Die Chefin seufzte verzweifelt, als sie in den Händen den folgenden Brief von der Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse hielt, dessen Inhalt wir hier anheimstellen:
"Liebe Chefin,
manchmal sind die Gleichzeitigkeiten doch verblüffend. Just als Ihre Mail hier ankam, schrieb ich von der Kirche aus meine sms an Sie, wissend, dass ich soeben alle Regeln der Höflichkeit und Gastfreundschaft missachtete. Ich schrieb Ihnen: in meiner Tradition würde man zu dem Bekenntnis, das ich da hören musste, sagen: lies nicht: Gemeinschaft der Heiigen: lies: Gemeinschaft der selbstgerechten Gewalttäter und Lügner.
Da betete einer:
'Mache uns bereit für den Schmerz, ohne den es keine Versöhnung gibt' - man möchte eine alte Katze sein und das Junge am Nackenfell packen, um es… Aber das wäre, anders als man es über diese Leute leider sagen muss, eben nicht meine Haltung, und ich versichere Ihnen, ich wollte mich nicht über sie erheben, ich wollte es wirklich nicht. Aber wenn sie Ihnen ihre sanfte Prügel verabreichen, wehren Sie sich nicht?
Ich werde durch Ihren elektronischen Brief neugierig auf das Buch der amerikanischen Kollegin - vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, ich fand sie eigentlich immer ziemlich interessant, wenn ich mit ihr sprach. Natürlich machen Ämter selbst solche Frauen müde, aber das ist die Natur der Ämter, und sie wenigstens wird sich doch ihren Oberlippenbart nicht trimmen, sondern mit Hilfe von etwas Kaltwachs regelmäßig entfernen, andere haben da etwas Nachholbedarf.
Ich komme noch einmal auf den Gottesdienst zurück, welchen ich besucht habe, weil Heine das Lied 'Ein feste Burg' so schön zitiert und etwas daran findet. Der Pfarrer gab sich alle Mühe, und vieles war auch nicht schlecht dahin geluthert, er wusste, dass wir vieles nicht in der Hand haben, das ist schon mehr, als man erwarten darf. Aber dann, aber dann, ohne Fertigmachen des natürlichen Menschen kommen sie nicht klar, sie schaffen es einfach nicht. Was kann man da machen? Anstatt aus ihren Einsichten milde Freundlichkeit und wirkliche Achtung vor den Menschen zu lernen, müssen sie ihre Tadelsucht ausbreiten und ihre Wut in Seife packen, als würde man sie darin nicht mehr erkennen.
Es ist tief traurig, ihnen irgendwie verbunden zu sein, und obwohl ich gern und inbrünstig mit meinen christlichen Freunden, wenn es sie danach verlangt, das Vater Unser spreche: in diesem Schmockladen konnte ich nicht mitsprechen, zu widerlich all diese zurechtgestutzten Menschen, die den Prügel ihrer abgelegten Eitelkeiten allem, was gut und schön ist, überprügeln müssen, weil die freieren Menschen angeblich Gott sein wollen. Natürlich spielt niemand frecher Gott als diese Leute, die ihn gegen andere ins Feld führen zu dürfen und sogar zu müssen glauben, der ganze Antisemitismus Luthers 'zuversichtlich übergetragen' auf neuere Verhältnisse.
Man kann gar nicht so viel duschen und meditieren wie man müsste, um sich davon wieder zu reinigen, und zugleich ist es so unsagbar traurig, sich wirklich offenbar kämpferisch gegen diese Leute behaupten zu müssen, wenn man nicht von ihnen vernichtet werden will. Verwertet. Sie würden mir ja, wenn ich schön bitte bitte sage, einen angemessenen Platz geben, möchten sie jedenfalls denken, und ich danke, hoffärtig wie ich immer noch bin, da weiß ich doch, womit ich von dieser Front zu rechnen habe, sie werden ja weiter Gott spielen. 'Ja, mancher muss tief hinab, bis er …' ich denke, sie haben sich wieder einmal ihr eigenes Urteil als Kirche gesprochen, und 'darumb' bin ich ganz fröhlich und guter Dinge, denn man braucht sie nur sich selbst zu überlassen. Wirklich? Ich bin wieder einmal nicht sicher. Allzu lange hat doch die Selbstgerechtigkeit der Gemeinschaftsbeter die Übermacht - und man hat keinen Grund, ihnen in irgendeiner Form zu trauen, wahrhaftig nicht.
Hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme, die nicht genügend bedankt werden, hat die von Ihnen im übrigen ja hart kritisierte Kollegin sicher recht. Man soll sie erhalten, und man soll wissen: sie sind dem Volk geschenkt worden, weil es ohne sie brandgefährlich würde, dieses Volk hier, und leider immer für die Falschen gefährlich, und für die Falschen ein Geschenk, es ist wunderbar, dass der Sozialstaat das noch ein bisschen ausgleicht, und nicht auszudenken, was hier passiert, wenn er darin wirklich weiter nachlässt. Wir werden das erste europäische Land mit Voll-'Scharia' sein, auch wenn es jetzt noch nicht zu sehen ist. So fürchte ich jedenfalls. Oder mit irgendeinem anderen Aufruhr, man braucht doch nicht zu glauben, dass es nach so langen Friedensjahren hier so weiter geht: so zielstrebig, wie sie jetzt schon wieder die Friedfertigen fertig machen und die Kriegerischen begünstigen, sollte jedem denkenden Menschen klar sein, was passiert, wenn die Befriedungsmechanismen hier nicht mehr funktionieren - ich kenne ausreichend Idioten, die sich darauf schon freuen. 'Endlich wieder was los.' Ich möchte lieber nicht…
So, Sie wissen, ich halte mich üblicherweise zurück, aber dieses hier ging so gar nicht - seien Sie mir bitte nicht böse, dass ich es einmal ausgesprochen habe.
'Lassen Sie sich führen und treffen Sie, wo es geht, die richtigen Entscheidungen. Also wie Sie Ihre Rollen ausfüllen usw.' Von keiner Erfahrung getrübt werden noch die richtigsten Unterscheidungen falsch.
Bitte nehmen Sie Ihre Führungsaufgaben verantwortlich wahr und unterbinden Sie die selbstgerechten Gewalttaten solcher Leute, sofern sie dazu aufrufen oder die anderer verschleiern, wobei ich mit Gewalttaten eben auch Varianten sozialer Gewalt meine, die 'niedrigschwellig' verübt werden kann. Wie andere auch verlasse ich mich weiter auf Ihre Unkorruptheit und Ihre Weisheit und bin mit freundlichen Grüßen
Ihre Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse."
Was soll man dazu sagen, dachte die Chefin, und merkte, dass sie doch etwas müde wurde.
Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Sonntag, 31. Oktober 2010
Samstag, 30. Oktober 2010
1230.
Es war ein herrliches Konzert, seufzte Dame Ö begeistert, und ihre Freundin, die Gattin des ehemaligen Chefs, nickte, ebenfalls entzückt - sodann entfernten sie sich Schritt für Schritt vom Konzertsaal und Satz für Satz vom Gehörten, indem sie den abflauenden Überschwang durch maßvolle Kritik und ein in ihr nur umso deutlicher hervortretendes Lob ersetzten.
Freitag, 29. Oktober 2010
1229.
