Samstag, 25. April 2009

682.

Was also würdest du unten an die Tür schreiben und was auf deine Internetseite, wenn du neuerdings Sprechstunden abhalten wolltest, fragte die Chefin ihre Freundin in jener Unterredung, und sie bemerkte gerade noch rechtzeitig an sich selbst, wie sie innerlich plötzlich jene Haltung des tiefen Zweifels annahm, welche in früheren Zeiten (als sie selbst noch Demokratiebeauftragte und also zuständig für die Aufdeckung und Bearbeitung destruktiver Tendenzen im Team gewesen war) die damals noch „etablierteren“ EinSatzKräfte gegen die Kreativleitung regelmäßig zu unerfreulichen Verhaltensweisen verleitet hatte, eine Abwehrhaltung, die immer aufgetreten war, sobald die Kreativleitung eine ihrer merkwürdigen Ideen im Ton eines gewissen Unglücks vorzubringen unternommen hatte, aber da die Chefin selbst nun eine gleichsam historisch informierte innere Distanz zu dieser Haltung aufbauen konnte, da die Kreativleitung ihrerseits zwar den Unglückston nicht ganz vermeiden, aber doch mit dem ihr eigenen Lächeln ein wenig überzeugender übereinzubringen verstand, kam es zwischen den Damen zu einem freundlichen Gedankenaustausch über die Idee, eine Art Jammersprechstunde einzurichten, welchen die Kreatvleitung mit den folgenden Worten eröffnete: ja, meine Damen und Herren, wird die Leitung Öffentlichkeit bei der Präsentation der Sache sagen müssen, Sie haben richtig gehört, wir haben neuerdings eine Jammersprechstunde eingerichtet, und dieses nun nicht, um das Jammern ein für allemal abzuschaffen und mit Stumpf und Stiel auszurotten und durch ein durch und durch generalüberholtes positives Denken zu ersetzen, sondern um es selbst zu kultivieren, „Jammern gerne, aber richtig“ wird unser Motto sein, denn wissen Sie, Jammern ist am Ende sozialer als offiziell positives Denken, welches sich unter den Tischen regelmäßig seine Entlastungen im gemeinschaftlichen Lästern und Mobben sucht, die Jammerkur ist in gewisser Weise eine Maßnahme gegen das Mobben, denn sie faßt das Phänomen des Mobbens einmal nicht von der Opferseite, sondern von der Täterseite an, indem sie alle Lästerer und Mobber auf die Dinge bringt, von denen sie sich in ihren Mobbing-Prozessen gemeinschaftlich zu entlasten vermeinen, und indem sie aus diesen Leute so ihre eigenen Beschwerden hervorkitzelt, schafft sie zugleich in ihnen einen Raum der Aufmerksamkeit für die anderen Menschen und ihre Jammergründe, denen sie sich als geübte Jammerer deswegen freundlicher zuwenden können, weil sie ihr Suhlen nicht mehr an die Fehler der anderen binden müssen, denn unsere Jammersprechstunde, meine Damen und Herrn, gibt jedem sein Problemchen mit nachhause und dazu auch noch die wunderbare Botschaft, daß man diese nicht durchaus verschweigen und beschönigen muß, und schon hatte sich die Kreativleitung in ein fast begeistertes Funkeln hineingeredet, welchem sich die Chefin nicht durchaus zu entziehen wünschte, mochte sie auch die Zweifel in ihrem Herzen keineswegs beruhigt sehen, Mo aber in ihrem Bündel kicherte munter vor sich hin.

3 Kommentare:

Dame Ö hat gesagt…

Ist ja alles gut und schön, meine Lieben, aber ein Suhlen bindet man nicht, tut mir leid.

brachvogel hat gesagt…

Auch wenn ich eigentlich beleidigt mich zurückziehen wollte, möchte ich nicht versäumen, darauf aufmerksam zu machen, daß wir es zwar nicht Jammersprechstunde nennen, aber doch in allen Formen seit Jahrhunderten pflegen.

kreativleitung hat gesagt…

Das dürften Sie in unserer Sprechstunde gern vorbringen, zusammen mit den Gründen für Ihren beleidigten Rückzug.

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