Sitzung der EinSatzLeitung
Sitzungsleitung: Chefin
Protokoll: Demokratiebeauftragter
Tagesordnung:
1. Einstellung von Dame Ö als Chefsekretärin
2. Debatte über die Frage, ob der Auftrag des leidenschaftlichen Heuchlers angenommen werden soll.
3. Verschiedenes
Große Aufregung beherrscht die Stimmung vor der Sitzung, denn es ist schon vor dem Verteilen der Tagesordnung durchgesickert, daß Dame Ö als Chefsekretärin eine offizielle Funktion erhalten soll, ihr ehemaliger Gatte tuschelt allen mahnend zu, daß das nie gut gehen werde, erstens weil sie entsetzlich ehrgeizig und dominant sei und innerst kürzester Zeit den Chefposten selbst avisieren würde, und zweitens sei sie in Wahrheit völlig disziplinlos und werde, sobald sie erst einmal die Führungsposition (von der in Wirklichkeit noch lange nicht die Rede war, aber wie schnell bauen sich nicht Gespenster auf!) habe, alles verkommen lassen, wenn das nicht genüge, so habe er da noch ein Büchlein mit verfänglichem Material, das im Grunde, da von ihr selbst geführt, allen vor Augen führen werde, um was für eine nicht nur haltlose, sondern sogar gefährliche Person es sich bei ihr handele, um welche er sich, von allen verkannt und von ihr mit nichts als Kälte bedacht, über viele Jahre unter großen Opfern in Wahrheit und Wirklichkeit vergeblich gemüht habe. Die meisten EinSatzKräfte (über die weniger erfreulichen wenigen, die sofort einsteigen, wollen wir hier einstweilen schweigen) weisen zwar das Reden des ehemaligen Gatten indigniert zurück, sind innerlich aber doch beunruhigt (zumal ihnen diese Gouvernante schon immer unverständlich war in ihrer Mischung aus Vorwitz und Witz und seltsamsten Resignationen), und die einzige, die von alledem nichts ahnt, sondern fröhlich trällernd im "Bistro" erscheint, ist die Dame Ö selbst, die sogar dem Projektentwickler einen zwar nicht versöhnlichen, aber doch zivilisierten knappen Gruß hinwirft (denn sie glaubt, er habe nunmehr Ruhe gegeben und sich abgefunden wie sie selbst und sich auf eine konstruktive Linie bewegt wie sie selbst, und was immer sie als Zeichen des Gegenteils im wohlbekannten aber lange auch sehr fremd gewordenen Gesicht lesen könnte, will sie lieber gar nicht sehen, um sich nicht hineinziehen zu lassen, darum ist sie bewußt extrem knapp), bevor sie sich daran macht, einen Teller mit Apfelstückchen und Ahornsirup fürs Mo zuzubereiten, damit die während der Sitzung doch etwas zu schlecken habe. Der Protokollant beobachtet alles dieses, das ja in sein ureigenstes Gebiet fällt, mit großer Sorge, ruft aber zur Eröffnung der Sitzung.
Die Chefin eröffnet gewohnt sachlich, sehr erholt sieht sie nicht aus, aber es geht.
TOP 1:
Die Chefin teilt der EinSatzLeitung mit, daß sie, um verschiedenen Mißständen abzuhelfen und unter Nutzung einer zurückliegenden relativ guten Auftragslage nunmehr vorschlage, die Dame Ö als Chefsekretärin einzusetzen, dieser Schritt werde ihr viele Arbeiten abnehmen, den Oberassistenten, der in letzter Zeit zwischen drei Büros hin und her gesprungen sei - ermöglicht wurde dies dadurch, daß der Projektentwickler noch nicht soo viel zu entwickeln hatte, aber das soll sich ja gerade ändern, nicht wahr - entlasten, und im übrigen dem allgemeinen Auftritt der EinSatzLeitung in der Öffentlichkeit förderlich sein, da die Dame Ö über Umgangsformen, Allgemeinbildung und ein außerordentlich gesundes Urteil verfüge, wodurch auch kompliziertere Fälle, wie sie immer wieder ins Haus zu stehen scheinen, in Angriff genommen werden könnten.
Mit knapper Mehrheit stimmen die EinSatzKräfte zu, eine Diskussion wird vermieden, da die Chefin, der Demokratiebeauftragte und die Kreativabteilung geschlossen hinter der Entscheidung stehen, es bleibt aber um Buchhalter und Projektentwickler ein gewisses Unbehagen, der umherschweifende Sicherheitsbeauftragte als Zünglein an der Waage könnte durch merkwürdige Allüren (über die noch zu sprechen sein wird) ein Risikofaktor sein, und die Leitung Öffentlichkeit, die erstmal zugestimmt hat, weil sie auf diese Weise hofft, den permanenten Scharfblick der zwar funktionslosen, aber bei einigen Kräften in der Leitung sehr beliebten Dame Ö aus ihrer Abteilung besser heraushalten zu können, könnte unter sich ändernden Umständen durchaus anfällig sein für die Propaganda des Projektentwicklers, insbesondere dann, wenn dieser womöglich Romeo-Qualitäten entwickelt und sich ihrer Singularität annimmt.