Mo balancierte auf den Ohren des großen Sessels, welchen die Kreativleitung in ihrer Häuslichkeit noch hatte, mit einer honigtropfenden Apfelscheibe herum und folgte mit ihren Lemurenaugen einem ziemlich matt wirkenden Marienkäfer, der sich betont langsam von einem Blumentopf zum anderen bewegte.
Donnerstag, 28. Oktober 2010
1228.
Der Streit zwischen den beiden Minderheitlern darf hier ruhig dokumentiert werden, ja, er sollte es sogar, sagte der Demokratiebeauftragte in seinem leicht näselnden Tonfall, in dem immer ein Dozierendes war, weches anzeigte, dass es sich um eine wichtige Frage handele, und da fasste er auch schon zusammen: der Minderheitler mit den grünen Borsten hatte sich, hochangeregt durch eine Abendveranstaltung zum allfälligen Kampf der Kulturen, erstaunt über die Tabuisierung der Polygamie in unseren Breiten geäußert, erst neulich habe er wieder gehört, dass sich sogar Leute über ihre Einführung durch Migranten aufregen könnten, und die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den ewig rotgeränderte Augen hatte ihm recht lange zugehört, um schließlich einzuwerfen, sie sei eigentlich nicht missgünstig gestimmt, aber man möge doch bedenken, dass diese selbe so sehr tolerante und tolerable Polygamie nur für eine Hälfte der betroffenen Menschen gelte und mehr sei als Monogamie, für die andere Hälfte hingegen bleibe weniger als Monogamie, und das in Verbindung mit schärfsten Restriktionen an denselben Fakultäten, denen durch die Polygamie für die männliche Hälfte der Welt gewisse Entlastungen gewährt würden, es leuchte ihr einfach nicht ein, wie man das übersehen könne, und als er in der Miene der Chefin keine wesentlichen Reaktionen sah, gab der Demokratiebeauftragte zu, er könne sich dieser Ansicht durchaus anschließen, während der Minderheitler mit den grünen Borsten kühn behauptete, es handele sich um eine familiäre Angelegenheit der Betroffenen, die müssten es wollen, dann werde es auch, die Welt sei nun einmal wie sie sei, da müsse man das Beste draus machen.
Mittwoch, 27. Oktober 2010
1227.
Der erzählende Kranich in seinem Winterquartier sah plötzlich gelbe Ginko-Blätter an den Fensterscheiben vorbei segeln, und er sagte nervös, das kann doch nicht sein, ich wüsste doch, wenn draußen Ginkos stünden, aber sein aufgeregtes Flattern alarmierte nur die Dame Ö, und auch nur wegen der Federn.
Dienstag, 26. Oktober 2010
1226.
Warum bist du soo dunkelgrün, fragte Mo entsetzt, und die Kreativleitung, die nach dem Besuch bei ihrer Freundin erschöpft auf den Teppich fiel, sagte, der Armen ist etwas Schreckliches passiert, und ich konnte sie nicht trösten, denn das kann man dann nicht, warum durfte ich nicht mit, fragte Mo, ich weiß, wie diese Sachen sind, weil du mit geheult hättest, sagte die Kreativleitung, und das wäre bei dieser Freundin zwar nicht verboten, aber es hätte sie nur zusätzlich belastet, hat Precuneus angerufen, wieso sollte er, fragte Mo, denn sie war noch sauer, schon gut, sagte die Kreativleitung, soll ich, wenn er dann morgen anruft, trotzdem nett sein, fragte die Kreativleitung, und Mo sagte, ich würds von seinem Gesichtsausdruck abhängig machen, und natürlich von meinem Gefühl, danke für deine hilfreichen Auskünfte, Kleines, sagte die Kreativleitung, und drehte sich mürrisch um.
Montag, 25. Oktober 2010
1225.
Am anderen Tage hatte der Kwaliteitswart diesen zynischen und menschenverachtenden Song des Zeichners von Didi und Stulle gefunden und überreichte ihn Karomütze mit Komplimenten, und er sagte: bring ihn mir bloß nicht wieder zurück, die allgemeinste Verteidigung wird es womöglich zerstören, die findet es irgendwie nicht gut.
Sonntag, 24. Oktober 2010
1224.
"Alle Menschen werden Brüderle, sagte Herr Böwingloh aus Gütersloh und Herr von Hohenlohe…" kalauerte und krähfabulierte der kleine Juli, als er den Bericht über … das geht wirklich nicht, Mo, sagte der Kwaliteitswart, in dessen Wohnung die Kreativleitung mit ihrem Wesengarten zu Besuch war, das geht nicht, du musst bedenken, wenn wir auch noch die Liberalen gegen uns aufbringen, werden wir untergehen im Geschwalle über die erhabenen Werte und Tugenden und dass man es so wie du und deine Kreativleitung nun wirklich nicht machen darf, gut ist, wer… und schlecht hingegen ist wer… und die einzigen, die ein Einsehen haben, sind die Leute in den kleinen Parteien und im bürgerlichen Lager die Liberalen… aber wieso werde ich jetzt dafür verantwortlich gemacht, dass der kleine Juli sowas sagt, maulte Mo, und die Kreativleitung wollte sich ausschütten vor Lachen…
Samstag, 23. Oktober 2010
1223.
Also was will er denn nun noch hier, knurrte der Kwaliteitswart, der soeben ein paar blogs kontrollierte und in einem doch tatsächlich auf ein Photo von Mr. Precuneus stieß, er könnte doch nun allmählich mal wieder abreisen, er hat seine Aufklärung bekommen, seine Polizeihochschule braucht ihn doch, er ist so uitmuntend und staat in so hoog aanzien, der kann sich doch eher mal dem Blog "Die Stützen der Gesellschaft" andienen, hier stört er nur, und Karomütze, der neben ihm saß, staunte ein bisschen, denn eigentlich war der Kwaliteitswart meistens etwas cooler und ein netterer Kumpel für die Wochenendschicht.
Freitag, 22. Oktober 2010
1222.
Die Nachrichten sind nicht so schön heute, sagte die Dame Ö, als sie die Zeitung zuende gelesen hatte, und trat ans Fenster, denn sie meinte eigentlich nur eine Nachricht und musste darüber nachdenken, ob sie sich zu ihr verhalten könne.
Donnerstag, 21. Oktober 2010
1221.B
Das Gutachten des Mr. Precuneus:
Gutachten über den Fall Mo. Erstellt von Mr. Precuneus, Abgesandter der Polizeihochschule Accra.
Recherchezeit: Knapp zwei Jahre.
Methode: Teilnehmende Beobachtung. Nachdenken.
Die Geschichte des kleinen Wesens, welches ich zunächst für eines jener Monstren mit besonderen Fähigkeiten hielt, denen man in unseren Breiten furchtsame Verehrung entgegenbringt, weil sie über eigentümliche, mit rationalen Methoden nicht erklärbare Weisheiten verfügen, entpuppte sich als ein relativ normales weibliches Wesen, welches in einer Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen die Möglichkeiten, die sich einer Frau dadurch eröffneten, auf tragische Weise überschätzt hatte und deswegen in Schwierigkeiten geraten war, welche zu Gefangenschaft und Schrumpfung führten, aus der es sodann in der EinSatzLeitung mit viel Mühe wieder herausgepäppelt worden war zu einer leidlich erträglichen und zuweilen sogar vergnügten Existenz.
