Sonntag, 28. Februar 2010

992.

Der Sonntag der Leitung der Abteilung Öffentlichkeit pflegte seit einiger Zeit so abzulaufen, daß Kleinchens Vater zum Frühstück kam, daß es eine kurze Debatte gab, oder auch ein eher zivilisiertes Gespräch, daß er dann das Kind mit nahm, um mit ihm ein paar Spaziergänge und dergleichen zu machen, daß sie so lange ein wenig in ihrer Wohnung herumputzte, sich sodann ein wenig Zeit für entspannende Lektüren nahm oder eine kleine außergewöhnliche Unternehmung mit Freundin, und daß sie dann am Abend ihr Kleinchen, welches sich nur ungern vom Vater trennte, wieder entgegennahm, den Herren verabschiedete und sagte, gut Mittwoch holst du es dann wieder von der Kita, meistens stimmte er zu, manchmal nicht, dann wurde ein Alternativtag verabredet, und so war es eben, im Grunde zur Zufriedenheit aller, denn so hatte er sein neues Leben, das ihn freute, sie hatte ihr Leben mit Kind und Arbeit und dann und wann einem Blind Date mit irgendwem, den sie im Netz kennengelernt hatte, und man hätte sicher manchen Leuten nicht sagen dürfen, wie vergnüglich und fruchtbar das letztlich für alle Beteiligten war, es gibt schließlich Leitbilder, die leiden, wenn plötzlich gesagt wird, daß das Leben in Trennung trotz allem und sogar bei finanziellen Einschränkungen angenehmer sein kann als das Leben mit Partner, natürlich ist man durch die viele Arbeiterei und die Gepflogenheiten, erst recht die Krankheiten des Kleinkindalters auch ein wenig eingeschränkt, aber das ist doch alles absehbar, und nachdem sie sich dieses endlich eingestanden hatte, begab sich die Leitung der Abteilung Öffentlichkeit müde in ihr Schlafgemach und war schon richtig neugierig auf den Montag, an dem sie, wenn sie erst das Kind in die Kita gebracht haben würde, zuallererst erfahren würde, wie denn wohl der Einfall des Milchzaren in die wochenendliche EinSatzLeitung verlaufen wäre.

Samstag, 27. Februar 2010

991.

Während nun also die Chefin mit den dafür zuständigen EinSatzKräften den Milchzar aus Niedersachsen mit kleinem Protokoll empfing, wurde in der Wohnung der Kreativleitung der erzählende Kranich nervös, er hatte das Grus Grus der allmählich wieder eintreffenden Artgenossen gehört und war nun hin und her gerissen zwischen seinem Wunsch, zu ihnen zu fliegen und sie nach ihren Erlebnissen auf der Reise zu befragen und seinen Befürchtungen, sie könnten ihn seiner Abtrünnigkeit zeihen und ihm wenig günstig gestimmt begegnen, und während er noch zauderte, zeigte Mo ihm ein Bild, das sie im Postkasten gefunden hatte, mit Gruß von einem Kranich, welcher von Schwungfeder zu Schwungfeder schmunzelnd bemerkt hatte, er empfehle, dieses Bild dem Herrn Pestvogels zu zeigen, wenn er sich wieder einmal mit erstunkenen und erlogenen Erzählungen aus Belgien brüsten sollte, und nicht nur der erzählende Kranich freute sich sehr.

Freitag, 26. Februar 2010

990.

Die Chefin, welche die reichlich aufwendigen Verhandlungen um das Bleiben von Mr. Precuneus höchstselbst geführt hatte, machte schließlich das Licht aus und schloß die Tür hinter sich zu, nahm sich vor, am andern Tag einmal nicht ganz so früh vor Ort zu sein, da fiel ihr ein, daß sich Herr X. angekündigt hatte, ach je, und als sie vor das Haus trat, sah sie Karomütze, der erst kurz vor ihr gegangen war, an seinem Auto herumpützeln, na, Karo, versuchte sie locker zu sein, wo ein Alfa ist, ist auch ein Romeo, was, aber Karomütze erschrak richtig, denn er dachte, o weia, wenn so eine von Romeo spricht, vielleicht soll das eine Einladung sein, und er dachte, Hilfe, und die Chefin sah seine Verlegenheit, trat entschieden auf ihn zu und sagte, Sie vergessen mir nicht, mit diesem hübschen Fahrzeug morgen den Herrn X. vom Flughafen abzuholen, nein, dann drehte sie sich weg und sagte, sich noch einmal umwendend, und immer hübsch Komplimente für seine Begleiterin bitte, die legt Wert darauf, und wir wollen doch, daß sich die beiden recht wohl bei uns fühlen, nicht wahr, nun schlafen Sie mal schnell, sonst haben Sie morgen Augen wie die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse - und solcherart zur Gänze beruhigt bot Karomütze ihr an, sie nachhause zu fahren, was sie aber dankend ablehnte, ich geh gern ein bißchen zu Fuß, sagte sie, und er wußte ja, daß das stimmte.

Donnerstag, 25. Februar 2010

989.

Eigentlich hatte die Chefin einen flammenden Vortrag halten wollen darüber, wie man Leute auf EinSätze vorbereite und wie nun sicher nicht, darüber, wie eine Bürgerarmee kein einziges bürgerliches Rückgrat eines einzigen Soldaten entbehren könne und gerade dann mit den Soldaten diskutieren und ihre Würde schützen müsse, wenn diese sich bewußt einem Befehl unterstellten, und daß man gar nicht erst anfangen müsse, etwas zu verteidigen, wenn man es schon in den eigenen Reihen breche, und es wäre alles sehr wahr und sehr richtig gewesen, und es wäre auch nicht dadurch befalscht worden, daß die Chefin möglicherweise angreifbar gewesen wäre durch irgendwelche Schüppchen auf ihrem Kragen, aber dann kam ein Interview herein mit einem Oppositionellen aus einem dieser Länder, deren Oppositionen dringend der Stärkung bedurften, und sie sagte, ich kann nur dazu aufrufen, alle diplomatischen Anstrengungen zu unternehmen, um möglichst viele politische Gefangene freizubekommen.

