Freitag, 2. Januar 2009

568.

Die Helligkeit eines verschneiten Januarmorgens, was kann es besseres geben, dachte die Kreativleitung, als sie nach mehreren Tagen im Krankenbett beschloß, einen ersten Wutanfall, welchen sie in der Nacht ihren Wänden zu hörbarem Protokoll gegeben hatte, als Zeichen für eine ausreichende Kräftigung zu nehmen, um sich heute für "genesen" zu erklären, das Bett und den Nachtschrank mit den Medikamenten aus dem Sichtfeld zu verbannen und sich ernsthaft an den Schreibtisch zu setzen; als sie diesen Beschluß "umzusetzen" begann (so ein bescheuertes Wort, ausgerechnet das kommt den Leuten immer erstaunlich leicht von den Lippen) fühlte es sich noch etwas seltsam an, aber die bloße Idee von Kaffee war Anreiz genug um durchzuhalten, und als sie, während das Wasser in der Küche heißer wurde, mit Schal und dem dicksten Pullover, den sie finden konnte, auf den Balkon trat, hörte sie zu ihrer Überraschung seltsames Vogelzwitschern wie von einem Starenschwarm, wo kommen die denn jetzt her, dachte sie, aber nirgends waren die deutlich hörbaren Tiere zu sehen, und als sie wieder in ihr Zimmer zurücktrat, klingelte es an der Wohnungstür, vor der eine verschmitzt dreinschauende Dame Ö stand, in der einen Hand das Bündel, aus der ein rotnasiges Mo sein bemütztes Köpfchen streckte, in der anderen Hand eine kleine Christrose, und die Kreativleitung bat beide erfreut herein, Dame Ö inspizierte sofort die herumliegenden Medikamentenschachteln und bemerkte beiläufig: gestern nacht war die Assistentin K schon einmal hier, um nach Ihnen zu schauen, hat eine Weile vor der Wohnungstür gestanden, ist dann aber wieder abgedreht, weil sie hörte, wie unflätig Sie hier vor sich hin geschimpft haben auf alle möglichen speziellen Objekte Ihres Zorns, deren Beleidigung sehr zu fürchten wäre, wenn die das gehört hätten, und die Kreativleitung lächelte und sagte, man wird ja wohl zuhause noch einmal seinen Schimpfkanonadenvorrat besichtigen dürfen, diese Dinge gehören schließlich auch zum Arbeitsmaterial, und wenn es keiner hört, kann auch keiner beleidigt sein, möchte ich meinen, der Lauscher an der Wand freilich, der hört womöglich auch 2009 noch seine eigene Schand, und ja, sagte sie, die Leute, die reine Herzen wollen, habe ich schon immer für "dirty dreamers" gehalten, sehen Sie einen Anlaß, hier ernsthaft hinter gewisse Fortschritte der Aufklärung über uns selbst zurückzugehen (selbstverständlich schüttelte Dame Ö verneinend den Kopf) und wenn ich selbst oder dieses Wesen hier - und dabei kraulte sie das Mo ein wenig unter dem Kinn, was dieses sich gern gefallen ließ - oder irgendwer anders doch irgendwo etwas wie ein reines liebevolles Herz haben sollten, dann würden wir das den Herrschaften, die in absentia zu beschimpfen ich mir nächtens die häusliche Freiheit genommen habe, sicherlich zu allerletzt andienen, nicht wahr, man freut sich unserer unreinen Liebe oder läßt es bleiben, sagte sie, und sie setzten sich zu fröhlicher Runde an ihren Frühstückstisch und freuten sich über den Blick in den verschneiten Hof, und wer an Bedrückendes denken mochte, sprach es für diesmal nicht aus, zu kostbar erschien ein Augenblick, in dem im Schneelicht Heiteres zu beplaudern sein mochte.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ha, endlich hat die ewig sanfte Kreativtante mal einen Wutanfall zugegeben!

Anonym hat gesagt…

Sollte das das erste Mal gewesen sein, und wer oder was ist jetzt so blöd, sich dadurch in welcher Behauptung nochmal bestätigt zu sehen?

Anonym hat gesagt…

Die Wissenschaft, in ihrer Behauptung, daß Bettruhe aggressiv macht.

Anonym hat gesagt…

Ich, in meiner Befürchtung, daß die mangelnde Bereitschaft der Kreativleitung, aktiv auf mich zuzugehen, in Wahrheit ein Zeichen verstockter Wut ist.

Anonym hat gesagt…

Ich in meinem langjährigen Pfeifen, nach welchem die Kreativleitung eine wutgeneigte schreilustige stets gefährliche Hysterika ist.

Anonym hat gesagt…

Wie die Freimütigkeit doch immer einen Pöbel hervorlockt, der dann seine kleinbürgerliche Doppelmoral mit einem römischen Doppeladler und einem "quod licet Iovi non licte bovi" zu adeln versucht, weil er keinen Spiegel besitzt, um darin sein stierisches Antlitz zu erkennen...

Anonym hat gesagt…

Eine werdende Mutter ist doch kein Stier!

Anonym hat gesagt…

Hat Sie denn jemand angesprochen?

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