Samstag, 15. August 2009

794.

Endlich einmal richtig romantische Nachrichten, sagte die Chefin und blickte mit ihren haselnußbraunen Augen direkt in das verschlafene Gesicht ihres Kindes, das am Frühstückstisch auch schon gespannt auf die andere Seite der Zeitung schaute, oder findest du das mit dem Schiff nicht auch aufregend, aber das Kind sagte empört, Mama, da sind Menschen, die bangen um ihr Leben, und die Chefin sagte, einstweilen weiß man nicht einmal das, es ist einfach gar nichts klar, aber dann fragte sie besorgter, ob das Kind denn bald wieder habe einschlafen können, war es doch mitten in der Nacht in das dem Hofe zu liegende Zimmer der Mutter gekommen, aufgescheucht durch das wilde Gröhlen einer Frau, welche, während mit quietschenden Reifen ein Auto davon fuhr und noch lange, nachdem das Auto schon nicht mehr zu sehen oder zu hören war, die dunklen Fassaden der einander eng gegenüberstehenden Häuser anbrüllte mit einem Zorn, der vielleicht einen ganz unmittelbaren Anlaß haben mochte, aber klang wie jener Weiberzorn aus den ältesten Schichten der Erde, wie jener Zorn, der von jeher die andere Hälfte der Welt in so einen Schrecken gebannt hat, daß man anstatt ihn zuzulassen noch immer lieber kopfgeborene Göttinnen und jungfräuliche steril Gebärende dazu hatte erfinden müssen, um nicht allein zu sein mit dem Grauen, das von einem weiblichen Menschen auszugehen scheint, der sein Unglück herausschreit, aber wieder scheuchte das Kind die Mutter aus ihren weltgeschichtlichen Betrachtungen und sagte, ich finde das schon krass, daß sie soo herumbrüllte, meinst du, sie wollte vielleicht eingesperrt werden, und die Chefin lachte über die durchschauerische Naseweisheit ihres Kindes und sagte, ich glaube, sie war einfach wütend auf den, der mit dem Auto davon fuhr, warum auch immer, und hat die Kontrolle verloren und ausgenutzt, daß vermutlich niemand etwas unternehmen würde in dieser Straße, denn hier hört man ja oft Gebrüll, aber was das mit diesem Schiff ist, da bin ich doch sehr gespannt auf die Auflösung, und das Kind sagte, gib mir vielleicht mal bitte das Feuilleton, ja?

Keine Kommentare:

Über mich