Mo hatte in einem früheren Werke in jener weit weit zurückliegenen Zeit ihres Lebens, in der sie eine große kluge Frau gewesen war, sehr tiefsinnige Überlegungen über einige elementare und universale Institutionen der Welt angestellt, nämlich über: Religion, Familie und Prostitution. Die kommen alle zu allen Zeiten überall vor, hatte sie gedacht, und es war ihr irgendwie seltsam erschienen, wie Familien und Religionen einander unterstützten, während sie in der dritten Institution Menschen zu etwas zwischen Genussmitteln und Abfall und zu Trägern alles Bösen machten. In der Zeit ihrer Studien schien die Welt offen und frei zu sein, und auf hunderten von Buchseiten hatte sie gelesen, wie die Männerwelt die Frauenwelt spalte in Huren und Heilige und wie dabei außer in Schweden immer die Blamage bei den Frauen, die ihr Geld auf dem sogenannten Strich verdienten, blieb, während die Freier, die ihre heimlichen Gelüste auf offener Straße an, soweit Mo sehen konnte, eher armselige Frauenkinder abschoben, sich woanders noch brüsteten, wie viel besser sie selbst seien als ihre verdammten Huren, worin sie natürlich von ihren eher braven Frauen zuhause unterstützt wurden. In der Zeit, in der Mo studierte, standen nicht nur die Kirchen und die Familien zur Diskussion, sondern theoretisch war alles offen und man durfte alles und man durfte es auch neu definieren. Mo, die immer gern geschrieben hatte, dachte daran, einmal nicht im Stile der wissenschaftlichen Genderforschung darüber zu schreiben, sondern anders. Irgendwie so, dass die Spaltung zwischen der dummen Hure und der intelligenten Frau, die man heiratet, damit die Kinder gebildet aufwachsen, zwischen der vermeintlich bindungslosen Hetäre und dem verblödeten Familienweibchen, zwischen der harten Karrierefrau ohne Geschlecht und der Geschlechtsfrau ohne Verstand und Karriere mal nicht gewannen. Wo man die hässlichen systematischen Unterseiten der erhabenen Theologie bloßlegte und die vermeintlichen Mysterien offen diskutierte, wo man die Familien oder einzelne ihrer Mitglieder scharenweise zu Therapien trieb, wo man Sexualaufklärung über die Fernseher laufen ließ, um langweilige und unbefriedigende Ehen zu reparieren, und über die Legalisierung der Sexarbeiter sprach, wo Frauen bei Friseuren nicht nur über die Seitensprünge ihrer Gatten klagten, sondern sich auch zunehmend stylen ließen, als hätten auch sie mit den Accessoirs der Verruchtheit schon Verfügung über die Verführmacht jener ukrainischen Zwangsprostituierten, welche den braven Ehemännern Erholung boten von ihren anstrengenden Lebensweisen, da, hatte Mo gedacht, wäre es doch Zeit für ein kleines Büchlein, in dem man die Theorien der Großphilosophen mal bearbeitete, als ob man sie von unten und aus den Hinterzimmern ihrer heimlich aufgesuchten Welten beschreiben könnte - aber in einer Sprache, die es mit der jener hochmögenden Freier, wie sie sie sich vorstellte, aufnahm und möglichst viele Illusionen zerstörte.
Das Werk zu schreiben hatte ihr Spaß gemacht, und sie hatte es sogar mit netten kleinen Bildern versehen, in denen sie „sich“ tatsächlich einem einzigen Geliebten so anzubieten schien, wie dieser sich eine besonders aufregende Frau vorstellen mochte. Das Büchlein hatte aber die Eifersucht des Geliebten erregt, und so hatte sie zwar – da sie ihn liebte und seine Gefühle berücksichtigen wollte - nicht sich selbst verschleiert, aber immerhin das kleine opusculum nicht weiter publik gemacht. Irgendwie jedoch, und da sie vor dieser Entscheidung leichtsinnigerweise schon einmal mit einem ihr bekannten Verleger über Veröffentlichungsmöglichkeiten gesprochen hatte, da sie ferner das zurückgewiesene Geschenk noch bei sich verwahrte, ohne es besonders zu schützen, wenn sie ihre Wohnung bei längerem Auslandsaufenthalte Gästen überließ, war es in falsche Hände gelangt, ohne dass sie noch hätte sagen können, in welche. Und nun war eine Lawine von Ereignissen über sie hereingebrochen, die sie anfangs vor allem zum Lachen brachte: Immer wieder wurde sie mit dem Verdacht konfrontiert, sie sei selbst einmal Prostituierte gewesen oder betätige sich gar noch auf diesem Gebiete. Zuerst hatte sie wie gesagt gelacht und gesagt, und wenn, dann würde ich es nicht verheimlichen. Denn sündiger als der Freier im Frack, der sein Freizeitvergnügen geheim halte, könne die Frau, die ihn in diesen Fragen bediene, ja wohl kaum sein. Aber es liegt mir nicht so, verstehen Sie, ich würde aus ökonomischen Gründen nicht einmal heiraten, geschweige denn schnelle Nummern geben. Mich interessiert einfach nur die Struktur der Veranstaltung. Nun, das hatte man ihr nicht verziehen. Man brachte das Büchlein und noch viel mehr Texte an sich, man machte damit Profit und hetzte sie nach dem üblichen Mechanismus autopoietischer Systeme, in denen alle alles wissen bis auf die Person, über die gesprochen wird und die "abgezogen" wird. Man tat das, bis sie sich zu jemandem flüchtete, der sie dann prompt gefangen nahm, denn, das hatte man ja gehört, sie sei nun einmal ihrer Natur nach verworfen, bindungslos und eine Hure, er wolle sie aber für sich haben und zum Heil führen. Damit er dazu auch Gelegenheit bekomme, erzählte er, wo immer sie vorstellig wurde, um ihre nicht unterentwickelten geistigen Fähigkeiten in ein ökonomisches Rückgrat zu verwandeln, dass sie in Wahrheit eine Hure, gefährlich für jeden verheirateten Mann und von unrettbar verworfenem Charakter, im übrigen auch keineswegs teamfähig sei, er aber in seiner großen Güte und Geduld werde sie retten und wieder hinführen in ein Gehäuse, das mit guten Gründen geplatzt war, sie nannte es ein stählernes, nun saß sie in einem Käfig, in dem sie zugerichtet werden sollte für den richtigen Gebrauch durch den richtigen Besitzer, den man für den rechtmäßigen hielt. Man bewunderte den tapferen und tüchtigen Herren, welcher sich so großmütig bereit erklärt hatte zu ihrer Zurichtung und sich, ohne irgendeinen Gebrauch von ihr zu machen, vor ihrem Käfig an einen großen Flügel setzte und ihr Musik vorspielte, damit sie doch ein Gefühl bekäme für das, was wirklich gut und erhaben sei, und ein Bewusstsein ihrer Sündigkeit. Wenn den Mann – welcher nach allem, was wir darüber wissen, von sadistischen Neigungen nicht ganz frei war – ein Bedürfnis überkam, ging er zu Prostituierten, sich davon zu entlasten. Irgendwann war er so geachtet, dass er gar nicht mehr zahlen