Die EinSatzLeitung schreibt mit Gästen ein Buch. Pro Tag darf jede Person einen Satz einsetzen, die EinSätze werden fortlaufend numeriert. Auf der B-Ebene gibt es längere narrative Stücke. Die EinSatzKräfte und ihre Texte sind sämtlich rein fiktiv und frei erfunden. Alle Rechte bei der Autorin.
Dienstag, 30. November 2010
Montag, 29. November 2010
1259.
Es ist ein bisschen like, wie ein Brett im Kopf, sagte Mr. Precuneus, als die Kreativleitung ihn bat, schnell noch vor Mitternacht einen Satz abzusetzen, und sie verzichtete darauf zu sagen, dass es "Brett vor dem Kopf" heiße, vielleicht, weil sie mehr mit irgendwelchen merkwürdigen Sensationen in ihrem Bauch beschäftigt war.
Sonntag, 28. November 2010
1258.
Die Tür zum Gästezimmer war nicht ganz geschlossen, und als das Kind feststellte, dass alle noch schliefen, näherte es sich vorsichtig, denn es wollte einmal … aber es war schon wieder zu spät, Mo hatte es kommen hören, war sofort aufgesprungen und hatte sich ohne größeres Recken, Strecken oder Federlesen (?) unter seinem Schal hervorbewegt, die Tür ein winziges bisschen aufgeschoben und sich so sehr aufgereckt, dass sie hoffen durfte, von dem Kind der Chefin, bei der sie mal wieder übernachtet hatten, auch dann nicht umgerannt zu werden, wenn es seiner Vorsicht vergessen würde.
Samstag, 27. November 2010
1257.
Was ist eigentlich auf der Fußballszene in Holland los, fragte Karomütze den Kwaliteitswart, eine langweilige Frage, sagte der Kwaliteitswart, weil er nicht zugeben wollte, dass er eigentlich nur bei den Weltmeisterschaften Kenntnis nahm von diesen Dingen.
Freitag, 26. November 2010
1256.
Es war nicht so, dass dem erzählenden Kranich Eitelkeiten gänzlich fern gelegen hätten, im Gegenteil, wenn er etwa in einem italienischen Restaurant, das nach einem der vier Evangelisten benannt war, mit den anderen EinSatzKräften speiste und auf dem Gang zu den Örtlichkeiten, an denen man seine Federn zu putzen pflegt, wenn man dort sonst nichts weiter zu besorgen hat, einen Artgenossen in Glas gebleit sah, so konnte er sich durchaus persönlich gemeint fühlen und dankbar seine Gesamterscheinung ein wenig nach dem Bilde des gläsernen Kranich aufspreizen.
Donnerstag, 25. November 2010
1255.
"Wenn aber die einsamen city cowboys auf ihren ruhelosen Streifzügen das Objekt der Begierde wieder einmal verfehlt haben, dann gewährt ihnen der Blick in den Spiegel – die eine Hand in der Hosentasche, das Whiskeyglas oder die Zigarette in der anderen – die sinnliche Gewissheit, so edel-melancholisch dazustehen wie Humphrey Bogart" las die Chefin und sagte, doch, das ist gut, das gefällt mir, darüber reden wir gern morgen weiter, heute liegt mir der November im Magen, und gemeinsam mit der Kreativleitung verließ sie das Büro.
Mittwoch, 24. November 2010
1254.
