Dienstag, 25. August 2009

804.

Allmählich faßte Karomütze Vertrauen zu diesem Precuneus, und er dachte, man könne sich nun auch einmal über die merkwürdigen Suchteffekte der Observation unterhalten, über dieses Wissenwollen, über diese Situation, wenn du jemanden beobachtest, wie du genau wissen willst, was er fühlt, wie du schließlich wissen willst, wie es sich anfühlt, er zu sein - oder, wahlweise, wie es sich anfühlt, dauernd in seiner Nähe zu sein, du willst das alles vor dir ausgebreitet sehen wie auf einer Landkarte, willst drinnen sein und draußen, willst ... das ist der eigentliche Bilderdienst, sagte Precuneus streng, daß man den Menschen geradezu tötet, um ein vollständiges Bild von ihm zu bekommen, das ist nicht Sicherheitspolitik, das ist Lustmord, und die Lust ist eine gefräßig narzißtische, welche umso übler wird, wenn sie sich als Sorge um den vermeintlichen Narzißmus des Objekts ausgiebt, während dieses sich nur wehrt, alle Fälle von gehobenem (also staatlich legitimierten) und niedrigem (also privat induziertem) Stalking funktionieren so, und diese Lust an der Vollständigkeit des Bildes ist die größte Gefahr unseres Berufes, denn sie verführt uns dazu, Leuten nur deswegen auf den Fersen zu bleiben, weil sie uns immer wieder überraschen, nicht, weil sie ein wirkliches Sicherheitsrisiko darstellten, sondern weil wir anfangen wissen zu wollen, ob sie uns auch in dieser oder jener Situation noch zu überraschen vermögen, wir bilden also unter den Objekten unserer Observationen Vorlieben aus, und wehe dem, der uns gefällt, ich selbst, wenn ich observiert würde, würde daraus die Konsequenz ziehen, ein paar durchschaubare kleine Sünden zu erfinden, bei denen ich mich regelmäßig erwischen ließe oder so, aber wirklich, Karo, es ist gut, daß wir über die Sache sprechen, die armen Menschen, über die wir wachen, wir müssen sie irgendwie leben lassen und dürfen uns nicht darauf verlassen, daß sie uns nicht bemerken und unbefangen weiter leben, als gäbe es uns nicht, wir müssen damit rechnen, daß sie die heimliche Haft, in die wir sie nehmen, in sich fortsetzen, eine furchtbare Sache ist das, wenn man bedenkt, wie völlig Unschuldige sich regelrecht abtöten können, nur um nicht die Launen unserer Landkartensucht zu bedienen, da müssen wir selbst korrigieren, und darum arbeite ich seit Jahren an einer Idee über die reine Defensivität in der Sicherheit, schwieriges, schwieriges Kapitel, ich würde mich freuen, wenn Sie dabei ... aber Karomütze schwieg, trotz allem irgendwie beschämt, und Mr. Precuneus sah es, gedankenverloren und besorgt, und versuchte, ihn durch einen freundlichen Klaps auf die Schulter wieder etwas aufzuheitern, denn Beschämung ist der schlechteste Erzieher.

9 Kommentare:

Kumpel von Karomütze hat gesagt…

Er ist nur Praktikant und soll sich mal nicht so wichtig machen.

Chefin hat gesagt…

Ich finde, es klingt ganz plausibel, was er sagt.

Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse hat gesagt…

Es hat jedenfalls einen kleinen politischen Beigeschmack, da muß man in diesem selbstreferentiellen Laden ja schon froh und dankbar sein.

Mo hat gesagt…

Schnarch

Pestvogels hat gesagt…

Schra.

Oberassistent hat gesagt…

Ich habe hier etwas Interessantes für Eure Diskussion gefunden: Neunaugen völlig ungefährlich
Damp/Hamburg (dpa/lno) - Aus Expertensicht sind Neunaugen, die zuletzt Schwimmer in der Ostsee attackiert haben sollen, völlig ungefährlich. Die aalartigen Fische, die bis zu einem Meter lang werden können, heften sich gewöhnlich mit ihrem Saugmund an Fische an, raspeln sich mit Zähnen durch die äußere Hülle und ernähren sich vom Blut ihres Wirts. «Es gibt immer wieder Hinweise und Informationen, dass sich erwachsene Tiere auch an badende Menschen anheften», sagte der Leiter der Abteilung Fischkunde am Zoologischen Museum der Universität Hamburg, Ralf Thiel. «Sie sind aber einfach abzuziehen und hinterlassen keine bleibenden Schäden.»

Dame Ö hat gesagt…

Wie entzückend, raspeln sich so durch, mit den Zähnen, trinken ein bißchen Blut, hinterlassen aber keine bleibenden Schäden, die Dankbarkeit kennt hier heute wirklich keine Grenzen.

Mo hat gesagt…

Es sagt ja niemand, daß sie in der Ostsee baden muß, wenn sie sich so hat, oder?

Gattin des ehemaligen Chefs hat gesagt…

Pfui.

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