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