Mittwoch, 24. Februar 2010

988.

Da die Niederländer bei der Olympiade ungewöhnliche Skandale machten und einige EinSatzKräfte es mit ihrer Häme etwas übertrieben, entschied die Kreativleitung, den Kwaliteitswart einmal in einem deutlich günstigeren Lichte darzustellen, indem sie ihn träumend schrieb, in einer relativ sympathischen Schlaksigkeit vor dem Wandteppich stehend und emsig an einer bestimmten Stelle nicht etwa herummäkelnd, sondern selbst flickend, und als Mo besorgt fragte, ob mit ihr, der Kreativleitung, noch alles in Ordnung sei, man müsse doch Leute wie den Kwaliteitswart in seine Schranken weisen, wurde die Befragte nur ein wenig grün vor Verwunderung über diesen neuen Zug an Mo und fragte lächelnd zurück, ob es eigentlich neue Nachrichten aus den Welten des erzählenden Kranichs gebe und wie die Sache mit Mr. Precuneus sich weiter entwickele, es sei ihr sehr daran gelegen, daß dieser bei der EinSatzLeitung bleibe.

988.

Da die Niederländer bei der Olympiade ungewöhnliche Skandale machten und einige EinSatzKräfte es mit ihrer Häme etwas übertrieben, entschied die Kreativleitung, den Kwaliteitswart einmal in einem deutlich günstigeren Lichte darzustellen, indem sie ihn träumend schrieb, in einer relativ sympathischen Schlaksigkeit vor dem Wandteppich stehend und emsig an einer bestimmten Stelle nicht etwa herummäkelnd, sondern selbst flickend, und als Mo besorgt fragte, ob mit ihr, der Kreativleitung, noch alles in Ordnung sei, man müsse doch Leute wie den Kwaliteitswart in seine Schranken weisen, wurde die Befragte nur ein wenig grün vor Verwunderung über diesen neuen Zug an Mo und fragte lächelnd zurück, ob es eigentlich neue Nachrichten aus den Welten des erzählenden Kranichs gebe und wie die Sache mit Mr. Precuneus sich weiter entwickele, es sei ihr sehr daran gelegen, daß dieser bei der EinSatzLeitung bleibe.

Dienstag, 23. Februar 2010

987.

Beim Frühstück sagte die Gattin des ehemaligen Chefs zu ihrem Liebsten und Mr. Precuneus, welcher zur großen Freude beider gekommen war, obwohl noch nicht gewiß war, ob dieses nun ein Abschiedsbesuch werden solle oder etwas anderes, dieses wird heute wohl ein großer Tag für Berlusconi werden, für Berlusconi, fragte der ehemalige Chef, wieso ausgerechnet für Berlusconi, und seine Gattin antwortete, weil wir eine Vergleichsgröße für Exzesse brauchen, darum, und mehr wollte sie dazu nun nicht sagen, sie schenkte vielmehr den duftenden Tee in die zartporzellanenen Tassen und dem Gast ein erstaunlich gewinnendes Lächeln, indem sie ihm zutuschelte, es wäre doch gelacht, wenn uns Berlusconi nicht dabei behilflich wäre, mal eine Person zu verteidigen, die bisher für Exzesse nicht bekannt war, wie, und sie zeigte auf eine Zeitungsmeldung, er ist doch schließlich bei allem Überschuß hoffentlich noch ein bißchen ritterlich, oder?

Montag, 22. Februar 2010

986.

Ach, der Teamsprint, oder das Teamsprint, oder Teamsplit, oder wie oder was, quackelte der Diskurswart, ungewöhnlich engagiert und enragiert, am Montagabend in sein Telefon, das ist doch einfach immer superklasse - er hatte Olympia gesehen und vor Begeisterung über den Sieg den Kwaliteitswart angerufen, denn es lag ihm was daran, daß es nicht Holländer waren, die gewonnen hatten, aber in seinen Jubel mischten sich schnell andere Gedanken, er versuchte, ohne darüber groß nachzudenken, den Kwaliteitswart in eine Gemeinschaft zu ziehen, indem er sagte, bei uns im Team gibt es eigentlich ein Problem, oder, ich meine, wenn es eine verschworene Kreativgruppe gibt, stellen Sie sich bloß mal vor, wie das ausgeht, wenn das einreißt, daß die ausreißen, ne, also ich finde, Sie sind ja da am schwersten betroffen, wenn Ihre Gefährtin einfach zu solchen Sitzungen geht, ohne Sie, das ist doch … aber der Kwaliteitswart wehrte ab und sagte, er hätte sich ziemlich gewöhnt an die Sonntage, an denen seine Frau da beim Brunch sei, und er sei nun einmal Kwaliteitswart, da wisse man, was zuerst komme, übrigens ganz im Interesse der gesamten EinSatzLeitung, sagte er, und habe ich nicht schon mal gesagt, daß nicht unbedingt die Leute die besten Teamer sind, die dauernd team-team-team schreien, er als Diskurswart müsse doch wissen, daß man lange Monologe über den Dialog halten könne, wodurch dann die jeweilige Kommunikationssituation nahezu unerträglich werde für alle, die sich irgendwie auf der verstummten Seite fänden.

Sonntag, 21. Februar 2010

985.