Didaktik, Didaktik, quengelte der klitzekleine Forschungsminister, was soll das denn sein, und der Demokratiebeauftragte, auf dessen Schreibtisch der Klitzekleine sich breit gemacht hatte, sagte bereitwillig, in der Regel ein Mittel zur vollständig heteronomisierten Herstellung besser ausbeutbarer menschlicher Arbeitsgeräte, die irgendwelche vermeintlich "geistigen" Systeme besser bedienen lernen sollen, und damit es nicht nur Kinder in der Ausbildungsphase, sondern auch unbotmäßige Erwachsene besser lernen, muss man sie erst daran hindern, sich mit dem, was sie schon können, ihren Unterhalt selbst zu verdienen, indem man behauptet, ihnen alle Chancen zu geben, in Wahrheit aber ihnen alle Möglichkeiten beschneidet, und dann irgendwann, wenn man sie völlig auseinandergenommen und kaputt gemacht hat, in der Regel so, dass man mit den unterwegs anfallenden Abfallstoffen riesige Geschäfte gemacht hat, irgendwie muss man sich ja zu solchen didaktischen Projekten auch motivieren, wenn man sie also komplett depraviert und zurechtgestutzt und entmenscht hat, dann lehrt man sie wieder "die menschlichen Werte," diesmal aber didaktisiert - Didaktik ist, mit anderen Worten, der Gegenbegriff zu fairer Kooperation, fragte der klitzekleine Forschungsminister nach, so ungefähr, sagte der Demokratiebeauftragte, an ihre Stelle treten subtile Erpressung und grobe Nötigung, Didaktik an Erwachsenen, die nicht darum gebeten haben, ist in der Regel Diktatorendidaktik und nicht auf Kleckerstaaten wie Burma und Nordkorea beschränkt, sondern unter westlichen vermeintlich Linksliberalen ebenfalls weit verbreitet, solange dafür ein Rubel rollt und irgendeine Lust des Besserwissens bedient wird.
Dienstag, 23. November 2010
1253.
Die Debatte über die Debattenkultur und ein erstaunlicher AußenEinSatz hatten die Chefin so ermüdet, dass sie fast vergaß, nachhause zu gehen, weil sie an ihrem Schreibtisch einschlief.
Montag, 22. November 2010
Sonntag, 21. November 2010
1251.
Und was macht Mo, fragte der ehemalige Chef, als er, um der häuslichen Krise zu entgehen, Mr. Precuneus, welcher am Wochenende Dienst hatte, einen Besuch abstattete, und Mr. Precuneus sagte, sie ist unentwegt guter Laune, trippelt, lacht und träumt vor sich hin, wird dabei auch noch produktiv und energisch, und man fragt sich, welches unsichtbare Wesen die Ehre hat, eine solche Verwandlung durch bloßes Attrahieren auszulösen, es ist fast ein bisschen unheimlich, aber dem ehemaligen Chef schien es zu gefallen, er sagte gönnerhaft, diese Dinge seien eben immer unwiderstehlich, da könne man nichts machen, solle man auch nicht, und, plötzlich nachdenklich den Kopf senkend, wurde er doch ein wenig mahnend und meinte fragen zu sollen, ob es etwas mit dem klitzekleinen Forschungsminister zu tun habe, aber dann hätte es doch schon früher, oder ob es noch, und was es denn, und wenn das bloß gut gehe, und Mr. Precuneus sagte, mit Sorgen machen wir ja nichts besser.
Samstag, 20. November 2010
1250.
Die Krise im Haushalt des ehemaligen Chefs hatte sich zugespitzt, denn das herrlich gemeinschaftsstiftende Projekt, irgendwelche seelisch vermeintlich unterentwickelten Teile des ehemaligen Paares Ö (man ist seinen Freunden doch einen Liebesdienst schuldig) durchs Feuer zu jagen a la Zauberflöte, um sie sodann in vollständiger Nachentwickeltheit wieder zusammenzuschweißen zu einem großen bruchsicheren Wir von Weib und Mann, welche an die Gottheit heranragten, Mahann uhund Weiheib uhund Weiheib uhund Mann, war zerbröselt - beim männlichen