musste – jedes junge Ding wollte ihn einmal erleben, und er war dann auch durchaus großzügig. Umso wütender pflegte er zu sein, wenn er sich nach seiner Rückkehr dann wieder an seinen Flügel setzte und im Käfig nichts als ein verstocktes Mogesicht sah, und umso heftiger schimpfte er auf die Verworfenheit zügelloser Weiber, die Ungläubigkeit und mangelnde Dankbarkeit in der Welt usw. Mo hörte irgendwann auf, zu reden oder ein verstocktes Gesicht zu machen oder zu fragen. Sie saß im Käfig und schrumpfte und schrumpfte. Irgendwann wurde sie sich selbst nur noch ein Es. Die Geschichte ihrer Befreiung und ihrer schließlichen Aufnahme in die Kreativabteilung der EinSatzLeitung ist bekannt. Eher putzige Details wurden durch die anschließenden Befragungen des "rechtmäßigen Besitzers," des Flügellanten und weiterer früherer Bekannter zu einem Dessert verrührt. Mit der Mo, die ich in der EinSatzLeitung kennenlernte, hatte das alles gar nichts zu tun - und ich durfte mir einbilden, dass die Gespräche, welche ich mit dem Wesen im Laufe der zwei Jahre führte, einiges zur Verbesserung seines Befindens beitrugen, denn vieles von dem, was sie aufschrieb, schien bestenfalls von der Kreativleitung verstanden zu werden, und erstaunlicherweise muss der ehemalige Chef sie immer in Schutz genommen haben, solange in der EinSatzLeitung ihre Zugehörigkeit noch nicht anerkannt war. Ungeachtet zwischenzeitlich auftretender Querelen innerhalb der EinSatzLeitung, die sogar den ehemaligen Chef, die neue Chefin und die Kreativleitung zeitweilig in verschiedene Lager aufspaltete, blieb Mos Mitarbeit konstant, gemeinsam mit einem ebenfalls frei assoziierten Kranich leistete sie einiges, um die Vorherrschaft ehemals ziemlich penetranter Vögel erheblich einzudämmen - und mir war sie stets eine freundliche Gastgeberin. Die Geschichte, die nach und nach aus verschiedenen Quellen zutage kam, war mir unter anderem deswegen so erstaunlich, weil zunächst einfach nichts zusammen zu passen schien. Wir Ghanaer sind aber gehalten, von den Europäern zu lernen. Von unseren Studien soll immer ein Vorteil mit in die Heimat genommen werden, so wie wir auch den uns heimsuchenden Ethnologen nur empfehlen können, aus unseren Fehlern ebenso zu lernen wie von unseren oft unterschätzten Errungenschaften.
Wir dürfen, [schloss Precuneus seinen Bericht für die Polizeihochschule in Ghana], aus diesem Fall, der vielen Leuten viel Kopfzerbrechen bereitet hat und den zu seiner Klärung eingesetzten Kräften keinerlei Ansätze zur Lösung mehr geboten hatte, dreierlei lernen:
1. Es ist auch in der westlichen und nördlichen Welt nicht alles Gold, was glänzt, und die sogenannte Freiheit und die sogenannte Gleichberechtigung von Mann und Frau endet an den Frauen, die Geist und Leib selbstbewusst beieinander haben.
2. Wenn wir auf eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus sind, sollten wir von vornherein die Verschiedenheit der beiden im Auge behalten und dann für beide Geschlechter rigoros darauf achten, dass man niemandem aus irgendeiner vermeintlichen sexuellen Orientierung irgendeinen gesellschaftlichen Strick drehen darf – es sollte vielmehr so sein, dass jeder, der über das Privatleben der anderen richtet, obwohl nichts daran gegen die Gesetze verstößt und niemand zu Schaden kommt, selbst mehr Schaden erleidet als der, über den da geredet wird.
3. Freiheitsberaubungen und Ehrabschneidungen müssen mit schärferen Tabus umstellt werden als die freie Rede, und für Nachforschungen in bestimmten Problemfällen sollte die Methode der EinSatzLeitung vorbildlich sein: immer jemanden aus einer vollkommen fremden Kultur dazu holen, der unbefangen von allen innerhalb einer Kultur unbefragt gültigen Werturteilen einfach alles in Zweifel zieht und alles für möglich hält und sich im elementar Menschlichen nicht leicht täuschen lässt: denn diese meine Qualifikationen habe ich keiner anderen Fakultät als meiner fast hundertprozentigen Fremdheit zu verdanken.
Ich würde nun die EinSatzLeitung nach Erfüllung meines Auftrages gern wieder verlassen und in meine Heimat zurückkehren, aber es hat sich in der Zwischenzeit ein neues Problem eingestellt, das ich sehr gern noch klären möchte. Ich bitte darum die Kollegen noch um etwas mehr Zeit zum Abschluss auch dieser Arbeiten. Mo hat Interesse geäußert, auch einmal mit nach Accra zu kommen. Solange ich dachte, sie hätte übermenschliche Fähigkeiten, war ich sicher, man würde sie dort feiern und anschließend eher nicht leben lassen. Nun scheint aber ihre Entwicklung einen sehr anderen Verlauf zu nehmen, ich bin mir ihrer übernatürlichen Fähigkeiten nicht mehr so sicher, glaube aber dafür, dass sie von einer Reise sehr profitieren könnte. Weniger sicher bin ich mir, dass man von ihren Fähigkeiten bei uns Gebrauch machen könnte. Aber eine vierte Lehre aus meinem hiesigen Aufenthalt lautet: Wir wissen nie, wie eine Konstellation von Mensch und Ort oder Ort und Mensch und Mensch und Mensch ausgehen wird, bevor wir es nicht probiert haben.
Den Kolleginnen und Kollegen danke ich wie immer für die großzügige Unterstützung und große Geduld mit meiner Arbeit - und ich hoffe natürlich, mit der Aufklärung des Falles den Erwartungen zu entsprechen. Für Rückfragen stehe ich wie stets zur Verfügung. Ich sehne mich wohl nach meiner Heimat - aber inzwischen bin ich fast schon ein Berliner geworden.
Passt gut auf unser Land auf, solange ich nicht da bin, und seid herzlich gegrüßt von eurem
Mr. Precuneus
Gutachten über den Fall Mo. Erstellt von Mr. Precuneus, Abgesandter der Polizeihochschule Accra.
Recherchezeit: Knapp zwei Jahre.
Methode: Teilnehmende Beobachtung. Nachdenken.
Die Geschichte des kleinen Wesens, welches ich zunächst für eines jener Monstren mit besonderen Fähigkeiten hielt, denen man in unseren Breiten furchtsame Verehrung entgegenbringt, weil sie über eigentümliche, mit rationalen Methoden nicht erklärbare Weisheiten verfügen, entpuppte sich als ein relativ normales weibliches Wesen, welches in einer Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen die Möglichkeiten, die sich einer Frau dadurch eröffneten, auf tragische Weise überschätzt hatte und deswegen in Schwierigkeiten geraten war, welche zu Gefangenschaft und Schrumpfung führten, aus der es sodann in der EinSatzLeitung mit viel Mühe wieder herausgepäppelt worden war zu einer leidlich erträglichen und zuweilen sogar vergnügten Existenz.