Ganz in Ordnung ist es glaube ich nicht, daß wir in dieser Runde dabei sind, sagte das Kind auf dem Heimweg zur Chefin, wenn sogar der Demokratiebeauftragte, mit dem du doch so eng zusammenarbeitest, sich schon benachteiligt fühlt, und die Chefin wunderte sich, worüber dieses Kind sich so seine Gedanken machte.

984.B

"Das Frühjahr kommt," sang Mr. Precuneus mit voller Stimme und aus vollem Halse, als er zu einer kleinen Abschlußsitzung in die sonntägliche Runde am Küchentisch der Kreativleitung kam, "der Schnee schmilzt weg, die Toten ruhn," und die Kreativleitung, die sich angewöhnt hatte, ihn bei diesen kleinen Sitzungen mit Wangen-Küsschen zu begrüßen, welche das französische Norm-Maß um ein Winziges überschritten, dazu eine kleine "falsche" Drehung der Hüfte, und schon war alles wieder vorbei, lachte, denn diesmal hatte er einfach seinen Gesang nur kurz unterbrochen, um durchaus angemessen zu antworten, dann waren sie an den Küchentisch gegangen, um den sich der für diese Sonntagsrunden übliche Anblick bot: Dame Ö saß an einem Ende des Tisches, welches durch dieses ihr Dasitzen als Kopfende definiert war. Ihr gegenüber saß der Lutheraner, an den treue Leser sich aus früheren Kommentaren erinnern werden. Er war ein Mann von hoher Gestalt, nicht gerade filigran, aber in seiner nicht mehr jugendlichen Massigkeit doch kraftvoll und stattlich anzusehen, er äußerte sich nicht allzu oft, aber wenn, dann dröhnte seine Stimme, daß die Wände zu wackeln schienen, mindestens aber wanderten Mos Händchen an ihre Ohren, sobald er anhob. Mo saß in ihrem blauen Mantel, unter dem sie Sonntags keinen Kittel zu tragen pflegte, sondern lediglich irgendwas Hemdartiges, auf dem Tisch in gleichsicherem Abstand von Dame Ö und dem Lutheraner. Nahe bei ihr war der erzählende Kranich, welcher auf einem Beine zwischen zwei Stühlen zu stehen pflegte, das andere angezogen. Er war etwas müde vom langen Winter, und so fiel ihm oftmals ein Auge zu. Stand er auf dem rechten Bein, so fiel ihm dann auch das rechte Auge zu, stand er hingegen auf dem linken Beine, so fiel ihm eben zuweilen das linke Auge zu. Aber ein Bein und ein Auge waren immer aktiv, so war er im großen ganzen doch dabei, also bei der Sache und bei einer gewissen Aufmerksamkeit auch für das Frühstück. Ferner saßen am Tisch die Chefin, direkt neben dem erzählenden Kranich, und ihr Kind. Ebenfalls am Tische, recht nah bei der Dame Ö, saßen die allgemeinste Verteidigung mit ihrem Kindchen und ihnen direkt gegenüber, auf der anderen Seite und also auch gleichsam neben Dame Ö, saß Freund Karomütze. Na, sagte Mr. Precuneus, als er sich neben den Lutheraner setzte, kennen Sie diesen herrlichen Brechtsong? Aber natürlich, sagte der Lutheraner, und das ist ja eben das Kennzeichen des Zuhauseseins in einer Kultur, daß man zwischen Klassikern und Nichtklassikern wohl zu unterscheiden weiß. Da warf die Dame Ö ein, Sie wollen doch nicht etwa Brecht die Klassizität absprechen, was natürlich der Lutheraner niemals im Sinne gehabt hatte. Auch die Dame Ö hatte es keineswegs ernsthaft geglaubt, vielmehr stritt sie einfach gern mit dem alten Knaben am anderen Kopfende des Tisches, und so warfen die beiden einander ihre Flötentöne um die Ohren. Karomütze hatte soeben angefangen, etwas sentimentalisch den Zeiten hinterher zu trauern, in denen er noch als bester Freund der damaligen Assistentin K mit dieser gemeinsam Brechtlieder geträllert hatte, aber dann wurde er Zeuge, wie die jetzige allgemeinste Verteidigung dem Balg des Kwaliteitswarts, das soeben herzhaft nieste, einige Flüssigkeiten von um-den-Mund wischte, und er war froh, nicht in der Haut des Vaters zu stecken und das nun täglich sehen zu dürfen, so mischte er sich schnell in die Debatte zwischen Dame Ö und dem Lutheraner, die mittlerweile auch Mr. Precuneus in Bedrängnis gebracht hatte: dessen Vorschlag, mal etwas über Calvinisten und Protestanten überhaupt in einem Film zu machen, wurde vom Lutheraner nämlich wie folgt beantwortet: "Passen Sie bloß auf mit den Calvinisten! Anticalvinistischen und antiprotestantischen Kitsch haben wir schon genug. Ich meine immer, das können wir Nestbeschmutzer am Ende besser als die, die von außen kommen. Es sei denn, man möchte einfach ein paar Klischees bedienen - dann natürlich kann man so weitermachen wie bisher mit den fanatischen, lustfeindlichen, beichtunfrohen, verklemmten und dazu auch noch geistfeindlichen Protestanten, die durch alle Filme und Romane humpeln müssen, wenn sonst niemand mehr übrig ist, ein etwas zu ausgeschlafenes postkoloniales Mütchen an ihnen zu kühlen." Mr. Precuneus war in Gefahr, sich ernsthaft gekränkt zu fühlen, denn natürlich bedeutete ihm der postkolonialistische Diskurs viel, aber er war doch nun wirklich nicht auf die Produktion von Klischees aus, und schließlich, sagte er, sei ihm der Lutheraner immer eher als ein notorischer Nestreiniger erschienen, ein Stichwort, welches wiederum den erzählenden Kranich aus seinem einseitigen Halbschlafe weckte, denn ein Nest, danach sehnte er sich schon lange, besonders, wenn es dann auch noch gereinigt wäre, aber Mo fütterte ihm ein Stück Apfel und sagte, wir müssen mal weiter weben, finde ich, eine Bemerkung, der die Kreativleitung begeistert zustimmte, denn das große Stück, das sie hier in lange verschworener Runde für den Teppich vorbereiteten, war kurz vor der Fertigstellung, es sollte nun nicht in müßigem Geplauder untergehen.

