Dienstag, 9. September 2008

453.

Die Vogelwelt werde vernachlässigt, was für eine lächerliche Behauptung, dachte der erzählende Kranich, der aber überhaupt (aus Gründen, für die man mehr als einen Satz brauchen müßte) nicht sehr dazu neigte, sich als Teil der Vogelwelt zu begreifen (was hatte er denn bitte zu schaffen mit Brachvogel oder gar den kreischenden, kakelnden, krähenden, gackernden, zwitschernden, tirilierenden, pfeifenden, nachplappernden, schrasternden, quinkilierenden Vogelarten), er stand auf einem Beine und schaute um sich, und was er sah, bestätigte ihm, daß er jedenfalls nicht vernachlässigt werde (obwohl er keine Adresse hatte, war ihm auf seltsamen Wegen doch Mos Einladung zu gegangen, um nur einmal ein Beispiel zu nennen), und mit sehr langsamen Bewegungen nahm er Anlauf, entfaltete seine Schwingen und flog auf, durchaus noch ohne zu wissen, in welche Richtung er sich nun von den Lüften würde tragen lassen, denn anders als seine Artgenossen, die seit Tagen in den Himmeln zusammenkamen, um sich unter großem Lärm auf den Südflug einzustimmen, dachte er, er könne ebenso gut mit den Bartenwalen ziehen, etwas an diesen ihm stets unerreichbar bleibenden Tieren in ihren tiefen Gewässern zog ihn so sehr an, daß er dieser Anziehung wegen öfter als einmal den Anschluß an den Flug der großen Schwärme verpaßt hatte und einfach im Norden geblieben war, und wie er das überlebt hatte, konnte er auf Nachfrage nie erklären, so wenig, daß er beim bloßen Blick in die von besorgtem Zweifel erfüllten Gesichter der zurückkehrenden anderen Kraniche im Frühjahr des öfteren in Gefahr geriet, selbst an seiner Existenz zu zweifeln - bis ihn dann der Hunger wieder unzweifelhaft an ihre Wirklichkeit erinnerte, und nach der Sättigung die Fluglust, und nach dem Fluge das Landenmüssen, und nach dem Landen...stieß ihn manchmal seine tief eingewurzelte Unfähigkeit, ernsthaft und konsequent zuzuhacken und das Zuhacken zu einer Eigenschaft zu machen, mit der zu rechnen wäre, wieder in den Zirkel zurück, und er fragte sich, wie lange er noch als verkannter Bartenwal (eine Anmutung, deren Lächerlichkeit ihm durchaus genauso bewußt war wie seinen kranichenen Freunden) im falschen Element leben müsse, bis er dann irgendwann in seinem bald lustigen, bald unerträglichen Kreiseln in die anscheinend immer falsche Richtung wieder da angekommen war, wo er sich in aller Ruhe damit abfand, nun einmal ein erzählender Kranich zu sein, der unter den anderen Kranichen ein ganz klein wenig auffiel, aber außer bei einigen Kranichfreunden auch bei so seltsamen Wesen wie Mo und anderen „Artfremden“ stets gern gesehen war.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Diese Tiere sind doch ein verantwortungsloses Pack.

Anonym hat gesagt…

Sie haben aber das Wesen des Lebens gut erkannt.

Anonym hat gesagt…

Das ist ein defätistisches Geschreibsel.

Anonym hat gesagt…

Man sollte sich nicht über mich lustig machen und sich nicht empören, wir haben eben keine Generäle in der Tierwelt.

Anonym hat gesagt…

Dafür sind wir ja da, wir sorgen für sie alle, natürlich gegen Entgelt.

Anonym hat gesagt…

Ich darf an zwei unerledigte Aufträge erinnern.

Anonym hat gesagt…

Ich erkläre die Beeinträchtigung der Gänsefreiheit für einen himmelschreienden Eingriff in die Menschenrechte; ich deklariere das Gänse-Ediktum nicht nur für eine Ungerechtigkeit, sondern auch für eine schildburgsche, lalenburgische Dummheit, für eine Sottise, welche uns vor den Augen des Universi herabwürdiget und schädiget – Vivat die Gänsefreiheit!

Anonym hat gesagt…

Wie kommen wir denn jetzt hierher?

Anonym hat gesagt…

Ich habe euch angelockt, indem ich auf einem Plakat posiere und "Eau bleib doch noch!" quake.

Über mich