Die Chefin seufzte verzweifelt, als sie in den Händen den folgenden Brief von der Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse hielt, dessen Inhalt wir hier anheimstellen:
"Liebe Chefin,
manchmal sind die Gleichzeitigkeiten doch verblüffend. Just als Ihre Mail hier ankam, schrieb ich von der Kirche aus meine sms an Sie, wissend, dass ich soeben alle Regeln der Höflichkeit und Gastfreundschaft missachtete. Ich schrieb Ihnen: in meiner Tradition würde man zu dem Bekenntnis, das ich da hören musste, sagen: lies nicht: Gemeinschaft der Heiigen: lies: Gemeinschaft der selbstgerechten Gewalttäter und Lügner.
Da betete einer:
'Mache uns bereit für den Schmerz, ohne den es keine Versöhnung gibt' - man möchte eine alte Katze sein und das Junge am Nackenfell packen, um es… Aber das wäre, anders als man es über diese Leute leider sagen muss, eben nicht meine Haltung, und ich versichere Ihnen, ich wollte mich nicht über sie erheben, ich wollte es wirklich nicht. Aber wenn sie Ihnen ihre sanfte Prügel verabreichen, wehren Sie sich nicht?
Ich werde durch Ihren elektronischen Brief neugierig auf das Buch der amerikanischen Kollegin - vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, ich fand sie eigentlich immer ziemlich interessant, wenn ich mit ihr sprach. Natürlich machen Ämter selbst solche Frauen müde, aber das ist die Natur der Ämter, und sie wenigstens wird sich doch ihren Oberlippenbart nicht trimmen, sondern mit Hilfe von etwas Kaltwachs regelmäßig entfernen, andere haben da etwas Nachholbedarf.
Ich komme noch einmal auf den Gottesdienst zurück, welchen ich besucht habe, weil Heine das Lied 'Ein feste Burg' so schön zitiert und etwas daran findet. Der Pfarrer gab sich alle Mühe, und vieles war auch nicht schlecht dahin geluthert, er wusste, dass wir vieles nicht in der Hand haben, das ist schon mehr, als man erwarten darf. Aber dann, aber dann, ohne Fertigmachen des natürlichen Menschen kommen sie nicht klar, sie schaffen es einfach nicht. Was kann man da machen? Anstatt aus ihren Einsichten milde Freundlichkeit und wirkliche Achtung vor den Menschen zu lernen, müssen sie ihre Tadelsucht ausbreiten und ihre Wut in Seife packen, als würde man sie darin nicht mehr erkennen.
Es ist tief traurig, ihnen irgendwie verbunden zu sein, und obwohl ich gern und inbrünstig mit meinen christlichen Freunden, wenn es sie danach verlangt, das Vater Unser spreche: in diesem Schmockladen konnte ich nicht mitsprechen, zu widerlich all diese zurechtgestutzten Menschen, die den Prügel ihrer abgelegten Eitelkeiten allem, was gut und schön ist, überprügeln müssen, weil die freieren Menschen angeblich Gott sein wollen. Natürlich spielt niemand frecher Gott als diese Leute, die ihn gegen andere ins Feld führen zu dürfen und sogar zu müssen glauben, der ganze Antisemitismus Luthers 'zuversichtlich übergetragen' auf neuere Verhältnisse.
Man kann gar nicht so viel duschen und meditieren wie man müsste, um sich davon wieder zu reinigen, und zugleich ist es so unsagbar traurig, sich wirklich offenbar kämpferisch gegen diese Leute behaupten zu müssen, wenn man nicht von ihnen vernichtet werden will. Verwertet. Sie würden mir ja, wenn ich schön bitte bitte sage, einen angemessenen Platz geben, möchten sie jedenfalls denken, und ich danke, hoffärtig wie ich immer noch bin, da weiß ich doch, womit ich von dieser Front zu rechnen habe, sie werden ja weiter Gott spielen. 'Ja, mancher muss tief hinab, bis er …' ich denke, sie haben sich wieder einmal ihr eigenes Urteil als Kirche gesprochen, und 'darumb' bin ich ganz fröhlich und guter Dinge, denn man braucht sie nur sich selbst zu überlassen. Wirklich? Ich bin wieder einmal nicht sicher. Allzu lange hat doch die Selbstgerechtigkeit der Gemeinschaftsbeter die Übermacht - und man hat keinen Grund, ihnen in irgendeiner Form zu trauen, wahrhaftig nicht.
Hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme, die nicht genügend bedankt werden, hat die von Ihnen im übrigen ja hart kritisierte Kollegin sicher recht. Man soll sie erhalten, und man soll wissen: sie sind dem Volk geschenkt worden, weil es ohne sie brandgefährlich würde, dieses Volk hier, und leider immer für die Falschen gefährlich, und für die Falschen ein Geschenk, es ist wunderbar, dass der Sozialstaat das noch ein bisschen ausgleicht, und nicht auszudenken, was hier passiert, wenn er darin wirklich weiter nachlässt. Wir werden das erste europäische Land mit Voll-'Scharia' sein, auch wenn es jetzt noch nicht zu sehen ist. So fürchte ich jedenfalls. Oder mit irgendeinem anderen Aufruhr, man braucht doch nicht zu glauben, dass es nach so langen Friedensjahren hier so weiter geht: so zielstrebig, wie sie jetzt schon wieder die Friedfertigen fertig machen und die Kriegerischen begünstigen, sollte jedem denkenden Menschen klar sein, was passiert, wenn die Befriedungsmechanismen hier nicht mehr funktionieren - ich kenne ausreichend Idioten, die sich darauf schon freuen. 'Endlich wieder was los.' Ich möchte lieber nicht…
So, Sie wissen, ich halte mich üblicherweise zurück, aber dieses hier ging so gar nicht - seien Sie mir bitte nicht böse, dass ich es einmal ausgesprochen habe.
'Lassen Sie sich führen und treffen Sie, wo es geht, die richtigen Entscheidungen. Also wie Sie Ihre Rollen ausfüllen usw.' Von keiner Erfahrung getrübt werden noch die richtigsten Unterscheidungen falsch.
Bitte nehmen Sie Ihre Führungsaufgaben verantwortlich wahr und unterbinden Sie die selbstgerechten Gewalttaten solcher Leute, sofern sie dazu aufrufen oder die anderer verschleiern, wobei ich mit Gewalttaten eben auch Varianten sozialer Gewalt meine, die 'niedrigschwellig' verübt werden kann. Wie andere auch verlasse ich mich weiter auf Ihre Unkorruptheit und Ihre Weisheit und bin mit freundlichen Grüßen
Ihre Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse."
Was soll man dazu sagen, dachte die Chefin, und merkte, dass sie doch etwas müde wurde.
Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
12 Kommentare:
Nur eine B-Ebene heute, kein EinSatz im eigentlichen Sinne?
Just so.
Die Scharia ist nicht nur schlecht, und wir sollten nicht anti-islamisch werden.
Ich sprach von Vollscharia und nahm es als Synonym für eine ungerechte Rachegesellschaftsordnung, dass es in ihr auch andere Elemente gibt, ist unbenommen, mein Plädoyer geht aber auf Erhaltung des hiesigen Rechtsstaatsprinzips.
Die hat doch bloß den ewigen Blues!
Sie hat selbst Angst vor Gerichten, weil sie eine Sünderin ist.
Ja, ist schon toll, was man in den Gesangbüchern findet, wenn man die genauso behandeln würde wie man in manchen Kreisen den Islam behandelt, mit bloßstellenden Ansichten, man würde viel bloßzustellen finden!
O, heute so eifrig!
Ach, da kommt der Theologe im Demokratiebeauftragten wieder durch, was ?
Ich bitte höflich, von Spott über meine Gesichtshaartracht abzusehen, man kann sich mit meinen Thesen durchaus sachlich auseinandersetzen.
T.S. Eliot?
Der trug keinen Bart.
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