Samstag, 20. Februar 2010

984.

Ja wo ist denn meine Notiz über den Zusammenhang von Galligkeit und Freundlichkeit, verdammt, murmelte die Kreativleitung, ich hatte sie doch in der Postliste schon abgelegt unter 984., dann komme ich ins Büro und irgendeine von diesen Nasen muß das doch gelöscht haben, also das muß doch hier mit dem Teufel zugehen, und etwas schüchtern kam der klitzekleine Forschungsminister hinter dem Bildschirm hervor und gestand, leicht schwitzend, daß er im Begriffe gewesen sei, die Sache etwas weiter zu schmieden, dann aber, unzufrieden mit seiner Leistung, den ganzen Entwurf gelöscht habe, ja was fällt Ihnen denn ein, explodierte die Kreativleitung, ich lasse Sie natürlich in meinem Büro leben am Wochenende, aber wie können Sie bitte daraus das Recht ableiten, nach Belieben in meinen Entwürfen herumzupfuschen, ich könnte Sie so packen und durch die Luft schleudern, und wenn sie schon vor normalen Menschen eher höher aufragte, um wieviel mehr mußte sie nun den Klitzekleinen erschrecken, der schnellstens auf die Fensterbank sprang und darum bat, vielleicht lieber mit Mo verhandeln zu dürfen.

Freitag, 19. Februar 2010

983.

Der Sohn des ehemaligen Chefs erfreute seinen Vater nicht, als er "An den Aether deklamierend" durch das Haus wandelte, denn er war etwas zu schnell nach Ende des Semesters nachhause gekommen, und die Idee, er könne Väterlichkeit mit Nektar verbinden oder in Luft auflösen wie jener Tübinger Türmling, empfand er als eher weniger bodenständig - Bodenständigkeit aber hielt er sich zugute und wünschte er auch seinem Sohne.

Donnerstag, 18. Februar 2010

982.

Sitzung der EinSatzLeitung

Die Protokollpolitik der EinSatzLeitung ist für den Augenblick und aus gegebenem Anlaß (die Interessen von Mr. Precuneus' Heimatland) noch etwas restriktiver geworden, insofern erscheint hier statt des Protokolls, welches - sorgfältig Rechenschaft ablegend über die Diskussion zum Thema "Mr. Precuneus und die Polizeihochschule seines Landes" sowie verschiedene andere die Kunst und die Sicherheit betreffende Fragen - wohl verwahrt liegt in den Aktenschränken des buchhalterischen Büros, nichts als eine kleine Nachricht darüber, was für eine Diskussion die Dame Ö am Rande der Sitzung auslöste, indem sie von ihren Abenteuern am heimischen Bildschirm berichtete, vor dem sie am Vorabend zum ersten Male Bekanntschaft gemacht hatte mit der Sportart des "Curlings:" mit gehobener Braue und sehr amüsiert hatte sie vor Eröffnung der Sitzung bemerkt, es sei dies doch eine der Volksgesundheit sicher außerordentlich dienliche Sportart, bei der Männer ihren ganzen Gruppenautismus ausleben könnten, ohne irgendwem damit zu schaden, diese ganze sinnlose Totalkonzentration auf etwas, hatte sie fast prustend erzählt, ein Ziel, diese hektischen Bewegungen bei den schrubbenden Versuchen, es zu erreichen, dieses Anfeuern und Kämpfen, anders als beim Anblick anderer Sportarten habe der immerselbe Verhaltenskanon sie in diesem Falle außerordentlich gerührt; das alles schien sie auf eine Weise durchaus ernst zu meinen, aber der Demokratiebeauftragte, Karomütze und der Diskurswart formierten sich sofort zu einer Welle der Empörung über das "Männerbild" der Dame Ö, die allgemeinste Verteidigung hütete mal wieder ihr verschnupftes Kleinchen und war also nicht zugegen, von den anderen wollte niemand so recht zu ihrer Unterstützung herbeieilen, und so blieb die Dame Ö mit ihrer etwas zu süffisanten Begeisterung über eine auch in Deutschland aller olympischen Ehren werte Sportart ziemlich isoliert, bis nach dem Ende der Sitzung die Chefin endlich sagte, sie habe sehr bedauert, am Vorabend das Curling verpasst zu haben, es sei eine ihrer Lieblingssportarten, neben dem Eisschnelllauf, versteht sich, da überlegten es sich die Mitarbeiter noch mal, schließlich hatten auch sie ihre despektierlichen Freuden an manchen eher lächerlichen Gruppenveranstaltungen der Weiblichkeit, und wenn sogar die Chefin mit ihren haselnußfarbenen Augen nichts zu sagen fand gegen das Reden der Dame Ö über Curling und männlichen Gruppenautismus….

Mittwoch, 17. Februar 2010

981.