Mo hatte in einem früheren Werke in jener weit weit zurückliegenen Zeit ihres Lebens, in der sie eine große kluge Frau gewesen war, sehr tiefsinnige Überlegungen über einige elementare und universale Institutionen der Welt angestellt, nämlich über: Religion, Familie und Prostitution. Die kommen alle zu allen Zeiten überall vor, hatte sie gedacht, und es war ihr irgendwie seltsam erschienen, wie Familien und Religionen einander unterstützten, während sie in der dritten Institution Menschen zu etwas zwischen Genussmitteln und Abfall und zu Trägern alles Bösen machten. In der Zeit ihrer Studien schien die Welt offen und frei zu sein, und auf hunderten von Buchseiten hatte sie gelesen, wie die Männerwelt die Frauenwelt spalte in Huren und Heilige und wie dabei außer in Schweden immer die Blamage bei den Frauen, die ihr Geld auf dem sogenannten Strich verdienten, blieb, während die Freier, die ihre heimlichen Gelüste auf offener Straße an, soweit Mo sehen konnte, eher armselige Frauenkinder abschoben, sich woanders noch brüsteten, wie viel besser sie selbst seien als ihre verdammten Huren, worin sie natürlich von ihren eher braven Frauen zuhause unterstützt wurden. In der Zeit, in der Mo studierte, standen nicht nur die Kirchen und die Familien zur Diskussion, sondern theoretisch war alles offen und man durfte alles und man durfte es auch neu definieren. Mo, die immer gern geschrieben hatte, dachte daran, einmal nicht im Stile der wissenschaftlichen Genderforschung darüber zu schreiben, sondern anders. Irgendwie so, dass die Spaltung zwischen der dummen Hure und der intelligenten Frau, die man heiratet, damit die Kinder gebildet aufwachsen, zwischen der vermeintlich bindungslosen Hetäre und dem verblödeten Familienweibchen, zwischen der harten Karrierefrau ohne Geschlecht und der Geschlechtsfrau ohne Verstand und Karriere mal nicht gewannen. Wo man die hässlichen systematischen Unterseiten der erhabenen Theologie bloßlegte und die vermeintlichen Mysterien offen diskutierte, wo man die Familien oder einzelne ihrer Mitglieder scharenweise zu Therapien trieb, wo man Sexualaufklärung über die Fernseher laufen ließ, um langweilige und unbefriedigende Ehen zu reparieren, und über die Legalisierung der Sexarbeiter sprach, wo Frauen bei Friseuren nicht nur über die Seitensprünge ihrer Gatten klagten, sondern sich auch zunehmend stylen ließen, als hätten auch sie mit den Accessoirs der Verruchtheit schon Verfügung über die Verführmacht jener ukrainischen Zwangsprostituierten, welche den braven Ehemännern Erholung boten von ihren anstrengenden Lebensweisen, da, hatte Mo gedacht, wäre es doch Zeit für ein kleines Büchlein, in dem man die Theorien der Großphilosophen mal bearbeitete, als ob man sie von unten und aus den Hinterzimmern ihrer heimlich aufgesuchten Welten beschreiben könnte - aber in einer Sprache, die es mit der jener hochmögenden Freier, wie sie sie sich vorstellte, aufnahm und möglichst viele Illusionen zerstörte.
Das Werk zu schreiben hatte ihr Spaß gemacht, und sie hatte es sogar mit netten kleinen Bildern versehen, in denen sie „sich“ tatsächlich einem einzigen Geliebten so anzubieten schien, wie dieser sich eine besonders aufregende Frau vorstellen mochte. Das Büchlein hatte aber die Eifersucht des Geliebten erregt, und so hatte sie zwar – da sie ihn liebte und seine Gefühle berücksichtigen wollte - nicht sich selbst verschleiert, aber immerhin das kleine opusculum nicht weiter publik gemacht. Irgendwie jedoch, und da sie vor dieser Entscheidung leichtsinnigerweise schon einmal mit einem ihr bekannten Verleger über Veröffentlichungsmöglichkeiten gesprochen hatte, da sie ferner das zurückgewiesene Geschenk noch bei sich verwahrte, ohne es besonders zu schützen, wenn sie ihre Wohnung bei längerem Auslandsaufenthalte Gästen überließ, war es in falsche Hände gelangt, ohne dass sie noch hätte sagen können, in welche. Und nun war eine Lawine von Ereignissen über sie hereingebrochen, die sie anfangs vor allem zum Lachen brachte: Immer wieder wurde sie mit dem Verdacht konfrontiert, sie sei selbst einmal Prostituierte gewesen oder betätige sich gar noch auf diesem Gebiete. Zuerst hatte sie wie gesagt gelacht und gesagt, und wenn, dann würde ich es nicht verheimlichen. Denn sündiger als der Freier im Frack, der sein Freizeitvergnügen geheim halte, könne die Frau, die ihn in diesen Fragen bediene, ja wohl kaum sein. Aber es liegt mir nicht so, verstehen Sie, ich würde aus ökonomischen Gründen nicht einmal heiraten, geschweige denn schnelle Nummern geben. Mich interessiert einfach nur die Struktur der Veranstaltung. Nun, das hatte man ihr nicht verziehen. Man brachte das Büchlein und noch viel mehr Texte an sich, man machte damit Profit und hetzte sie nach dem üblichen Mechanismus autopoietischer Systeme, in denen alle alles wissen bis auf die Person, über die gesprochen wird und die "abgezogen" wird. Man tat das, bis sie sich zu jemandem flüchtete, der sie dann prompt gefangen nahm, denn, das hatte man ja gehört, sie sei nun einmal ihrer Natur nach verworfen, bindungslos und eine Hure, er wolle sie aber für sich haben und zum Heil führen. Damit er dazu auch Gelegenheit bekomme, erzählte er, wo immer sie vorstellig wurde, um ihre nicht unterentwickelten geistigen Fähigkeiten in ein ökonomisches Rückgrat zu verwandeln, dass sie in Wahrheit eine Hure, gefährlich für jeden verheirateten Mann und von unrettbar verworfenem Charakter, im übrigen auch keineswegs teamfähig sei, er aber in seiner großen Güte und Geduld werde sie retten und wieder hinführen in ein Gehäuse, das mit guten Gründen geplatzt war, sie nannte es ein stählernes, nun saß sie in einem Käfig, in dem sie zugerichtet werden sollte für den richtigen Gebrauch durch den richtigen Besitzer, den man für den rechtmäßigen hielt. Man bewunderte den tapferen und tüchtigen Herren, welcher sich so großmütig bereit erklärt hatte zu ihrer Zurichtung und sich, ohne irgendeinen Gebrauch von ihr zu machen, vor ihrem Käfig an einen großen Flügel setzte und ihr Musik vorspielte, damit sie doch ein Gefühl bekäme für das, was wirklich gut und erhaben sei, und ein Bewusstsein ihrer Sündigkeit. Wenn den Mann – welcher nach allem, was wir darüber wissen, von sadistischen Neigungen nicht ganz frei war – ein Bedürfnis überkam, ging er zu Prostituierten, sich davon zu entlasten. Irgendwann war er so geachtet, dass er gar nicht mehr zahlen musste – jedes junge Ding wollte ihn einmal erleben, und er war dann auch durchaus großzügig. Umso wütender pflegte er zu sein, wenn er sich nach seiner Rückkehr dann wieder an seinen Flügel setzte und im Käfig nichts als ein verstocktes Mogesicht sah, und umso heftiger schimpfte er auf die Verworfenheit zügelloser Weiber, die Ungläubigkeit und mangelnde Dankbarkeit in der Welt usw. Mo hörte irgendwann auf, zu reden oder ein verstocktes Gesicht zu machen oder zu fragen. Sie saß im Käfig und schrumpfte und schrumpfte. Irgendwann wurde sie sich selbst nur noch ein Es. Die Geschichte ihrer Befreiung und ihrer schließlichen Aufnahme in die Kreativabteilung der EinSatzLeitung ist bekannt. Eher putzige Details wurden durch die anschließenden Befragungen des "rechtmäßigen Besitzers," des Flügellanten und weiterer früherer Bekannter zu einem Dessert verrührt. Mit der Mo, die ich in der EinSatzLeitung kennenlernte, hatte das alles gar nichts zu tun - und ich durfte mir einbilden, dass die Gespräche, welche ich mit dem Wesen im Laufe der zwei Jahre führte, einiges zur Verbesserung seines Befindens beitrugen, denn vieles von dem, was sie aufschrieb, schien bestenfalls von der Kreativleitung verstanden zu werden, und erstaunlicherweise muss der ehemalige Chef sie immer in Schutz genommen haben, solange in der EinSatzLeitung ihre Zugehörigkeit noch nicht anerkannt war. Ungeachtet zwischenzeitlich auftretender Querelen innerhalb der EinSatzLeitung, die sogar den ehemaligen Chef, die neue Chefin und die Kreativleitung zeitweilig in verschiedene Lager aufspaltete, blieb Mos Mitarbeit konstant, gemeinsam mit einem ebenfalls frei assoziierten Kranich leistete sie einiges, um die Vorherrschaft ehemals ziemlich penetranter Vögel erheblich einzudämmen - und mir war sie stets eine freundliche Gastgeberin. Die Geschichte, die nach und nach aus verschiedenen Quellen zutage kam, war mir unter anderem deswegen so erstaunlich, weil zunächst einfach nichts zusammen zu passen schien. Wir Ghanaer sind aber gehalten, von den Europäern zu lernen. Von unseren Studien soll immer ein Vorteil mit in die Heimat genommen werden, so wie wir auch den uns heimsuchenden Ethnologen nur empfehlen können, aus unseren Fehlern ebenso zu lernen wie von unseren oft unterschätzten Errungenschaften.