Teil der Veranstaltung hatte die Beigesellung eines Kindermädchens und die Verfrachtung in eine Behandlung sowie der "entwicklungsmäßige Aufbau" (dieses Wort liebte der ehemalige Projektentwickler) eines programmatischen Lebens relativ gut angeschlagen, der schien auf einem guten Wege zu sein, nur dass er zu glauben schien, er befinde sich in einer realen Beziehung, so dass er der Rückführung in Glauben, Tradition und Werte von Ehe und Familie nur noch mit der falschen Partnerin würde zuarbeiten können, der weibliche Teil der Veranstaltung hingegen, Dame Ö, lernte bei allen Niederschlagungen nur immer weiter, sich zu entziehen, zeigte nicht die geringste Einsicht oder Neigung zur Kooperation, riskierte eher die Stigmatisierung als totalverrückt und noch so manches, betätigte sich zusehends an obskuren kreativen Projekten, freundete sich regelrecht mit der Kreativabteilung und ihren komischen Wesen an und überzog nach einer Phase des verbittert wirkenden Rückzugs später, wo immer man nachfasste und anbohrte, die Anbohrer und Nachfasser mit wütend scharfer Rhetorik, während sie nach Überwindung der ersten Traumatisierungen bei direkter Ansprache gnadenlos konsistentes und freundliches und zivilisiertes Verhalten bot, das eigentlich auch als emotional authentisch überzeugte, nur nicht zum Theoriecorpus passte, an dem man sein Anbohr- und Nachfassverhalten orientiert hatte, eine Situation, in welcher die Gattin des ehemaligen Chefs schließlich gesagt hatte, wir müssen dieses Projekt aufgeben, Liebster, ich möchte lieber mit der real erwachsenen Dame Ö befreundet sein als weiter an irgendwelchen sozialen Kunstwerken mit zu wirken, und der ehemalige Chef schlug mit der Faust auf den Tisch, donnerte die Bilderrahmen an, predigte in die Mikrophone der Journalisten, die Wind von der Sache bekommen hatten, und überwarf sich zu allem Überfluss auch noch mit seinem Sohne, welcher von Anfang an gesagt haben wollte, dass man Leute, die auseinandergehen, auch auseinandergehen lassen solle, und Leute, die zusammenbleiben wollen, zusammenbleiben lassen müsse, und dass er die Opernwelt erst richtig zu genießen verstehe, seit er die Botschaften nicht mehr ganz so wörtlich nehme.
Freitag, 19. November 2010
1249.
Zeit für den Drehstuhl, dachte die Kreativleitung, als sie festgestellt hatte, dass wirklich alle EinSatzKräfte unterwegs waren am Freitagabend, und legte sich auf den Teppich, Füße auf die Sitzfläche des Stuhles, um darüber nachzudenken, wie sie ein möglichst verschachteltes System der gegenseitigen Kontrolle und Sensibilisierung der verschiedenen Sicherheitsbeauftragten installieren könne, alles durch die Chefin gleichsam hindurch, natürlich, die musste es ja machen, und sie murmelte vor sich hin: erst sagt man der Chefin, Karomützens Paranoia werde wirklich allmählich schlimm, man müsse ihn unauffällig observieren, dann wird sie sagen, wer soll es machen, ich werde den Diskurswart vorschlagen, der ist gut im… die Tür öffnete sich und ohne anzuklopfen trat die Leitung der Abteilung Öffentlichkeit ins Kreativbüro, sie hat sich verändert, dachte die Kreativleitung und sprang relativ behende auf ihre Füße, rhetorischen Hüftspeck angesetzt hat sie, dachte die Kreativleitung, man kann gar nicht so viel "wir" schreien wie man es müsste, um sie zu toppen, aber sie streckte ihr mal die Hand entgegen, fuhr sich dann wieder durch die zerstrobelten Haare und sagte, ein bisschen ungewöhnlich ist das ja schon, dass Sie um diese Zeit noch zu mir kommen, etwa nicht?
1248.
