Mittwoch, 10. September 2008

455.

Die Chefin hatte keineswegs den Aufruf gebraucht, um sich einmal wieder zu zeigen, sie brauchte auch nicht daran zu erinnern, daß der ehemalige Chef sehr häufig durch Abwesenheit geglänzt hatte (das wäre so das Wadenbeißerniveau gewesen, auf dem man sie gern sah, sie sich aber nicht), sie war nur einfach pausenlos im EinSatz, mochte der auch nicht so aussehen, wie man sich das unter Fußballspielern und anderen Kickern so vorstellte - o nein, es ging zum Beispiel darum, diese unheimliche Freude an der Aggression als solcher, die immer mehr in Mode kam, aus den Kulturzonen ein wenig herauszunehmen,mindestens unter den wenigen Menschen, die dergleichen noch verstehen konnten, gerade zum heutigen Datum, aber auch überhaupt, tatsächlich ließen sich noch die feinsten Sender neuerdings wegen der allseits angeblich erforderten Kampf- und Wettbewerbsfähigkeit zu vulgärstem Weibischkeits- und Weinerlichkeitsbashing hinreißen, natürlich mit ihrem Durchschauen: da hatte eine einen Kummer, der einen Menschen gerührt hatte, schon war sie hinterlistig und ausbeuterisch diesem Menschen gegenüber, da hatte einer einen wohlhabenden Onkel, war selbst arm und hatte selbst Probleme, seine Existenz zu sichern, schon war er ein verkappter Reicher, der gründlich durchschaut gehörte, da hatte eine gesagt, sie lasse sich nicht gern belügen und verstehe auch, warum manche Leute nicht alle Verlogenheiten des modernen Liberalismus und homo-faberischen Macher- und Siegertums akzeptieren könnten, schon war sie selbst eine potentielle Fundamentalistin, da hatte einer gesagt, wir müssen uns natürlich gegen jede Form von Terrorismus wehren und dürfen nirgends die Unterschiede zwischen dem Mord an Unschuldigen und einer Selbstverteidigung verwischen, aber zugleich müssen wir auch das Wissen um unsere Verwundbarkeit in ein Verständnis für die Verwundungsangst der anderen übersetzen und mit ihnen auf dieser Basis verhandeln, schon war er ein Überläufer und Verräter usw, ja da war doch überall zu schlichten, du lieber Himmel, was hatte man nicht allein zu tun, wenn man etwa mit Angehörigen von Führungsakademien sprechen wollte, die aus den wunderbaren Idealen der Bürgerarmee mit allzu viel Geschmack am Hartsein blitzschnell wieder die ganz alte Schule der Schurigelei machen wollten, was hatte man auf der anderen Seite nicht mit diesen jungdynamischen zackigen Brechern zu arbeiten, die sich für modern hielten, weil sie den Anschluß an die neuesten Entwicklungen der Philosophie ebenso entschlossen verpasst hatten, wie sie den respektablen Fortschritt der Technik nicht nur gesucht hatten (dagegen konnte ja niemand was haben) sondern auch gleich mit einer Lizenz zur Verblödung in philosophischen Angelegenheiten verwechselten (wogegen eben sehr viel gesagt werden mußte), kurzum, die Chefin hatte zu tun, und sie tat, und sie hielt sich dabei so gut es ihr möglich war an den Wahlspruch eines besonders verehrten ehemaligen Bundespräsidenten, der da lautete: tun, was man sagt, und sagen, was man tut, was freilich, wenn man hauptberuflich mit der Erstellung von Fiktion beauftragt ist, nicht ganz so einfach zu machen ist wie wenn man sichtbareren Arbeiten nachgeht, und als sie am Morgen dann auch noch ein Filmchen mit angeblich anzüglichen Bildern einer hochverehrten First Lady in ihrem Posteingang fand, mußte sie schon wieder antworten, und sie tat es wie folgt: Geehrter Herr, mit bestem Dank nehme ich den Film mit den Bildern der Verehrten entgegen, Sie schicken ihn mir sicher, um meine aufrichtige Meinung dazu zu hören, und ich will sie Ihnen nicht vorenthalten, denn in der Tat bewundere und respektiere ich jeden, der für seine Wünsche und für die Schönheit der Welt, die auch einmal ihn selbst betreffen kann, Verantwortung übernimmt, ich habe das immer höher geachtet als alle Verlogenheiten von einem "das tut man nicht," jedenfalls da, wo niemandem geschadet wird, ich bin, wie Sie vielleicht nicht gewußt haben, noch stets der Ansicht gewesen, daß unsere Freiheit so viel wert ist wie der Gebrauch, den wir von ihr machen, ohne unsere Nächsten zu verletzen (oder wenn wir es tun, die Verantwortung hierfür voll übernehmen) und ich bin fest davon überzeugt, daß die Bedürftigkeit der Menschen da in den besten Händen ist, wo sie nicht geleugnet und nicht verachtet wird und wo ihr andererseits ein angemessener Stolz auch auf das, was die Kraft unserer Wünsche ganz ohne Zwang bewirken kann, zur Seite steht, und mit alledem sowie mit Dank für die Übersendung der (meinem persönlichen Geschmack freilich nicht ganz entsprechenden) Bilder und allergrößter Hochachtung für die auf ihnen dargestellte Person und ihren Herrn Gemahl (in der ich mich vermutlich mit Ihnen einig wissen darf) bin ich Ihre DDD, EinSatzLeitung, Geschäftsführung.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Alles ganz richtig, geb ich ja zu, aber viel zu lang.

Anonym hat gesagt…

Ich muß dem Kollegen Buchhalter zustimmen, man sollte doch die Chefin etwas öfter zu Wort kommen lassen und dafür kürzer, läßt sich das nicht machen?

Anonym hat gesagt…

Wir sind heute nicht zu sprechen, das X-Problem ist ja immer noch nicht gelöst!

Anonym hat gesagt…

Ach ich dachte, das wollten sie aussitzen!

Anonym hat gesagt…

Man hätte noch deutlicher die positiven loben und etwas weniger die unangenehm Auffallenden tadeln können.

Anonym hat gesagt…

Noch mehr, noch weniger, dann wirds aber allmählich wirklich langweilig, etwas Polemik kann man sich doch auch mal leisten!

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