Wir dürfen, [schloss Precuneus seinen Bericht für die Polizeihochschule in Ghana], aus diesem Fall, der vielen Leuten viel Kopfzerbrechen bereitet hat und den zu seiner Klärung eingesetzten Kräften keinerlei Ansätze zur Lösung mehr geboten hatte, dreierlei lernen:
1. Es ist auch in der westlichen und nördlichen Welt nicht alles Gold, was glänzt, und die sogenannte Freiheit und die sogenannte Gleichberechtigung von Mann und Frau endet an den Frauen, die Geist und Leib selbstbewusst beieinander haben.
2. Wenn wir auf eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus sind, sollten wir von vornherein die Verschiedenheit der beiden im Auge behalten und dann für beide Geschlechter rigoros darauf achten, dass man niemandem aus irgendeiner vermeintlichen sexuellen Orientierung irgendeinen gesellschaftlichen Strick drehen darf – es sollte vielmehr so sein, dass jeder, der über das Privatleben der anderen richtet, obwohl nichts daran gegen die Gesetze verstößt und niemand zu Schaden kommt, selbst mehr Schaden erleidet als der, über den da geredet wird.
3. Freiheitsberaubungen und Ehrabschneidungen müssen mit schärferen Tabus umstellt werden als die freie Rede, und für Nachforschungen in bestimmten Problemfällen sollte die Methode der EinSatzLeitung vorbildlich sein: immer jemanden aus einer vollkommen fremden Kultur dazu holen, der unbefangen von allen innerhalb einer Kultur unbefragt gültigen Werturteilen einfach alles in Zweifel zieht und alles für möglich hält und sich im elementar Menschlichen nicht leicht täuschen lässt: denn diese meine Qualifikationen habe ich keiner anderen Fakultät als meiner fast hundertprozentigen Fremdheit zu verdanken.
Ich würde nun die EinSatzLeitung nach Erfüllung meines Auftrages gern wieder verlassen und in meine Heimat zurückkehren, aber es hat sich in der Zwischenzeit ein neues Problem eingestellt, das ich sehr gern noch klären möchte. Ich bitte darum die Kollegen noch um etwas mehr Zeit zum Abschluss auch dieser Arbeiten. Mo hat Interesse geäußert, auch einmal mit nach Accra zu kommen. Solange ich dachte, sie hätte übermenschliche Fähigkeiten, war ich sicher, man würde sie dort feiern und anschließend eher nicht leben lassen. Nun scheint aber ihre Entwicklung einen sehr anderen Verlauf zu nehmen, ich bin mir ihrer übernatürlichen Fähigkeiten nicht mehr so sicher, glaube aber dafür, dass sie von einer Reise sehr profitieren könnte. Weniger sicher bin ich mir, dass man von ihren Fähigkeiten bei uns Gebrauch machen könnte. Aber eine vierte Lehre aus meinem hiesigen Aufenthalt lautet: Wir wissen nie, wie eine Konstellation von Mensch und Ort oder Ort und Mensch und Mensch und Mensch ausgehen wird, bevor wir es nicht probiert haben.
Den Kolleginnen und Kollegen danke ich wie immer für die großzügige Unterstützung und große Geduld mit meiner Arbeit - und ich hoffe natürlich, mit der Aufklärung des Falles den Erwartungen zu entsprechen. Für Rückfragen stehe ich wie stets zur Verfügung. Ich sehne mich wohl nach meiner Heimat - aber inzwischen bin ich fast schon ein Berliner geworden.
Passt gut auf unser Land auf, solange ich nicht da bin, und seid herzlich gegrüßt von eurem
Mr. Precuneus
1221.
In einer ordentlichen Sitzung wurde in Anwesenheit aller EinSatzKräfte darüber beraten, ob das Gutachten, welches Mr. Precuneus endlich über den Fall Mo verfasst hatte, so nun an die Polizeihochschule in Ghana verschickt werden dürfe - lediglich Mo hatte darum gebeten, gemeinsam mit dem erzählenden Kranich, der nicht ohne eine gewisse Verbitterung über seine eigene Zögerlichkeit die Nachricht von der glücklichen Ankunft seines alten Schwarmes im Winterquartier entgegengenommen und sich soeben an die Errichtung eines eigenen Winterquartiers in der Kreativabteilung der EinSatzLeitung gemacht hatte, der Sitzung fernbleiben zu dürfen: natürlich war es ihr gestattet worden, nicht nur, weil man beim Besprechen ihres Falles Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen wollte, sondern auch, weil sie doch ohnehin nicht eigentlich eine EinSatzKraft sei, sondern einfach nur eine Mo, immer gern gesehen, eine geförderte und unterhaltene und unentbehrliche Mitarbeiterin für die Produktion, aber - anders als die Kreativleitung selbst - eben keine Funktionsträgerin im engeren Sinne, als Sprecherin auch für ihre Belange versprach die Kreativleitung aufzutreten.
Mittwoch, 20. Oktober 2010
1220.
Der oberste Brachvogel in seinen Höhen sprach zum zweitobersten Brachvogel, welchem er soeben eine Audienz gewährte, zu der er ihn mit recht barschen Worten vorgeladen hatte: "ein schöner Rücken kann auch entzücken, aber um diese Jahreszeit wird es mir immer etwas viel, wenn alle meine lieben Zugvögel so unter mir dahin fliegen, fürchterlich zielstrebig sehen sie immer aus, um jedes einzelne Wesen muss man sich sorgen, dauernd starrt man ängstlich auf diese angespannt schwebenden Vogelrücken, Sie verstehen, das ist eine Bürde eigener Art," und der zweitoberste Brachvogel, welcher es so noch nie gesehen hatte, schwieg bedrückt, denn was konnte er tun, er hatte sie schließlich nicht so erschaffen, so krächzte er nur verlegen und sagte, er werde sich darum kümmern, aber es beschämte ihn sehr und von allen Seiten.
