Mittwoch, 10. September 2008

454.

Auf der Straßenseite des Hauses siehst du nie Kinder, siehst sie allenfalls mal in einer großen Gruppe, immer zu Paaren, Hand in Hand, einer Erzieherin oder Lehrerin hinterherlaufen, auf der anderen Seite des Hauses hörst du sie in Nachbars Gärten manchmal spielen und manchmal gar fürchterlich kreischen und schreien, und dein Kind ist wo, fragte sich der ehemalige Chef, der seine Kräfte schwinden fühlte und immer öfter einfach in einen Sessel fiel, dessen Kopf immer öfter einfach leer war, der die Welt nicht mehr verstand, wenn er ehrlich zu sich war, und nicht mehr wußte, woher andere Menschen ihre Dynamik und ihr Wollen beziehen, er fühlte noch, wie die Welt ihm entglitt, er versuchte sie zu fassen und zu halten, indem er nach einer Erklärung suchte, war es Alzheimer oder hatte er sich auf dunklen Wegen bei Herrn Y. angesteckt, jedenfalls erschien es ihm immer hohler, wenn er sprach, selbst zu seiner Frau, er war sich vielleicht selbst unter zu langer zu großer Anspannung entglitten, und draußen schwatzten und plapperten und kämpften sie vermutlich munter weiter, aber es rührte ihn nicht mehr, warum rührt es andere meines Alters und Ältere unverdrossen weiter, was haben sie, das ich nicht habe - es ist mir immer weniger begreiflich, sagte er zu seiner Frau, wozu sie das alles tun, natürlich hätte ich noch etwas zu sagen, aber sie fragen mich ja nicht mehr, und was soll ich da noch, na, vielleicht wäre es jetzt schon zu spät, vielleicht würde ich jetzt auf Nachfragen nicht einmal mehr gescheit antworten können, und er setzte sich am schönen Septembermorgen in den großen hölzernen Stuhl, von dem aus er in die Rosen schauen konnte, rückte eine karierte Wolldecke auf seinen stets fröstelnden Beinen zurecht und las endlich endlich die Gänse von Bützow, das tat ihm wohl, und seine Gattin brachte ihm eine Tasse Tee, nahm sich selbst eine, rührte die bräunlichen Zuckerklumpen noch stehend ein, setzte sich dann in ihren Stuhl und las auch ein wenig, sie aber die Zeitung, denn etwas interessierte sie durchaus, und wenn ihr Blick auf die Rosenbüsche und die Georginenstauden fiel, dann sah sie sogleich, daß hier schon bald wieder etwas getan werden müsse.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Manche, wenn man ihnen ihr fleischernes Herz durch ein steinernes Herz ersetzt, laufen gut und lange und behaupten, ihr steinernes Herz sei fleischern, andere beharren auf ihrem fleischernen Herzen und kommen um, wenn man ihnen die Notwendigkeit eines steinernen Herzen klarmacht, wieder andere behalten das fleischerne und sind mehr oder weniger glücklich, noch andere kommen mit einem steinernen Herzen auf die Welt und haben dann irgendwann ein fleischernes, die sind sterblich und wissens und wollens nicht anders, so predigt es hier irgendein Synkretist, was hältst du davon?

Anonym hat gesagt…

Ihr sollt euch um die Jugend kümmern, dann kümmert sie sich auch um euch.

Anonym hat gesagt…

Was macht hier die Kreativabteilung, es ist viel zu tun und sie guckt in den Haushalt der Pensionäre!

Anonym hat gesagt…

Die Gattin des ehemaligen Chefs wird jetzt doch nicht esoterisch werden?

Anonym hat gesagt…

Und wo ist eigentlich die Chefin?

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