Trotz der Eins-zu-Eins-Warnung wurde natürlich aus dem, was die Dame Ö in Kommentierung der Bemühungen der Chefin gesagt hatte, ein Skandal, republikumspannend, weltumspannend, was auch immer, es wurde jedenfalls ziemlich ernst, und als die Kreativleitung mit den Füßen auf der Sitzfläche ihres Drehstuhls auf dem Teppich lag und Mo zuschaute, die wieder einmal Pirouetten auf dem Knie ihrer Freundin drehte, als wäre sie eine jener begnadeten Eisfeen, während die Enden ihres grauen Kittelchens flatterten, sagte sie, was machen wir als nächstes, Bloßstellen, wie Leute schließlich noch den Mißbrauchskandal zu einem Argument für eine restriktive Sexualmoral umbiegen, bei der dann Frauen rekrutiert werden müssen, die die Scherben zusammenkehren, oder endlich mal wieder wen befreien oder wen anders ehren, der sich um die Befreiung von wem verdient gemacht hat oder was, und Mo, immer noch selig sich drehend, antwortete, ich finde, wir sollten fliegen lernen, ich meine richtig.

Dienstag, 16. Februar 2010

980.

Es wäre wohl ein Thema für die nächste Sitzung der EinSatzLeitung, sagte die Chefin, als der Buchhalter in einem erneuerten Gespräch versuchte, sie von der Idee abzubringen, Mr. Precuneus zu behalten, indem er sagte, Sie können nicht dauernd Praktikantenstellen in Angestelltenpositionen verwandeln, wo soll das hinführen, und die Angeredete mußte sich sehr beherrschen, ihre Position nicht zu vergessen, sie drehte ein wenig an ihrem Bernsteinring, zählte in Gedanken die ersten auf Altersprobleme hinweisenden Flecken im Gesicht des Buchhalters, sah wieder auf ihren Handrücken, der auch nicht mehr makellos war, und sagte, sehen Sie, ich bin im Gespräch mit der Polizeihochschule in der Hauptstadt seines Landes und einem Gremium bei uns, es gibt doch einige Leute, die finden, der Kollege habe auf vielen Ebenen ein großes Potential, das uns allen zugute kommen werde, und daß er sich eben erst richtig eingearbeitet hat, daß er außerdem mit Karomütze zusammen einen entscheidenden Coup in der Hackerszene gelandet hat, ist auch nicht zu übersehen, die Frage ist einstweilen, wie wir am geschicktesten gegenüber jener Polizeihochschule agieren, ich danke Ihnen im übrigen, daß Sie auf die Gefahren aufmerksam machen, die in der Umstellung von Praktikumsstellen liegt: aber hier ist eher an die Etablierung einer fellowship mit Drittmitteln gedacht, Sie werden verstehen, daß das etwas anderes ist, und ich erwarte zur Sitzung auch von Ihnen einen konstruktiven Beitrag, und der Buchhalter hatte inzwischen begriffen, daß dies ein entlassender Satz war, er erhob sich, deutete eine Verbeugung an (eine Altmodischkeit seinerseits, die von der Chefin sehr geschätzt wurde), und verließ tatsächlich ein wenig getröstet das Büro der Chefin.

Montag, 15. Februar 2010

979.

Mr. Precuneus saß der Chefin gegenüber, mit welcher er das Ergebnis seiner unabhängigen Recherche zum Thema Polizeipsychologie zu erörtern sich vorgenommen, starrte seine Fußspitzen an und lächelte breit, als er sagte, die Leute in diesem Lande sind eigentümlich unbedarft in ihren Auffassungen von dem, was normal sei und was nicht, sie nehmen ein paar schriftliche Äußerungen hochkomplexer Köpfe, vergleichen sie mit eher stumpfsinnigen Fragebögen, und schon haben sie ein "Persönlichkeitsprofil," das in genau keinem Punkte mit dem übereinstimmt, was ein Mensch von klarem Verstand an einer Person bemerken kann, wenn er sie sieht und mit ihr spricht, und doch ist es möglich, daß alle so sehr davon überzeugt sind, das aufgrund von Fehlinterpretationen schriftlicher Äußerungen "gewonnene" Bild sei das wahre (obwohl stets ausdrücklich "Fiktion" dransteht!) und der lebendige Auftritt des Menschen sei Vortäuschung falscher Tatsachen, sie halten das Verhalten bei äußerster Erschöpfung für typisch und das Verhalten in entspanntem Arbeitsalltag für falsch, und meistens haben sie einfach nur einen Grundeinwand, ein Grundressentiment oder ähnliches gegen einen Menschen, dabei lassen sie aber Leute, die unentwegt heimliche Verbrechen begehen, jahrelang auf Kinder los, und ich frage mich, nachdem ich einige Monate das Leben in diesem Lande beobachtet habe, ob bei Beobachtungen in meiner Heimat sich ein ähnliches Bild ergäbe - bei diesen Worten sah er auf und der Chefin voll in das aufmerksame Gesicht - es wäre, nun ja, vielleicht eine Einladung, der von hier auch mal jemand Folge leisten wollte?

Sonntag, 14. Februar 2010

978.