TOP 2:
Die Kreativleitung nimmt das Wort und teilt mit, daß tatsächlich der leidenschaftliche Heuchler um die Erstellung eines Angebots ersucht habe. Sie erbitte sich eine Woche Zeit, um zu prüfen, ob die Bedingungen von Freiheit und Sicherheit es hergeben, seinen Auftrag zu bearbeiten. Bei dem hinter dem leidenschaftlichen Heuchler stehenden Gebilde sei bekannt, daß falsche Äußerungen noch schlimmere Folgen haben könnten als beim Milchzaren, denn, wie der klitzekleine Forschungsminister überzeugend dargetan habe, handele es sich bei den Heuchlern um ein Problem, das man immer in Fällen von kognitiver Dissonanz antreffe: je weniger sich eine Gruppe ihre sogenannten Wahrheiten glaube, desto wichtiger sei ihr zum Zusammenhalt, daß sie andere von der Geltung der Wahrheit überzeuge, und auf diese Weise könne man, wenn aus den eigenen Äußerungen erhelle, wie wenig man selbst die (zum gekonnten Heucheln ja unerläßliche) Wahrheitsbasis des Gebildes glaube, sehr leicht in die Schußlinie von heftigen Attacken geraten, und da habe man dann nichts mehr in der Hand, um sich zu schützen, denn die wirklich fanatischen Anhänger der in diesem Gebilde postulierten Wahrheiten seien ja nicht einmal durch menschliche Gesten und irgendeinen Charme verführbar, während man dem Milchzaren doch immerhin ein wenig habe schmeicheln und auf diese Weise etwas wie Menschlichkeit in ihm habe anrühren können, was bei überwiegend machtzentriert agierenden Menschen ja nicht selbstverständlich sei (und sie schüttelte sich, als sie alles dieses sagte, denn sobald man es sagt und ausspricht, scheint man ja schon mittendrin zu sein, ob man will oder nicht). Insofern bitte sie Karomütze (der, wie erst jetzt festgestellt wird, abwesend ist, eine Gelegenheit für eine Ermahnung des Buchalters, endlich wieder vollständige Anwesenheitslisten an den Beginn der Protokolle zu setzen) inständig, wieder auf den Teppich zu kommen und seine pseudomessianisch-pseudosatanischen Phantasien im Alfa zu lassen und eine ernste und vernünftige Lageprüfung vorzunehmen, damit sie den Auftrag, den die EinSatzLeitung - hier stimme sie dem Kollegen Buchhalter völlig zu - gut brauchen könne, nun auch in Arbeit nehmen könne.
TOP 3:
Unter Verschiedenes meldet sich zunächst der Projektentwickler, der sich bitter darüber beklagt, daß er seine B-Ebene an diesem Wochenende nicht bekommen habe, und er unterstreicht gestisch seine Vermutung, daß dahinter wieder einmal seine ehemalige Gattin stecke. Die Kreativabteilung trägt nichts zu ihrer Rechtfertigung vor. Die Chefin beendet die Sitzung und verabschiedet sich für den Tag, da sie ihr krankes Kind versorgen müsse.
Der Protokollant bleibt noch ein wenig mit den anderen EinSatzKräften sitzen, er beglückwünscht die Dame Ö zu ihrer neuen Aufgabe und beschwichtigt den Projektentwickler, den er zwanglos mit Assistentin K ins Gespräch bringt, die dann auch bald ein paar Ideen für eine eigene B-Ebene des Projektentwicklers probiert, und schließlich begleitet er den Buchhalter und den Oberassistenten in das buchhalterische Büro, um auch dort etwas zu glätten, was als Wogen nicht zu stark beschrieben wäre.
Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
11 Kommentare:
So, man hat mir also geschmeichelt zu einem Zweck! Erstens hat man mir nicht geschmeichelt, im Gegenteil, man hat mich mit Kaffee übergossen, zweitens würde ich zweckdienliche kriecherische Schmeicheleien strikt ablehnen, und drittens dient allerdings eine Freundlichkeit nicht nur in der Nutztierhaltung, sondern auch im vollrespektablen und respektvollen menschlichen Umgang durchaus allen Beteiligten, da gebe ich der Kreativleitung nett, und man grüße mir die Assistentin.
Nehme den Gruß gern entgegen.
Ich beantrage, mit einem anderen Namen geführt zu werden, das sagte ich glaube ich schon, und im übrigen kann ich unlautere Motive bei dem, was Herr X. Freundlichkeiten nennt, nicht ausstehen, und jedes egoistische Motiv ist unlauter, ich aber bin lauter.
Ja, zu laut für meinen Geschmack.
Har har, das wars jetzt aber wirklich nicht. Wir nehmen den Antrag vermutlich an, und den Auftrag auch.
Noch ist nicht alles geklärt, außerdem muß mehr geklärt werden, zum Beispiel, daß ich keineswegs irgendwelche Allüren habe, nur weil in der K-Abteilung wieder jemand mit den Farben und den biblischen Figuren gespielt hat.
Wenn einer einen anderen beseitigen will, wird der, den es trifft, die Motive dessen, der so etwas (beseitigen) wollen kann, nie wieder los, das ist das eigentlich Schreckliche daran: man hat es einmal erfahren, man weiß, wie es ist, und dann vergißt man es nicht wieder, mag man sich auch noch so viel Mühe geben, man vergißt es nicht wieder, man bleibt allenfalls Mensch, wenn man das wenigstens noch weiß, aber es ist kaum auszuhalten, man weiß fortan, daß man weg soll, und man findet keinen Weg, davon abzusehen, oder nur welche, die man selbst eigentlich nicht wollen kann, hat euer neunmalkluger Forschungsminister das schon mal bedacht?
Ich habe dir doch immer gesagt, kämpfen, kämpfen, Junge! Das hab ich doch alles immer zu deinem Wohle gesagt und getan!
Ach so, na dann.
Mo heute sarkastisch, na sowas.
Schnarch.
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