War dir die Stimme des Sängers zu laut, fragte die Kreativleitung vom Steuer des Kleinbusses aus, denn sie sah im Rückspiegel, wie Mo, welche neben dem klitzekleinen Forschungsminister in einem der Kindersitze saß, sich nach dem Konzert die Ohren rieb, neinneinnein, sagte Mo, es war nur das Colophonium, die Cellistin hatte vergessen, ihren Bogen mit Colophonium einzureiben, und wenn ich dann höre, wie der Bogen auf den Seiten kratzt, denke ich immer an meine Mutter selig… die Mutter selig, achachach, raunzte der Sicherheitsbeauftragte, und der Diskurswart quakte dazwischen, er habe gedacht, dass die Cellistin den Effekt gewollt hätte, denn die war doch eigentlich sehr…jetzt ist Mo einfach mitten im Satz eingeschlafen, sagte der klitzekleine Forschungsminister und schaute missmutigen Gesichts nach vorne, wo Dame Ö auf dem Beifahrersitz weilte (denn sie konnte gar nichts anderes als Weilen, schon gar nicht in irgendwelchen japanischen Kleinbussen) und sagte, es wundere sie eigentlich sehr, dass wo immer man hin komme, neuerdings ein Mr. Precuneus da sei, und er grüße immer so freundlich, nicht wahr.
Mittwoch, 17. November 2010
1247.
Hören Sie mal, wie lange wollen Sie eigentlich noch hier herumsitzen und irgendwelche Adressen manuell in Ihre Verteiler flicken, fragte der Buchhalter den Oberassistenten, neben dessen Bildschirm sich die Alufolien vom Marzipan stapelten, wenn es nur ums Einflicken ginge, murrte der Oberassistent, aber es ist mehr, dass die Mails nicht rausgehen!
Dienstag, 16. November 2010
1246.
Hat sie es nicht wirklich etwas übertrieben, die Chefin gestern, fragte der Demokratiebeauftragte den Diskurswart, und dieser sagte, die Chefin weiß doch wahrscheinlich gar nichts davon, dass so über sie berichtet wurde, aber in dem Augenblick trat sie herein und sagte, ich habe gesagt, was ich gesagt habe, und nicht gesagt, was ich nicht gesagt habe, diese ganzen komischen Zeichen der Internetsprache hat mir dann zuhause mein Kind erklärt, ich war erst etwas entsetzt, aber dann hat es dazu gleich ein berühmtes Bild von Einstein gezeigt, damit war die Sache für mich eigentlich erledigt, wie sehen Sie das, meine Herren, Fragen, Probleme, kommen Sie doch damit immer gern zu mir, wir sind hier schließlich nicht, um irgendwelche Albernheiten übermäßig ernstzunehmen, mit denen andere Leute sich ihre Zeit vertreiben, oder?
Montag, 15. November 2010
1245.
Wrath, said Mr. Precuneus, when the Kwaliteitswart asked him for his opinion about a possible subject for the international security conference ahead, why wrath, asked the Kwaliteitswart, isn't that like somewhat psychological a subject (und er schämte sich sehr wegen seines unterentwickelten Englisch) but Mr. Precuneus's face displayed that stern expression which had brought him hither (oweia), and so the Kwaliteitswart decided to postpone the matter to another day, es sollten mehr EinSatzKräfte dabei sein, dachte er (und schämte sich weiter, denn dieses Sprachenchaos war nicht ganz in seinem Sinne).
Sonntag, 14. November 2010
1244.
Es war einer dieser Tage, an denen die im allgemeinen eher auf Frieden und Harmonie abonnierte Gattin des ehemaligen Chefs sich wünschte, sie wäre Besitzerin des schwarzen Alfa Romeo und imstande, mit rauchenden Reifen und gern auch rauchenden Colts durch die Polder und weit über sie hinaus über die Prärie zu nageln, um dort alles abzuschießen, was sich bewegte, denn manchmal war der alte Stietz wirklich nicht zu ertragen, und nicht immer gelang es ihr, einfach nur die Braue zu heben und zu sagen, wie wäre es, wenn wir uns nach dem Tee wieder sprächen - nein, an manchen Tagen ließ sie ihn teelos in seiner sich steigernden Hilflosigkeit und wanderte zum Beispiel durch sonnige Novemberlandschaften bei frühlingshaften Temperaturen, ohne den Wunsch, mit auch nur irgendwem zu sprechen, ohne besondere Freude beim Anblick dieser demonstrativ glücklichen und der nicht minder demonstrativ unglücklichen Menschen in ihrer relativ gehobenen Nachbarschaft, sie war dann einfach nur wandelnde Wut, und es gab auch keinen Ausweg, denn sie sah ja täglich, wie Dame Ö ihren Schneid bezahlte.