Das können sie nicht verpacken, daß ihre besten Spieler Oranje sind, lachte der Kwaliteitswart am Morgen, da müssen sie gleich sagen, zuhören dürfe man ihnen aber nicht, weil sie so arrogant sind, die Moffen bleiben doch irgendwie Gartenzwerge - das hörte die allgemeinste Verteidigung nun nicht so gern, da sie aber alle außer sich selbst verteidigen konnte (und bei Gartenzwerg schien sie ja irgendwie mit gemeint zu sein), ging sie nicht zu Verteidigung und Gegenangriff über, sondern sagte nur, weißt du, ich habe hier gerade eine sehr komplizierte Sache, ich muß einen Priester verteidigen, der öffentlich behauptet hat, jede brutale Tat komme auf die, die sie tun, zurück, und er hat als Beispiel nicht nur gesagt, daß Li's Verurteilung China, der Hausarrest der Dame in Birma eben dieses Land kaputt macht und das Unrecht an Chodorkowsky die Russen nachhaltig schädigt, er hat sogar behauptet, daß die brutale Praxis von FGM der eigentliche Fluch der Länder sei, die dergleichen noch betreiben und zulassen, und nun hat er die gesamte Kulturszene am Hals, ich weiß wirklich nicht, wie ich es anstellen soll, da ist mir dein Fußball im Augenblick mal nicht so wichtig, wenn du verstehst, was ich meine, und der Kwaliteitswart verstand besser als ihm lieb war, man fragt sich doch, ob es nicht richtiger gewesen wäre, Unterhalt zu zahlen und wegzubleiben, dachte er bei sich, und er dachte sogar an die früheren unschuldigen Szenen mit der Leitung Ö und ihrer Öligkeit, aber er sagte es nicht, sondern schlug lieber für später mal einen gemeinsamen Spaziergang vor, denn als Nichtmoffe wollte er vernünftig und maßvoll vor und zurückgehen, aber trotzdem, sagte er, ihr seid kleinlich, und das nervt, und wenn wir euch jetzt euern Fußball retten, könntet ihr ruhig ein bißchen dankbarer sein.

Samstag, 13. Februar 2010

977.

Immer noch waren die Gehsteige der Hauptstadt dicht bepackt mit Schnee, Eis und jenem merkwürdigen Granulat, das sich so hartnäckig festsetzt in den Schuhsohlen, und als die Chefin mit dem Kind spazieren ging, kamen sie an einer Dame vorbei, die einen Anorak trug und ihren links und rechts neben ihr gehenden Töchtern das Wesen wahrer Schönheit erläuterte, indem sie ihnen erklärte, Schönheit sei eine Weise, mit sich selbst in Kontakt zu sein, wer das habe, der sei immer irgendwie schön, dafür könne man auch einiges tun, zum Beispiel täglich eine Stunde Spazieren gehen, und die Chefin, als sie das hörte, kicherte ihrem Kind zu, das ist jetzt nicht wahr, oder, das hören wir jetzt nicht, aber dem Kind war das mütterliche Verhalten peinlich, es sagte, Mann, Mama, und die Chefin löste diesen letzten Widerspruch dann lieber nicht auf, fand es aber doch schade, daß es nicht zu einem gemeinsamen Amusement gekommen war.

Freitag, 12. Februar 2010

976.

Am anderen Tag war es Mr. Preduneus, der in die Kreativabteilung kam, um dem erzählenden Kranich, der Kreativleitung und Mo zu berichten von den Hackern und ihrem Verhalten nach dem Zugriff; mit freundlich-breitem Lachen beugte er sich über das weiter angelegentlich zeichnende kleine Wesen und fragte, was ist das denn bloß, und Mo antwortete ohne aufzusehen, es werden Schuhe, sieht man das nicht, und der erzählende Kranich erläuterte: als wir heute früh durch das Treppenhaus gingen, standen vor der Tür einer Nachbarin mindestens 35 Paar Schuhe, alle säuberlich zu Paaren aufgestellt mit der Ferse zur Wohnung der Gastgeberin, es müssen wohl alles Damenschuhe gewesen sein, und Mo sagte, sie finde es sehr sensibel, daß sie nicht in die Wohnung wiesen, nicht wahr Mo, aber Mo hörte nicht, sondern zeichnete einfach weiter, so ist sie manchmal, sagte die Kreativleitung, und Mr. Precuneus wunderte sich, daß sie zu glauben schien, sie müsse dafür um Verständnis ersuchen.

Donnerstag, 11. Februar 2010

975.

Als der Kwaliteitswart an diesem Tage in die Kreativabteilung spaziert kam, ganz ohne Kaffee und die Hände in den Taschen seiner Jeans, ahnte die Kreativleitung, daß er sehr unzufrieden sein müsse, und sie hatte zu tun, ihre Nervosität in die dafür vorgesehene Ecke zu legen und ein passables Kolleginnengesicht zu machen, während Mo von ihrer vergnügt in Arbeit genommenen Skizze aufsah und ihre Lemurenaugen aufsperrte, ich ahne, eröffnete die Kreativleitung, daß Ihnen die Sache mit den Fischen etwas zu viel geworden ist, ja, sagte der Kwaliteitswart, hoe weet je dat, und wenn Sie es schon wissen, wieso haben Sie es dann trotzdem gemacht, ach, sagte die Kreativleitung, ich hatte mir den ganzen Tag ein Aquarium in den Teppich geschaut, wir brauchen doch auch das Seewesen im Teppich, ich sah Krebse und Fische und plötzlich dachte ich an kranke Fische, verstehen Sie, und der Kwaliteitswart dachte, es ist nicht richtig, daß die Chefin sie deckt, aber als Mo auf ihn zu sprang und ihm eifrigst zeigte, wie diese Sache in den Teppich geknüpft werden würde, da nahm er die linke Hand schon mal aus der Hosentasche.

Mittwoch, 10. Februar 2010

974.

Als Karomütze und Mr. Precuneus, die seit Wochen gemeinsam eine heiße Hackerspur verfolgten, schließlich vor der Kellertür standen, hinter welcher die beiden Übeltäter ihren Berechnungen nach ihre Rechner betreiben mußten, hörten sie, wie der eine - Inhaber einer seltsam krötigen Stimme - zu dem anderen sagte: Goldfisch Gamma ist mal wieder faul, den ganzen Tag nichts Richtiges produziert, wenn das so weiter geht, müssen wir uns eine andere Goldfischader suchen, schick mal ne Mail mit irgendeinem Witz über Faulheit, sagte die Fistelstimme eines anderen, dann kommt vielleicht was, ich glaube, es ist was Ernsteres, sagte der mit der Krötenstimme, womöglich hat Fischlein Lesen gelernt und liest jetzt den ganzen Tag, statt seine Sachen zu schreiben, oder es schreibt nur noch in Hefte…und Karomütze und Mr. Precuneus blieben mindestens eine Stunde lang Voyeure der Voyeure, bevor sie sich schließlich zu einem Zugriff durchrangen.