Dienstag, 19. Oktober 2010
1219.
Erst hatte Karomütze nicht gewusst, ob er lachen oder schreien sollte, als er in der Air-France-Werbung Globen sah, die sich um einen hübschen Damenhals legten als eine Art Halskette, es gab eine Sekunde, in der ihn nichts als sein Sammlerinstinkt regierte, so dass er sich sagte, diese Globen will ich haben, möglichst mit DNA-Spuren der Schönen dran, aber schließlich kopierte er einfach das Bild und nahm es zu Protokoll und ging ins Büro der Chefin, um zu sagen, können wir bitte herausfinden, welcher Werbefuzzi diese Idee hatte, und könnten Sie bitte endlich energischere Schritte unternehmen, um diese Dinge so zu gestalten, dass wir wenigstens ein bisschen profitieren von den Wegen, die unsere Erzeugnisse in der Welt machen, es muss doch irgendwo in der Welt einen Anwalt geben, der hier nicht nur eine für ihn sehr einträgliche Erforschung sieht, sondern auch über etwas mehr Mittel zur Realisierung verfügt als wir hier, und ich denke, ich habe Ihnen jetzt ausreichend Material vorgelegt, um einen solchen Auftrag zu starten - die Chefin aber sagte, Sie sollten sich dennoch um einen angemessenen Ton bemühen, junger Mann, ich will Ihre Verdienste keineswegs schmälern, aber für meine Gespräche mit den Juristen müssen die Dinge eben justiziabel sein, und Sie werden im übrigen verstehen, dass ich nicht ausgerechnet jemanden, der über Monate aktiv gegen mich gearbeitet hat, dazu legitimieren kann, jetzt den Antreiber zu spielen, nicht wahr?
Montag, 18. Oktober 2010
1218.
Am anderen Tag war es wieder die Chefin, die das Büro zuletzt verließ - und sie verließ es nicht mit irrsinnig guten Nachrichten.
Sonntag, 17. Oktober 2010
1217.
Die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den ewig rot geränderten Augen hatte sich die Sonntagsschicht langweiliger vorgestellt als sie war, tatsächlich musste sie zu einem EinSatz nach draußen, und als sie zurückkehrend erst in der letzten Minute ihren EinSatz schrieb, fand sie, sein Inhalt dürfe durchaus lauten: Sonntags muss doch nicht unbedingt ein EinSatz in die Welt gestellt werden!
Samstag, 16. Oktober 2010
1216.
Immer mehr Kraniche erhoben sich in die Lüfte über den schwer ins Land hängenden Wolken, und die feuchte Kälte, die dem erzählenden Kranich ins Gefieder kroch, erinnerte ihn bedrohlich an die Kälte seiner Stelzen im vergangenen Winter, wenn er der Luft und des Gefieders wegen doch einmal seinen Platz in der Kreativabteilung der EinSatzLeitung verlassen hatte- so beschloss er, sich bei den letzten noch im Lande weilenden Artgenossen recht energisch nach ihrem Reiseziel zu erkundigen und seine eigene Flugtauglichkeit von einem erfahrenen Kranich überprüfen zu lassen, denn eine solche Reise konnte man nicht völlig untrainiert antreten, das war ihm wohlbewusst.
Freitag, 15. Oktober 2010
1215.
Es war dies nicht nur ein grauer Tag, sondern auch etwas wie eine vernebelte Offenbarung, etwas wie eine krustige Verschiebung, etwas wie eine missliche Verfehlung, etwas wie eine unterlaufene Verpampung, eine grantige Verpatzung für die Dame Ö, welche eben dabei war, ihre brave Braue ebenso wie die berühmt-berüchtigte Hüpfbraue zu zupfen, als ihr Nachwuchs anrief, um - ausgerechnet in diesem Augenblick - gegen seine notorische Benennung als Nachwuchs Ö energisch zu protestieren, Nachwuchs, schimpfte er in den Hörer (natürlich nicht in den Hörer, wer trennt heutzutage schon noch Hörer und Telefon, allenfalls die Gegensprechanlagen, die wiederum mit Telefonen doch eigentlich nichts zu tun haben), Nachwuchs, ich bin doch kein Barthaar, das immer nachwächst, das hättest du gerne, nie hast du mich losgelassen, immer nur als ein Teil von dir, das ist überhaupt nicht gesund, und die Dame Ö ließ ihre Pinzette fallen, hielt ihr Telefon etwas vom Ohr weg, ja, sie streckte sogar einmal den Arm pathetisch von sich, nur um dann das Gerät wieder näher an ihr Ohr zu holen und zu seufzen, ach Liebchen, wo hast du das denn jetzt wieder gelesen, aber das war natürlich erst recht nicht richtig, du nimmst mich nicht ernst, du nimmst mich überhaupt nicht ernst, du hast mich noch nie ernstgenommen, immer kreist du nur um dich und deine EinSatzLeitung, schrie ihr Nachwuchs, und die Dame sagte, das ist eigentlich eine gute Idee, vielleicht solltest du mich auch jetzt besser nicht mehr daran hindern, um mich und meine EinSatzLeitung, die du dankenswerterweise heute gar nicht meine dämliche EinSatzLeitung nennst, zu kreisen oder zu kreiseln, sondern mich in Ruhe meinen ziemlich übel zusammengebrauten Nachwuchs über den Augen zupfen lassen, wenn du verstehst was ich meine, und sie klopfte ein paar mal energisch mit der Pinzette gegen das Telefoncorpus, denn mit solchen Teufeleien schien sie ihrem Kind doch mehr Freude zu bereiten, als wenn sie sich nun auch noch verteidigt hätte, etwa nicht?
Donnerstag, 14. Oktober 2010
1214.
Der Kreativleitung war es ein bisschen unangenehm, als die Chefin kurz vor Feierabend noch einmal bei ihr hereinschaute und sagte, bitte, wenn du über mich schreibst und gar noch von Maßregelungen berichtest, könntest du bitte bedenken, dass ich wirklich immer von Mitarbeitern spreche und niemals von Untergebenen, und die Kreativleitung merkte, es war im Grunde sehr unangenehm und sie wollte es nicht, so murmelte sie, glaubst du wirklich, dass sowas einen Unterschied macht, fast hätte sie noch gesagt, ich hatte dich mal für klüger gehalten, aber aus irgendeinem Grund verkniff sie sich diese Bemerkung.
1213.
Anstatt sich mit Ihrem Untergebenen zu raufen, sollten Sie bitte lieber wieder darauf achten, dass die EinSätze pünktlich erfolgen, sagte die Chefin zum Buchhalter, und sie wirkte dabei eher kühl.
Dienstag, 12. Oktober 2010
1212.
