Sonntag, 11. Januar 2009

577.

Dein Gesicht ist heute etwas grünlich, konstatierte der Minderheitler mit den grünen Borsten, als er draußen auf der Straße die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den ewig rotgeränderten Augen traf, und sie wunderte sich, denn ihr erschien ihr eigenes Gesicht bei Kälte immer eher violett, aber dann antwortete sie und sagte, ja klar, wenn ich in diesen Tagen losgehe, um trotz allem für meine Leute auf eine Demo zu gehen, dann möchte ich mich am liebsten in eine Rolle aus Text wickeln, und in dem Text müßte stehen, wofür ich genau bin und wogegen, und wieso ich finde, daß wir sicher wohnen sollten, und wieso ich die Haßprediger und Geiselnehmer und Raketenschießer fürchte, und wieso ich dennoch finde, daß das palästinensische Volk sicher und in Würde wohnen und sich versorgen können soll, und wie ich diese Grenzfrage und jene Aktion sehe, das alles müßte sichtbarlich auf der Rolle stehen, welche ich um mich gewickelt trüge, wenn ich in diesen Tagen auf die Straße gehe, aber du kannst nicht davon ausgehen, daß die Leute so etwas lesen, sie sehen grün oder blau, und sie wollen klare und eindeutige Rufe schreien und hören, aber sie haben längst alles wieder so zugespitzt, daß man keinen Ruf mehr mitrufen kann, und wenn man dann trotzdem zu seiner Minderheit geht, weil man auch nicht feige zuhause sitzen möchte, dann kann man schon einmal die Gesichtsfarbe der anderen Minderheit annehmen in der Hoffnung, daß das am Ende doch ein wenig hilft gegen die schrecklichen Entdifferenzierungen, vielleicht ist es das, und der Minderheitler mit den grünen Borsten sagte, vielleicht sind meine Stacheln in der Spitze auch schon ein wenig bläulich, und sie mußten beide lachen, bis die Minderheitlerin sagte, wie unverschämt gut wir es hier haben, wir können einander ansehen und lachen, und der Minderheitler mit den grünen Borsten sagte, wir sehen uns dann morgen in der EinSatzLeitung, und die Minderheitlerin sagte, ja, dann reden wir weiter, und sie setzten ihre Wege in unterschiedliche Richtungen fort.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Eigentlich war es doch die Kreativleitung, deren Gesicht grün wurde, wieso wird die plötzlich rot und die Minderheitlerin, die alle nervt, grün, was macht ihr da eigentlich?

Anonym hat gesagt…

Konstatieren, daß das Erröten auch irgendwann vorbei ist, junger Freund, was will er nur, was ärgert ihn denn so, ist denn Amsterdam nicht schön genug für ihn?

Anonym hat gesagt…

Einfach auslaunen lassen, würde ich sagen.

Anonym hat gesagt…

Es wird hier bedenklich, was unter dem Stichwort Differenzierung an Verunsicherungspotential zugelassen wird.

Anonym hat gesagt…

Ich widerspreche auf der Grundlage jahrzehntelanger Erfahrung: Klarheit und Wahrheit und Differenzierung schließen einander wirklich nicht aus, und nicht einmal eine Neigung zur Satire können einen echten Liberalen aus der Bahn von Klarheit und Wahrheit werfen.

Anonym hat gesagt…

Bedankt.

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