Samstag, 13. November 2010
1243.
Als die Kreativleitung am folgenden Tage brav von der Sondersitzung samt ihren Störungen durch Karomützens Nachfrage und die Unflätigkeiten der Warte berichten wollte, wurde die wie stets nur angelehnte Tür des Büros leise ein wenig aufgeschoben und Mo kehrte mit einem neuen goldgelben Hütchen und einem dazu passenden Schal über dem prunkenden Blaumantel von einem ihrer Ausflüge in den Novemberregen zurück, sprang behende auf den Schoß der Kreativleitung, starrte mit riesigen Lemurenaugen auf den Bildschirm und sagte, es sei blöd, über diese Dinge zu berichten, die sollten doch ihre Arbeit machen und fertig, sie aber habe in einem dieser Lesebuchläden Kaffee getrunken und etwas über Balzac gelesen, das sehr lustig gewesen sei, darüber solle man schreiben, und der erzählende Kranich, der herzugetreten war, sagte mit einer leichten Enttäuschung in der Stimme, du könntest doch wenigstens einmal guten Tag sagen, merkst du überhaupt, dass ich wieder da bin?
Freitag, 12. November 2010
1242.
Ein Rauschen, ein Sausen, ein Scharren am Fenster, ein Öffnen des Fensters durch die grünlichen, spitzknöcheligen Hände der Kreativleitung, und der erzählende Kranich landete tänzelnd wieder in der Kreativabteilung, winzige Eiskristalle schienen aus seinem glänzenden Gefieder zu rieseln, das Schmunzeln von Schwungfeder zu Schwungfeder wirkte - so leid es ihm tat, dieses Wort schon wieder aus dem Schnabel kollern lassen zu müssen - ein wenig klamm von den seinesgleichen nicht sehr angemessenen Temperaturen, sein Blick strahlte erwartungsfroh wie immer zuerst in die Ecke, in der Mo ihr Lager auf einem Fell zu haben pflegte, das Fell lag auch da, der karierte Schal ordentlich daneben, aber das Lager war verlassen, wo ist Mo, fragte der erzählende Kranich, und nun war es an der Kreativleitung, warm zu lächeln und zu sagen, sie hat neuerdings ganz eigenartige Allüren, fast als hätte irgendwer ihr das Köpfchen verdreht, ich weiß allerdings nicht, wer es sein könnte, nur sehe ich, dass sie fröhlicher trippelt als früher, die nächtlichen Schweißausbrüche werden weniger und die ängstlichen Reaktionen, die sie an sich hatte, als ich sie fand, und die nur langsam nachließen, scheinen inzwischen auch völlig verschwunden zu sein, vor allem aber ist sie dauernd unterwegs, und keiner weiß wo, und der erzählende Kranich wunderte sich sehr, als er dieses vernahm.
Donnerstag, 11. November 2010
1241.
Eine überaus klamme Atmosphäre herrschte in der EinSatzLeitung, als die Chefin in deutlich verärgerter Tonlage, wenn auch nicht völlig humorfern festgestellt hatte, dass sie die Entschuldigung der Kreativleitung für den versäumten EinSatz des Vortages ja noch annehmen könne, da nun einmal die Arbeit an der Fertigstellung des Wandteppichs usw., aber für die Kreativleitung selbst wie für die anderen, insbesondere die ebenfalls mit der Produktion befassten EinSatzKräfte müsse doch gelten, dass dann für irgendeine Winzigkeit gesorgt werde, wobei ihr strenger Blick insbesondere an Dame Ö hängenblieb, denn der erzählende Kranich war noch nicht wieder zurück von seinem Überflug über die Ebenen der minderen Sprachen, in welchen der Pestvogel bekanntlich klamm und breit nistet, und Mo hing seit Tagen eher kläglich im Bündel der Kreativleitung und kam nur sehr selten überhaupt heraus.
Dienstag, 9. November 2010
1240.
