Samstag, 6. September 2008

450.

Am anderen Morgen lag der Chefin eine ganz neue Beschwerde vor: in der Arbeitswohnung war es der Assistentin K gelungen, Mo zur Bereitstellung einiger ihrer Kritzeleien zu bewegen, sie hatte sich sogleich daran gemacht und etwas aus alledem geschmiedet, das ihr wie ein passabler Text vorkam, und diesen voller Stolz auf der B-Ebene untergebracht, aber kurze Zeit später war er von dort wieder verschwunden, weil die Leitung Öffentlichkeit gemeint hatte, hier würden wieder etliche Eins-zu-Einsler Alarm schlagen, man müsse ein wenig warten, bis man diesen Text ins Netz stelle, denn einige der darin formulierten Gedanken und Szenen würden sonst sofort dazu führen, daß sensible Personen (sie nannte Namen!) sich mißbraucht und falsch verstanden fühlen würden, die Assistentin K hatte, als sie dies von der Leitung Öffentlichkeit erfuhr, erst relativ giftig gesagt, ja, sind wir denn in der DDR, und was ist mit der Geschichte von diesem Maxim Biller, was ist denn hier eigentlich los, darf man nicht einmal ein Thema aufgreifen, das einem natürlich in irgendwelchen Gesprächen über den Weg läuft, in eine kleine Geschichte verwandeln und diese zur Weiterarbeit am großen Teppich verwenden, und die Leitung Öffentlichkeit hatte wegen des DDR-Vergleichs beleidigt das Gespräch beendet, also über diese Sache (die auch im Text eine Rolle spielte) will ich überhaupt nicht reden, die ganze Republik wirst du damit gegen uns aufbringen, reg dich erstmal ab, sagte sie dann, sehr souverän, klar, denn sie war schließlich diejenige, die aus der gemeinsamen Assistentinnenzeit nun als Leitungsfigur hervorgegangen war, aber Karomütze, der am Abend noch die Assistentin und Mo in ihrer Arbeitswohnung besucht hatte, fand den Text völlig unproblematisch, sagte, die Besseren derjenigen, die sich allenfalls gemeint fühlen könnten, werden doch sowieso darüber lachen und sich freuen, daß ihre Anregungen auf so fruchtbaren Boden gefallen sind, und wer Stress machen will, macht das auch ohne einen solchen Anlaß und findet sich schnell einen neuen, also ich werde das mal der Chefin vorlegen, soll die entscheiden, und die Assistentin umarmte ihn flüchtig vor Freude und lachte munter, während Mo längst wieder eingeschlafen war; die Chefin las das alles und sagte, wenn uns überhaupt noch jemand liest, dann eh nur Leute von der Sorte, die solche Texte auch verstehen, und mir scheint, in diesem Fall hat die Assistentin K einfach die besseren Argumente, im übrigen sind Löschungen immer mit mir abzustimmen, da werden wir sonst Probleme bekommen mit dem einheitlichen Auftreten, und sie entschied, das Risiko in Kauf zu nehmen und den Text zum Wochenende auf der B-Ebene zu platzieren, mit allen Kommentaren.

Keine Kommentare:

Über mich