Dienstag, 9. Februar 2010

973.

Also wenn ich heute nicht den Kinderwagen gehabt hätte, hätte ich einen Rollator gebraucht, sagte die allgemeinste Verteidigung, als sie wieder in der Berliner Dependance angekommen war, während der Kwaliteitswart gewohnheitsmäßig mit seiner nicht unerheblichen Nase die Windel des noch etwas frischen Kindes auf etwelche Gerüche absuchte, denn natürlich bedeckte eine züchtige Windel wie es sich gehörte Geschlecht und Hinterteil des kleinen Wesens, übrigens nicht nur, wenn es unterwegs war, auch wenn es im EinSatzBuch erwähnt wurde, wo kämen wir hin, wenn wir hier etwa von Buben oder Mädchen sprächen, und zuweilen sammelten sich eben geruchsbildende Substanzen, was sagtest du, ist es denn so glatt draußen, fragte der Kwaliteitswart, nachdem er erleichtert festgestellt hatte, daß alles so weit in Ordnung war, und ach, du bist wieder den ganzen Tag am Schirm und in deinen Archiven gewesen, sagte die allgemeinste Verteidigung, als sie nach ordnungsgemäßer Ablage ihrer Stiefel und ihres Mantels das Kind wieder an sich nahm, und dann fing das Kind an zu schreien, wie es so geht.

Montag, 8. Februar 2010

972.

Was soll das denn bitte sein, Weltraumkrankenschwester, hamses nich ne Nummer kleiner, fragte der Oberassistent die etwas übereifrig wirkende Leitung der Abteilung Öffentlichkeit, Weltraumkrankenschwester, also wirklich, aber die Leitung der Abteilung Öffentlichkeit hatte sich vorgenommen, nach der langen Auszeit ihr Standing wieder zu gewinnen, und so blieb es dem Internet selbst überlassen, sie zu enttäuschen, denn Russisch konnte sie nicht, das konnte auch sonst keiner in der EinSatzLeitung, und die letzten für nichtrussophone Menschen lesbaren Einträge waren unter diesem Titel anscheinend von 2006.

Sonntag, 7. Februar 2010

971.

Es war Sonntag, da machte die Chefin einen Spaziergang.

Samstag, 6. Februar 2010

970.

Die Leitung der Abteilung Öffentlichkeit, welche in der kommenden Woche wieder voll einsatzfähig zu sein gedachte, hatte es sich so schön vorgestellt, sie wollte mit einem der ganz besonders angesehenen Philosophen des Landes ein Interview führen über die Frage, warum er immer noch und vehement öffentlich vertrete, daß nur Sachargumente zu gelten hätten und daß er als Philosoph selbstverständlich seine Kampagnenkunde allenfalls betreibe, um persönlich unaffizierbar zu sein durch Kampagnen und unbestechlich durch dieses oder jenen, fragen wollte sie ihn ferner, ob er mit der massiven Presseaufmerksamkeit, welche seiner Haltung zuteil wurde, nicht selbst längst ein Ober-Campaigner geworden sei, sie hatte sich sogar schon ihre buntgestreifte Bluse zurechtgelegt und frisch gebügelt höchstselbst, aber wie es aussah wurde es alles nichts, denn der Philosoph schien auf ihre Interview-Anfragen nicht zu antworten, und alle ihre Versuche, auf Umwegen doch noch an ihn zu gelangen, waren bisher erfolglos geblieben, dafür hatte das Kleinchen eine Mittelohrentzündung, was auch nichts leichter machte.

Freitag, 5. Februar 2010

969.

Der Buchhalter hielt Buch und fand die Zahl des Tages schön, Karomütze hatte endlich wirklich wieder die Karomütze auf seinem Schopf und nicht mehr den Felltopf, welchen er in den sehr kalten Tagen zu den Außeneinsätzen getragen hatte, und der Kumpel von Karomütze war sauer, weil die Bremer gewonnen hatte, denen Karomütze wegen seiner Freundschaft mit dem Kwaliteitswart (oder was er dafür hielt) irgendwie die Daumen gehalten hatte.

Donnerstag, 4. Februar 2010

968.

Mos sehr große Ohren hatten das Anrauschen des Pestvogels vernommen lange bevor dieser sich auf dem Fenstersims der Kreativabteilung niederließ, um ungewohnt vorsichtig beim erzählenden Kranich nachzufragen, wie es denn mit der Konferenzeinladung stehe, er sei es nicht gewohnt, so ohne jede Relation zur EinSatzLeitung zu leben, man müsse doch auch von irgendwem gefürchtet und verabscheut werden, und dann wolle er auch einmal nachfragen, warum alle seine Theorien nicht aufgegangen seien, und der erzählende Kranich, welcher sich an den äußeren Enden seiner Schwungfedern bremsen mußte, um nicht sehr breit zu lächeln, sagte, es sei einfach nicht sinnvoll, auf der Basis zusammengeraubter Daten, mit denen man vielleicht Straftaten rekonstruieren könne, gleich Persönlichkeitsbilder oder gar Organisationsgutachten zu erstellen und dergleichen, das Mißverhältnis von Datenbasis und exzessiver Verwendung von Schematismen habe zudem die Tücke, daß es die Auswertenden in falschen Sicherheiten wiege, wodurch alles nur immer noch schlimmer werde, überhaupt verstehe er, der erzählende Kranich, eigentlich nicht, was er, der Pestvogel, wirklich in der EinSatzLeitung gewollt habe, niemand habe ihn eingeladen, während eine Einladung doch, nach allem, was er über die EinSatzRegel erfahren habe, die erste Voraussetzung für eine konstruktive Beratungszusammenarbeit sei, und der Pestvogel sagte, es habe von berufener äußerer Seite eine Anfrage gegeben, und dann sei er auch ein an allen Bewegungen seines Faches immer interessierter Vertreter seiner Vogelei, ach so, sagte der erzählende Kranich, schüttelte sein Gefieder, stellte sich auf das andere Bein und sagte, es werde allmählich ein wenig kalt, ob er bitte das Fenster wieder schließen dürfe.