Hahahahahahahahahahahahahahahahahah, schrie der Buchhalter und riss am Kragen des Oberassistenten, ist ja zuuuu lustig, was, hahahahahahahahahhahahahah, hahah, hah, ja was, zwölfzwölf, undsoweiter, jawartensiedochmalabwaserstpassiertwennwirbeivierzehnvierzehnsind, aber das kennen Sie ja in Ihrer Generation nicht mehr, Sie elender Marzipanfresser, oder haben Sie etwa noch Lok Vierzehnvierzehn geht auf Urlaub gehört, waaaas, Sie, und nebenbei immer das Marzipan in sich rein, immer rein damit, klar, damit die Speckröllchen nur so kullern, wie, das waren noch Schallplatten damals, nichts mit Ipod undsoweiter, isschönkuschlichmeinbauchdaoderwatt, sagte der Oberassistent, der sich gleichwohl ein wenig Mühe geben musste, um seinen unmittelbaren Vorgesetzten auf ein etwas ruhigeres Gleis zu bringen, denn der wurde allmählich lästig, und diese ganze Nummer nur deswegen, weil der Oberassistent sich erlaubt hatte zu sagen, na, Buchhalterchen, heute mal eine Schokoladentorte aufs Nümmerchen, so schlimm war das doch wirklich nicht, auch unterschätzte der Buchhalter den Wert, welchen der Oberassistent auf die Weißheit seines Kragens legte.
Montag, 11. Oktober 2010
1211.
Du sollst doch nicht fernsehen, sagte die Kreativleitung zu Mo, als sie diese vor einer Sendung mit Ingrid Betancourt antraf, aber Mo reagierte nicht.
Sonntag, 10. Oktober 2010
1210.
"Weicher als der Klang des Altsaxophons wiegte sich das Sonnenlicht auf den honigblond hügelnden Wäldern," deklamierte Mo, welche auf der Rückbank des Kleinbusses der EinSatzLeitung vom Schoße der Kreativleitung aus ein Füßchen zutraulich auf den Unterarm der nicht ruckenden und nicht zuckenden und nicht guckenden Dame Ö gelegt hatte, während die Chefin sich am Steuer über die überfüllte herbstgraue Autobahn grämte und darüber, dass sie am Zielort des Betriebsausfluges in einer entscheidenden Situation nicht die richtigen Worte gefunden hatte.
Freitag, 8. Oktober 2010
1209.
Die überaus delikat zartgrüne Haut der Kreativleitung hatte die unangenehme Eigenschaft, an dauerhaft belasteten Stellen Schwielen zu bilden wie diejenige derer Kamele, welche durch häufiges Hinknien des gesamten Organismus sehr harte, schorfschuppige Flächen zu bilden pflegt, und manchmal dachte sie, wie gut, dass ich drumherum nicht auch noch Fell habe, sonst würde es doch gar zu sehr auffallen.
Donnerstag, 7. Oktober 2010
Mittwoch, 6. Oktober 2010
1207.
Das Grusen der Kraniche wurde ernster durchaus in den Feldern; der erzählende Kranich aber hatte seine Mind noch keineswegs aufgemaket, denn wann immer er der Enge der EinSatzLeitung energisch entflogen war, um sich seinen Artgenossen anzuschließen, musste er bemerken, dass er unter ihnen wegen seiner langen Abwesenheit zu wirken schien wie bemalt, und es war ihm nicht angenehm, wenn er dann aber in die Kreativabteilung der EinSatzLeitung zurück flog, so sah er vor sich das Wischende der Dame Ö, welche sich nun einmal zu ekeln beliebte vor seinen Federn, gern einen ganzen Winter lang, und so ließ er zuweilen sein Flügel einsam flappen, indem er mecklenburgische Orte durchflog, die Rom hießen, oder Kamerun, oder Lutheran, denn so haben die ortsansässigen Mecklenburger je und je beliebt, ihre einander recht ähnlichen Dörfer zu benennen.
Dienstag, 5. Oktober 2010
1206.
Die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den ewig rotgeränderten Augen sagte, sie sei nicht sicher, ob sie diese B-Ebene, von der Mo spreche, durchaus lesen wolle, manchmal vermisse sie doch den ehemaligen Chef, die gegenwärtige Chefin mache ihr insbesondere unter dem Einfluss des Mr. Precuneus einen gar zu windelweich-liberalen Eindruck, wenn du dich da mal nicht täuschst, sagte mitleidig die Leitung der Abteilung Öffentlichkeit, welche von dieser Minderheitlerin nicht viel hielt und überhaupt Angst davor hatte, selbst einmal älter oder von irgendeinem unabänderlichen Unglück betroffen zu werden.
Montag, 4. Oktober 2010
1205.
Warmgelb leuchtete das Koftuch der zarten jungen Frau, ihr dunkelblauer Mantel aus Jeansstoff klimperte mit den Messingknöpfen, und in einer ihrer prall gefüllten Plastiktüten quietschte etwas, da lachte Mr. Precuneus ihr freundlich ins Gesicht, während Mo, im soeben wieder hervorgeholten traditions- und glorreichen blauen Wollmantel auf seiner linken Schulter sitzend, mit ihrer linken Hand ein vollgekritzeltes Zettelchen in der Manteltasche knetend, mit der rechten seinen Jackenkragen fassend, dem munter ausschreitenden Ghanaer die ersten Sätze der kommenden B-Ebene ins Ohr wisperte: "Als ich aufhörte, ein guter Mensch sein zu wollen, da sparte der Himmel nicht mit Fingerzeichen, welche mich zur Umkehr mahnen sollten, denn er hatte ein Auge auf mich geworfen, das wollte er gern noch wieder haben…"… … … … … … …
Sonntag, 3. Oktober 2010
1204.
Der Oktober gestaltete sich in seinen ersten Tagen wohltuend golden, und so wurde der gemeinsame Ausflug des Sicherheitsbeauftragten und des Kwaliteitswarts nach Zandvoort zumindest „in wettermäßiger Hinsicht“ nicht so schlimme wie der Kwaliteitswart gefürchtet hatte, das kommunikative Problem, das Karomütze dem Kwaliteitswart im üblichen halb geheimnistuerischen, halb eifernden Ductus vorlegte, veranlasste diesen freilich zu der geseufzten Bemerkung, Karo hätte es doch vielleicht lieber mit der allgemeinsten Verteidigung besprechen sollen, denn es scheine ihm weniger ein kommunikationstechnisches als vielmehr ein moralisches Problem zu sein.
Samstag, 2. Oktober 2010
1203.
Der naseweise Sinologe aber interessierte sich mehr für die Frage, wie der Storch in den Film kam, ob er ein Schreitvogel sei und was man in China bei den Sinesern wohl über das Verhältnis von Kranich und Storch zu sagen haben würde.
Freitag, 1. Oktober 2010
1202.
Heute wollen wir mal so richtig nerven, sagte der Diskurswart, der sich in den Angelegenheiten der Conspiration irgendwie abgeschlagen fand und insgeheim den erzählenden Kranich, diesen vermessenen anmaßenden Schmunzler und Schreiter dafür verantwortlich machte, und er steckte den Stecker des Beamers bereits am frühen Morgen, lange bevor die Kreativleitung, Mo und der Großvogel ankamen, wieder ein, legte das folgende Video ein, drehte die Lautstärke hoch und stellte das Ganze auf Wiederholung - mithilfe einer Schaltung, von der er annahm, dass die Kreativleitung sie nicht ohne fremde Hilfe wieder rückgängig machen könnte - das muss sie doch demoralisieren, kicherte er, hielt sich die Ohren zu und rannte aus dem Raum: http://www.clipfish.de/video/3174693/kranich-tiere-animals-natur-selmckenzie-selzer-mckenzie/
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