Samstag, 10. Januar 2009

576.

Eine etwas müde und immer noch mit ihrer Erkältung kämpfende Kreativleitung saß, in Gedanken über die Frage, wie ein neues Stück in den Wandteppich integriert werden könne, versunken, an ihrem Küchentisch, auf dem Mo mit großem Genuß ihre tägliche Portion von ihrem Weihnachtsgeschenk, dem einzig wahren Rapshonig (der allerdings nicht so weiß war wie der, den die Kreativleitung erinnerte, und gar nicht klumpig, aber doch fester und weißer als alles, was sonst unter dem Namen Rapshonig zu bekommen war), verspeiste, und während die Kreativleitung über ihrem Teppich brütete und während die ganze übrige Welt über Armeen, asymmetrische Kriegführung, die Finanzkrise und Moll Morgengrau nachdachte, holte an diesem ersten Arbeitswochenende im Januar ein hochzufriedenes Mo aus der Tasche seines alten Kittelchen, welchen es im Winter über seine solide wollene Unterkleidung zu hängen pflegte, einen zerknautschten Zettel und sagte mit listigem Gesicht, die anderen (welche anderen, seit wann redet Mo mit den anderen EinSatzKräften, dachte die Kreativleitung) haben mich gebeten, eine Heiratsanzeige für dich zu formulieren, damit du mal wieder auf den Teppich kommst (ausgerechnet, dachte die Kreativleitung, als würde auch nur ein Mensch in der Welt ertragen können, daß ich manchmal die Nacht auf dem Teppich verbringe mit den Füßen auf dem Drehstuhl und Mo kreiselnd auf meiner Kniescheibe), und hier habe ich eine entworfen, fuhr Mo unbeirrt durch die Gedanken der Kreativleitung fort, und sie las, jede Silbe betonend, vor, was sie geschrieben hatte: nicht mehr ganz junge Dame, las sie, würde sich gern wieder verlieben, es muß aber, damit das möglich ist, einer sein, der imstande ist, sie wirksam abzuschirmen vor einer dann und wann zudringlichen Öffentlichkeit, ohne ihr die Freiheit zum Spiel mit der Öffentlichkeit zu nehmen, allerhöchste Duldsamkeit gegen ein bei ihr lebendes Mo erforderlich, Bewerbungen von Alteigentümern, Exxen und Echsen sinnlos (daß sie sich um sich sorgt, dachte die Kreativleitung gerührt, ist ja okay, aber was soll das mit den Eigentümern, den Exxen und den Echsen, wie kommt sie auf so eine Idee, nun gut, sie kannte nur Eigentümer, aber woher die Echsen, nur ein Wortspiel vielleicht, und sie schüttelte leise den Kopf), was hältst du davon, fragte sie, provozierend aufsehend, aber die Kreativleitung war sehr abgelenkt, denn in diesem Augenblick hatte sie eine sms vom Kwaliteitswart bekommen, der sich auf seinem Boot in Amsterdam (von dem er erst im Februar zurückzukehren gedachte) so sehr zu langweilen schien, daß er sich über den häufigen Gebrauch der „reichlich überdeterminierten Schneemetapher“ beklagte, und das leichte Erröten der Kreativleitung erklärte sich wohl eher aus dieser sms als aus dem einigermaßen überzeugenden Wortlaut der Anzeige, die niemals aufgegeben werden würde, wenn man die Kreativleitung fragte, da man 1. so etwas nun einmal nicht mit Anzeigen machte, und 2. es überhaupt einen derartigen, wie sie sich heute bürokratischerweise auszudrücken beliebte, "Bedarf" ihrerseits gar nicht gebe, und sie entschuldigte sich kurz, um im Nebenzimmer die sms des Kwaliteitswart zu beantworten (höflich, freundlich, was gehts dich an, wenn ich rot werde, dachte sie), und als sie in die Küche zurückkehrte, fragte sie das Mo, fühlst du dich denn so einsam, habe ich dich vernachlässigt?

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