In den Niederungen der minderen Sprachen hatte sich schwerer Nebel auf die Siedlungen derer Pestvögel gesenkt, seit der Kwaliteitswart in Sekundierung der üblichen Arbeit der EinSatzLeitung seine Kurse zur Förderung der Durchsichtigkeit kommunikativer Prozesse abhielt, denn dadurch schien neuerdings selbst unter einigen Pestvögeln erstens der Fetisch des positiven, notfalls gegen alle Realität "zukunftsorientierten" Denkens ein wenig an Glanz zu verlieren (gar zu stereotyp war das Geplapper der Positivdenker geworden), und zweitens und aus erstens folgend kam eine viral sich ausbreitende pestvogelinterne Depressionsinquisition zutage, die in allen Äußerungen von Trauer und Hilflosigkeit und vor allem auch überall da, wo man dem Geplapper sein Erzwungenes noch anzumerken schien, eine verheimlichte Depression zu outen versuchte - Inquisitionen aber, sobald sie den in sie Involvierten bewusst werden, lähmen zuerst die gewissenhafteren, während sie ihren Betreibern für eine Zeit enormen Auftrieb geben, zumal der Pestvogel als solcher in einem besonderen Sinne eifersüchtig ist, süchtig nämlich danach, zu eifern und unbedingt das Richtige zu tun.
Montag, 8. November 2010
1239.
Ein besonders wichtiges Satzelement im Prozess der schleichenden Verwandlung demokratischer Verhältnisse in solche, in welchen Menschen andere zu Objekten ihrer Macht machen in etwas, das man zum Beispiel "social engineering" nennen könnte, sind die Wörter "erst" und "noch," sagte der Kwaliteitswart zu den Teilnehmern seines Kurses, wer Macht über jemanden hat und die nicht abgeben will, sucht dafür nach Begründungen, und eine beliebte Struktur - von vielen als "erzieherische Maßnahme" aus dem Vollwaschgang ihrer Ideologiewaschmaschinen gezogen - ist, Fehler beim weniger Mächtigen zu suchen und zu finden, welche erst noch behoben werden müssen, bevor er… Dinge, die erst noch geleistet werden müssen, bevor er… usw., Sie dürfen davon ausgehen, meine Damen und Herren, dass den Menschen, die Macht haben, diese immer sehr gut schmeckt, und Menschen, die sie aus freier Überzeugung oder gar aus ernsthafter Liebe abgeben, sind sehr sehr selten, weswegen Sie jetzt bitte folgendes mitschreiben: um den der Freiheit allein entsprechenden erhabeneren gesellschaftlichen und emotionalen Beziehungen zwischen den Menschen Raum zu geben, dürfen wir auf KEINER Stufe nachlassen, faire, transparente Verhandlungen als das A und O aller Veranstaltungen, bei denen nicht Menschen zu Objekten der Handlungen und Pläne anderer Menschen werden sollen (und dass sie das niemals werden dürfen, sollte außer bei Kant gern auch bei uns im Grundgesetz stehen, meine ich) für eine verbindliche Maxime zu halten, haben Sie das, so, und nun dürfen die, die ich ungeduldig auf ihren Stühlen herumrutschen sehe, sagen, wo ihnen das nicht passte, ein Sturm von Fragen erhob sich, und der Kwaliteitswart freute sich, denn nun wusste er, er hatte einen Punkt getroffen.
Sonntag, 7. November 2010
1238.
Die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse musste blitzschnell übernehmen, obwohl es nun wirklich nicht ihre Aufgabe war, den Buchhalter aufzuhalten oder aufzubehältern (plötzlich wusste sie nicht mehr, wie man es richtig sagte) drum zog sie es vor, einmal die wichtigen Themen nach vorn zu bringen, nämlich erstens aus gegebenem Anlass einen weiteren Aufruf zur Befreiung von Aung San Suu Kyi zu schalten und zweitens die besten Genesungswünsche an Jon Gnarr zu posten (der hatte angeblich ein Wappenleiden), und (Katastrophe) niemand fiel ihr in den Arm.
Samstag, 6. November 2010
1237.
