Die Chefin hatte natürlich recht. Und dennoch war das allerletzte Ziel der EinSatzLeitung eben doch ein wahrhaftiges Schreiben in vielen Stimmen. Die Stimmen des erzählenden Kranichs und der Brachvögel gehörten dazu. So erbarmte sich schließlich der oberste aller Brachvögel, welcher dies alles aus seinen Höhen beäugte, der ausgebremsten Kreatviabteilung ebenso wie seiner eigenen nun doch geweckten Neugierde und ermannte sich und dachte sich, es muß doch auch unser Verhalten eine Art haben. Und er erwog, sich das Manuskript zu erbitten, zunächst nur zu eigener Ansicht, und für diese nahm er sich vor, seine vermutlich erst einmal aufkochende Wut zu überwinden und erst dann zu reagieren, wenn mehrere Stunden über der Lektüre vergangen wären, und er tat ein übriges und fragte eine Dame, die in seinen Höhen Dienst an ihm tat, um Rat. Diese riet auch dazu, in der EinSatzLeitung anzurufen und um das Manuskript zu ersuchen. Seine Großwesire hatten anders geraten, nämlich: einfach außerhalb der Geschäftszeiten in die EinSatzLeitung einbrechen und Manuskripte klauen, immerhin ist Gefahr im Verzug, und man hatte doch Übung in solchen Aktionen. Er aber, der höchste aller Brachvögel, hatte gefragt, welche Gefahr denn? Daß Leute lachen? Ja, wollen wir das denn nicht? Und die Großwesire hatten bedenklich ihre grauen Häupter hin und her bewegt. Natürlich wollen wir nicht, das gefährdet uns doch. Und der höchste aller Brachvögel, der in Glaubensangelegenheiten sehr streng zu sein pflegte, hatte gedonnert: Das glaube ich nicht.
Und so geschah es, daß ihm folgendes Manuskript vorgelegt wurde, unter Furcht und Zittern der EinSatzLeitung, insbesondere der Chefin, die aber doch eine solche Gelegenheit nicht ungenutzt vorüberziehen lassen konnte - denn diese konnte möglicherweise die Schnecke Befreiung wieder einige Zentimeter voranbringen:
"Es ging auf das Wochenende zu, an dem eigentlich der Herr Projektentwickler seine eigene B-Ebene bekommen sollte. Doch der erzählende Kranich und Karomütze hatten die Kreativabteilung davon überzeugt, daß einmal ein wenig über die Brachvögel gesprochen werden müsse, denn diese rührten sich sehr im Schilfe der niederen Sprachen und hatten nach der fortgeschrittenen Marginalisierung des Pestvogels sogar Abgesandte in die Gebirge der höheren Sprachen und auch in die Büroetage der EinSatzLeitung geschickt, um hier recht gründlich nach dem Rechten zu sehen und eine brachvogelige Vorstellung von dem, was das Rechte sei, zu verbreiten.
Die Brachvögel sind eine strikt hierarchisch organisierte Species, die ausschließlich aus Männchen besteht. In Umkehrung der Gewohnheiten der Kuckuckoioi, deren Weibchen bekanntlich ihre Eier in fremden Nestern ablegen, um sich der Brutpflege zu entziehen (mit dem drolligen Effekt, daß der Mensch von manchen seinesgleichen als von Kuckuckseiern spricht), haben sich die ausschließlich männlichen Brachvögel darauf spezialisiert, anderen verwandten Vogelarten die Eier aus den Nestern zu stehlen und in eigens für diesen Zweck eingerichteten Nestern auf ihre Weise zu bearbeiten. Dabei färben sie in winzigen Schritten bereits während der Bebrütung unablässig alles graubraun ein, was sich in ovo an Gefieder bildet. Da dieses von ihnen selbst verhängte Graubraun dann sehr eintönig und farb- und freudlos aussieht, haben sie die Gewohnheit, einige kleine helle Tupfer von ganz außen zu applizieren, wodurch ihre kostbare Beute, der das Innere an Lebenskraft im Augenblick des Nestraubs genommen wurde, immerhin äußerlich aussieht, als gäbe es doch eine Art Restfröhlichkeit, und durch die Beine und den Schnabel wirkt der überwiegend mittelgroße und mittelinteressante Vogel dann nicht immer völlig unschön, was immerhinque zugestanden werden muß. Ihren Namen tragen die Brachvögel, weil sie die Zweigeschlechtlichkeit der Welt überhaupt ablehnen und ausdrücklich deren generelle Brachlegung allgemein empfehlen. Auf der Grundlage dieser Ablehnung der Zweigeschlechtlichkeit, von der sie die Homosexualität keineswegs ausnehmen, die sie im Gegenteil und ungeachtet beachtlicher literarischer Werke zu diesem Thema (aus denen sie sich übrigens auch gern bedienen, wenn es darum geht, ihre Forderungen und ihren Kitsch und das, was darin immer auch ein bißchen weise ist, zu verbreiten) noch schroffer ablehnen als die zweigeschlechtliche sexuelle Betätigung, flöten sie dann aber sehr gern und durchaus eindringlich von Liebe und übrigens auch der Bestimmung zur Fortpflanzung (wofür sie sich wohl durch ihre bemerkenswerte Weise der Partizipation am Brutpflegegeschäft für berechtigt halten). Das eigentlich Überraschende an dieser Merkwürdigkeit ist nun aber, daß ausgerechnet diesen Vögeln und ihrem hohlen Gepfeife über etwas, das Liebe zu nennen sie sich niemals schämen, sehr viele andere, durchaus nicht an Brachlegung ihrer Triebe interessierte Vögel nicht nur zuhören und nachpfeifen, sondern daß sie ausgerechent diesen – und zwar obwohl die Gefahren der brachvogeligen Aufzuchtgewohnheiten bekannt sind, und zwar seit langem!– Brachvögeln immer wieder gern ihren Nachwuchs anvertrauen. Wir überliefern hier ein sehr seltsames Konzert, nicht von Kuckuck und Esel, aber von Kuckuck und Brachvogel."
Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
10 Kommentare:
Diese ist nun also das Konzert.
http://www.metacafe.com/watch/1218615//
Ich finde es nicht anständig, wie hier über meine Frau geredet wird.
Ich finde das Kucukuckskind eigentlich sehr nett.
Und ich habe mir heimlich doch ein Nest für meine Kinder gebaut, ätsch.
Und ich habe trotzdem heimlich ein Weibchen gefunden, es gibt welche, glauben Sie dem erzählenden Kranich nicht alles, und glauben Sie auch nicht alles, was in den Biologiebüchern steht.
Im Grunde ist es doch egal, ob Kuckuck oder Brachvogel, Hauptsache es klingt und die Regeln werden eingehalten.
Er nervt; seit wann interessieren uns Biologiebücher.
Sagen wir ja, sagen wir ja, wir haben sie schon immer bekämpft.
Na, so wollte ich nun auch wieder nicht verstanden werden.
Das Problem mit Ihnen, meine Damen und Herren, ist, daß Sie generell vor allem nicht verstanden werden wollen, scheint mir.
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