Mittwoch, 3. Februar 2010

967.

Wie kommt es eigentlich, daß Leute, die die Kultur voranbringen, fast immer arm sind, dafür aber lebenslänglich von allen anderen ausgelacht werden, viel zu früh sterben und bis dahin eigentlich immer umsonst arbeiten, fragte das Kind, das im Musikunterricht etwas über Mozart gelernt hatte, und die Chefin sagte, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen, die meisten sind blöd, ich glaube, es liegt daran, daß wirklich schöpferische Leute keine Kraft übrig haben, um Macht in Anspruch zu nehmen, und deswegen gar zu leicht geplündert werden oder direkt in den Besitz brutaler Menschen übergehen, dein Nachbar würde sagen, weil sie nicht mit Geld umgehen können (aber das war bei Mozart nicht das Problem, er hatte ja seine Frau, die sich um diese Sachen kümmerte), und wenn wir Mozart wären, hätte er uns schon gekapert und würde wahnsinnig gut auf uns aufpassen und wenn wir tot wären, würde er schnell noch EinSatzKugeln erfinden, und wenn jemand vom frühen Tod der Chefin der EinSatzLeitung und ihres Kindes spräche, würde er sich gerührt ein Taschentuch an die Augen führen, und die Leute würden sagen, er hat soo gut aufgepasst, leider ist es trotzdem passiert, drum merke wohl, sagte sie, indem sie ihre Brauen in übertriebene Höhen zog und versuchte, ein Gesicht zu machen wie Dame Ö: man soll froh sein, wenn man nichts voranbringt, sondern irgendwo hockt und Akten hin und her bewegt und zitiert, was andere schon gesagt haben, und andere beaufsichtigt, merk dir das, und, da das Kind soeben anfing, seine Geige auszupacken, fügte sie noch hinzu, üb nicht zu viel Geige, dann hast du gute Chancen, in Wohlstand und Behagen alt zu werden, vorausgesetzt, du balancierst schön die Notwendigkeit, andere zu beaufsichtigen und selbst auch noch ein bißchen gesunden Spaß zu haben, und das Kind lachte, ich bin sowieso nicht so gut, als der Mozart so alt war wie ich, da war der ja schon viel besser als ich in 30 Jahren sein werde.

Dienstag, 2. Februar 2010

966.

Der Kwaliteitswart hatte an zwei Abenden hintereinander die Personen im EinSatz begleitet, denen er eine rhetorische Zusatzausbildung hatte angedeihen lassen, und als er sich in seiner Berliner Dependance (ein Hausbootler kann noch so nett am Chamissoplatz in hohen Räumen leben, es bleibt doch gegenüber dem Hausboot auf der Amstel ein Provisorium) auf die am nächsten Tag bevorstehende Nachbereitung vorbereitete, schrieb er in riesigen Buchstaben PARASPRACHLICHE GERÄUSCHE auf seinen Notizzettel, und er nahm sich vor, den Menschen zu erklären, wie überaus wichtig bei einer guten Rede nicht nur die dem Emotionsgehalt der Worte angemessene Stimmführung sei (Jubeln in Jubelreden und solchen, die stimulieren sollen, unterdrücktes Schluchzen in Trauerreden und energische Dauerhärte in Entschlossenheitsreden), sondern wie dies alles nichts nütze und die gesamte Rede vor die Wand fahren könne, wenn der Redner es nicht unterlasse, seine Sätze durch parasprachliche Geräusche wie etwa Schmatzen, Schnalzen, Trockenheitsgeräusche usw. zu unterbrechen, zu unterlegen oder zu unterminieren, nicht nur habe das Orgelspiel in der Kirche stets einen guten Sinn, sondern auch das Glas Wasser auf dem Rednerpult, und er persönlich würde vor einer großen Versammlung niemals einen Redner sprechen lassen, ohne ihm zuvor beim Verzehr eines Glases Wasser zugeschaut zu haben, daß denen das nicht selbst auffällt, stöhnte er, aber dann beruhigte er sich wieder, denn so war er selbst doch auch noch zu was gut.

Montag, 1. Februar 2010

965.

Es ist nicht schön, wenn der ehemals weiße Schnee in schwarzgrauen Matsch übergeht, sagte Mr. Precuneus, als er im Windfang des Reihenhauses des ehemaligen Chefs artig seine sehr schmutzigen Schuhe abstellte, und die Gattin des ehemaligen Chefs sagte, mein Mann hatte früher wirklich noch Gamaschen bei solchem Wetter, aber es ist alles nicht mehr so, und nun, sagte sie, mit einem geheimnisvollen Gesichtsausdruck den willkommenen Gast zur Wohnstube schiebend, sitzt er und guckt sich zwischen zwei Nachrichtensendungen an, was die Damen und Herren Politiker tun müssen, wenn im Westen der Republik der Karneval ausgebrochen ist, Mr. Precuneus aber hob verständnislos die Brauen und fragte: Karneval?

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