Das wird ein Nachspiel haben, schrie der Buchhalter, ich kündige, und dann wollen wir doch mal sehen, was hier mit der Buchhaltung ist, ich werde sofort an die Presse gehen, Buchbehälter, so weit kommt das noch, ach, macht doch euren Sch… alleine, ich … und Karomütze, welcher der Zweite im WochenendEinSatz war, sprang mit übertrieben erschrockenem Gesicht zur Seite.
Freitag, 5. November 2010
1236.
Eigentlich müssen wir doch heute nicht noch einen EinSatz machen, der von gestern war ja ein bisschen spät, also steht Freitag dran, vernünftelte der Oberassistent, aber der Buchhälter, zumal ohnehin noch sauer, insistierte und sagte, irgendwas werden Sie noch schreiben können, definieren Sie zum Beispiel einfach mal Geschwader, das sollten Sie doch aus dem Stand heraus können, etwa nicht?
1235.
Mo hatte sich so in die Gespräche mit dem erzählenden Kranich vertieft, dass ihre Schulterblätter anfingen zu jucken, als wollten ihr mal wieder Flügelchen wachsen, und außerdem wollte sie neue Knöpfe für ihren prachtvollen blauen Mantel.
Mittwoch, 3. November 2010
1234.
Wieder mal eine gute Zahl zum Aufhören, dachte der Buchhalter, und stopfte sein kariertes Flanellhemd in die Hose, denn weit und breit war kein Signal zu sehen, das ihm den Vorruhestand hätte ankündigen können, da lohnte es nicht, von seiner Lieblingsbeschäftigung aufzusehen, auch Konflikte waren nicht in Sicht, und von Schlange stehenden Headhuntern träumte er schon lange nicht mehr - nein, alles war okay in der EinSatzLeitung, die Kreativleitung hatte die Hoheit über den Inhalt der EinSätze wiedergewonnen und beglückte soeben Mr. Precuneus mit der Frage, ob er eigentlich glaube, dass ein Mensch (vergessen wir für einen Augenblick mal kulturelle Unterschiede, Gender usw.) sich in Würde den tieferen Regungen (vergessen wir für einen Augenblick die Frage, ob mit oder ohne Chance) aussetzen könne, ohne sofort gemetzelt zu werden von Hämlingen, die irgendeine jammervolle Freude an notorischen Demütigen derer haben, die sich in Liebesdingen nicht dreinreden lassen, und Mr. Precuneus wusste nicht, ob er seine Stirn in sorgenvolle Falten legen oder sein Lächeln freilassen sollte, drum lenkte er das Gespräch vorsichtig auf die Lage in den USA, da waren doch die sorgenvollen Falten in jedem Falle angebracht, und die Kreativleitung würde sich weder täuschen noch von ihren Gedanken abbringen lassen, sondern einfach weiter schreiben, so gut kannte er sie inzwischen, die USA hingegen!
Dienstag, 2. November 2010
1233.
Ihren Dienst versah die Minderheitlerin mit der ewigen blauen Bluse und den ewig rotgeränderten Augen wie üblich, und als der Komplexitätswart, der mit der Erforschung ihres Identifizierungsgrades beschäftigt war (er pflegte solche Studien immer mal wieder zu betreiben, in niemandes Auftrag, einfach nur so, um sich zu beweisen, wie komplex er immer noch war) ihr ein Zeitungsfoto vorlegte, auf dem ein roter Container mit der in weißer Farbe dick aufgetragenen Aufschrift "Einsatzleitung" in der Nähe des Erdfalls von Schmalkalden zu sehen war, dachte er, ich werde berichten können, sie habe sich fast identifiziert, denn anders war doch das Lachen kaum zu deuten.
Montag, 1. November 2010
1232.
Der Demokratiebeauftragte beendete einen Streit mit Kwaliteitswart, Leitung Ö und Komplexitätswart, indem er, sich zum Chefinnenbüro wendend, in dem er noch etwas zu besprechen hatte, abschließend konstatierte: Adorno ist dem Menschen zumutbar.
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